BMW R nineT, Moto Guzzi V9 Roamer, Triumph Thruxton und Yamaha XSR 900

Modern Classic Bikes beim Alpen-Masters 2016 R nineT, V9 Roamer, Thruxton und XSR 900 im Test

Lässig durch die Dolomiten gleiten, bei der Pause am Gipfel cool rüberkommen, sich bei jedem Sonnenstrahl über die Schönheit der eigenen Maschine freuen: Das alles geht mit diesen vier Modern Classics. Geht auch mehr?

R nineT, V9 Roamer, Thruxton und XSR 900 im Test jkuenstle.de
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Schönheit hat ihren Preis. Zugegeben, keine neue Erkenntnis, aber überaus treffend für die vier Motorräder der Modern Classics-Gruppe. In Zeiten, in denen Customizing auf vielen Wunschzetteln ganz oben steht, strebt unser Testquartett schon serienmäßig nach dem besonderen optischen Kick. Die BMW R nineT stellt puristisch und mit edlen Details Motor und Fahrwerk in den Mittelpunkt, die Moto Guzzi V9 Roamer setzt auf Cruiser-Anklänge, die Triumph Thruxton gibt sich sportlich und verspielt, und die Yamaha XSR 900 wirkt eher klassisch-kühl.

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Den Preis für die vier grundverschiedenen Schönheiten zahlt man zum einen in harter Währung, nämlich zwischen 9500 Euro (Yamaha XSR 900) und 14.900 Euro (BMW R nineT). Und man zahlt ihn bei der Anreise in die Alpen: Wohin bloß mit dem Gepäck, wohin mit einem Passagier? Wem an seinem Beifahrer liegt, der sollte sich für ein anderes Motorrad entscheiden, denn alle vier Modern Classics eignen sich vornehmlich für den Solo-Trip: Ihre Sitzbänke sind kurz, die Soziusfußrasten bieten wenig Halt. Einzig auf der BMW R nineT lässt es sich auch hinten zumindest ein Weilchen aushalten. Was das Gepäck angeht, offerieren zwar alle vier Hersteller Tankrucksäcke und/oder Seitentaschen, doch deren Fassungsvermögen ist beschränkt – dicke Plastikkoffer würden die coole Optik ja gleich wieder versauen. In Sachen Wind- und Wetterschutz schließlich haben die vier Motorräder gar nichts vorzuweisen, sie präsentieren sich so nackt, wie Ingenieure und Designer sie schufen.

Moto Guzzi V9 Roamer

So viel zum Thema, was mit dem Quartett nicht geht in den Alpen. Jetzt aber zur Frage: Was geht denn dann? Ganz schön viel, lautet die Antwort. Aber eben nicht alles mit jedem Bike. Jede der vier Schönheiten entwickelt in den Alpen einen ganz eigenen Charakter. Fangen wir mit der Moto Guzzi V9 Roamer an. Der altehrwürdige 90-Grad-V2 ist und bleibt mit seinem kehligen Bollern und dem schlürfenden Ansauggeräusch ein Ohrenschmeichler erster Güte. Allerdings ist er mit gemessenen 58 PS dem Rest des Feldes hoffnungslos unterlegen. Versuche, im Pässekarussell zwischen Pordoi und Valparola an BMW R nineT, Triumph Thruxton und Yamaha XSR 900 dranzubleiben, enden unweigerlich im Frust. Also lieber gleich auf Entschleunigen umschalten, denn dann entpuppt sich die Roamer als echter Sonnenschein, gleitet heiter durch Kurven und Kehren und lässt dabei sogar noch Zeit, das dramatische Alpenpanorama in all seiner Pracht zu genießen. Trotz der passiven Sitzposition, bedingt durch den hohen und weit nach hinten gezogenen Cruiser-Lenker und die vergleichsweise weit vorn angebrachten Fußrasten, fühlt sie sich nie schwer an und präsentiert sich gerade in den zahlreichen alpinen Wechselkurven leichtfüßig.

