Es gibt sie noch immer: Motorräder, die einzigartig und wirklich schwer zu bändigen sind. Vom Versuch, eine nicht ganz gewöhnliche BMW R 1150 GS über den südlichen Schwarzwald zu treiben.
Es gibt sie noch immer: Motorräder, die einzigartig und wirklich schwer zu bändigen sind. Vom Versuch, eine nicht ganz gewöhnliche BMW R 1150 GS über den südlichen Schwarzwald zu treiben.
Ein eisiger Wind pfeift über die Hoch-ebene am Rand des Südschwarzwalds. Düster und wolkenverhangen zeigt sich der Himmel. Ein kugeliges Ungetüm stampft dumpf grollend durch die unwirtliche Gegend. iginalheck ersetzt, filigran wirkt. Aufs Finish auch nicht. Die Oberfläche seiner Anbauteile wirkt roh unWäre es zottelig, könnte es eines von diesen riesigen Urviechern sein, auf der Flucht vor der nahenden Eiszeit.
Doch wir schreiben Spätherbst 2007. Die Eiszeit ist längst Schnee von gestern. Das Urviech indes nicht. Man will es kaum wahrhaben, traut seinen Augen nicht, doch auch nach eingehender Betrachtung bleibt das Ungetüm ein Motorrad, genauer eine BMW R 1150 GS. Nur mit anderem »Fell«. Die langen Standrohrabdeckungen der Telelever-Gabel stechen wie riesige Stoßzähne unter dem dicken Schädel hervor. Dieser ist eine riesige, gewölbte Fläche, die sich vom Nacken, dem Tank, über den breiten Lenker spannt und vorn zur Nase hin spitz zuläuft, um zwei übereinander angeordneten Projektionslinsen den nötigen Halt zu geben. Wie Kiemen setzen sich rechts und links der Schädeldecke zwei Verkleidungsteile nach hinten fort, umschließen den Tank und beschließen diese kugelige Form.
«Hat mich einiges an Hirnschmalz gekostet, Gabel, Tank und Lenker unter einem großen Ganzen verschwinden zu lassen«, meint Erbauer Klaus Beutler, von Beruf Lackierer und Formenbauer, der sich tagsüber mit ausgefallenen Streetfighter-Lackierungen und Umbauten beschäftigt. Daher also sein Faible für auffällige Dinge. Wenn er am Wochenende nicht gerade mit seiner Benelli Tornado, MV oder Zündapp Bella unterwegs ist, widmet er sich seiner GS. Eigentlich hätte sie nicht so hoch werden sollen. Viel flacher sollte sie erscheinen. Doch die lange Gabel stellte sich sichtlich in den Weg. Trotzdem wirkt alles wie aus einem Guss, sind Formen und Linien schlüssig, fügt sich alles von den Instrumenten bis hin zu den Blinkern homogen ineinander. Wie bei einem Gelenkbus schiebt sich die »Schädeldecke« beim Lenken über die »Kiemen«. Einfach genial.
Reichlich Glasfasermatten und Harz hat Beutler bei seiner kaum mehr wiederzuerkennenden GS eingesetzt. Auf Leichtbau hat er dabei nicht geachtet, wenngleich der spartanische Höcker, der das schwere Originalheck ersetzt, filigran wirkt. Aufs Finish auch nicht. Die Oberfläche seiner Anbauteile wirkt roh und ungeschliffen. Das kann selbst die beste Metallic-Lackierung nicht übertünchen. Aber die vielen täuschend echten Karbon-Imitate von den Rädern über den Rahmen bis hin zu den Ansaugstutzen in Dip-Print-Technik (dünne Folien, die sich im Tauchbad an die Oberflächen anschmiegen) geben schon einen kleinen Einblick in das, was der Meister so draufhat. Schalter- und Lenkerarmaturen hingegen sind einfach silbern überpinselt.
Beutlers BMW gleicht nicht nur beim Anblick einem Urviech, es ist auch ein Koloss, wenn man sich traut, sie zu bewegen. Hürde Nummer eins: die Sitzhöhe. Der zierliche Höcker liegt derart hoch, dass oben fast schon Schnee liegen könnte, während es unten noch regnet. Nur mit Mühe schwingt das rechte Bein über das Hindernis. Geschafft! Jetzt klemmt man felsenfest zwischen ausladender Tankattrappe und Höcker. Es folgt Hürde Nummer zwei: die Fußrasten. Beim mühseligen Rangieren auf den Zehenspitzen versuchen sie trickreich, dem Fahrer in die Waden zu kicken und die Beine wegzuziehen. Und das bei einem Wendekreis, bei dem das Hochgeschwindigkeits-Oval von Nardo kaum ausreichen würde, um in einem Turn rumzukommen. Füße hoch, los und Hürde Nummer drei: der Lenker. Direkt vor der Brust bezieht er Stellung. Seine GFK-Griffe sind unterarmdick. Die Hände können sie kaum umspannen, liegen nur auf, krallen sich mühsam fest, als leide man an Gicht. Kupplung ziehen, Bremse betätigen allein das sind schon Aufgaben für sich. Sollte man nach 35 Jahren das Motorradfahren plötzlich von einer auf die andere Stunde verlernt haben?
Klaus Beutler behauptet, er habe am Fahrwerk nichts verändert. Alles Serie. Man will es nicht glauben. Wie auf rohen Eiern jongliert Beutlers BMW über die kaum gewundene Straße, wirkt nervös und kippelig. Vielleicht ist es der hohe Schwerpunkt oder die weit nach vorn verschobene Sitzposition oder auch beides, was einem stets den sauberen Strich vermasselt oder die richtige Linie erst gar nicht finden lässt. Unbeholfen und ziellos galoppiert der Fahrer daher, wird auch nach ein, zwei Stunden Fahrt mit dem Viech nicht warm.
Klaus Beutler jedenfalls ist erleichtert, als er seine GS nach Görwihl, nahe Waldshut, zurückkommen sieht. "Gell, lässt sich ganz schön bescheuert fahren. Was so eine geänderte Sitzposition und Fahrerhaltung alles ausmachen können", meint er lachend. Als Ausstellungsstück und Publikumsmagnet für Messen hatte er sie entworfen, um den unzähligen, aufgemotzten Custom-Harleys die Schau zu stehlen. Was ihm gelungen ist. Wirklich fahren wollte er eigentlich nie damit. Einen Versuch wars dennoch wert.