Fahrbericht Kawasaki GP Z 900 R
[ANMERKUNG: Das obige PDF enthält Scans vom Fahrbericht zur Kawasaki GP Z 900 R aus MOTORRAD 1/1984, vom 25.000-km-Test aus MOTORRAD 10/1985 und vom 100.000-km-Test aus MOTORRAD 11/1986.]
Mit Gewalt will Kawasaki 1984 endgültig aus der Krise fahren, die noch vor kurzem die Zukunft der Zweiradfertigung im Konzern ganz in Frage gestellt hatte. "Schiere Gewalt" nannte MOTORRAD schon 1974 die Z 900 der Marke. Des großen Erfolgs, den sie mit diesem Motorrad hatten, gedachten die Kawasaki-Manager in ihrer großen Not.
Genauso gewaltig soll nun 1984 die GP Z 900 R werden, zumindest, was die Fahrleistungen betrifft. Denn die Z 900 war immerhin seit ihrem Produktionsbeginn das schnellste Serienmotorrad der Welt und blieb es bis kurz vor der Fertigungseinstellung im Jahr 1976. Doch das Rezept von 1972 zieht zwölf Jahre später nicht mehr. Einfach den Hubraum aufzustocken, ist heute kaum noch möglich. Dennoch rühmen sich die Kawasaki-Macher, mit der GP Z 900 eines der schnellsten Fahrzeuge überhaupt auf zwei Räder gestellt zu haben. Eine Höchstgeschwindigkeit von 246 km/h laut Werksangabe muss erst noch von anderen überboten werden.
Kawasaki GP Z 900 R: der Motor

Gut vier Jahre hat es gedauert, bis aus den ersten Überlegungen zu seiner "neuen Generation von Hochleistung" (so die Ankündigung der GP Z 900, ein fertiges Produkt wurde. "Wir haben in dieser Zeit jedes nur denkbare Konzept geprüft", versichert Produktplaner Misao Yurikusa, "von Vierzylinder-Boxer mit zum V-Sechszylinder, aber am Schluß hat sich der Reihenvierzylinder doch als beste Lösung erwiesen. Er kann ausreichend kompakt konstruiert werden, ist leichter als ein V-Motor, weil er weniger Teile hat, und am preisgünstigsten zu produzieren."
Um das gesetzte Ziel zu erreichen, konnten die Techniker in Akashi auf technische Errungenschaften wie Wasserkühlung und vier Ventile pro Zylinder nicht verzichten. Thermische Schwierigkeiten bereiten bei modernen Hochleistungsmotoren vor allem die engen Ventilwinkel, die für eine kompkate und damit klopffeste Brennraumform sorgen müssen, Zudem ermöglichste es diese Art der Temperaturkontrolle, die Zahnkette zum Antrieb der zwei obenliegenden Nockenwellen an der linken Motorseite zu platzieren, ohne das thermische und optische Gleichgewicht des Vierzylinders zu stören.
Damit erhielten die Ingenieure die Chance, den Motor nochmals schmäler zu konstruieren, und die konnten gerade Ansaugwege verwirklichen, weil die Abstände zwischen allen Zylindern identisch sind.
Neu bei Kawasaki ist auch die Steuerung der Ventile über gegabelte Schlepphebel, die das Motorrad wartungsfreundlicher machen sollen. Mehr Laufruhe war dagegen das Ziel der Umstellung auf Gleitlager der Kurbelwelle. Damit jedoch nicht genug der Beruhigungsmittel: Unten im Gehäuse rotiert eine zusätzlichen Ausgleichswelle - ein Novum bei einem Reihenvierzylinder im Motorrad. Sie wird angetrieben von jenem dritten Zahnrad zwischen drittem und viertem Zylinder, das auch die Leistung an die Kupplung überträgt. Eine weitere Nebenwelle triebt die Wasserpumpe, und eine dritte Welle über dem Getriebe setzt die Lichtmaschine in Bewegung.
Der Aufwand rund um den eigentlich simplen Motor diente im wesentlich der Verbesserung des Fahrverhaltens und eben den angestrebten Super-Fahrleistungen. Denn durch die extrem schmale Bauart des Triebwerks konnte die ganze Maschine kompakt gehalten werden, die Vibrationsarmut kam der Rahmenkonzeption zugute. denn nur dank der Ausgleichswelle wagten es die Kawasaki-Techniker, den Motor starr in den Rahmen zu hängen und ihm so tragende Funktion zuzuweisen.
Kawasaki GP Z 900 R: das Fahrwerk