Wunder sollte man allerdings nicht von ihr erwarten, denn auch das Fahrwerk ist auf gebremsten Schaum ausgelegt: Das Vorderrad geizt mit Rückmeldung, die Einscheibenbremse vorn beschert den längsten Bremsweg der Gruppe (siehe Messwerte), und die weiche Abstimmung von Gabel und Federbein verhindert eine präzise Linie im Kurvenslalom. Zudem verschluckt sich der Motor nach dem Schalten immer kurz und geht dann hart ans Gas. Dennoch lässt es sich mit den kleinen Macken der Moto Guzzi V9 Roamer leben. Allerdings nur, wenn man ihren Cruiser-Charakter mag und stets tiefenentspannt durch die Alpen rollen möchte. Für Sprint, Spurt und steigenden Adrenalinspiegel sind andere Motorräder zuständig.

Triumph Thruxton

Etwa die Triumph Thruxton. Mit ihrem 1200er-Twin legt sie einen Durchzug hin, der sich gewaschen hat: In nur 3,8 Sekunden schafft sie es bergauf von 25 auf 75 km/h. Das bedeutet: Rekord in ihrer Gruppe und beste Voraussetzungen für einen flotten Serpentinen-Slalom. Der gelingt ihr mühelos, das Herausbeschleunigen aus den Spitzkehren wird mit ihrem druckvollen Reihenzweizylinder zum Dauervergnügen. Trotz des schmalen Stummellenkers und der nach vorn gebeugten Sitzhaltung – wir erinnern uns: Die Thruxton gibt in dieser Gruppe den sportlichen Klassiker – sitzt es sich auf ihr erstaunlich bequem. Der schmale Tank ermöglicht einen guten Knieschluss, die Sitzbank bietet passablen Sitzkomfort.

Einer exorbitanten Handlichkeit am Berg steht der Stummellenker dann aber doch entgegen. Auch wenn die Triumph Thruxton willig einlenkt, was unter anderem an ihrem gemäßigten 160er-Hinterreifen liegt. Leichte Abzüge fängt sie sich bei Lenkpräzision und Stabilität in Kurven ein. Hier steht vor allem das weiche Fahrwerk, speziell die Gabel, einer wirklich guten Vorstellung entgegen, die teurere Modellvariante Thruxton R mit Showa-Gabel und Öhlins-Federbeinen hätte möglicherweise besser abgeschnitten. Die Basis-Thruxton jedoch muss sich trotz ihrer kurzweiligen Vorstellung wegen der starken Konkurrenz in der Gruppe mit dem dritten Platz bescheiden.

Yamaha XSR 900 und BMW R nineT

Womit wir zu den beiden Klassenbesten kommen: Yamaha XSR 900 und BMW R nineT, erstere brandneu und basierend auf der MT-09. Letztere bereits seit einem Jahr auf dem Markt, aber beim letztjährigen Alpen-Masters wegen der damaligen Modellflut an neuen Boxern nicht zum Zuge gekommen. Weshalb sie erst jetzt zeigen darf, was sie in den Bergen kann. Fast 6000 Euro Unterschied liegen zwischen der BMW und der Yamaha, was sich vor allem in der Ausstattung niederschlägt. Sicher ist die BMW edler verarbeitet und zieht auf jeder Passhöhe bewundernde Blicke auf sich. Dagegen wirkt die Yamaha eher blass. Die R nineT gibt die große Diva, die XSR 900 das brave Mittelklasse-Bike. Doch für Show-Effekte gibt es hier keine Punkte.

Dafür umso mehr für Motor und Fahrwerk. Und in beiden Kategorien liegt die Yamaha XSR 900 hauchdünn vor der BMW R nineT. Ihr potenter Drilling prickelt, hält mit mustergültiger Leistungsentfaltung immer und überall genau die richtige Power fürs alpine Schaulaufen bereit. Zudem räubert die XSR 900 mit ihrem breiten Lenker und der aufrechten Sitzposition am handlichsten durchs Kehrendickicht, lässt sich dank guter Rückmeldung perfekt kontrollieren. Das sorgt selbst bei nasser, rutschiger Fahrbahn für viel Vertrauen.

