In der verschneiten Nordschweiz durfte MOTORRAD einen Feuerstuhl der ganz besonderen Art bewegen: die GG Spartaco auf Guzzi-Basis - eine Komposition aus feuriger italienischer Leidenschaft und cooler Schweizer Präzision.
In der verschneiten Nordschweiz durfte MOTORRAD einen Feuerstuhl der ganz besonderen Art bewegen: die GG Spartaco auf Guzzi-Basis - eine Komposition aus feuriger italienischer Leidenschaft und cooler Schweizer Präzision.
Spätestens seit es Schokoriegel in lila Papier gibt, weiß es jeder: Schweizer wollen cool sein. So auch Walter Grüter, Motorradhändler und Gespannhersteller in Ballwil bei Hochdorf, der echt locker bleibt, als zwei MOTORRAD-Mitarbeiter in wahrsten Sinne des Wortes in seinen Ausstellungsraum schneien und auf den blitzblanken weißen Fliesenboden braune Pfützen zaubern.
Aber schon im Untergeschoß des Ausstellungsraums ist es vorbei mit dem coolen Schweizer: Neben den hochmodernen CNC-Fräsmaschinen, die er mit seinen Konstruktionszeichnungen füttert und in denen dann vollautomatisch die Fahrwerkskomponenten für die GG- (Grüter & Gut-)Gespanne und die GG-Nachrüstbremsanlagen entstehen, beginnen seine Augen zu leuchten, und er kann seine Begeisterung für spanende Fertigung nicht länger verbergen.
Aus dieser Leidenschaft sowie der Erinnerung an eine intensive und ungestüme Beziehung mit einer Moto Guzzi in jungen Jahren entstand irgendwann der Plan, eine Guzzi nach eigenem Gusto zu bauen - sozusagen aus dem vollen gefräst. Im Oktober vergangenen Jahres war der Plan in die Tat umgesetzt, der erste Prototyp der GG Spartaco stand auf der IFMA, wo sich selbst die Moto Guzzi-Oberen vom Ergebnis beeindruckt zeigten.
Als Basis dienen die Antriebseinheit, der Hauptrahmen und die Schwinge einer 1100 Sport. Im Serientrimm - etwa 30 Spartaco sollen 1997 gebaut werden, etwa die Hälfte davon sind schon vorbestellt - wird allerdings der Zweiventilmotor von einer Einspritzanlage gefüttert anstatt wie beim gefahreren Prototyp von Vergasern. Um diese Basis herum versammeln sich edle Fahrwerkskomponenten, formvollendete Frästeile und dezente Armaturen und Instrumente zu einem Gesamtkunstwerk, für das noch nicht einmal der Künstler selbst eine geeignete Bezeichnung gefunden hat. »Kaffee-Racer« meinte ein GG-Angestellter, allerdings ohne Beisein seines Chefs.
Erst auf den zweiten Blick fallen die vielen durchdachten Details auf, zum Beispiel die in die linke Seitenplatte integrierte Druckstufenverstellung, die Schnellverschlüsse zum Abheben der Sitzbank oder die Multifunktionsknöpfe am Lenker.
Zwei der vier Knöpfe gleichzeitig gedrückt, und schon hämmert der rauhe V2 seinen Atem durch die beiden Lafranconi-Tüten. Wie bei Guzzis üblich, arbeitet die Leerlaufanzeige völlig unabhängig vom Getriebe, doch der dumpfe Schlag im Getriebegehäuse und der darauffolgende Ruck durch die Maschine sind sichere Anzeichen, daß das erste Getriebezahnradpaar nun greift. Sobald man den Gasdrehgriff ein wenig aufzieht, beginnen Hände und Füße phasenversetzt zum Rest des Körpers und im Zündrhythmus zu vibrieren. Die Arme sind weit über den Tank gestreckt, die Beine stützen sich ebenfalls nach vorne ab. Für kürzere Gliedmaßen als die des Autors (Länge über alles 1,86 Meter) will GG zwei weitere Ergonomie-Varianten mit jeweils stärker gekröpftem Lenker und zurückverlegten Fußrasten anbieten. Die mit Wildleder überzogene Sitzbank ist bequemer, als sie aussieht. Insgesamt hat die Sitzposition nichts mit Sklaverei gemein, wie der Name Spartaco (Spartakus führte im alten Rom einen Sklavenaufstand an) oder der optische Eindruck vermuten ließe. Auf Wunsch kann sogar noch ein Soziussitzkissen aufgepolstert werden.
