An der Maximalkraft haben die drei Motorräder wenig bis gar nicht gearbeitet. Stattdessen zielen die Bemühungen unisono vor allem auf Agilität, Beweglichkeit und Technik. Heißt in Motorradsprache: Fahrwerk- und Bremsen-Upgrade. Showa, Kayaba, Öhlins – die üblichen Verdächtigen. Überambitioniert zeigt sich die Triumph, hat sie doch zusätzlich gar etwas an ihrem Mindset (extra Möglichkeiten der Elektro-Manipulation) und an ihrer Haltung (minimal veränderte Geometrie) gearbeitet. Kein Wunder, wer so viele Wettkampfbühnen siegreich verlassen hat wie der als Naked Bike getarnte Supersportler aus Hinckley, ist wohl gewohnt, mehr als 100 Prozent zu geben.
Attacke auf der Triumph Street Triple RS
Vortritt also für die seit 15 Jahren amtierende Queen der sportlichen Mid Nakeds. Wer die aktuelle Über-Streety RS adäquat ausführen will, sollte sich aber vorher am besten etwas dehnen und aufwärmen. Fußrasten weit hinten und oben, Lenker weit vorn und unten. Dieses für ein Naked Bike fast radikale Streben Richtung Vorderrad lässt keinen Zweifel daran, was auf der Triumph Phase ist: Attacke!
Sehr passend dazu, wie der 765er-Triple ins Leben faucht. Kehlig tönt es aus dem kurzen Auspuffstummel: Gänsehautpotenzial, das sich schnell verstärkt, wenn man die Drehzahl ein wenig nach oben treibt. Drehzahl, gutes Stichwort, denn mit ihr steht und fällt das Leben auf der Streety. Kurioserweise ist sie wichtig und egal zugleich. Wichtig, da dieser Antrieb zwar auf einer mustergültig linearen, aber im Vergleich deutlich flacheren Power-Kurve surft. Wer Speed will, muss drehen, und zwar bis ins Nirwana. Was in diesem Fall nicht zuletzt dank kräftigem Triple-Trompeten hochvergnüglich ist. Empfiehlt sich für reibungslose Mitarbeit des Schaltautomaten eh, denn ohne Feuer am Gas agiert er mitunter trantütig. Egal, da die herausragende Laufkultur und die passgenau knackige Übersetzung erlauben, den Motor überall effizient anzuzapfen und das riesige Drehzahlband nahezu komplett nutzen zu können. Für all das förderlich und ein Novum zu bisherigen Testmaschinen: eine buttersanfte Gasannahme in jedem Fahrmodus.
Buckelpisten mit Diagnose "Rücken" besser meiden
Wie gut das filigrane Zusammenspiel all dieser Faktoren funktioniert, zeigen die trotz Drehmomentnachteil rasanten Fahrleistungen der federleichten Streety RS. Längsdynamisch also ein wirklich ausgewogener Athlet, der sowohl explosive Schnellkraft als auch entspanntes Ausdauertraining beherrscht. Die Beinarbeit wirkt jedoch in Teilen etwas angespannt. Der Verbund aus Showa-Forke und Öhlins-Federbein spricht sämig an und ist erwartungsgemäß straff justiert. Am Heck hat die Härte jedoch spaßverderbendes Potenzial. Etwas weniger Zugstufendämpfung schafft Linderung, aber arge Buckelpisten sollte man – nicht nur mit Diagnose "Rücken" – immer noch besser meiden.
Viel Dämpfung bedeutet aber meist auch viel Reserve beim dynamischen Zickzacklauf, und wer dieses Chassis auf einer Landstraße zum Zittern bringen will, muss sich schon gewaltig ins Zeug legen. Dazu kommt der bekannte RS-Goldstandard: glasklares Feedback, präzises Einlenken und eiserne Kurvenstabilität. Wer trotzdem mal zu viel Ambition im Sattel zeigt, wird im für die Landstraße empfehlenswerten Fahrmodus "Sport" wirksam, aber unauffällig von der Traktionskontrolle diszipliniert. In zweiter Instanz kommen dann die Luxus-Brembos (M50-Monobloc-Sättel) ins Spiel, ebenfalls sehr wirksam, aber keinesfalls unauffällig und mal eben für die kürzesten Bremswege im Vergleich gut. Übrigens auch die einzige Anlage mit einem Sportmodus fürs ABS, der zwar prinzipiell das Heck steigen lassen, aber Könnern durch spätere Regelung noch kürzere Bremswege ermöglichen kann.
Die Street Triple RS ist ein Ausnahmesportler, das wird mal wieder schnell klar. Für den Fahrdynamikolymp fehlt trotz geringem Gewicht (190 Kilo) höchstens noch etwas mehr Handlichkeit. Die radikale Geometrie fordert eben ihren Tribut.