Dadurch wurde das GP Z 900-Fahrwerk nicht nur leichter, der Motor konnte auch tiefergelegt werden, und es entstand mehr Platz, die Auspuffanlage eng ans Gehäuse zu schmiegen. Der Rahmen selbst, Diamond Frame genannt, besteht eigentlich aus vier Teilen: dem Zentralstück vom Steuerkopf bis zur hinteren Motorlagerung, zwei Seitenplatten ausw Aluminium, die Fußrasten und Schwinge tragen, und dem Alu-Heckteil, das eigentlich nur die Sitzbank halten muss. Alle teile sind untereinander verschraubt, was Reparaturen einfach und billig machen. Darüber hinaus reklamieren die Kawasaki-Ingenieure als wichtigsten Vorteil dieses Prinzips für sich, rund fünf Kilogramm Gewicht gespart zu haben.
Doch damit ist die Liste der Neuerungen, mit denen die 900er aufwartet, noch nicht erschöpft. "Mit unserem AVDS", so Manager Yurikusa, "steht erstmal in der Motorradgeschichte auch am Vorderrad eine progressiv arbeitende Dämpfung zur Verfügung." Die Telegabel reguliert die Dämpferhärte nämlich selbsttätig, und zwar nicht nur abhängig vom Weg, sondern auch von der Einfederungsgeschwindigkeit. Dazu verhelfen ihr zusätzliche Bohrungen des "Automatic Variable Damping System", die das Gabelöl durchströmen lassen, wenn weich gefedert werden soll. Bei harten Schlägen aber, und ebenso ab einem Federweg von 50 Millimetern, schließen kleine Federn sofort diese Öffnungen, die Gabel wird härter.
Schließlich konnte sich Kawasaki bei all diesen Neuerungen auch noch dazu durchringen, wie die Konkurrenz zwischen die Gabelholbe ein 16 Zoll großes Vorderrad zu klemmen. Misao Yorikusa: "Neben der geringfügigen Verbesserung des Handlings kam es uns wesentlich darauf an, das Motorrad niedriger und damit schneller zu machen, was nur mit kleinerem Vorderrad möglich ist.
Kawasaki GP Z 900 R: Fahreindruck

