Ex-Norton-Eigner Stuart Garner hatte für die Motorradmarke Norton große Pläne. Mit neuem 650er-Reihenzweizylinder und schicken neuen Atlas-Modellen wollte man in den Volumenmarkt einsteigen, in die Mittelklasse. Dann ging Norton unter der Misswirtschaft von Garner pleite, und 2020 übernahm der indische Motorradhersteller TVS. Ende 2020 knüpften die Inder noch an die alten Garner-Pläne an und kündigten die Atlas-Modelle für 2021 an. Kaufinteressenten konnten sich auf der Norton-Seite registrieren und für 500 Britische Pfund eine Vorbestellung aufgeben.
Die Anzahlungen sind futsch
Das Geld scheint jedoch futsch zu sein, denn wie der aktuelle CEO, Dr. Robert Hentschel, vermeldete, wurde die Atlas inzwischen von der Produktionsliste gestrichen. Laut unseren Kollegen von MCN erhielten Atlas-Interessenten eine E-Mail von Norton, in der sie darauf hingewiesen werden, dass "es keine Pläne gibt, die Atlas zu produzieren", und ihnen geraten wird "bei den Insolvenzverwaltern (BDO) einen Antrag auf Rückerstattung der Anzahlung zu stellen."

Scheinbar plant TVS derzeit nicht, eine preisgünstige Norton auf den Markt zu bringen. Die aktuellen Modelle sind preislich in der Premiumkategorie angesiedelt: V4SV für mehr als 50.000 Euro, die V4CR (genauer Preis noch unbekannt) und die Commando 961 für über 22.000 Euro.
Das wären die Zweizylinder gewesen ...
Der 650 cm³ große Reihen-Twin, der vom V4-Motor abgeleitet wurde, setzte auf einen Hubzapfenversatz von 270 Grad, zwei obenliegende Nockenwellen sowie eine Ausgleichswelle. Die Bohrung wurde mit 82 mm angegeben, der Hub mit 61,5 mm und die Verdichtung mit 11,5:1. Einspritzung und ein Ride-by-Wire-System waren vorgesehen. Als Leistung wurden 84 PS genannt, die erst bei 11.000 Touren anliegen sollten. Als maximales Drehmoment wurden 64 Nm genannt.
Ranger mit langen Federwegen
Der Zweizylinder hätte in ein Umfeld eingebettet werden sollen, das als Mischung aus Enduro und Scrambler hätte antreten können. Das stählerne Perimeter-Fahrwerk wurde mit einer Aluminiumgussschwinge und einer Upside-Down-Gabel kombiniert. Angedacht waren 2 Versionen – Ranger und Nomad –, die sich technisch leicht unterschieden hätten.
Radstand der Ranger: 1.470 mm; Trockengewicht: 178 Kilogramm. Und eine voll einstellbare 50er-Roadholder-Gabel mit 200 mm Federweg. Roadholder-Zentralfederbein, das nur in der Vorspannung justiert werden kann und über eine Hebelei angelenkt wird, mit 200 mm Federweg. Sitzhöhe: 867 mm. Bremsen der Atlas-Modelle: 320er-Doppelscheibenanlage mit radial angeschlagenen Brembo-Zangen am Vorderrad. Hinten: 245er-Scheibe mit Zweikolbenzange. Drahtspeichenräder mit 19-Zoll-Vorderrad und 120/70er-Reifen, 17-Zoll-Hinterradfelge mit 170/60er-Reifen. 15-Liter-Tank aus Verbundmaterial, Kotflügel aus Aluminiumblech, Motorschutzwanne und eine kleine Lampenverkleidung.
Mehr straßenorientierte Atlas Nomad
Und die Atlas Nomad: auf 150 mm eingekürzte Federwege, auf 1.446 mm reduzierter Radstand sowie eine auf 824 mm abgesenkte Sitzhöhe. Vorne mit 18 Zoll großem Drahtspeichenrad und 110/80er-Reifen, hinten 17-Zoll-Felge mit 180/55-Reifen. Ohne Motorschutz und Scheibe.

Ursprünglicher Zeitplan und Preise
Beiden gemeinsam wäre gewesen: die komplette LED-Beleuchtung, der hohe Rohrlenker sowie der seitlich hochgezogene Endschalldämpfer. Bei der Präsentation 2018 sahen die Pläne wie folgt aus: Von beiden Modellen sollten in einer ersten Serie für 2019 jeweils 250 Exemplare gefertigt werden. Später plante Norton jährlich rund 2.000 Exemplare verkaufen zu können. Der Preis für die Nomad wurde mit 12.000 Euro angegeben, die Ranger hätte bei 14.500 Euro starten sollen. Gegen eine Anzahlung von 500 Pfund konnten Maschinen vorbestellt werden. Die Auslieferungen in England sollten ab Mai 2019 erfolgen. Die nach Euro 4 homologierten Modelle für den Rest von Europa sollten ab Dezember 2019 folgen. Dann kam aber die Insolvenz. Mit dem Neustart unter TVS in 2021 hatten sich Interessenten eine Euro-5-Anpassung erhofft. Daraus wird jetzt aber nichts.
Fazit
TVS macht bei Norton ernst. Wie es scheint aber nur im Premium-Segment, denn bisher wurden nur der Neustart des Superbikes V4 SS angekündigt und der Prototyp der Norton V4CR gezeigt. Die von vielen erhofften Mittelklasse-Modelle namens Atlas sind mitsamt dem 650er-Reihenzweizylinder vom Tisch.