Wenn es darum geht, Motorräder zu bauen, die superklassisch rüberkommen, sich aber in puncto Fahrdynamik voll auf der Höhe der Zeit befinden, macht Triumph derzeit niemand etwas vor. Mit dem jüngsten Mitglied der Bonneville-Familie haben sie sich in Hinckley selbst übertroffen. Wobei „jüngstes Mitglied“ angesichts des lupenreinen 40er-Jahre-Stylings der Triumph Bonneville Bobber irgendwie nicht so richtig passen mag. Die scheint nämlich direkt eine Zeitreise hinter sich zu haben. Schmales 19-Zoll-Vorderrad, dicker 16-Zöller hinten, dazu das Chassis, das dank geschickt verstecktem Federbein mit bester Starrrahmen-Optik aufwartet. Nicht nur der bildhübsche Tacho ist in der Neigung einstellbar. Der Sattel, der mit seiner gebürsteten Aluminium-Grundplatte einen Federsattel imitiert, lässt sich horizontal um 30 Millimeter verschieben.
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Triumph Bonneville Bobber im Fahrbericht
Erste Probefahrt mit dem Retro-Bike
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Auf das Wesentliche reduziert
Ein weiterer Clou wird erst auf den zweiten Blick offenbar: Die Triumph Bonneville Bobber wirkt unglaublich aufgeräumt und aufs Wesentliche reduziert. Keine Kabel, Leitungen oder Stecker stören das Bild. Das ABS-Steuergerät sucht man vergebens. Und Ausgleichsbehälter oder hinterer Bremsflüssigkeitsbehälter verbergen sich hinter einer Alu-Abdeckung zwischen Schwingenlager und Motor. Erst dadurch wirkt die Illusion eines Oldies. Um diese so perfekt wie möglich zu machen, haben die Briten kein Detail ausgelassen. Vom metallenen Halteband um den Batteriekasten über die Hinterradnabe in Trommelbremsenform bis zum Rundinstrument wirkt alles wie aus einer vergangenen, glanzvollen Ära. Ganz ohne Elektronik kommt zwar auch die Bobber nicht aus, doch beschränkt sich die mit ABS, zwei Motormappings und einer abschaltbaren Traktionskontrolle aufs Nötigste.
Rein in den Sattel und los
Ein neuer Auspuff mit kurzen, angeschrägten Endtöpfen, eine nun zweiteilige Airbox und dazu ein angepasstes Mapping, so haben sie in Hinckley dem Twin die Drehzahlmitte gestärkt. Das Ergebnis: Seine 106 Nm sollen bei 4.000/min zur Verfügung stehen. Wenn das keine guten Aussichten auf entspanntes Gleiten sind. Ganz so prickelnd sind die Aussichten außerhalb unseres Hotels leider nicht. Bei acht Grad warten säuberlich aufgereiht ein, zwei Dutzend Triumph Bonneville Bobber im Dauerregen auf eine Tour ins Hinterland von Madrid. Weshalb die Fotos zu dieser Geschichte auch unsere Kollegen der spanischen Schwesterzeitschrift Motociclismo beisteuern. Gracias Colegas. Aber was soll’s. Rein in den Sattel und los.
Verbeugung vor den klassischen Vorbildern
Die Startprozedur beginnt mit einer artigen Verbeugung, denn das Zündschloss ist stilecht unterhalb des rechten Oberschenkels angebracht. Ebenfalls eine Verbeugung vor den klassischen Vorbildern. Dann Druck auf den Anlasser, und der Twin brabbelt aufgekratzt und überraschend vollmundig aus den gebürsteten Auspufftöpfen drauflos. Die Sitzposition ist Roadster-typisch, vorne angebrachte Rasten, flache Lenkstange. Und mit dem Sattel in der vordersten Position passt das zumindest für kleinere Fahrer ganz ordentlich. Je weiter wir uns ins Hinterland vortasten, desto mehr schwindet die Hoffnung auf trockene Straßen, Petrus hat offenbar einen miesen Tag erwischt. Dass die Ausfahrt trotzdem nicht in einen Eiertanz ausartet, ist den eigens für die Triumph Bonneville Bobber entwickelten Avon Cobra-Gummis in 100/90-19 und 150/80 R 16 zu verdanken, die mit richtig gutem Nassgrip aufwarten. So kann man flott über die nassen, kurvigen Sträßchen schwingen. Und die optionalen Heizgriffe sorgen obendrein für warme Finger.
