Große Reiseenduros stellen die beliebteste Motorradgattung in Deutschland, sind auch in Frankreich und Italien sehr erfolgreich. Weil sie viele Motorräder in einem verkörpern, alles mitmachen: knackig über Alpenpässe bolzen, mit zwei Leuten und Gepäck auf Tour gehen oder souverän durch den Alltag tragen. Sie sind da, wenn man einfach raus muss, alles hinter sich lassen will. Sie halten die Sehnsucht am Köcheln. Man könnte ja, wenn man wollte. Oder dürfte. Einfach fahren, einfach leben.
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Reiseenduros im Vergleichstest Teil 1
Reiseenduros mit 19-Zoll-Vorderrädern im Test
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Zum ersten Teil des großen Reiseendurovergleichs stellen sich sechs 19-Zöller mit sechs verschiedenen Motorkonzepten. Bislang gab die luftgekühlte BMW R 1200 GS die Marschrichtung vor. Sie prägte das Rezept dieses Segments: rund 1200 Kubik, etwa 110 PS aufwärts und gerne Kardan. Das Ganze garniert mit ABS und Traktionskontrolle, großen Einzelschalldämpfern, Bordcomputern und verstellbaren Scheiben. 2013 nun tritt BMWs Trendsetter komplett neu konstruiert mit wassergekühltem 125-PS-Motor und verbessertem Fahrwerk an. Die Herausforderer mühen sich, das Wettrennen um Käufergunst und Testsiege endlich mal zu gewinnen. Kann die runderneuerte GS die Konkurrenz weiter in Schach halten?
KTM 1190 Adventure
Optisch ist die neue KTM 1190 Adventure ein gediegener, fast zierlicher Enduro-Tourer. Glatt und kompakt wirkt sie, steht stämmig auf ihren 19- und 17-Zoll-Rädern, vorn 120, hinten 170 Millimeter breit. Dieselben Pneu-Formate wie an der BMW R 1200 GS. Nur noch 190 Millimeter Federweg, so viel wie bei der Yamaha, stehen für alle Arten von Abenteuer parat, 20 weniger als bei der alten 990er. Trotz 23-Liter-Tanks, des zweitgrößten des Sextetts, erinnert die Adventure weniger an ParisDakar, eher an die 990 SMT. Aber Achtung, sie ist ein Wolf im Schafspelz: Im 9,8 Kilo leichten Gitterrohrrahmen pocht das „gezähmte“ Herz aus dem Supersportler RC8.
fact
KTM 1190 Adventure. Reisen oder rasen? Echte 147 PS treffen auf moderat lange Federwege, nur 238 Kilogramm und viele elektronische Helferlein.
Bellend erwacht der feurige 75-Grad-V2 mit einer Leerlaufdrehzahl von gut 2000/min. Federleicht lässt sich der Hebel der servounterstützten Kupplung ziehen, präzise flutscht der erste Gang rein. Feinfühlig hängt der Zweizylinder mit den vier Zündkerzen am elektronischen Gasgriff, fast ohne störende Lastwechsel. Bei Drehzahlen unterhalb von 3500 Touren läuft der Ultrakurzhuber (riesige 105er-Slipperkolben!) in den oberen Gängen noch nicht recht rund. Tempo 80 sollte es im Sechsten schon sein. Trotzdem drückt die KTM 1190 Adventure dank kurzer Übersetzung Top-Durchzugswerte ab, rasante 7,2 Sekunden von Tempo 60 auf 140.
Auf mild folgt wild: Bis zur 6000er-Marke grummelt der V2 akustisch dezent. Dar-über stürmt das Triebwerk echten 147 PS bei 9600 Touren entgegen. Schnell schalten, denn 100 Umdrehungen später kneift der Drehzahlbegrenzer zu. Versprochene Vmax der KTM 1190 Adventure: brutale 250 km/h. Von nichts kommt nichts: Neben der Honda ist der Benzinverbrauch der höchste, ab 5,6 Liter auf 100 Kilometer. Vier verschiedene Fahrmodi verknüpfen Gasannahme, Leistungsabgabe, Traktionskontrolle und ABS-Regelung.
Volle Leistung liegt bei „Sport“ und „Street“ an, 100 PS bei „Rain“ und „Offroad“. Im Gelände-Modus spricht der V2 wie bei „Sport“ sehr direkt an. Alle Einstellungen sind auch völlig frei kombinierbar. Erst die im „Street“-Modus hektisch im Cockpit blinkende Kontrollleuchte offenbart beim Rausbeschleunigen, wie viel Power die schräglagenabhängig arbeitende Traktionskontrolle wegdosieren muss, damit das Hinterrad in der Spur bleibt. Der Modus „Sport“ bietet bestmögliche Beschleunigung bei kontrollierbarem Hinterradschlupf. Schaltet man die Traktionskontrolle ganz aus, sind wilde Drifts und Wheelies selbst im dritten Gang die Folge. Ein echtes Superbike, die KTM 1190 Adventure. Die elektronischen Helfer lassen einem stets die Wahl, sicher oder sportlich.
Für 800 Euro Aufpreis auf den Grundpreis von 13995 Euro ist das elektronische Fahrwerk von WP mit an Bord - im Paket mit Hauptständer und Reifenluftdruckkontrolle. Gute Rückmeldung trifft bei der KTM 1190 Adventure auf eher straffe Abstimmung. Komfort? Geht so. Prima haben die fein dosierbaren Brembo-Bremsen mit dem neuesten Bosch-Kombi-ABS das leichte 238-Kilo-Gerät im Griff. Die Bremsleistung ist klasse. Der Handbremshebel betätigt das mit Abhebeerkennung bestückte Hinterrad mit. Im Gelände-Modus regelt das ABS nur vorne, lässt ein blockierendes Hinterrad zu.
Der schwergängige, nicht einstellbare Lenkungsdämpfer bewirkt leichtes Taumeln um die Längsachse bei Schleichfahrt, beim flotten Fahren in flüssigem Kurvengeläuf verwässert er die Linie. Das stramme Lenkkopflager hatte KTM seit dem ersten Test bereits korrekt eingestellt. Nun ist es besser, doch nicht ideal: Die KTM 1190 Adventure lenkt nicht so genau auf den Punkt ein. Ein solch scharfes Eisen dürfte zielgenauer, zackiger fahren. Skalpellartige Sichelschnitte durch die Kurvenradien zieht die KTM keine. Und dies, obwohl die 1190er auf Continentals famoser Neuentwicklung TrailAttack 2 rollt.
Durchdachte Details gibt’s haufenweise. Tagfahrlicht mit Helligkeitssensor etwa. Die Antriebskette lässt sich beim Hinterradausbau auf Zacken an der filigranen Schwinge ablegen. Lenker und Fußrasten sind zweifach, die Scheibe stufenlos verstellbar. Okay ist der Sitzkomfort, trotz recht harten Sitzes und schmalsten Lenkers. Fernreisetauglich machen lang gestreckte 15000er-Wartungsintervalle. Aber das wahre Potenzial der neuen KTM 1190 Adventure erschließt sich kaum beim gemütlichen Bummeln. Und für den Lockruf der Wüste gibt es ja noch die R-Version: mit längeren Federwegen (je 220 Millimeter), großen, schmalen Enduro-Rädern (21/18 Zoll) und allem sonst, was man fürs große Abenteuer so braucht.
Triumph Tiger Explorer XC
Fernreise? Abenteuer? Dafür preist Triumph die XC-Version der erst 2012 eingeführten Triumph Explorer an. Rein visuell macht die martialische „Cross-Country“-Variante schwer auf Entdecker. Mit Sturzbügelset, Zusatzscheinwerfern und Handprotektoren. Dazu mit stabilem Ölwannenschutz aus Aluminium, nicht wie bei der KTM 1190 Adventure aus Plastik. Motor, Antriebsstrang und Fahrwerk stammen unverändert vom Standard-Explorer. Während dieser Gussfelgen hat, rollt die Triumph Tiger Explorer XC auf Aluminiumfelgen mit Stahlspeichen. Auf ihnen sitzen Schlauchlosreifen - wie bei allen Mitbewerbern. Doch im Gegensatz zu Triumphs 800er-Tiger XC trägt die 1200er keinen 21-Zöller vorn.
fact
Triumph Tiger Explorer XC. Fühlt sich schwer und mächtig an. Aber auch betörend und exklusiv - dank Dreizylinder-Röhrens und natooliven Mattlacks.
Der famose Dreizylinder verwöhnt mit sehr gleichmäßiger Leistungsabgabe. Elektronischer Gasgriff und Kardan reagieren schön weich auf Gas auf, Gas zu. Ganz geschmeidig. Feinfühlig regeln bei der Triumph Tiger Explorer XC die zweistufige Traktionskontrolle und der Tempomat. Well done. Unnachahmlich ist der Sound, ein halbierter Sechszylinder: „vroouum“.
Tolle Fahrleistungen (über 130 PS!) treffen auf geringen Verbrauch (4,7 Liter) - was wie bei der BMW R 1200 GS den kleinen 20-Liter-Tank relativiert. Zusammen mit Hondas V4 lässt sich die Triumph Tiger Explorer XC am schaltfaulsten fahren. Tiefster Drehzahlkeller? Kein Problem für den Breitband-Wohlfühlmotor. Der Drilling ist vom Standgas bis über 9000 Touren gut dabei. Wermutstropfen? Der lange Schaltweg zwischen erstem und zweitem Gang.
