Europäische Motorrad-Entwickler haben es nicht leicht, wenn es darum geht, ihre Arbeit geheim zu halten. Irgendwann müssen sie auf öffentlichen Straßen testen, und dann laufen sie Gefahr, von aufmerksamen Lesern entdeckt zu werden. Hinzu kommt noch, dass Motorräder gemeinhin recht häufig tanken müssen. Das kann man verdeckt in einer Garage mit dem Kanister machen, oder, wenn man entsprechende Mühen scheut, öffentlich an einer Tankstelle. Die BMW-Testfahrer haben sich offensichtlich sehr sicher gefühlt, sonst hätten sie sich dabei nicht so arglos fotografieren lassen. Schön, dass sie noch ihre beiden Maschinen so positionierten, dass wir Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, beide Seiten der neuen T-Baureihe zeigen können.
Die Bilder enthüllen die Sensation: BMW entwickelt eine komplett neue bajuwarische Motorengeneration, einen Reihenzweizylinder. Neben den Boxern, den Einzylindern sowie den alten und neuen Vierzylindern entsteht nun eine fünfte
Motorenreihe. BMW T 800 könnte der neue Mittelklasse-Twin aus München
heißen. Der Hubraum von vermutlich 800 cm3 liegt in sinnvollem Abstand zur F 650 und den Boxern mit 1200 cm3. Auch leistungsmäßig könnte der Twin mit 78 PS die Lücke zwischen den rund 100 PS starken Boxern und dem 50-PS-Single schließen.
Die Architektur des Reihenzweiers erschließt sich aus dem Zahnriemenantrieb. Der sitzt nämlich rechts wie bei den
F 650-Modellen. Daraus folgt, dass sich die Kupplung links befindet, ganz im Gegensatz zu den neuen K-Vierzylindern. Der Twin ist also keineswegs nur ein halber
K 1200-Motor, sondern ein ganz neu entwickeltes Triebwerk. Höchstens als Bauart-Lieferant von Zylinderblock und Vierventilzylinderkopf könnte das leistungsstarke Sport-Triebwerk zum Zug gekommen sein, der extrem kleine Auspuffkrümmer-Abstand deutet darauf hin. Zudem wird sich vermutlich die von der K-Baureihe bekannte elektronische Motorsteuerung um die korrekte Versorgung mit Gemisch und
dessen Zündung kümmern.
Beim Fahrwerk setzten die Münchner auf einen sehr leichten Aluminium-Brückenrahmen. Vorne arbeitet eine konventionelle Telegabel, das Hinterrad führt eine mächtige Einarmschwinge, wohl ebenfalls aus Aluminium. Die Zwei-in-eins-Auspuffanlage beherbergt einen Drei-Wege-Katalysator mit Lambda-Regelung.
Mindestens zwei Versionen werden derzeit entwickelt. Eine mit Vollverkleidung, von MOTORRAD als T 800 R bezeichnet, und eine mit schlanker Halbverkleidung, die T 800 S. Der Tank wird wie bei der
F 650 CS unter der Sitzbank liegen. Leichtbau ist auch bei dieser neuen Modellreihe Trumpf. Unter 200 Kilogramm sollen die Neuen wiegen und damit sogar leichter als die Einzylinder sein.
Wie bei allen BMW sorgen die Münchner gleich bei der Entwicklung für ein
umfangreiches Zubehörangebot. Antiblockiersystem, Kofferset und diverse andere
Annehmlichkeiten, die das Motorradfahrerleben verschönern, werden die neuen Twins zu Multifunktionsbikes der Mittelklasse machen. Auf den Markt kommen die T-Modelle wohl erst im Herbst 2006. Der Preis soll unter 8000 Euro liegen.
Diesbezüglich in einer ganz anderen Liga ist die BMW R 1200 GS-HP angesiedelt. Für die edel ausgestattete Hard-Enduro werden ambitionierte Offroad-Fans etwa 15000 Euro hinblättern müssen. Dafür erhalten sie eine wirklich geländetaugliche Boxer-Enduro mit satten 100 PS. Erstaunlich: BMW verzichtet bei dieser Version auf das bekannte Telelever-System und baut eine mächtige Upside-down-Gabel mit über 250 Millimeter Federweg als Vorderradführung ein. Auch die Hinterradführung blieb nicht unangetastet. Eine
verstärkte und längere Schwinge steht
vereint mit einem langhubigeren Federbein für wahre Offroad-Qualitäten. Zusammengehalten wird alles von einem neu entwickelten Stahlrohrrahmen. Geländetaugliche Reifen, vorn 21 Zoll groß, stabilere Felgen, wahrscheinlich mit Magnesiumnaben, freuen den Enduristen genauso
wie der Aluminium-Schutzbügel für den Scheinwerfer und die Instrumente.