Stärke in der ersten Drehzahlhälfte
Der überarbeitete Twin bringt für einen Bobber genau die richtige Charakteristik mit. Seine Stärke liegt in der ersten Drehzahlhälfte. Dort verabreicht er seinen Druck nicht überfallartig, sondern als breites Drehmomentplateau, auf dem sich entspannt aus den Kurven heraussurfen lässt. Bis knapp über 4.500/min spannt sich sein Wohlfühlbereich. Natürlich lässt er sich auch bis zum Begrenzer bei 7.000/min zwirbeln, doch tut er das ohne besondere Leidenschaft und mit zunehmenden Vibrationen. Er spannt am Kurvenausgang lieber bereits im Drehzahlkeller die Muskeln, schuftet sich souverän durchs Drehzahlband und schiebt die Triumph Bonneville Bobber mit sattem Punch voran.
Satter Sound trotz Euro 4
Die Triumph Bonneville Bobber stürzt sich nicht gierig von einer Kurve in die nächste. Verlangt ein wenig Druck am Lenker und lenkt dann 19-Zöller-typisch eher besonnen denn zackig ein. In fein geschwungenen Bögen von Kurve zu Kurve zu segeln, ist ihr Ding, nicht hektische Kurvenräuberei. Immerhin wollen laut Triumph 228 Kilo Trockengewicht bewegt werden. Einmal in Schräglage, zieht sie aber sauber ihren Kurs. Die neu abgestimmte Telegabel arbeitet im besten Sinne unauffällig, das eher weich abgestimmte Federbein filtert kleine Unebenheiten und lange Wellen ordentlich heraus. Kurze, harte Kanten und Querfugen gibt es aber dezent an den Fahrer weiter. Trotz Umlenkung muss es sich wie die Gabel mit knappen 90 Millimetern Federweg bescheiden.
Was wirklich im Fahrwerk der Triumph Bonneville Bobber steckt, muss sich aber erst bei einem Test auf trockener Fahrbahn zeigen. Eher blass wirkt dagegen die vordere Einscheiben-Bremse. Stumpf im Ansprechen, verlangt sie zumindest im Nassen nach ordentlichem Zupacken. Ein Satz schärferer Bremsbeläge dürfte dem aber auf die Sprünge helfen. Weil die Avon-Pneus aber wie gesagt im Nassen eine Bank sind und einen recht flotten Strich erlauben, bekommt der High Torque-Twin nun dennoch immer öfter die Sporen. Er goutiert das mit wunderbar kernigem, nie aufdringlich lautem Roadster-Röhren. Wer sagt denn, dass mit Euro 4 keine tolle Klangkulisse machbar ist?
Platz auch für längere Fahrer
Beim kurzen Tankstopp gluckern nach 120 Kilometern knapp 5,7 Liter in den 9,1 Liter fassenden Tank der Triumph Bonneville Bobber. Was einem Verbrauch von 4,7 Litern entspricht. Etwas zurückhaltender bewegt, lässt sich der Verbrauch also sicher noch ein gutes Stück in Richtung der von Triumph proklamierten 4,1 Liter drücken. Womit auch Etappen von knapp 200 Kilometern machbar sind. Rasch den Schraubenschlüssel ausgepackt, den Sattel um 30 mm nach hinten und damit auch 10 mm tiefer wieder fixiert. So haben auch längere Fahrer ausreichend Platz. Bequemer fürs Gesäß ist diese Position allerdings nicht.