Ab Werk ragt der Schalthebel zu weit auf. Zum Hochschalten muss der Fuß von der relativ früh aufsetzenden Raste. Mit wenig Gefühl vom Vorderrad umrundet die Triumph Tiger Explorer XC Kurven. Ansprechverhalten und Abstimmung der 46er-Upside-down-Gabel sollten besser sein. Weiche Federn, zu straffe Dämpfung. Weil sich bloß die Vorspannung verstellen lässt, ist eine perfekte Einstellung nicht drin. Kurvenausgangs drängt der 277-Kilo-Stier nach außen, er liebt weite Bögen. Da heißt es, kraftvoll am verstellba-ren Lenker zuzupacken, um ihn auf Linie zu halten. Zumal sich die XC beim Griff zur wirkungsvollen Vorderradbremse merklich aufstellt. Hoch fällt die nötige Handkraft aus, sensibel regelt das ABS. Wegweisend sind 16000er-Service-Intervalle, brillant ist die Top-Ausstattung der XC. Sie kostet 14950 Euro, 1200 mehr als der Standard-Explorer.
Honda Crosstourer
Eine V4-Reiseenduro gabs bis 2012 noch nie. Aus dem größten Hubraum des Feldes, stattlichen 1237 cm3, erwachsen echte 121 PS und 118 Newtonmeter. Bereits unter 3000/min legt der sanft laufende Vierzylinder gleichmäßig und druckvoll los. Untermalt vom dezenten Säuseln aus dem optionalen Akrapovic-Auspuff. Zwischen 5000 und 6000 wird der Druck brachial, stemmt der Honda Crosstourer das fetteste Drehmoment des Sextetts. Doch in souverän überlegenen Durchzug münzt der durstige V4 mit der Big Bang-Zündfolge dies nicht um.
fact
Honda Crosstourer: Der v-förmige Scheinwerfer sagt, was Sache ist: Hier kommt eine V4-Maschine angefegt. Ihre hohe Tourenscheibe kostet extra.
Dafür ist die Endübersetzung zu lang, obwohl der Speedcutter bei echten 209 km/h den Saft abdreht. Plump regelt die abschaltbare Schlupfkontrolle, braucht nach einem Eingriff lange, ehe sie wieder volle Leistung freigibt. Die Kardan-Einarmschwinge verzichtet im Gegensatz zu der von Triumph oder BMW sowie dem Zweiarm der Guzzi auf Momentabstützung. Schwer fühlt sich der Honda Crosstourer beim Schieben und Rangieren an. Hoch der Schwerpunkt, enorm das Gewicht: rund 280 Kilogramm inklusive Zubehör. „Ein großer Wal“, meint Bertrand, unser französischer Kollege.
Die wenig bequeme, einteilige Sitzbank ist als einzige nicht höhenverstellbar. Merkwürdig passiv, nicht Hondatypisch geriet die Sitzposition: Breit spreizt es die Beine, obwohl die beiden hinteren Zylinder enger zusammenstehen als das vordere Pärchen. Hoch ruht der Lenker - wie bei einem Custombike. Soll man etwa die ganze Zeit im Stehen fahren? Weitere Nickeligkeiten: Aufbocken auf den leider aufpreispflichtigen Hauptständer braucht Kraft. Dürftig geriet die Serienausstattung des Honda Crosstourer: Die Bordsteckdose unterm Sitz kostet 98 Euro. Ein Motorschutz fehlt der „Straßen-Enduro“ (Honda) mit der geringen Zuladung von 186 Kilogramm. Dafür brillieren die Bremsen. Teilintegral zwackt das Pedal auch vorn mit. Leichtfüßig machen ihre Pirelli-Reifen die Wuchtbrumme.
Ihr Fahrwerk hat die geringsten Federwege, funktioniert aber manierlich. Die Gabel stuckert etwas bei raschen Impulsen, dem Federbein hilft bei Zuladung komplett zugedrehte Zugstufendämpfung. Vertrauensbildend wirkt der kleine Wendekreis. Wo der Honda Crosstourer Glanzlichter setzt? Nun, die optionale Touring-Scheibe schützt neben der von der BMW R 1200 GS am besten. Beispielhaft ist die Dreijahresgarantie. Und für 1000 Euro Aufpreis gibt’s die mächtige V4-Maschine auch mit Hondas einzigartiger Doppelkupplung.
Yamaha XT 1200 Z Super Ténéré WorldCrosser
Bunt sind sie, die Rallye-Werksfarben von Yamahas XT 1200 Z Super Ténéré WorldCrosser, Blau und Gold im Kontrast mit Rabenschwarz. Schick. Da fläzt man sich gern in den Plüschsessel von einer Enduro-Bank, sitzt gefühlt sehr drin, prima integriert im Motorrad mit den tief platzierten Fußrasten. Für kleine Piloten ist die Yamaha im Kreise der ganz Großen erste Wahl.
fact
Yamaha XT 1200 Z Super Ténéré Worldcrosser. Yamahas traditionelle Rallye-Farben machen schwer auf wild. Dabei ist die 1200er tatsächlich eher ein gutmütiger Kumpeltyp.
Der Reihentwin mit 270 Grad Hubzapfenversatz der Kurbelwelle imitiert einen 90-Grad-V2. Dezent pröttelt er aus dem plump schwarz lackierten Stahl-Schalldämpfer, dem einzig unedlen Endtopf aller sechs Maschinen. Im Drehzahlkeller fühlt sich der Motor nicht nach vollen 1200 Kubik an. Da agiert er ein wenig müde und antrittsschwach. Gemütlich eben.
Eine Suzuki V-Strom 650 drückt machtvoller aus den Kehren. Nein, Bäume reißt die Yamaha XT 1200 Z Super Ténéré WorldCrosser nicht aus, kommt erst ab der 5000er-Marke lebhafter zur Sache, speziell im sportlicheren S-Mapping statt dem touristischeren T-Modus. Etwas zäh wirkt der Twin beim Ausdrehen. Zumal der Zweizylinder in den unteren drei Gängen gedrosselt ist. Vertraut Yamaha etwa der dreistufig einstellbaren Traktionskontrolle selber nicht? Sie funktioniert doch gut. Untenherum offeriert erst andere Software viel mehr Punch. Doch wer die anderen Kandidaten nie gefahren hat, wird womöglich nichts vermissen. Auch ohne den ganz großen emotionalen Kick.
Klasse ist der reaktionsarme Kardan, begeisternd das gut austarierte Fahrwerk der Yamaha XT 1200 Z Super Ténéré WorldCrosser. Ihr Rahmenheck ist wie bei der BMW R 1200 GS, dem Honda Crosstourer und der KTM 1190 Adventure geschraubt. Fein ansprechende, schluckfreudige Federelemente nehmen selbst tiefsten Schlaglöchern ihren Schrecken. Gehobener Sitz- trifft auf ebensolchen Fahr- und Federungskomfort. Ein Handlingwunder ist der mittelschwere 269-Kilo-Worldcrosser nicht. Doch Kurven umrundet er bolzstabil und sicher. Die XTZ vertraut Metzeler Tourance EXP in Sonderkennung „C“. Damit stellt sich die Yamaha viel weniger auf als die Triumph mit „M“. Immerhin beißen hier Ex-R1-Stopper extrem kräftig und gut dosierbar auf die Wave-Bremsscheiben, Vierkolbensättel mit je zwei ungleich großen Kolbenpärchen. Top!
Etwas trampelig regelt das ABS am Hinterrad - kalack, kalack, kalack. Besser dürfte der Windschutz sein, weit entfernt liegt die Scheibe. Um sie zu verstellen, muss man wie bei der Honda anhalten und Werkzeug bemühen. Hallo Japan, schon wach? Ansonsten aber ist die Yamaha ein tolles Reisemotorrad, eine XXL-Wander-Enduro. Ihr 22,6-Liter-Tank erlaubt bis zu 450 Kilometer Reichweite. Ex-MOTORRAD-Mitarbeiter Mathias Heerwagen fuhr auf einer Super Ténéré in neun Monaten 55000 Kilometer von Alaska bis Feuerland, ohne Panne.
Moto Guzzi Stelvio 1200 8V
Nun, da die BMW R 1200 GS wassergekühlt ist, hält nur die Moto Guzzi Stelvio 1200 8V die Fahne traditioneller Luftkühlung hoch. Modern und doch rustikal, trägt die Stelvio nur so viel Elektronik und komplexe Technologien in sich wie unbedingt nötig. Kein anderer Motor grollt und grummelt so schön bassig wie der 90-Grad-V2. Betörend-sinnlicher Charme. Beim Gasgeben im Stand dreht’s die Guzzi fröhlich nach rechts und dann zurück nach links. Ein Gruß der quer zur Fahrtrichtung rotierenden Kurbelwelle. Wunderbar, wenns links und rechts aus den exponierten Zylindern synchron tickert und bollert.
fact
Moto Guzzi Stelvio 1200 8V. Der Supertanker (32-Liter-Sprit- fass!) bietet bequeme Plätze und seinen ganz eigenen V2-Charme. Toll ist seine Präzision in Kurven.