In nackten technischen Daten liest sich das Ergebnis all dieser Arbeit wie eine Form höherer Gewalt: 115 PS, die bei 9500/min anfallen, sollten mit dem Trockengewicht von 220 Kilogramm wirklich wenig Mühe haben. Für deutsche Kunden präsentiert sich das aber schon nicht mehr so ganz phantastisch, denn einem Gewaltverzicht von 15 PS steht hier eine Erschwernis von 29 Kilogramm gegenüber, bis das Fahrzeug mit allen Betriebsstoffen abgefüllt den TÜV passiert hat.
MOTORRAD hatte bei der Weltpräsentation an der kalifornischen Pazifikküste, auf der Rennstrecke von Laguna Seca, allerdings noch das Vergnügen, die offene Version fahren zu dürfen. Daß der motor wirklich eine "neue Generation" verkörpert, ist nicht zu bestreiten. Besonders im Vergleich zu den bisher käuflichen Kawasaki-Vierzylindern wirkt er wesentlich kultivierter, weniger angestrengt und auch spontaner in der Leistungsentfaltung.
Der Treibsatz der GP Z 900 R fühlt sich umso wohler, je höher er gedreht wird. Weder das Leistungsmaximum bei 9500/min noch der Beginn des roten Bereichs bei 10.500/min markieren das Ende der Drehwilligkeit. Der Kurzhuber (Bohrung 72,5 mm, Hub 55 mm) macht schadlos bis an die 12.000/min mit. Derartige Orgien werden durch da kurz und knackig zu schaltende Sechsganggetriebe eigentlich überflüssig, sie passieren allenfalls in der Hitze des Gefechts. Dabei sollte aber die Nadel des Drehzahlmessers nicht unter die 7000er-Marke fallen, denn das fehlen dem Vierventilder doch 200 cm³ und der entsprechende Schub, wie ihn eigentlich nur Superbikes der 1,1-Liter-Kategorie aufweisen.
Leichte Vibrationen waren nur an einem der drei von MOTORRAD gefahrenen Exemplare zu notieren. Wir ruhig der ausgeglichene Verzylinder in der Großserie wirklich läuft, bleibt abzuwarten. Und ob die versprochenen Höchstgeschwindigkeit - für die deutsche 100-PS-Ausführung immerhin noch 235 km/h - erreicht wird, war in Laguna Seca nicht zu erfahren, weil die Geraden zu kurz und die Highways nicht freigegeben waren.
Feststellen ließ sich aber, daß die Fahrwerkstechniker wieder etwas von der bei der Turbo vertretenen Philosophie der straffen Federung und des sturen Geradeauslaufs um jeden Preis abrückten. Die 900 R wirkt sehr leicht zu dirigieren, wozu sicher auch die mit 780 Millimeter Sitzhöhe recht niedrige Sitzbank und der für ein Sportmotorrad breite Lenker beitragen. Schnelle und auch langsame Kurvenkombinationen sind mit ihr keine Arbeit mehr. Trotz des kleinen Pneus vorn bleibt das Chassis in Biegungen aller Art neutral, richtet sich auch beim Bremsen in Schräglage nicht schlagartig auf.
Kawasaki GP Z 900 R: erstes Fazit

Kritikpunkte an der neuesten GP Z reduzieren sich eher auf Geschmacksfragen: Die Bremse vorn packt schon bei geringer Handkraft recht brutal zu, die Scheibe im Hinterrad läßt sich kaum sauber dosieren, die Instrumente sind etwas klein und plump gezeichnet, die Ausleger der Rückspiegel zu kurz.
Die Frage jedoch, warum Kawasaki freiwillig das Auffüllen des Hubraums auf das Niveau der Superbike-Wettbewerber unterlassen hat, beantwortet Manager Yorikusa mit einem geheimnisvollen Lächeln und der gegenfrage: "Warum brauchen wir 1100 cm³, wenn wir es mit 900 mindestens genauso gut können?"
Kawasaki GP Z 900 R: technische Daten

Motor: Wassergekühlter Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor, quer eingebaut, dohc, Gbelschlepphebel, Steuerantrieb über Zahnkette, je vier Ventile Bohrung x Hub 72,5 x 55 mm, Hubraum 901 cm³, Verdichtung 11, Nennleistung 74 kW (100 PS) bei 9500/min, max. Drehmoment 86 Nm (8,7 mkp) bei 8500/min, vier Keihin-Vergaser, Ø 34 mm, kontaktlose Transistorzündung, Drehstromgenerator, Batterien 12 V/14 Ah, hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, klauengeschaltetes Sechsganggetriebe, E-Starter, Sekundärantrieb über O-Ring-Kette
Fahrwerk: Rückgrat-Rohrrahmen mit angeschraubtem Heckteil, Motor tragendes Element, luftunterstützte Teleskopgabel vorn mit hydraulisch angesteuertem Anti Dive, Standrohrdurchmesser 38 mm, automatische Dämpfungsverstellung, Federweg 140 mm, zentrales, luftunterstütztes Gasdruck-Federbein hinten, Zugstufe 4fach verstellbar, Federweg 114 mm, Uni Trak-System, Radstand 1495 mm, Lenkkopfwinkel 61 Grad, Nachlauf 114 mm, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 280 mm, Festsattel, Scheibenbremse hinten, Ø 270 mm, Festsattel, Betätigung vorn/hinten hydraulisch, Bereifung vorn 120/80 V 16, hinten 130/70 V 18.
Abmessungen und Gewichte: Länge 2200 mm, Sitzhöhe 780 mm, zweiteiliger Alu-Lenker, Leergewicht 249 kg, zulässiges Gesamtgewicht 430 kg, Tankinhalt 22 Liter
Preis: 11.390 Mark