Yamaha MT-09 SP – zwischen Supermoto und Tourenbomber
Radikale Geometrie, das bringt uns ohne Umschweife zum zweiten Streber im Fitnessstudio, der schon optisch eine Antithese zur Triumph darstellt. Was bei jener mit Macht Richtung Vorderrad strebt, ragt bei der Yamaha MT-09 SP strikt gen Himmelreich. Wäre der Lenker auf noch höheren Risern, könnte man ihn wahrscheinlich als Klimmzugstange benutzen. Schmales Heck, mächtiger Tank, gewöhnungsbedürftig gestaltete und "interessant" platzierte Frontmaske: Das ist schon speziell. Der krude Mix aus Schmackofatzo-Details wie der polierten Aluschwinge und ungewohnten Schludrigkeiten wie salopper Kabelverlegung oder einer völlig uninspiriert an die Front geklatschten Hupe tut sein Übriges. Kein Vergleich zur bis in die Haarspitzen attraktiv gefinishten Triumph.
Das gilt im Positiven auch für die lümmelige Ergonomie, die mit dem hoch platzierten Lenker und tiefen Fußrasten an irgendwas zwischen Supermoto und Tourenbomber erinnert. Doch Vorsicht, dieser Kraftsportler hat trotz unförmiger Optik kein Gramm Fett am Körper (191 Kilo) und Mörder-Wumms im Bizeps. Der ebenfalls auf drei Zylinder, aber fast 900 Kubik verteilte Antrieb der MT fühlt sich an wie der Streety-Motor auf Anabolika. Dreht "nur" bis 10.000 Umdrehungen, aber diese sind ebenfalls nahezu komplett nutzbar und viel kraftgetränkter. Es schiebt unten schon prägnant, bei 5.500 Touren gibt es einen wilden Anstieg und dann ein großes Halleluja. Unterbrochen nur vom präzisen Steppen im knackigen Getriebe, ob mit oder ohne Kupplung. Zusammen mit dem raueren Timbre ergibt das einen grimmigen Kraftrausch und die ultimative Wheelie-Maschine. Wenn man die etwas restriktive Lift-Control im frei konfigurierbaren Fahrmodus (Yamaha-Sprech: "D-Mode") "M" deaktiviert.
Kurven-ABS muss extra aktiviert werden
Zur Elektronik: Die Traktionskontrolle arbeitet gut und unauffällig, in D-Mode 1 agiert die Gasannahme fast wie ein Schalter, 4 kappt die Leistung, 2 und 3 passen gut, Kurven-ABS gibt es (übrigens nur hier), muss aber durch ein Setting in der "Brake Control" kryptisch und unnötigerweise extra aktiviert werden. So oder so arbeitet das ABS anständig, hat aber etwas gröbere Regel-Intervalle als das der Triumph. Was zur Grundnote der starken, aber etwas rustikalen Stopper passt.
Rustikal, das trifft auch auf den Fahrwerkskomfort zu. Das Kayaba-Gold an der Front läuft nicht ganz geschmeidig und neigt auf schlimmem Untergrund zum Stuckern, das Öhlins-Aurum am Heck gibt jeden Schlag mit Freude weiter. Zum Glück kann bis hin zur Low- und Highspeed-Druckstufendämpfung an der Gabel viel gedreht und geklickt werden, was für einen erträglichen Landstraßen-Alltag auch getan werden sollte. Doch auch dann muss man sich mit einer gesunden Grundhärte arrangieren. Und mit der unkonventionellen Geometrie der Top-MT-09, die seit jeher fester Bestandteil der Modellreihe zu sein scheint. Vorteil: Die drahtige Yamaha lässt sich konkurrenzlos fluffig einlenken und zeigt hervorragende Agilität in der Beinarbeit, schnelle Schräglagenwechsel erledigt sie fast schon zu quick. Nachteil: Präzision, Rückmeldung und Stabilität leiden spürbar. Gefühlt ist immer ein bisschen zu wenig Druck auf und dadurch ein bisschen zu viel Nervosität am Vorderrad. Jedes energische Anzapfen des mächtigen Motors macht die Front noch leichter, jeder kräftige Griff zur Bremse erzeugt in Schräglage viel Aufstellmoment und danach ein engagiertes In-die-Kurve-Kippen. Unterhaltsam, aber nicht eben anspruchslos. Wer trotzdem angreifen will, kann sich das Leben erleichtern, indem er sich für etwas mehr Druck auf dem Vorderrad möglichst weit vorn platziert und die kratzgefährdeten Fußrasten in die höhere der zwei möglichen Positionen (plus 14 Millimeter) versetzt.
Kawasaki Z 900 SE – Naked Bike alter Schule
Alternativ könnte man sich auch mal den Neuesten im Gym anschauen. Wenn man sich traut. Die optische Mangakante namens "Sugomi" polarisiert nämlich traditionell bei der Top-Z-900. Unter der grellen Optik verbirgt sich jedoch ein Naked Bike klassischen, ja fast schon oldschooligen Zuschnitts: knackiges Heck, mächtiger Tank, dicker Reihenvierer und den fast schon zum Kult gewordenen Sicherungssplint an der Hinterachsmutter.