Der Bullenmotor der Moto Guzzi Stelvio 1200 8V hängt nicht gerade gierig, etwas träger am Gas. Passt zum Charakter. Nach kleinem Drehmomenthänger zwischen 3000 und 4500 Touren kommt der wohlig vibrierende V2 darüber heftiger aus den Puschen. Es macht Freude, den Motor mit dem längsten Hub auszuquetschen. Bis der „Quattrovalvole“ (Vierventiler) volle 106 PS abdrückt. Trotz langer Schaltwege ist das Schaltgefühl satt, rasten alle Gänge sicher. Lastwechselreaktionen sind spürbar, ja. Und die gut funktionierende Kupplung braucht bei Stop-and-go ein wenig Kraft. Ist halt alles gefühlsecht. Fantastisch gut austariert, richtig rund schwingt der sanfte Riese durch verwinkeltste Kurvenkombinationen. Über den breitesten Lenker lässt sich der Tourer im Enduro-Look bestens dirigieren. Gleichmäßig unter Zug gehalten, setzt dieser gutmütige Bär Lenkbefehle akurat eins zu eins um. Gutmütig und neutral, ganz ohne Aufstellmoment. Präziser als die KTM, Kompliment! Beim Namen Stelvio, italienisch für Stilfser Joch, scheint Kurvenwilligkeit in die Wiege gelegt zu sein. Längsliegende Kurbelwelle und zweitkürzester Radstand (nach der GS) machen handlich. Schließlich wiegt der Koloss mit vollem 32-Liter-Spritfass enorme 282 Kilogramm. Doch das merkt man bloß beim Schieben.
Tauglich geben sich ABS-Bremsen und Federelemente. Die 45er-Upside-down-Gabel spricht gut an, wenn man die Versteller für Druck- und Zugstufendämpfung um je 1,25 Umdrehungen aufdreht. Ein Handrad spannt das Federbein für Zuladung hydraulisch vor - wie bei Honda, Triumph und Yamaha. Auf der Moto Guzzi Stelvio 1200 8V sitzt ein Passagier am bequemsten. Auch der dick gepolsterte Fahrersitz taugt für Mammut-Etappen. Nach der BMW R 1200 GS ist die Stelvio-Scheibe am einfachsten zu verstellen. Wenig reparaturfreundlich ist das Rahmenheck verschweißt - wie an der Triumph Tiger Explorer XC. Positiv: Schalthebel und Bremspedal sind per Exzenter verstellbar. Heizgriffe fehlen der Stelvio an kühlen Morgen. Doch emotional macht sie als Gegenentwurf zur BMW R 1200 GS schön warm ums Herz.
BMW R 1200 GS
Die bisherige luft-/ölgekühlte BMW R 1200 GS, im Werkscode „K 25“ getauft, war BMWs Bestseller, die meistverkaufte große Reiseenduro der Welt. Trotzdem wirkt die bis zur letzten Schraube neu konstruierte luft-/wassergekühlte „K 50“ ganz vertraut. Willkommen zu Hause. Kleine, gut versteckte Wasserkühler mildern den „Kulturschock“. Kupplung, Kassettengetriebe und Lichtmaschine sitzen erstmals im kompakten Motorgehäuse, die Zylinder sind von oben nach unten statt von hinten nach vorn durchströmt.
fact
BMW R 1200 GS. Heilige oder eilige Kuh? Auch die neue GS macht alles mit: Touren, Genussfahren und richtig knackiges Schräg wie Schnellfahren.
Der Edelstahlauspuff der BMW R 1200 GS mit der Klappe vorm Schalldämpfer klingt kernig, fast aggressiv. Leichtgängig operiert das E-Gas, mit kürzerem Drehwinkel als früher. Nahezu perfekt hängt der Motor am Gas. Bohrung und Hub erbte er vom Vorgänger, 101 zu 73 Millimeter. Also auch den Hubraum, 1170 cm3. Gut für die Drehfreude. Der neue Boxer fühlt sich ab dem ersten Meter spritziger an.
Seine Schwungmasse wirkt erleichtert. Unabwürgbar ist der Flat-Twin nicht. Fehler beim Anfahren oder auf Schotter können auch mal zu abruptem Absterben führen. Revolutionär für Boxer-BMWs ist die Kupplung: Sie sitzt an der Stirnseite des Motors, rotiert gegenläufig zur Kurbelwelle, badet achtscheibig im Ölbad und ist mit Anti-Hopping- sowie Servofunktion bestückt: Butterweich lässt sich der Handhebel betätigen. Geht gut, die neue BMW R 1200 GS. Obenheraus gibt’s 15 PS Mehrleistung, traben 126 Vollblutpferde an. Als Kraftkur wirken strömungsgünstigere Einlasskanäle und besser platzierte Einspritzdüsen. Dazu wuchsen die Durchmesser aller Ventile um einen Millimeter. Sie werden wie bei der KTM drehzahlfest durch Schlepphebel betätigt.
Trotz der von 12,1:1 auf 12,5:1 angehobenen Verdichtung reichen dem neuen Boxer eine zentrale Zündkerze je Zylinder und 95 Oktan. Gewusst wie. Vier verschiedene Fahrmodi stehen bei der neuen BMW R 1200 GS zur Wahl: Rain, Road, Dynamic und Offroad. Sie verknüpfen Power, Gasannahme sowie das Regelverhalten der extra kostenden Traktionskontrolle und des serienmäßigen ABS. Auf Landstraßen passt der Road-Modus am besten. „Dynamic“ wirkt fast schon zu direkt. Im Enduro-Modus regelt die Traktionskontrolle spürbar später, bei Regen-Einstellung früher.
Komplett neu ist das Fahrwerk mit nach links verlegter Einarmschwinge und dezentem Brückenrahmen. Der mittragende Motor baut kürzer, die Schwinge fünf Zentimeter länger. Soll die Traktion im Gelände verbessern. Oder doch auf der Straße? Denn wie die BMW R 1200 GS Kurven aller erdenklichen Radien filetiert, das ist schon sensationell. Dieses Motorrad macht 100-prozentig, was der Fahrer will. Alles geht so einfach und spielerisch. Selten sind wir so locker und leicht durch verschlungenste Kurvenkombinationen gesegelt. Ausgewogen und homogen, findet die hervorragend ausbalancierte GS schlafwandlerisch die richtige Linie, ist handlicher, agiler als die alte. Und genauso leicht: 246 Kilogramm. Nicht zuletzt führt gesteigertes Feedback vom Vorderrad zu eingebauter Gelassenheit.
Zum besten Fahrverhalten des Sextetts tragen die vertrauenerweckenden, gut haftenden neuen Metzeler Tourance Next bei. Sie wirken bei gleichen Formaten schmaler als die Reifen der KTM 1190 Adventure. Neu und aufpreispflichtig ist das semiaktive Fahrwerk mit Federwegsensoren. Es soll die Dämpfung über elektrisch angesteuerte Regelventile in Sekundenbruchteilen ans Relief unter den Rädern anpassen. Fakt ist: Das Fahrwerk mit dem längsten Federweg am Hinterrad, 20 Zentimeter, planiert so ziemlich alles, macht aus pockigem Belag Gourmet-Asphalt. Die GS ist ein echter Gleiter! Wie früher ankern die Bremsen teilintegral: Der Handhebel bedient alle drei Scheiben, das Pedal nur den Heckstopper. Trotz der radial verschraubten Monoblocks von Brembo bremst die neue BMW R 1200 GS jedoch weniger brachial als die alte.
Ein Mini-Manko bei der neuen BMW R 1200 GS sind plump zusammengebrutzelte Schweißnähte am nun geschraubten Heckrahmen. Und weniger Umfang als beim BMW-Bordwerkzeug geht kaum. Einfach bedienbar und informativ ist der erweiterte Bordcomputer. Er kennt wie bei der KTM 1190 Adventure den aktuellen Reifenluftdruck, weiß, wann in 10000er-Intervallen der nächste Service ansteht. Bei unter vier Grad spricht er eine Eiswarnung aus und mahnt bei Konstantfahrt zum Hochschalten. Niedriger Benzinverbrauch war Entwicklungsziel. Der Motor ist gut unter fünf Litern fahrbar. Extrem hell leuchtet der H7-Hauptscheinwerfer mit LED-Tagfahrlicht. Kleinigkeiten sind es, die Perfektion ausmachen, aber Perfektion ist alles andere als eine Kleinigkeit.
KTM baut mit der neuen Adventure ein klasse Motorrad. Und auch alle anderen Kandidaten haben individuelle Stärken. Ihr Pech: Die neue BMW R 1200 GS ist besser als gut. Der Igel ist schon da, eine Nasenspitze voraus.
MOTORRAD-Punktewertung
fact
Gute Aussichten: Der 2013er-Jahrgang der Reiseenduros ist spannender als je zuvor. Für grobe Schotterpassagen braucht’s mit den großen, oft schweren Trail-Bikes etwas Mut.