Mit 210 Kilogramm wiegt die GS-HP einiges weniger als ihr 242 Kilo schweres Schwestermodell. Erreicht wird dies durch die oben erwähnten Räder, einen kleineren Tank, ein schmaleres Heck und den leichteren Rahmen. Für Wüstenfahrer und
sonstige Abenteurer soll der Motor mit
einer speziellen Abstimmungsmöglichkeit für minderwertige Benzinsorten versehen werden. Bereits in diesem Frühsommer ist mit dem Verkaufsstart zu rechnen.
Noch teurer als die GS-HP kommt die ebenfalls bei geheimen Testfahrten ertappte BMW K 1200 GT. Der Sporttourer vom Schlage einer Yamaha FJR 1300 basiert auf der bekannten K 1200 S. Um einen höheren Langstreckenkomfort zu erreichen, versieht BMW die GT mit einer ausladenderen Verkleidung. Der Tank wird ebenso vergrößert wie die Sitzbank, die einen deutlich bequemeren Soziusplatz aufweist als die sportliche Schwester. Dazu dienen auch tiefer angebrachte Fußrasten, was durch den flacher angestellten Auspuffendtopf ermöglicht wird. Das verstärkte Rahmenheck kann ein üppiges Gepäcksystem aufnehmen, ähnlich dem der
R 1200 RT. Vollgetankt wiegt die GT knapp unter 290 Kilogramm.
Der nahezu liegende Reihenvierzylinder ist für eine verbesserte Tourentauglichkeit mit mehr Dampf aus dem Keller zahmer abgestimmt. 150 PS reichen ja für den
verwöhntesten Zeitgenossen – 250 km/h Spitze ebenso. Und die K 1200 GT zieht schon ab Standgasdrehzahl sauber durch. Mögliche Kunden müssen sich allerdings vermutlich bis 2006 gedulden.
Schon viel früher, nämlich am 4. Juni 2005, wird die wohl mutigste BMW
aller Zeiten auf den Markt kommen, die
K 1200 R. Wer hätte noch vor ein paar Jahren gedacht, dass die Weißblauen
einmal das stärkste Naked Bike der Welt bauen würde? Nicht einmal BMW selbst. Vernunft, hohe Akzeptanz, Sicherheit, Umweltfreundlichkeit waren Leitlinien, denen sich die Motorradabteilung gerne unterwarf. Das hat sich gründlich geändert. Jetzt bauen die Münchner ein wildes
Highend-Muscle-Bike und führen damit die Philosophie des übermotorisierten und nur schwer bezähmbaren Männer-Motorrads fort, die einstmals von der Yamaha Vmax begründet wurde. Bitterböse, formal brutal, provokant. 163 PS bei 10250/min, 127 Nm Drehmoment, das Ganze etwas kürzer übersetzt als in der K 1200 S, damit es richtig in den Armen schmerzt. Ohne ABS wiegt der Bazibrüller 237 Kilogramm vollgetankt, ein steilerer Lenkkopfwinkel und weniger Nachlauf versprechen ein zauberhaftes Handling.
Auf der Bremse dürfte die BMW
sagenhaft funktionieren, bei geheimen Tests in Jerez erreichte die nackte K eine Zeit von 1,50 Minuten, was auf dem Niveau von 1000er-Supersportlern liegt. Eine tolle Basis für den BMW Power-Cup, den die Bayern mit dieser Maschine im Rahmen der MotoGP-Serie bestreiten werden.
Mit 13000 Euro Grundpreis reiht sich die K 1200 R auf dem Niveau der Yamaha MT-01 ein. Dafür gibt es eine Menge
Zubehör, vom Gepäcksystem über eine kleine Verkleidungsscheibe bis hin zu ABS, elektronisch einstellbarem Fahrwerk und Heizgriffen, zu teilweise deftigen Preisen. Aber braucht das der Macho?
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