- BMW lässt es krachen
- Winglets gegen Wheelies
- Emotionen aus München
- Fazit
Bisher musste die S 1000 R für BMW in jedes Naked-Bike-Battle ziehen. Da die Bayern dem Vierzylinder-Roadster zwar eine stark vorderradbezogene Sitzposition maßgeschneidert haben, ihm aber "nur" den Vierer aus der S 1000 XR ohne Shift-Cam und variable Ansaugtrichter spendierten, war die ohnehin seit langem verlorene Vormachtstellung im PS-Regal unerreichbar geworden. Insbesondere gegen Ducati Streetfighter V4 und MV Agusta Brutale 1000 mit je 208 PS.
BMW lässt es krachen
Mit der M 1000 R kracht’s daher jetzt so richtig. Zurückhaltung war gestern. Schnell den Motor aus der aktuellen S 1000 RR, der 210 PS auf die Kurbelwelle drückt, gepackt, ihn ins Naked Bike-Fahrwerk gewuchtet, und aufs nach PS-lechzende Zweiradvolk losgelassen. Doch werfen wir noch einen Blick auf die Technik. Schließlich war’s mit dem reinen Motortransfer aus dem hauseigenen Supersportler nicht getan.
Winglets gegen Wheelies
Da der Topspeed trotz der brachialen Power auf einem Naked Bike eher zweitrangig ist – die M 1000 R soll 280 km/h rennen – kürzte BMW kurzerhand die Endübersetzung im Vergleich zur S 1000 RR. Hinten greifen nun 47 Zähne in die Endurance-Kette, beim Sportler sind’s 45. Damit die Front dabei nicht mit Endlos-Wheelie den Himmel grüßt, drücken Winglets in Thekengröße das Vorderrad bei 220 km/h mit immerhin elf Zusatzkilos nach unten. Dazu gibt’s dann noch das große Elektronik-Besteck von verschiedenen Fahrmodi, über ABS und TC mit Kurvenfunktion bis hin zu Wheelie-, Slide und Launchcontrol und noch vieles mehr. Das volle Programm. Genau wie beim Fahrwerk. Das dämpft in den normalen Fahrmodi semiaktiv – die Vorspannung vorne und hinten stellt man manuell ein – sowie in den ebenfalls vorhandenen Race Pro-Modi in zehn elektronisch justierbaren Stufen. Flottes Sonntagsmorgenvergnügen oder heiße Pistenaction – die M 1000 R will alles können. Und zumindest auf den sich wie ein Bandwurm Richtung Berge schlängelnden Straße im Süden Spaniens muss sie jetzt schon zeigen, was sie wirklich kann.
Emotionen aus München
Also jetzt alle zusammen: Ratio ausblenden und sich dem aktuell leistungsstärksten Naked Bike mit allen Sinnen hingeben. Rutschige Kreisverkehre, niedrige Temperaturen und kalte Bridgestone RS 11 auf den Schmiedefelgen – gut, dass die M 1000 R Zurückhaltung kann. Mit einsteigertauglicher Lässigkeit kurvt der Power-Roadster ab 2.000/min durch jeden innerstädtischen Knick, schreckt vor Alltag nicht zurück. Endlich öffnet sich die Landschaft. Auf den noch kalten Reifen braucht’s ordentlich Druck am neuen, richtig breiten Lenker, um die M 1000 R in Schräglage zu bitten. Nach ein paar Kilometer Kurventanz und wärmeren Pneus gibt es kein Halten mehr. In den Fahrmodi Rain, Road und Dynamic reglementiert die Elektronik die Power in den unteren Gängen noch.
Für Speed und Beschleunigungen mit fetter Grinsgarantie reicht’s trotzdem immer. In den Race-Modes fällt dann die Elektronik-Hürde der Drehmomentbegrenzung. Mit der Wucht einer Bud-Spencer-würdigen Breitseite zieht die M 1000 R Geraden wie in Zeitraffern unter den Pneus durch. Purer Wahnsinn. Ab 6.000/min steigert der Vierer langsam die Anabolika-Dosis, bei 9.000 Umdrehung wechselt das Shift-Cam-System von der Drehmoment- auf die Leistungsnocke, bei 11.000 Touren schalten die Ansaugtrichter von lang auf kurz: Dann brennt die Hütte. Und zwar lichterloh.
Erst bei 14.600/min stirbt der Powernachschlag. Da kommst du im normalen Leben nie hin, aber auf den fünf Runden, die wir diesen Powerbolzen um die Piste von Almeria scheuchen durften, ist es ein Erlebnis. Schub ohne Grenzen. Pures Adrenalin auf zwei Rädern. Hier lässt die M 1000 R ihre leichte Kurvenunwilligkeit in ganz engen Landstraßenecken vergessen, zieht so sicher und stabil wie Han Solos Millennium-Falke von einem Scheitelpunkt zum anderen, schenkt dir Performance-Grenzen, die jenseits des Normalen liegen.
Fazit
Unvernünftig, durchgeknallt, trotzdem beherrschbar. BMWs neuer Naked-Bizeps hat geliefert. Und wie! Und hier kommen 2 Aber: Aber mit 22.600 Euro nicht günstig. Aber im Vergleich zur italienischen Leistungskonkurrenz ein Schnapper.