Motor
Klarer Fall. In Sachen Fahrdynamik entert der KTM-Motor unter 19-zölligen Reiseenduros neue Dimensionen. Spritzig und rasant, dabei mit bärigem Durchzug gesegnet - trotz etwas Geschüttels bei niedertouriger Fahrweise. In Sachen Durchzug im sechsten Gang hält allein die GS gut dagegen. Der wassergekühlte Boxer ist eine Wucht, hängt prima am Gas. Einen ganz geschmeidigen Motor wie Antriebsstrang liefert Triumph mit dem famosen Dreizylinder. Besonders laufruhig ist Hondas technisch aufwendiger V4-Motor. Trotz langer Schaltwege besitzt die Guzzi ein richtig gutes Getriebe. Für 1200 Kubik wirkt der Yamaha-Reihentwin immer etwas müde .
Sieger Motor: KTM 1190 Adventure
Fahrwerk
BMW macht Ernst. Die neue GS setzt Bestmarken bei Stabilität, Handlichkeit und Abstimmung der Federelemente. Zumindest mit aufpreispflichtigem elektronisch einstellbarem Fahrwerk. Ähnlich präzise wie BMWs Neukonstruktion zirkelt ausgerechnet die schwere Guzzi durch die Kurven. Unauffällig gut fährt die komfortable Yamaha, glänzt wie die KTM mit guter Rückmeldung. Ein Aspekt, bei dem die Triumph gern nachlegen dürfte. Das Explorer-Fahrwerk hält nicht mit dem tollen Motor Schritt. Für KTM-Verhältnisse dürfte die 1190er-Adventure Kurven knackiger und präziser umrunden. Ohne Bestmarken zu setzen, fährt die schwere Honda im Mittelfeld mit.
Sieger Fahrwerk: BMW R 1200 GS
Alltag
Die neue GS fährt vor. Weil sie einen prima „Arbeitsplatz“ bietet, gut vor Wind abschirmt, tolles Licht spendet. Und nirgendwo schwächelt. Kann man von der Honda nicht behaupten. Zwar bietet ihre optionale hohe Tourenscheibe gute Protektion. Doch der Sitzkomfort müsste besser sein, die Zuladung höher als mickrige 186 Kilogramm und der Aktionsradius größer. Sozias lieben Guzzis Stelvio! Zudem glänzt die Italienerin wie die Yamaha auch ohne Koffer mit guten Verzurrmöglichkeiten fürs Gepäck und traumhafter Reichweite. Mit üppiger Top-Ausstattung punkten KTM und Triumph - im MOTORRAD-Test und im Showroom des Händlers.
Sieger Alltag: BMW R 1200 GS
Sicherheit
Gut gemacht, Yamaha. Die Super Ténéré trägt wirkungsvolle, fein dosierbare Bremsen - fadingfrei und unbeeinflusst von einem Sozius. Nur ihr ABS dürfte speziell am Hinterrad feiner regeln. Die neue GS bremst minimal schlechter als die luftgekühlte Vorgängerin, überzeugt aber in der Summe ihrer Eigenschaften. Hohe Bodenfreiheit holt der Crosstourer durch den Verzicht auf einen Motorschutz.
Sieger Sicherheit: BMW R 1200 GS
Kosten
Dank dreijähriger Garantie plus Mobilitätsgarantie. Letztere bieten auch BMW, KTM und Moto Guzzi - für je zwei Jahre. Im Service sind Stelvio und Super Ténéré teurer, im Betrieb die KTM.
Sieger Kosten: Honda Crosstourer
MOTORRAD-Testergebnis / Fazit
fact
Die BMW R 1200 GS gewinnt den Vergleichstest.
1.BMW R 1200 GS
Der „Igel“ ist eine fast ideale Synthese aus Agilität, Fahrkomfort und Vielseitigkeit. Der wassergekühlte Motor ist ein echter Schritt nach vorn, das Konzept besonders rund.
2.KTM 1190 Adventure
Der „verdammt flotte Hase“ hat einen begeisternden Motor und tolle Ausstattung samt elektronisch einstellbarem Fahrwerk. Nur Zielgenauigkeit und Handling dürften besser sein.
3.Triumph Tiger Explorer XC
Schottischer Hochlandbulle: kraftvoll, genügsam und bei Bedarf spurtstark. Dazu sattelt er besonders viel. Der muskulöse Körper ist ein klein wenig schwach auf den Fahrwerksbeinen.
4.Yamaha XT 1200 Z Super Ténéré Worldcrosser
Die kommt immer durch, wie ein Keiler im Wald. Schnell genug und für jedes Terrain geeignet. Saubequem, anpassungsfähig und robust. Nur der Motor ist ein Kaltblut.
5.Honda Crosstourer
Ein Elch von einem Motorrad. Groß und hoch, aber auch ausdauernd und langlebig. Einzigartig macht ihn sein durstiges V4-Herz, doch für weite Wanderungen dürfte er besser gerüstet sein.
6.Moto Guzzi Stelvio 1200 8V
Der gemütliche Braunbär vereint V2-Charisma, Klang und klasse Kurvenverhalten. Das Ganze garniert mit tollen Sitzplätzen und grandioser Reichweite. Ein echter Geheimtipp für Kenner!
Fazit
Alle sechs Spezies setzen eigene Duftmarken, glänzen auf ganz verschiedenen Asphalt-Terrains. Den Anspruch, viele Motorräder in einem zu sein, verkörpert die neue BMW R 1200 GS am besten. Nur beim sportlichen Fahren kann die neue KTM 1190 Adventure sie noch übertrumpfen. Charakterstark geben sich Triumph Tiger Explorer XC und Moto Guzzi Stelvio 1200 8V dank unverwechselbarer Motoren. Exklusive Technik bietet der Honda Crosstourer, tollen Sitz- und Fahrkomfort die Yamaha XT 1200 Z Super Ténéré WorldCrosser.
Technische Daten
fact
Gehobener Landschafts- und Fahr-Genuss. Bei Sitzhöhen ab 85 Zentimetern, breiten Lenkern und aufrechten Sitzpositionen ergibt sich viel Überblick von allein. Nicht nur auf traumhaften Motorradstrecken in der Provence.
| BMW | KTM | Honda | Motor | | | |
Bauart | Zweizylinder-Viertakt- Boxermotor | Zweizylinder-Viertakt- 75-Grad-V-Motor | Vierzylinder-Viertakt- 76-Grad-V-Motor |
Einspritzung | Ø 52 mm | Ø 52 mm | Ø 44 mm |
Kupplung | Mehrscheiben-Ölbadkupplung (Anti-Hopping) | Mehrscheiben-Ölbadkupplung (Anti-Hopping) | Mehrscheiben-Ölbadkupplung |
Bohrung x Hub | 101,0 x 73,0 mm | 105,0 x 69,0 mm | 81,0 x 60,0 mm |
Hubraum | 1170 cm3 | 1195 cm3 | 1237 cm3 |
Verdichtung | 12,5:1 | 12,5:1 | 12,0:1 |
Leistung | 92,0 kW (125 PS) bei 7700/min | 110,0 kW (150 PS) bei 9500/min | 95,0 kW (129 PS) bei 7750/min |
Drehmoment | 125 Nm bei 6500/min | 125 Nm bei 7500/min | 126 Nm bei 6500/min |
Fahrwerk | | | |
Rahmen | Brückenrahmen aus Stahlrohr | Gitterrohrrahmen aus Stahl, Motor mittragend | Brückenrahmen aus Aluminium |
Gabel | längslenkergeführte Telegabel, Ø 37 mm | Upside-down-Gabel, Ø 48 mm | Upside-down-Gabel, Ø 43 mm |
Lenkungsdämpfer | – | mechanisch | – |
Bremsen vorne/hinten | Ø 305/276 mm | Ø 320/267 mm | Ø 310/275 mm |
Assistenzsysteme | Teilintegral-Bremssystem mit ABS | Teilintegral-Bremssystem mit ABS, Traktionskontrolle | Teilintegral-Bremssystem mit ABS, Traktionskontrolle |
Räder | 3.00 x 19; 4.50 x 17 | 3.50 x 19; 5.00 x 17 | 2.50 x 19; 4.00 x 17 |
Reifen | 120/70 R 19; 170/60 R 17 | 120/70 ZR 19; 170/60 ZR 17 | 110/80 ZR 19; 150/70 ZR 17 |
Bereifung | Metzeler Tourance Next | ContinentalTrailAttack 2 „K“ | Pirelli Scorpion Trail „E“ |
Maße + Gewichte | | | |
Radstand | 1507 mm | 1560 mm | 1595 mm |
Lenkkopfwinkel | 64,5 Grad | 64,0 Grad | 62,0 Grad |
Nachlauf | 100 mm | 120 mm | 107 mm |
Federweg vorne/hinten | 190/200 mm | 190/190 mm | 145/146 mm |
Sitzhöhe** | 850/870 mm | 860/875 mm | 860 mm |
Gewicht vollgetankt** | 246 kg | 238 kg | 283 kg |
Zuladung** | 204 kg | 202 kg | 186 kg |
Tankinhalt/Reserve | 20,0/– Liter | 23,0/3,5 Liter | 21,5/– Liter |
Service-Intervalle | 10000 km | 15000 km | 12000 km |
Preis | 14100 Euro | 13995 Euro | 13790 Euro |