Auch gegen zeitgemäße Goodies wie Fahrelektronik, TFT-Cockpit oder LED-Beleuchtung hat sich die Fast-Tausender-Z lange gewehrt und gibt sich hier teils immer noch knauserig. Dreistufige Traktionskontrolle und zwei Gasannahmen (1 x volle Power, 1 x gedrosselt) verteilen sich auf drei feste und einen frei konfigurierbaren Fahrmodus, and that’s it elektronikmäßig. Dafür wird aber auch bei Kawa in gute Beinarbeit investiert. Voll einstellbare Gabel, Öhlins-Federbein und anders als bei der Triumph mit den M4.32-Monoblocs "nur" die zweitbeste Brembo-Ware. Wird sich wohl verschmerzen lassen.
Dass man hier einiges mehr an Motorrad unter sich hat (213 Kilo), merkt man schon beim Aufsitzen und Rangieren. Die klassische, leicht nach vorn orientierte Ergonomie gefällt aber auf Anhieb. Genau wie der pralle Vierzylinder, der wenig Mühe mit den Zusatzkilos hat. Kein Wunder bei fast 1.000 Kubik. Zwar gibt es markentypisch ein kleines Grundvibrato und ein markiges Ansauggeräusch, aber grundsätzlich läuft dieser Motor, einem Extra-Zylinder sei Dank, gefühlt in Milch und Honig und lässt sich wie seine Mitstreiter easy und breitbandig anzapfen. Zusammen mit dem lang übersetzten sechsten Gang wirkt das bärig, aber vergleichsweise unspektakulär. Subjektiv fehlen sowohl der harte Punch der MT als auch die Drehzahlgeilheit der Streety. Objektiv drückt der Four aber tatsächlich die dicksten Gewichte von allen, und wer ab 6.000 Touren voll durchlädt, erntet ernsthafte Screamer-Gewalt mit entsprechendem Vortrieb.
Trotz leichtgängigem wie kurzwegigem Getriebe vermisst man jedoch spätestens nach einem Work-out mit den anderen beiden schmerzlich einen Schaltautomaten. Das schnelle und motivierende Brööpp-Brööpp-Brööpp gehört in dieser Leistungsklasse mittlerweile einfach zum guten Ton. Na ja, oldschool, wie gesagt.
Souveräne Sattheit, unaufgeregte Beweglichkeit, ausgeprägter Komfort
Sehr passend dazu ist das Fahrwerk abgestimmt. Statt auf rasiermesserscharfe Präzision, hochagile Beweglichkeit oder anderen neumodischen Kram der Fitness-Hipster setzt es auf klassische Tugenden: souveräne Sattheit, unaufgeregte Beweglichkeit und – ja, in dieser Umgebung fast erstaunlich – ausgeprägten Komfort. Keine Sorge, Gautschigkeit gibt es auch hier nicht, die Dämpfungsreserven sind hoch. Wir sind ja nach wie vor im Gym und nicht bei der Yogastunde. Aber das Federbein muss für forsche Kurvenfahrt oder üblen Untergrund gar leicht gestrafft werden, während die verbindliche Gabel ein bisschen Softung goutiert. So austariert schwingt es sich angenehm über die Landstraße, um Kurven geht es erfreulich neutral. Daran ändert auch ein Griff zur Bremse wenig.
Nur am Gas ist etwas Vorsicht angebracht. Besser als früher, aber im Vergleich geht auch die Z 900 SE nach wie vor etwas griffig ans Gas. Nicht kritisch, aber beim Aufziehen am Scheitelpunkt deutlich spürbar. Letzteres gilt auch für die Traktionskontrolle, die mit relativ langen und starken Eingriffen eher sicher als sportlich agiert. Wer kein Rookie im Zweirad-Sportstudio ist, fährt im Fahrmodus "Sport", was die elektronischen Zügel lockerer, aber ausreichend wachsam lässt. Sport und Sicherheit gibt es beim Thema Bremsen und ABS. Erstere sind toll zu dosieren, sehr wirkmächtig und nur einen Hauch hinter den Referenzstoppern der Triumph, aber einige Zentimeter vorm Yamaha-Anker. Gilt im Prinzip ähnlich für die ABS-Regelung, die allerdings genau wie die MT-09 keinen Profi- beziehungsweise Rennstreckenmodus besitzt. Kann man mit leben, auch ambitionierte Studiogänger zieht es ja eher selten auf die Wettkampfbühne.
Wer drückt also nun am meisten? Falsche Frage. Entscheidend ist eher: Wer eignet sich für welches Trainingsziel am besten? Ultimative Fitness gesucht? Dann steht Cross-Fit mit der Street Triple RS an. Maximale Kraft ohne Fokus auf Eleganz und Ästhetik? Power-Lifting mit der MT-09 SP. Ein bisschen was von allem? Klassisches Krafttraining mit der Z 900 SE. Doch egal, welche Wahl man fällt, eine schlechte Figur macht man in keinem Fall.