Vergleichstest Boss Hoss - Mega Machines

Vergleichstest Boss Hoss - Mega Machines
Nehmet Euch in 8

Zuletzt aktualisiert am 15.12.1997

Erstaunen, nein, Schwanken zwischen Rat- und Fassungslosigkeit entsetzt die Mienen der Umstehenden: Zwei außerirdische Tiefflieger besuchen Mutter Erde, brabbeln auf eine Autobahntankstelle. Boss Hoss und Mega Machines - so steht auf ihren Tanks geschrieben - kippen Sprit nach, eine Zapfsäule mutiert zum Wallfahtsort. Die noch nie gesehenen Objekte verwundern durch unfaßbare Dimensionen, und auch ihre Triebwerke gebieten Ehrfurcht. V 8-Motoren, die polierten Deckel jeder Vierreihe gen Himmel erhoben. » Die Mouse Machines von Chevrolet«, diagnostiziert ein Sachkundiger begeistert, und sogar die Coolness eines Briten bricht zusammen: »I have never ever seen such a machine.« Ein Motorradfahrer wagt sich heran, macht ganz vertraut auf Kollege, weil er schließlich selber einen Cruiser mit V-Motor bewegt. »Und? Was kostet so’n Teil?« Die Antwort der Reiter - ja, sie können sprechen, sprechen wie du und ich - läßt ihn erschauern. 70000 bis 80000 Mark. Der Motorradfahrer wendet noch ein, dafür bekäme er ja zehn seiner XV 125 Virago, aber alle lachen: Wer braucht schon zehn Viragos? Und als die Big Blocks der Außerirdischen schon wieder viehisch rumoren, hat endlich einer ausgerechnet, daß ein Virago-PS fast 700 Mark kostet, Boss Hoss dagegen jedes seiner gemessenen 287 Pferde für schlappe 244 Steine verschleudert. Ein Tiefflieger zum Sonderpreis, quasi.
Ein Autofahrer stürzt ohne zu zahlen aus dem Kassenhäuschen, weil ihn der Sound um den Verstand gebracht hat, und auch auf der Bahn nimmt die Anteilnahme kein Ende. In der ersten Kurve blitzt den Super-Bikes ein Lichthupengewitter hinterher. Die wilden Schlingerbewegungen, mit denen die Monster wegen ihrer Autoreifen bereits auf leichte Schräglagen reagieren, lassen um Leib und Leben der Reiter fürchten. Dabei geht’s denen gut. Nein, saugut: Sie erleben Souveränität in einer neuen Dimension. Allenfalls abrupt ausscherende Langsamfahrer stören. Beim Bremsen. Nicht unbedigt die Domäne der Mega Maschines, und erst recht nicht der Boss Hoss. Schließlich huldigen sie mit verchromten Bremsscheiben eher dem schönen Schein als ordentlichen Reibwerten. Aber ums Bremsen geht es ja auch nicht. Sondern ums Beschleunigen. Gas auf, und schon schieben 287 PS und 480 Nm die Boss Hoss mit brachialer Urgewalt nach vorn. Herr im Himmel. Die Mega Machines wirkt dagegen mit 180 PS und 320 Nm allenfalls wie ein müder Abklatsch.
Nach 135 Kilometern - und leider ist weit und breit keine Wallfahrtstätte in Sicht - hat die Mega Machines völlig unerwartet ihre 28 Literchen Tankinhalt weggeschlürft. Boss Hoss säuft in kleineren Schlucken, fährt außerdem ein Vierzig-Liter-Faß spazieren. Doch Merkwürden Mega Machines liebt die Bahn sowieso nicht: Mit einer Ölwolke nebelt sie die Straße ein und konserviert die nachfolgende Boss Hoss samt Fahrer bis in den letzten Hohlraum.
Frisch repariert beziehungsweise gesäubert eilen beide auf die Landstraße, um sich bei jeder kleinen Bodenwelle sofort mächtig aufzuschaukeln. Und zwischen zwei Kurven, dem ureigenen Terrain dieser Kraftmeier also, gerät der Ritt ganz schnell zur Grenzwanderung. Der geringste Dreh am Gasgriff reicht, um 100 km/h drastisch zu überschreiten. Vor allem die Boss Hoss stürmt von Kurve zu Kurve, als sei der Leibhaftige hinter ihr her.
Was in den Kurven passiert, gleicht übrigens einem technischen K.O., denn bereits bei geringster Schräglage wetzen die Fußrasten beider Maschinen tiefe Male in den Asphalt. Andererseits: Nur wenn die Fußraste den Fahrbahnbelag konstant streichelt, stimmt auch die Linie. Auch die Landstraße mag die Mega Machines nicht, verweigert mit blockiertem Hinterrad die Weiterfahrt. Drei der fünf Hinterradlager haben ihren Dienst quittiert. Nach einer Nachtschicht folgt ein neuer Anlauf, in dessen Verlauf sich zunächst ein Fahranzug in Ölzeug verwandelt, danach die Inereien eines Schalldämpfers auf die Straße gespuckt werden und schließlich die selektive Zylinderabschaltung einsetzt, bei der ein Zylinder nach dem anderen verweigert. Bis zum Stillstand. Dann, mitten im Kreuzungsbereich einer Hauptstraße, dämmert auch dem irdischen Testreiter endlich: Strecken über 100 Kilometer scheinen mega out zu sein.
Oder doch nicht? Boss Hoss, das Original, empfiehlt sich mit mehr als 1000 problemlosen Testkilometern für einen Langstreckentest und lehrt damit, was alle Bibelfesten sowieso längst wissen. Du sollst Dir kein Bildnis machen.....