Preis Testmotorrad | 16410 Euro*** | 14992 Euro**** | 18400 Euro***** |
Nebenkosten | 390 Euro | 250 Euro | 355 Euro |
MOTORRAD-Messwerte | | |
Höchstgeschwindigkeit* | 219 km/h | 250 km/h | 209 km/h |
Beschleunigung | | | |
0–100 km/h | 3,6 sek | 3,7 sek | 3,6 sek |
0–140 km/h | 5,8 sek | 5,6 sek | 6,3 sek |
0–200 km/h | 14,4 sek | 10,9 sek | 14,3 sek |
Durchzug | | | |
60–100 km/h | 3,4 sek | 3,6 sek | 4,1 sek |
100–140 km/h | 3,8 sek | 3,6 sek | 4,5 sek |
140–180 km/h | 5,2 sek | 4,1 sek | 5,7 sek |
Verbrauch Landstraße | 4,8 Liter/Super | 5,6 Liter/Super | 5,6 Liter/Super |
Reichweite Landstraße | 417 km | 411 km | 384 km |
| Moto Guzzi | Triumph | Yamaha | Motor | | | | Bauart | Zweizylinder-Viertakt- 90-Grad-V-Motor | Dreizylinder-Viertakt- Reihenmotor | Zweizylinder-Viertakt- Reihenmotor |
Einspritzung | Ø 50 mm | Ø 46 mm | Ø 46 mm | Kupplung | Einscheiben-Trockenkupplung | Mehrscheiben-Ölbadkupplung | Mehrscheiben-Ölbadkupplung |
Bohrung x Hub | 95,0 x 81,2 mm | 85,0 x 71,4 mm | 98,0 x 79,5 mm | Hubraum | 1151 cm3 | 1215 cm3 | 1199 cm3 |
Verdichtung | 11,0:1 | 11,0:1 | 11,0:1 | Leistung | 77,0 kW (105 PS) bei 7250/min | 101,0 kW (137 PS) bei 8900/min | 80,9 kW (110 PS) bei 7250/min |
Drehmoment | 113 Nm bei 5800/min | 122 Nm bei 6450/min | 114 Nm bei 6000/min | Fahrwerk | | | |
Rahmen | Brückenrahmen aus Stahl | Gitterrohrrahmen aus Stahl, Motor mittragend | Brückenrahmen aus Stahl | Gabel | Upside-down-Gabel, Ø 45 mm | Upside-down-Gabel, Ø 46 mm | Upside-down-Gabel, Ø 43 mm |
Lenkungsdämpfer | – | – | – | Bremsen vorne/hinten | Ø 320/282 mm | Ø 305/282 mm | Ø 310/282 mm |
Assistenzsysteme | ABS, Traktionskontrolle | ABS, Traktionskontrolle | Verbundbremse, ABS, Traktionskontrolle | Räder | 2.50 x 19; 4.25 x 17 | 2.50 x 19; 4.00 x 17 | 2.50 x 19; 4.00 x 17 |
Reifen | 110/80 ZR 19; 150/70 ZR 17 | 110/80 R 19; 150/70 R 17 | 110/80 R 19; 150/70 R 17 | Bereifung | Pirelli Scorpion Trail | Metzeler Tourance EXP „M“ | Metzeler Tourance EXP „C“ |
Maße + Gewichte | | | | Radstand | 1535 mm | 1530 mm | 1540 mm |
Lenkkopfwinkel | 63,0 Grad | 66,1 Grad | 62,0 Grad | Nachlauf | 125 mm | 106 mm | 126 mm |
Federweg vorne/hinten | 170/155 mm | 190/194 mm | 190/190 mm | Sitzhöhe** | 850/870 mm | 850/870 mm | 845/870 mm |
Gewicht vollgetankt** | 282 kg | 277 kg | 269 kg | Zuladung** | 193 kg | 204 kg | 201 kg |
Tankinhalt/Reserve | 32,0/7,0 Liter | 20,0/– Liter | 22,6/4,2 Liter | Service-Intervalle | 10000 km | 16000 km | 10000 km |
Preis | 14290 Euro | 14950 Euro | 15495 Euro | Preis Testmotorrad | 14290 Euro | 14950 Euro | 15495 Euro |
Nebenkosten | 255 Euro | 395 Euro | 215 Euro | MOTORRAD-Messwerte | | |
Höchstgeschwindigkeit* | 220 km/h | 210 km/h | 210 km/h | Beschleunigung | | | |
0–100 km/h | 3,9 sek | 3,5 sek | 3,7 sek | 0–140 km/h | 7,0 sek | 5,9 sek | 6,9 sek |
0–200 km/h | 18,1 sek | 12,0 sek | 22,6 sek | Durchzug | | | |
60–100 km/h | 4,4 sek | 3,9 sek | 4,6 sek | 100–140 km/h | 5,4 sek | 4,2 sek | 5,1 sek |
140–180 km/h | 7,1 sek | 5,3 sek | 7,6 sek | Verbrauch Landstraße | 5,3 Liter/Super | 4,7 Liter/Normal | 5,0 Liter/Super |
Reichweite Landstraße | 604 km | 426 km | 452 km |
*Herstellerangabe; **MOTORRAD-Messungen; ***inkl. Touring-Paket (1420 Euro) bestehend aus: ESA, Kofferhalter, Abgasanlage verchromt, Heizgriffen, Bordcomputer, Vorbereitung für Navigationsgerät, LED-Blinkerleuchten, Handschutz; Aktiv-Paket (890 Euro) bestehend aus: ASC, Tagfahrlicht, Temporegelung; ****inkl. EDS (elektronisch einstellbares Fahrwerk, TPMS (Reifenluftdrucküberwachung) und Haupständer (800 Euro) sowie Heizgriffen (197 Euro); *****Travelpaket (hohe Scheibe, Koffersatz, Hauptständer) 1367 Euro, Topcase inkl. Halter 773 Euro, Nebellampen 308 Euro, Dekorrahmen 318 Euro, 12-V-Steckdose 98 Euro, Akrapovic-Auspuff (899 Euro), Tankrucksack mit Tankring (119 Euro)
Große Reiseenduros stellen die
beliebteste Motorradgattung in Deutschland, sind auch in Frankreich und Italien sehr erfolgreich. Weil sie viele Motorräder in einem verkörpern, alles mitmachen: knackig über Alpenpässe bolzen, mit zwei Leuten und Gepäck auf Tour gehen oder souverän durch den Alltag tragen. Sie sind da, wenn man einfach raus muss, alles hinter sich lassen will. Sie halten die Sehnsucht am Köcheln. Man könnte ja, wenn man wollte. Oder dürfte. Einfach fahren, einfach leben. Zum ersten Teil des großen Reiseendurovergleichs stellen sich sechs 19-Zöller mit sechs verschiedenen Motorkonzepten. Bislang gab die luftgekühlte BMW R 1200 GS die Marschrichtung vor. Sie prägte das Rezept dieses Segments: rund 1200 Kubik, etwa 110 PS aufwärts und gerne Kardan. Das Ganze garniert mit ABS und Traktionskontrolle, großen Einzelschalldämpfern, Bordcomputern und verstellbaren Scheiben. 2013 nun tritt BMWs Trendsetter komplett neu konstruiert mit wassergekühltem 125-PS-Motor und
verbessertem Fahrwerk an. Die Herausforderer mühen sich, das Wettrennen um
Käufergunst und Testsiege endlich mal zu gewinnen. Kann die runderneuerte GS die Konkurrenz weiter in Schach halten?
KTM 1190 AdventureOptisch ist die neue 1190er ein gediegener, fast zierlicher Enduro-Tourer. Glatt und kompakt wirkt sie, steht stämmig auf ihren 19- und 17-Zoll-Rädern, vorn 120, hinten 170 Millimeter breit. Dieselben Pneu-Formate wie an der BMW. Nur noch 190 Millimeter Federweg, so viel wie bei der Yamaha, stehen für alle Arten von Abenteuer parat, 20 weniger als bei der alten 990er. Trotz 23-Liter-Tanks, des zweitgrößten des Sextetts, erinnert die Adventure weniger an ParisDakar, eher an die 990 SMT. Aber Achtung, sie ist ein Wolf im Schafspelz: Im 9,8 Kilo leichten Gitterrohrrahmen pocht das "gezähmte" Herz aus dem Supersportler RC8.Bellend erwacht der feurige 75-Grad-V2 mit einer Leerlaufdrehzahl von gut 2000/min. Federleicht lässt sich der Hebel der servounterstützten Kupplung ziehen, präzise flutscht der erste Gang rein. Feinfühlig hängt der Zweizylinder mit den vier Zündkerzen am elektronischen Gasgriff, fast ohne störende Lastwechsel. Bei Drehzahlen unterhalb von 3500 Touren läuft der Ultrakurzhuber (riesige 105er-Slipperkolben!) in den oberen Gängen noch nicht recht rund. Tempo 80 sollte es im Sechsten schon sein. Trotzdem drückt die KTM dank kurzer Übersetzung Top-Durchzugswerte ab, rasante 7,2 Sekunden von Tempo 60 auf 140.
Auf mild folgt wild: Bis zur 6000er-Marke grummelt der V2 akustisch dezent. Darüber stürmt das Triebwerk echten 147 PS bei 9600 Touren entgegen. Schnell schalten, denn 100 Umdrehungen später kneift der Drehzahlbegrenzer zu. Versprochene Vmax: brutale 250 km/h. Von nichts kommt nichts: Neben der Honda ist der Benzinverbrauch der höchste, ab 5,6 Liter auf 100 Kilometer. Vier verschiedene Fahrmodi verknüpfen Gasannahme, Leistungsabgabe, Traktionskontrolle und ABS-Regelung.