Einstandspreis von 12.500 Euro
Dennoch dürften die Zeichen auf Erfolg für die in Thailand gebaute Triumph Bonneville Bobber stehen. Nicht nur wegen der 16.000er-Wartungsintervalle. Mit einem Einstandspreis von 12.500 Euro, dieser genialen Mischung aus Optik, Sound und Veredelungsmöglichkeiten könnte es so manchem Sparstrumpf an den Kragen gehen. Zwei Inspiration-Kits hält Triumph bereit. Den „Old School Bobber“-Kit mit Ape Hanger, Vance & Hines-Auspuffen und passenden Accessoires sowie den „Quarter Mile Bobber“-Kit mit Stummellenkern, mattschwarzen Vance & Hines-Tüten und entsprechenden Anbauteilen. Die endgültigen Preise dafür stehen noch nicht fest, dürften sich aber um 1.800 Euro bewegen. Und wem das noch nicht individuell genug ist, der kann aus über 150 Zubehörteilen seinen ganz persönlichen Bobber zusammenstellen.
Inspiration-Kits für die Triumph Bonneville Bobber
Die Bobber ist ihnen nicht eigenständig genug? Für diesen Fall bietet Triumph eine Fülle an Zubehör. Und zwei Umbau-Kits. Das ist mal ’ne Ansage: Über 150 verschiedene Zubehörteile bietet Triumph zum Veredeln und Individualisieren der Bobber an. Interessant dürften aber vor allem die beiden Umbau-Kits sein, die die Triumph Bonneville Bobber in völlig unterschiedliche Richtungen trimmen. Der „Old School“-Kit mit Ape Hanger-Lenker bringt die Bobber ganz dicht an ihre Vorbilder aus den Vierzigern. Der „Quarter Mile“-Kit rückt sie schwer in Richtung Drag-Racer. Die Preise für die Kits stehen noch nicht endgültig fest, sollen sich aber um 1.500 bis 1.600 Pfund bewegen, was in etwa 1.800 Euro entspricht.
Old School Bobber
Triumph
Old School Bobber.
- Ape Hanger-Kit verchromt
- Leitungs-Kit für den höheren Lenker
- Vance & Hines-Auspuffe, gebürstet mit drehbaren Endkappen
- kurzes Schutzblech vorne, lackiert
- Sattel in braunem Leder
- Griffgummis braun
- schwarze Gepäcktasche zur Montage an der Schwinge
- CNC-gefräster Lampenring
- gebürstete, verrippte Deckel für Lichtmaschine, Kupplung und Drosselklappensensor
- Ölverschlussdeckel
Quarter Mile Bobber
Triumph
Quarter Mile Bobber.
- Lenkerstummel-Kit
- Krümmer schwarz
- Vance & Hines-Auspuffe, schwarz/gebürstet, mit drehbaren Endkappen
- kurzes Schutzblech vorne, lackiert
- Sattel in schwarzem Leder
- Griffgummis schwarz
- verrippter Deckel für Drosselklappen, schwarz
- CNC-gefräster Lampenring schwarz
- gebürstete, verrippte Deckel für Lichtmaschine und Kupplung schwarz
- Ölverschlussdeckel
Technische Daten Triumph Bonneville Bobber
Triumph Bonneville Bobber
Motor
Wassergekühlter Zweizylinder-Viertakt-Reihenmotor, zwei Ausgleichswellen, eine obenliegende, kettengetriebene Nockenwelle, vier Ventile pro Zylinder, Gabelkipphebel, Nasssumpfschmierung, Einspritzung, 2 x Ø 44 mm, geregelter Katalysator, Lichtmaschine 540 W, Batterie 12 V/10 Ah, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung (Anti-Hopping), Sechsganggetriebe, Kette, Sekundärübersetzung 2,176.
Bohrung x Hub | 97,6 x 80,0 mm |
Hubraum | 1.197 cm³ |
Verdichtungsverhältnis | 10,0 : 1 |
Nennleistung | 57,0 kW (77 PS) bei 6.100/min |
Max. Drehmoment | 106 Nm bei 4.000/min |
Doppelschleifenrahmen aus Stahl, Telegabel, Ø 41 mm, Zweiarmschwinge aus Stahl, Zentralfederbein mit Hebelsystem, verstellbare Federbasis, Scheibenbremse vorn, Ø 310 mm, Doppelkolben-Schwimmsattel, Scheibenbremse hinten, Ø 255 mm, Doppelkolben-Schwimmsattel, Traktionskontrolle, ABS.