Charmant, die Idee ist einfach charmant. Und so nahe liegend. Ducati hat es vorgemacht. Ein charakterstarker Zweizylinder, nicht zu groß und nicht zu klein, sondern richtig knackig, und drumherum ein gelungener Scrambler-Auftritt zwischen Retro und Moderne. Das zieht derzeit – und den passenden Motor haben die Japaner im Regal. Der MT-07-Twin mit dem V2-Sound generierenden Hubzapfenversatz von 270 Grad ist derzeit der wohl beste Antrieb seiner Klasse, dazu kompakt und preiswert in der Herstellung. Ein idealer Alltagsmotor also – und damit perfekt geeignet für so ein echtes „Faster Sons-Bike“. Also eins, „bei dem die Söhne mit Respekt die Arbeit ihrer Väter fortführen und später mit ihren Kreationen einfach schneller unterwegs sind.“ So beschreibt es Yamaha.
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Yamaha-Neuheiten für 2016
Von MT-07 zu Yamaha XSR 700
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Jetzt aber Schluss mit dem Marketinggeschwurbel. Dass die XSR 700 schneller ist als ihre Mutter im Geiste, die selige XS 650, muss nicht erst ein Vergleichstest klären. Das erledigt schon die Papierform: 75 PS, 178 Kilo vollgetankt - da kann die alte Dame nicht mit. Die brachte es 1976 in ihrer zweiten Auflage gerade mal auf 50 PS bei gewichtigen 230 Kilogramm. Das bedeutete: Bei 180 km/h war liegend Schluss, gerade 167 km/h hat MOTORRAD damals mit sitzendem Fahrer gemessen. Und sich trotzdem begeistert von dem Twin und seiner „ruhigen, aber kernigen Art des Dahinpolterns“ gezeigt.
Na klar, mehr braucht es auch heute nicht, um auf einem Motorrad wie der neuen XSR 700 für gute Laune zu sorgen. Eins ist deshalb schon vorher klar: Am Motor wird es nicht liegen. Und am Preis vermutlich auch nicht. Der ist zwar noch nicht bekannt, aber wenn man die knapp 6000 Euro der Organspenderin MT-07 zugrunde legt und einen kleinen Aufschlag wegen der höherwertigen Materialien (zweifach strukturierte Ledersitzbank, Alu-Tank, Alu-Kühlerverkleidungen und Alu-Radabdeckung) berechnet, wird auch die XS-Nachfolgerin keinen Käufer ruinieren. Zum Vergleich: Eine Ducati Scrambler startet bei 8390 Euro.
Wieso wartet der aufmerksame Leser nun auf ein „aber“? Wieso mag sich der eine oder andere nicht vor Begeisterung die Hände reiben angesichts eines Bikes, in dem „Shinja Kimuras Sicht der Faster Sons-Philosophie in einem Konzept-Motorrad Gestalt angenommen hat“? Weil – so legen es zumindest die ersten Fotos der XSR 700 nahe – auch ein berühmter Customizer, dessen Kreationen üblicherweise mit runden 100.000 Euro gehandelt werden, sich offensichtlich nicht über die Gesetze des Baukastens hinwegsetzen kann. Das heißt: Die zentralen Baugruppen wie Motor und Rahmen bleiben unverändert, während drumherum immer neue Komponenten im Idealfall immer neue Motorrad-Kreationen ergeben, am besten vom Sportler bis zur Enduro. Oder eben bis zum modernen Klassiker, wie ihn die XSR 700 nun darstellen soll.
Dieser Funke aber will bei der neuen Yamaha nicht auf Anhieb zünden, denn die klassische Linienführung der XS 650 sucht man bei der vermeintlichen Nachfolgerin vergeblich. Der entscheidende Grund dafür dürfte in der Rahmenbauart zu finden sein. Der Rückgratrahmen aus Stahlrohr mit seinen eigenwilligen, breit bauenden Verstrebungen für die oberen Motoraufnahmen lässt es nicht zu, einen Tank darüberzustülpen. Da der MT-07-Twin aber seine Luft ganz klassisch über die Airbox unter der Sitzbank ansaugt, ist dort kein Platz für ein Spritfass. Der neue 14-Liter-Alutank der XSR 700 kann also nur auf den Rahmen gesetzt werden – und baut dementsprechend hoch. Viel höher jedenfalls als der Lenkkopf, der für ein Fahrzeug dieser Kategorie erstaunlich niedrig positioniert ist.
Das wirkt nicht gerade klassisch, sondern bei einem Motorrad dieses Zuschnitts eher ungewohnt. Ebenfalls eher unklassisch muten die bei der XSR 700 sichtbaren Leitungen, Kabel und Motorhalterungen an, die bei der MT-07 noch teilweise von Plastikverkleidungen verborgen werden oder einfach weniger stören. Ähnliches gilt auch für die ebenfalls unverändert übernommene Bananenschwinge und die Under-Engine-Auspuffanlage mit ihrem kurzen Stummelschalldämpfer.
Der erste optische Eindruck ist gewöhnungsbedürftig. Der erste Fahreindruck hingegen dürfte überzeugend ausfallen. Eben weil sich im Verhältnis zur MT-07 so wenig geändert hat. Pirelli Phantoms als Erstbereifung statt Michelin Pilot Road 3, dazu ein anderer, etwas höher und weiter zum Fahrer geneigter Lenker – das war es schon an technischen Unterschieden. Und wer noch an der Optik arbeiten möchte: Das Rahmenheck ist geschraubt, und Yamaha wird jede Menge Zubehör anbieten. Für schnellere Söhne.
Technische Daten
Yamaha
Die neue Yamaha im silbernen Gewand.