Volle Leistung liegt bei "Sport" und "Street" an, 100 PS bei "Rain" und "Offroad". Im Gelände-Modus spricht der V2 wie bei "Sport" sehr direkt an. Alle Einstellungen sind auch völlig frei kombinierbar. Erst die im "Street"-Modus hektisch im Cockpit blinkende Kontrollleuchte offenbart beim Rausbeschleunigen, wie viel Power die schräglagenabhängig arbeitende Traktionskontrolle wegdosieren muss, damit das Hinterrad in der Spur bleibt. Der Modus "Sport" bietet bestmögliche Beschleunigung bei kontrollierbarem Hinterradschlupf. Schaltet man die Traktionskontrolle ganz aus, sind wilde Drifts und Wheelies selbst im dritten Gang die Folge. Ein echtes Superbike. Die elektronischen Helfer lassen einem stets die Wahl, sicher oder sportlich.
Für 800 Euro Aufpreis auf den Grundpreis von 13995 Euro ist das elektronische Fahrwerk von WP mit an Bord - im Paket mit Hauptständer und Reifenluftdruckkontrolle. Gute Rückmeldung trifft auf eher straffe Abstimmung. Komfort? Geht so. Prima haben die fein dosierbaren Brembo-Bremsen mit dem neuesten Bosch-Kombi-ABS das leichte 238-Kilo-Gerät im Griff. Die Bremsleistung ist klasse. Der Handbremshebel betätigt das mit Abhebeerkennung bestückte Hinterrad mit. Im Gelände-Modus regelt das ABS nur vorne, lässt ein blockierendes Hinterrad zu.
Der schwergängige, nicht einstellbare Lenkungsdämpfer bewirkt leichtes Taumeln um die Längsachse bei Schleichfahrt, beim flotten Fahren in flüssigem Kurvengeläuf verwässert er die Linie. Das stramme Lenkkopflager hatte KTM seit dem ersten Test bereits korrekt eingestellt. Nun ist es besser, doch nicht ideal: Die Adventure lenkt nicht so genau auf den Punkt ein. Ein solch scharfes Eisen dürfte zielgenauer, zackiger fahren. Skalpellartige Sichelschnitte durch die Kurvenradien zieht die KTM keine. Und dies, obwohl die 1190er auf Continentals famoser Neuentwicklung TrailAttack 2 rollt.
Durchdachte Details gibts haufenweise. Tagfahrlicht mit Helligkeitssensor etwa. Die Antriebskette lässt sich beim Hinterradausbau auf Zacken an der filigranen Schwinge ablegen. Lenker und Fußrasten sind zweifach, die Scheibe stufenlos verstellbar. Okay ist der Sitzkomfort, trotz recht harten Sitzes und schmalsten Lenkers. Fernreisetauglich machen lang gestreckte 15000er-Wartungsintervalle. Aber das wahre Potenzial der neuen Adventure erschließt sich kaum beim gemütlichen Bummeln. Und für den Lockruf der Wüste gibt es ja noch die R-Version: mit längeren Federwegen (je 220 Millimeter), großen, schmalen Enduro-Rädern (21/18 Zoll) und allem sonst, was man fürs große Abenteuer so braucht.Triumph Tiger Explorer XCFernreise? Abenteuer? Dafür preist Triumph die XC-Version der erst 2012 eingeführten Triumph Explorer an. Rein visuell macht die martialische "Cross-Country"-Variante schwer auf Entdecker. Mit Sturzbügelset, Zusatzscheinwerfern und Handprotektoren. Dazu mit stabilem Ölwannenschutz aus Aluminium, nicht wie bei der KTM aus Plastik. Motor, Antriebsstrang und Fahrwerk stammen unverändert vom Standard-Explorer. Während dieser Gussfelgen hat, rollt die XC auf Aluminiumfelgen mit Stahlspeichen. Auf ihnen sitzen Schlauchlosreifen - wie bei allen Mitbewerbern. Doch im Gegensatz zu Triumphs 800er-Tiger XC trägt die 1200er keinen 21-Zöller vorn.
Der famose Dreizylinder verwöhnt mit sehr gleichmäßiger Leistungsabgabe. Elektronischer Gasgriff und Kardan reagieren schön weich auf Gas auf, Gas zu. Ganz geschmeidig. Feinfühlig regeln die zweistufige Traktionskontrolle und der Tempomat. Well done. Unnachahmlich ist der Sound, ein halbierter Sechszylinder: "vroouum".
Tolle Fahrleistungen (über 130 PS!) treffen auf geringen Verbrauch (4,7 Liter) - was wie bei der BMW den kleinen 20-Liter-Tank relativiert. Zusammen mit Hondas V4 lässt sich der Triple am schaltfaulsten fahren. Tiefster Drehzahlkeller? Kein Problem für den Breitband-Wohlfühlmotor. Der Drilling ist vom Standgas bis über 9000 Touren gut dabei. Wermutstropfen? Der lange Schaltweg zwischen erstem und zweitem Gang.
Ab Werk ragt der Schalthebel zu weit auf. Zum Hochschalten muss der Fuß von der relativ früh aufsetzenden Raste. Mit wenig Gefühl vom Vorderrad umrundet die XC Kurven. Ansprechverhalten und Abstimmung der 46er-Upside-down-Gabel sollten besser sein. Weiche Federn, zu straffe Dämpfung. Weil sich bloß die Vorspannung verstellen lässt, ist eine perfekte Einstellung nicht drin. Kurvenausgangs drängt der 277-Kilo-Stier nach außen, er liebt weite Bögen. Da heißt es, kraftvoll am verstellbaren Lenker zuzupacken, um ihn auf Linie zu halten. Zumal sich die XC beim Griff zur wirkungsvollen Vorderradbremse merklich aufstellt. Hoch fällt die nötige Handkraft aus, sensibel regelt das ABS. Wegweisend sind 16000er-Service-Intervalle, brillant ist die Top-Ausstattung der XC. Sie kostet 14950 Euro, 1200 mehr als der Standard-Explorer.Honda CrosstourerEine V4-Reiseenduro gabs bis 2012 noch nie. Aus dem größten Hubraum des Feldes, stattlichen 1237 cm3, erwachsen echte 121 PS und 118 Newtonmeter. Bereits unter 3000/min legt der sanft laufende Vierzylinder gleichmäßig und druckvoll los. Untermalt vom dezenten Säuseln aus dem optionalen Akrapovic-Auspuff. Zwischen 5000 und 6000 wird der Druck brachial, stemmt der Crosstourer das fetteste Drehmoment des Sextetts. Doch in souverän überlegenen Durchzug münzt der durstige V4 mit der Big Bang-Zündfolge dies nicht um. Dafür ist die Endübersetzung zu lang, obwohl der Speedcutter bei echten 209 km/h den Saft abdreht. Plump regelt die abschaltbare Schlupfkontrolle, braucht nach einem Eingriff lange, ehe sie wieder volle Leistung freigibt. Die Kardan-Einarmschwinge verzichtet im Gegensatz zu der von
Triumph oder BMW sowie dem Zweiarm der Guzzi auf Momentabstützung. Schwer fühlt sich der Crosstourer beim Schieben und Rangieren an. Hoch der Schwerpunkt, enorm das Gewicht: rund 280 Kilogramm inklusive Zubehör. "Ein großer Wal", meint Bertrand, unser französischer Kollege.
Die wenig bequeme, einteilige Sitzbank ist als einzige nicht höhenverstellbar. Merkwürdig passiv, nicht Honda-typisch geriet die Sitzposition: Breit spreizt es die Beine, obwohl die beiden hinteren Zylinder enger zusammenstehen als das vordere Pärchen. Hoch ruht der Lenker - wie bei einem Custombike. Soll man etwa die ganze Zeit im Stehen fahren? Weitere Nickeligkeiten: Aufbocken auf den leider aufpreispflichtigen Hauptständer braucht Kraft. Dürftig geriet die Serienausstattung: Die Bordsteckdose unterm Sitz kostet 98 Euro. Ein Motorschutz fehlt der "Straßen-Enduro" (Honda) mit der geringen Zuladung von 186 Kilogramm. Dafür brillieren die Bremsen. Teilintegral zwackt das Pedal auch vorn mit. Leichtfüßig machen ihre Pirelli-Reifen die Wuchtbrumme.