Fazit Mega Machines

Pleiten und Pannen begleiteten die Mega Machines, redaktionsintern Handy Machine genannt. Nicht etwa wegen ihrer Handlichkeit, sondern weil sich kein Fahrer wegen der Standortbestimmung mehr ohne Handy aus dem Haus traute. Daß neben zahlreichen anderen Mängeln wie instabilem Leerlauf und schlechter Gasannahme der Motor auch noch den Dienst quittierte, überraschte nicht weiter, weil er mit 185 PS sowieso weit hinter den Erwartungen geblieben war. Ein Fahrwerk, das bereits bei moderaten Geschwindigkeiten furchterregend pendelt, und eine Gabel, die schlichtweg katastrophal arbeitet, runden das Fahrwerk ab. Die Sitzposition paßt eher zu einem Gynäkologenstuhl als auf zu einem Zweirad. Allein bei den Bremsen konnte die Mega Machines gegenüber ihrer Konkurrentin Boden gutmachen. Dem Kunden für 80000 Mark ein Bike anzubieten, das mitten in der Entwicklungsphase steckt und allenfalls im Kurzstreckenverkehr bis zur nächsten Eisdiele taugt, ist starker Tobak.

Fazit Boss Hoss

Die Boss Hoss polarisiert. Von heller Begeisterung bis zu strikter Ablehnung wogen die Emotionen. Doch wer einmal die Kraftentfaltung des V8 erleben durfte, erliegt der Faszination des üppigen Leistungsangebots und der unglaublichen Akustik beinahe zwangsläufig. Immer wieder verblüfft das Triebwerk, das die immerhin 557 Kilogramm schwere Boss Hoss samt Fahrer in jedem Drehzahlbereich mühelos nach vorn katapultiert. Doch der breite Autoreifen am Hinterrad fördert das Handling und die Fahrstabilität nicht gerade. Speziell bei höheren Geschwindigkeiten fängt die Boss Hoss bedrohlich zu pendeln an. Auch die Bremsanlage sorgt im Ernstfall stets für einen erhöhten Adrenalinspiegel. Außerdem ist die Verarbeitung, gemessen am Preis, eher unterdurchschnittlich. Der Hersteller plant - und dafür gebührt ihm höchster Dank - die Umstellung auf bessere Bremsen. Und auch der beabsichtigte Einbau eines Drehmomentwandlers statt der schwer zu dosierenden Kupplung könnte die Boss Hoss drastisch verbessern.