Bereits auf den ersten langsamen Metern ist die geänderte Lenkgeometrie und der dadurch von original 90 auf 65 Millimeter verkürzte Nachlauf spürbar: Deutlich leichter als das Serien-Pendant zirkelt die GG-Guzzi um enge Ecken. Dafür liegt sie bei Geschwindigkeiten über 100 km/h nicht mehr so satt auf dem Asphalt, sondern reagiert spontan auf die kleinste Lenkbewegung. Dabei wird die Spartaco nicht etwa instabil und beginnt zu pendeln, sie wird nur nervös, angriffslustig und kurvenhungrig. Diese Angriffslust gepaart mit der montierten Superbike-Bereifung Pirelli MTR 03/04 der Dimensionen 120/70 und 180/55 ergibt einen Kaffee-Racer, mit dem im Rückspiegel von Sportmotorrädern auch außerhalb geschlossener Ortschaften jederzeit zu rechnen sein wird. Wegen der feuchten und wenig Grip verspechenden Witterung und nicht zuletzt mangels Gegnerschaft mitten im Winter mußte die Spartaco diesen Beweis jedoch schuldig bleiben.
Zumindest die voll einstellbaren Federelemente von Showa vorn und White Power hinten zeigten sich unbeeindruckt von den Minustemperaturen und bügelten trotz ihrer relativ harten Federn (der Federweg beträgt hinten nur 80 Millimeter) sämtliche Flicken und Wellen bei entsprechend softer Dämpfereinstellung klaglos nieder. Ebenfalls mild setzen die beiden GG-Bremsanlagen in ihrer Wirkung ein, die Verzögerung steigt linear mit der Hand- und Pedalkraft, und so können die Sechskolbenzangen selbst mit kalten Reifen keinen Schrecken verbreiten.
Die wenigen Schwächen des Prototyps, wie den kleinen Lenkeinschlag und die schwergängige Kupplung, will Grüter noch ausmärzen, bevor die Spartaco in Serie geht. Auch am Design will er noch mal Hand anlegen: Das hintere Schutzblech soll gekürzt, die Spiegel und der Gasgriff aus dem vollen gefräst und eine kleinere Batterie verwendet werden. Damit die Spartaco selbst im Sommer echt cool kommt.
34;35;36;37 GG-GUZZI SpartacoMotorLuftgekühlter Zweizylinder-Viertakt-90-Grad-V-Motor, Kurbelwelle längsliegend, eine untenliegende, kettengetriebene Nockenwelle, zwei über Stoßstangen und Kipphebel betätigte Ventile pro Zylinder, Naßsumpfschmierung, elektronische Saugrohreinspritzung*, kontaktlose Transistorzündung, keine Abgasreinigung, E-Starter, Drehstromlichtmaschine 350 W, Batterie 12 V/15 Ah.Bohrung x Hub 92 x 80 mmHubraum 1064 cm³Verdichtungsverhältnis 9,5 : 1Nennleistung 90 PS (66 kW) bei 7800/minMax. Drehmoment 9,7 kpm (95 Nm) bei 6000/minKolbengeschwindigkeit 21,3 m/sek bei 8000/minKraftübertragungPrimärantrieb über Zahnräder, mechanisch betätigte Zweischeiben-Trockenkupplung, Fünfganggetriebe, Kardan.Primärübersetzung 1,35Sekundärübersetzung 4,13Getriebeübersetzung 1,81/1,25/1,00/0,83/0,73FahrwerkZentralrohrrahmen aus Vierkant-Stahlprofilen, Motor-Getriebe mittragend, Upside-down-Gabel, Gleitrohrdurchmesser 41 mm, mit verstellbarer Zug- und Druckstufendämpfung, Dreiecksschwinge aus Stahlrohren, Zentralfederbein, direkt angelenkt, mit verstellbarer Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn mit Sechskolbensätteln und schwimmend gelagerten Bremsscheiben, Ø 300 mm, Scheibenbremse hinten mit Sechskolbensattel, Ø 242 mm, Speichenräder.Federweg vorn 120 mm hinten 80 mmFelgengröße vorn 3.50 x 17 hinten 5.50 x 17Reifengröße vorn 120/70 ZR 17 hinten 180/55 ZR 17 Maße und Gewichte**Radstand 1510 mmNachlauf 65 mmSitzhöhe 680 mmTrockengewicht 212 kgTankinhalt 16,5 LiterKraftstoffart Super bleifreiHöchstgeschwindigkeit Solo 200 km/hAusstattung/PreisLieferbare Farbennach WunschPreis zirka 41 000 Marklieferbares Zubehör Soziussitzpolster und -rasten, Windschutzscheibe, Packtaschen, verschiedene Lenker- und FußrastenversionenHerstellerGG-Motorradtechnik GmbH, Hochdorfstraße 9, 6275 Ballwil, Schweiz, Tel. 0041 / 41 448 33 63, Fax 0041 / 41 448 33 73* Von MOTORRAD gefahrener Prototyp mit Dellorto-Rundschiebervergasern, O 40 mm** Herstellerangaben