Ihr Fahrwerk hat die geringsten Federwege, funktioniert aber manierlich. Die Gabel stuckert etwas bei raschen Impulsen, dem Federbein hilft bei Zuladung komplett zugedrehte Zugstufendämpfung. Vertrauensbildend wirkt der kleine Wendekreis. Wo der Crosstourer Glanzlichter setzt? Nun, die optionale Touring-Scheibe schützt neben der von BMW am besten. Beispielhaft ist die Dreijahresgarantie. Und für 1000 Euro Aufpreis gibts die mächtige V4-Maschine auch mit Hondas einzigartiger Doppelkupplung. Yamaha XT 1200 Z Super
TÉnéré WorldCrosserBunt sind sie, die Rallye-Werksfarben von Yamahas Super Ténéré Worldcrosser, Blau und Gold im Kontrast mit Rabenschwarz. Schick. Da fläzt man sich gern in den Plüschsessel von einer Enduro-Bank, sitzt gefühlt sehr drin, prima integriert im Motorrad mit den tief platzierten Fußrasten. Für kleine Piloten ist die Yamaha im Kreise der ganz Großen erste Wahl.Der Reihentwin mit 270 Grad Hubzapfenversatz der Kurbelwelle imitiert einen 90-Grad-V2. Dezent pröttelt er aus dem plump schwarz lackierten Stahl-Schalldämpfer, dem einzig unedlen Endtopf aller sechs Maschinen. Im Drehzahlkeller fühlt sich der Motor nicht nach vollen 1200
Kubik an. Da agiert er ein wenig müde und antrittsschwach. Gemütlich eben.
Eine Suzuki V-Strom 650 drückt machtvoller aus den Kehren. Nein, Bäume reißt die XTZ nicht aus, kommt erst ab der 5000er-Marke lebhafter zur Sache, speziell im sportlicheren S-Mapping statt dem touristischeren T-Modus. Etwas zäh wirkt der Twin beim Ausdrehen. Zumal der Zweizylinder in den unteren drei Gängen gedrosselt ist. Vertraut Yamaha etwa der dreistufig einstellbaren Traktionskontrolle selber nicht? Sie funktioniert doch gut. Untenherum offeriert erst andere Software viel mehr Punch, siehe Seite 50. Doch wer die anderen Kandidaten nie gefahren hat, wird womöglich nichts vermissen. Auch ohne den ganz großen emotionalen Kick.
Klasse ist der reaktionsarme Kardan, begeisternd das gut austarierte Fahrwerk der Yamaha. Ihr Rahmenheck ist wie bei BMW, Honda und KTM geschraubt. Fein ansprechende, schluckfreudige Federelemente nehmen selbst tiefsten Schlaglöchern ihren Schrecken. Gehobener Sitz- trifft auf ebensolchen Fahr- und Federungskomfort. Ein Handlingwunder ist der mittelschwere 269-Kilo-Worldcrosser nicht. Doch Kurven umrundet er bolzstabil und sicher. Die XTZ vertraut Metzeler Tourance EXP in Sonderkennung "C". Damit stellt sich die Yamaha viel weniger auf als die Triumph mit "M". Immerhin beißen hier Ex-R1-Stopper extrem kräftig und gut dosierbar auf die Wave-Bremsscheiben, Vierkolbensättel mit je zwei ungleich großen Kolbenpärchen. Top!
Etwas trampelig regelt das ABS am Hinterrad - kalack, kalack, kalack. Besser dürfte der Windschutz sein, weit entfernt liegt die Scheibe. Um sie zu verstellen, muss man wie bei der Honda anhalten und Werkzeug bemühen. Hallo Japan, schon wach? Ansonsten aber ist die Yamaha ein tolles Reisemotorrad, eine XXL-Wander-Enduro. Ihr 22,6-Liter-Tank erlaubt bis zu 450 Kilometer Reichweite. Ex-MOTORRAD-Mitarbeiter
Mathias Heerwagen fuhr auf einer Super
Ténéré in neun Monaten 55000 Kilometer von Alaska bis Feuerland, ohne Panne. Moto Guzzi Stelvio 1200 8VNun, da BMWs GS wassergekühlt ist, hält nur die Guzzi die Fahne traditioneller Luftkühlung hoch. Modern und doch rustikal, trägt die Stelvio nur so viel Elektronik und komplexe Technologien in sich wie unbedingt nötig. Kein anderer Motor grollt und grummelt so schön bassig wie der 90-Grad-V2. Betörend-sinnlicher Charme. Beim Gasgeben im Stand drehts die Guzzi fröhlich nach rechts und dann zurück nach links. Ein Gruß der quer zur Fahrtrichtung rotierenden Kurbelwelle. Wunderbar, wenns links und rechts aus den exponierten Zylindern synchron tickert und bollert.Der Bullenmotor hängt nicht gerade gierig, etwas träger am Gas. Passt zum Charakter. Nach kleinem Drehmomenthänger zwischen 3000 und 4500 Touren kommt der wohlig vibrierende V2 darüber heftiger aus den Puschen. Es macht Freude, den Motor mit dem längsten Hub auszuquetschen. Bis der "Quattrovalvole" (Vierventiler) volle 106 PS abdrückt. Trotz langer Schaltwege ist das Schaltgefühl satt, rasten alle Gänge sicher. Lastwechselreaktionen sind spürbar, ja. Und die gut funktionierende Kupplung braucht bei Stop-and-go ein
wenig Kraft. Ist halt alles gefühlsecht.
Fantastisch gut austariert, richtig rund schwingt der sanfte Riese durch verwinkeltste Kurvenkombinationen. Über den breitesten Lenker lässt sich der Tourer im Enduro-Look bestens dirigieren. Gleichmäßig unter Zug gehalten, setzt dieser gutmütige Bär Lenkbefehle akurat eins zu eins um. Gutmütig und neutral, ganz ohne Aufstellmoment. Präziser als die KTM, Kompliment! Beim Namen Stelvio, italienisch für Stilfser Joch, scheint Kurvenwilligkeit in
die Wiege gelegt zu sein. Längsliegende Kurbelwelle und zweitkürzester Radstand (nach der GS) machen handlich. Schließ-
lich wiegt der Koloss mit vollem 32-Liter-Spritfass enorme 282 Kilogramm. Doch
das merkt man bloß beim Schieben.
Tauglich geben sich ABS-Bremsen und Federelemente. Die 45er-Upside-down-Gabel spricht gut an, wenn man die Versteller für Druck- und Zugstufendämpfung um je 1,25 Umdrehungen aufdreht. Ein Handrad spannt das Federbein für Zuladung hydraulisch vor - wie bei Honda, Triumph und
Yamaha. Auf der Stelvio sitzt ein Passagier am bequemsten. Auch der dick gepolsterte Fahrersitz taugt für Mammut-Etappen. Nach der BMW ist die Stelvio-Scheibe am einfachsten zu verstellen. Wenig reparaturfreundlich ist das Rahmenheck verschweißt - wie an der Explorer. Positiv: Schalthebel und Bremspedal sind per Exzenter verstellbar. Heizgriffe fehlen der Stelvio an kühlen Morgen. Doch emotional macht sie als Gegenentwurf zur GS schön warm ums Herz.BMW R 1200 GSDie bisherige luft-/ölgekühlte R 1200 GS, im Werkscode "K 25" getauft, war BMWs Bestseller, die meistverkaufte große Reiseenduro der Welt. Trotzdem wirkt die bis zur letzten Schraube neu konstruierte luft-/wassergekühlte "K 50" ganz vertraut. Willkommen zu Hause. Kleine, gut versteckte Wasserkühler mildern den "Kulturschock". Kupplung, Kassettengetriebe und Lichtmaschine sitzen erstmals im kompakten Motorgehäuse, die Zylinder sind von oben nach unten statt von hinten nach vorn durchströmt.
Der Edelstahlauspuff mit der Klappe vorm Schalldämpfer klingt kernig, fast aggressiv. Leichtgängig operiert das E-Gas, mit kürzerem Drehwinkel als früher. Nahezu perfekt hängt der Motor am Gas. Bohrung und Hub erbte er vom Vorgänger, 101 zu 73 Millimeter. Also auch den Hubraum, 1170 cm3. Gut für die Drehfreude. Der neue Boxer fühlt sich ab dem ersten Meter spritziger an.
Seine Schwungmasse wirkt erleichtert.
Unabwürgbar ist der Flat-Twin nicht. Fehler beim Anfahren oder auf Schotter können auch mal zu abruptem Absterben führen.
Revolutionär für Boxer-BMWs ist die Kupplung: Sie sitzt an der Stirnseite des Motors, rotiert gegenläufig zur Kurbelwelle, badet achtscheibig im Ölbad und ist mit Anti-Hopping- sowie Servofunktion bestückt: Butterweich lässt sich der Handhebel betätigen. Geht gut, die neue GS. Obenheraus gibts 15 PS Mehrleistung, traben 126 Vollblutpferde an. Als Kraftkur wirken strömungsgünstigere Einlasskanäle und besser platzierte Einspritzdüsen. Dazu wuchsen die Durchmesser aller Ventile um einen
Millimeter. Sie werden wie bei der KTM drehzahlfest durch Schlepphebel betätigt.
Trotz der von 12,1:1 auf 12,5:1 angehobenen Verdichtung reichen dem neuen Boxer eine zentrale Zündkerze je Zylinder und 95 Oktan. Gewusst wie. Vier verschiedene Fahrmodi stehen zur Wahl: Rain, Road, Dynamic und Offroad. Sie verknüpfen Power, Gasannahme sowie das Regelverhalten der extra kostenden Traktionskontrolle und des serienmäßigen ABS. Auf Landstraßen passt der Road-Modus am besten. "Dynamic" wirkt fast schon zu direkt. Im Enduro-Modus regelt die Traktionskontrolle spürbar später, bei Regen-Einstellung früher.