Die BMW R nineT mit ihrem starken, luftgekühlten Boxer folgt ihr fast gleichauf, wirkt aber mit ihren 26 Kilogramm Mehrgewicht in jeder Kehre und Kurve etwas wuchtiger und dadurch nicht ganz so locker und lässig. Auch die Sitzposition mit einem deutlich spitzeren Kniewinkel gerät nicht so lässig und bequem wie auf der Yamaha XSR 900. Aber die Stunde der R nineT schlägt schließlich doch noch, und zwar bei den alpinen Sonderprüfungen. Hier glänzt sie mit exzellentem Durchzug und hervorragender Beschleunigung. Und bei der Bremsmessung bergab legt sie gar den besten Wert im ganzen Alpen-Masters hin. Einzig die Africa Twin kann ihr da noch das Wasser reichen. Endgültig vergeigt die Yamaha den Sieg dann mit der schlechteren Alltagstauglichkeit: weniger Ausstattung, weniger Reichweite, weniger Zuladung, mieser Beifahrersitzplatz.

Platz 1: BMW R nineT

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Die BMW R nineT landet auf dem ersten Platz.

Plus:

  • kräftiger Motor mit kernigem Drehmoment
  • Spitzenwerte bei Durchzug und Beschleunigung
  • exzellente Verzögerung
  • noch am ehesten für Beifahrer geeignet

Minus:

  • viel Spiel am Handbremshebel
  • reichlich bissige Vorderradbremse
  • keine Traktionskontrolle

Platz 2: Yamaha XSR 900

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Die Yamaha XSR 900 überzeugt mit guter Rückmeldung.

Plus:

  • spielerisches Handling
  • prickelnder Motor mit linearer Leistungsentfaltung
  • viel Rückmeldung
  • gute Kontrolle, auch bei Nässe

Minus:

  • Soziussitz wegen extrem hoher Fußrasten nur Notbehelf
  • geringe Zuladung
  • beladen wenig Bodenfreiheit

Platz 3: Triumph Thruxton

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Die Triumph Thruxton hat den besten Durchzug in der Gruppe.

Plus:

  • bäriger Motor, viel Druck im unteren Drehzahlbereich
  • bester Durchzug in der Gruppe
  • erstaunlich bequem trotz sportlicher Sitzposition

Minus:

  • Stummellenker, Einbußen bei der Handlichkeit im Gebirge
  • weiche Gabel, wenig Federungsreserven

Platz 4: Moto Guzzi V9 Roamer

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Die Moto Guzzi V9 Roamer belegt leider nur den vierten Platz.

Plus:

  • prächtig bollernder V2-Motor
  • leichtfüßig in Wechselkurven
  • niedrige Sitzbank
  • geringer Verbrauch, hohe Reichweite

Minus:

  • Durchzug und Beschleunigung in den Bergen mäßig
  • Seitenständer setzt früh auf
  • passive Sitzposition

MOTORRAD-Fazit

Das war knapp: Vor allem dank ihrer höheren Alltagstauglichkeit setzt sich aber die BMW R nineT durch, doch die Yamaha XSR 900 hat nur zwölf Punkte Rückstand. Beide geben in den Alpen den adrenalinsteigernden Alleinunterhalter, wenn man auf Wetterschutz und großes Gepäck verzichten kann. Das gilt auch für die kurzweilige Sportklassikerin Triumph Thruxton, bei der vor allem der Stummellenker ein besseres Abschneiden verhindert. Moto Guzzis Cruiser V9 Roamer rollt mit deutlichem Leistungshandicap auf den letzten Platz, verheißt entschleunigten Fahrern aber relaxte Bergtouren.

1. Platz Modern Classics: BMW R nineT

Alpen-Masters-Wertung

Maximale
Punktzahl
BMW
R nineT
Moto Guzzi
V9 Roamer
Triumph
Thruxton
Yamaha
XSR 900
Motor 150 118 70 114 120
Fahrverhalten 180 127 85 110 128
Alltag 100 64 56 55 49
Komfort 70 24 23 21 24
Gesamtwertung 500 333 234 300 321
Platzierung 1. 4. 3. 2.

Technische Daten BMW und Moto Guzzi

Hier sehen Sie einen Auszug der technischen Daten. Wenn Sie die kompletten, von uns ermittelten Messwerte inklusive aller Verbrauchs-, Durchzugs- und Beschleunigungswerte möchten, können Sie den Artikel als PDF zum Download kaufen.

Technische Daten Triumph und Yamaha

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