Komplett neu ist das Fahrwerk mit nach links verlegter Einarmschwinge und dezentem Brückenrahmen. Der mittragende Motor baut kürzer, die Schwinge fünf Zentimeter länger. Soll die Traktion im Gelände verbessern. Oder doch auf der Straße? Denn wie die GS Kurven aller erdenklichen Radien filetiert, das ist schon sensationell. Dieses Motorrad macht 100-prozentig, was der Fahrer will. Alles geht so einfach und spielerisch. Selten sind wir so locker und leicht durch verschlungenste Kurvenkombinationen gesegelt. Ausgewogen und homogen, findet die hervorragend ausbalancierte GS schlafwandlerisch die richtige Linie, ist handlicher, agiler als die alte. Und genauso leicht: 246 Kilogramm. Nicht
zuletzt führt gesteigertes Feedback vom Vorderrad zu eingebauter Gelassenheit.
Zum besten Fahrverhalten des Sextetts tragen die vertrauenerweckenden, gut haftenden neuen Metzeler Tourance Next bei. Sie wirken bei gleichen Formaten schmaler als die Reifen der KTM. Neu und aufpreispflichtig ist das semiaktive Fahrwerk mit Federwegsensoren. Es soll die Dämpfung über elektrisch angesteuerte Regelventile in Sekundenbruchteilen ans Relief unter den Rädern anpassen. Fakt ist: Das Fahrwerk mit dem längsten Federweg am Hinterrad, 20 Zentimeter, planiert so ziemlich alles, macht aus pockigem Belag Gourmet-Asphalt. Die GS ist ein echter Gleiter! Wie früher ankern die Bremsen teilintegral: Der Handhebel bedient alle drei Scheiben, das Pedal nur den Heckstopper. Trotz der radial verschraubten Monoblocks von Brembo bremst die neue GS jedoch weniger brachial als die alte.
Ein Mini-Manko sind plump zusam-
mengebrutzelte Schweißnähte am nun
geschraubten Heckrahmen. Und weniger Umfang als beim BMW-Bordwerkzeug geht kaum. Einfach bedienbar und informativ ist der erweiterte Bordcomputer. Er kennt wie bei der KTM den aktuellen Reifenluftdruck, weiß, wann in 10000er-Intervallen der nächste Service ansteht. Bei unter vier Grad spricht er eine Eiswarnung aus und mahnt bei Konstantfahrt zum Hochschalten. Niedriger Benzinverbrauch war Entwicklungsziel. Der Motor ist gut unter fünf Litern fahrbar. Extrem hell leuchtet der H7-Hauptscheinwerfer mit LED-Tagfahrlicht. Kleinigkeiten sind es, die Perfektion ausmachen, aber Perfektion ist alles andere als eine Kleinigkeit.
KTM baut mit der neuen Adventure
ein klasse Motorrad. Und auch alle anderen Kandidaten haben individuelle Stärken. Ihr Pech: Die neue GS ist besser als gut. Der Igel ist schon da, eine Nasenspitze voraus.
www.motorradonline.de/vergleichstests
Teil 2 in Motorrad 8/2013In der nächsten Ausgabe folgen die
Reiseenduros mit 17-Zoll-Vorderrädern:
Ducati Multistrada 1200, Kawasaki
Versys 1000 und Triumph Tiger 1050 Sport.
Reisen oder rasen? Echte 147 PS treffen auf moderat lange Federwege, nur 238 Kilogramm und viele elektronische Helferlein
Fühlt sich schwer und mächtig an. Aber auch betörend und exklusiv - dank Dreizylinder-Röhrens und natooliven Mattlacks
Der v-förmige Scheinwerfer sagt, was Sache ist: Hier kommt eine
V4-Maschine angefegt. Ihre hohe Tourenscheibe kostet extra
Yamahas traditionelle Rallye-Farben machen schwer auf wild. Dabei ist die 1200er tatsächlich eher ein gutmütiger Kumpeltyp
Der Supertanker (32-Liter-Sprit-
fass!) bietet bequeme Plätze und
seinen ganz eigenen V2-Charme.
Toll ist seine Präzision in Kurven
Heilige oder eilige Kuh? Auch die neue GS macht alles mit: Touren, Genussfahren und richtig knackiges Schräg- wie Schnellfahren
BMW R 1200 GS Der "Igel" ist eine fast ideale Synthese aus Agilität, Fahrkomfort und Vielseitigkeit. Der wassergekühlte Motor ist ein echter Schritt nach vorn, das Konzept besonders rund.
KTM 1190 AdventureDer "verdammt flotte Hase" hat einen begeisternden Motor und tolle Ausstattung samt elektronisch einstellbarem Fahrwerk. Nur Zielgenauigkeit und Handling dürften besser sein.
Triumph Tiger Explorer XCSchottischer Hochlandbulle: kraftvoll, genügsam und bei Bedarf spurtstark. Dazu sattelt er besonders viel. Der muskulöse Körper ist ein klein wenig schwach auf den Fahrwerksbeinen.
Yamaha XT 1200 Z Super Ténéré Worldcrosser Die kommt immer durch, wie ein Keiler im Wald. Schnell genug und für jedes Terrain geeignet. Saubequem, anpassungsfähig und robust. Nur der Motor ist ein Kaltblut.
Honda CrosstourerEin Elch von einem Motorrad. Groß und hoch, aber auch ausdauernd und langlebig. Einzigartig macht ihn sein durstiges V4-Herz, doch für weite Wanderungen dürfte er besser gerüstet sein.
Moto Guzzi Stelvio 1200 8VDer gemütliche Braunbär vereint V2-Charisma, Klang und klasse Kurvenverhalten. Das Ganze garniert mit tollen Sitzplätzen und grandioser Reichweite. Ein echter Geheimtipp für Kenner!
Die wassergekühlte GS drückt eine recht wellige Drehmomentkurve. Macht nichts, denn über weite Bereiche ist dies der kraftvollste Antrieb des Sextetts - trotz zweitkleinsten Hubraums nach der Guzzi. Nur zwischen 4500 und 6000 Touren setzt sich Hondas V4, der hubraumstärkste Motor, an die Spitze. Zwischen 6000 und 7000 schwingt sich die GS wieder nach vorn, mit satten 122 Newtonmetern
bei 6600/min. Exakt das gleiche Drehmoment stemmt die drehzahlgierige KTM
bei 7300 Touren. Feurig-stark obenraus, jedoch mau unterhalb von 3500/min. Extrem gleichmäßig, aber fast stets unterhalb des Trios BMW, KTM, Honda, entwickelt der Triumph-Triple seine Leistung, schwingt sich zur zweithöchsten Spitzenleistung von 131 PS hinauf. Die Guzzi kommt nach kleinem Hänger
bei 4000/min erst ab 5000 richtig zur Sache. Doch obwohl sie wie die Yamaha "schon" bei 8000 Touren die Segel streicht, fühlt sie sich lebendiger an als die obenheraus schwächere Super Ténéré.
Sicherungsmaßnahmen
Es hat reichlich Wirbel gegeben im Vorfeld der Markteinführung der wassergekühlten BMW R 1200 GS. Ursache sind plötzliche "Probleme mit der Gabel" - im Internet-Zeitalter machen solche Aussagen blitzschnell die Runde, Gerüchte entstehen. Das Thema holte auch die Testtruppe ein, als sie für diesen Vergleichstest in Südfrankreich unterwegs war. "Testmaschine sofort stehen lassen, nicht mehr fahren", lautete das Kommando von BMW aus München. Was war da los? Bei Prüfstandstests von Vorserienmaschinen über Tausende Kilometer fiel auf, dass sich im Extremfall die eingeklebten Standrohrstopfen der Telelever-Gabel lösen können: Die Gabelstandrohre mit nur noch 37 Millimeter Durchmesser sind auf Zapfen an der oberen Gabelbrücke aufgeschraubt.
Eine überraschende Geschichte, schließlich hat BMW ja unendlich viele Telelever-Gabeln für die Boxer-Baureihe produziert, zuletzt mit 41er-Durchmesser. Doch hatte man sich entschlossen, die nun beim Zulieferer Marzocchi produzierten Gabeln aus Kostengründen durch Klebemittel ("Loctite") statt durch die bisherige mechanische Verstemmung mittels Körnerschlägen zu sichern. Was möglicherweise nicht ausreicht. Also entschloss sich BMW, zur ursprünglichen Sicherungsmethode zurückzukehren, um jegliches Risiko auszuschließen. Daher mussten alle bereits fahrenden Maschinen nachgerüstet werden. Dies gilt für alle Testmaschinen wie auch an Händler ausgelieferte Vorführer.
Um den wichtigen MOTORRAD-Test weiterführen zu können, flog eigens ein Mechaniker vom BMW-Werk in Berlin nach Marseille. Der führte mit einem Spezialwerkzeug die nachträgliche Verstemmung durch. Mit dessen Hilfe erhält das Standrohr insgesamt viermal kreuzförmig im 90-Grad-Winkel in Höhe des Stopfengewindes einen Körnerschlag. Zum Schluss kommt wieder die Kunststoffabdeckung drüber, fertig. Ein paar Hammerschläge, die für BMW wohl teuer werden, denn die Techniker schwärmten in ganz Europa aus. In der Serienfertigung wird nun
wieder verstemmt. Sicher ist sicher.