Behaupte noch irgendwer, Motorräder hätten keine Seele: Unsere Dauertest-Bandit war wetterfühlig. Trieb sich die 600er Suzuki bei Regen in der Weltgeschichte herum, rechnete Uli Baumann, Herr über zwei MOTORRAD-Transporter, stets mit dem Klingeln seines Notruf-Telefons: »Uli, ähm, die Bandit - sie hat´s wieder getan, steht in ...« Bei Nässe hatte der knallrote Nackedei einfach keine rechte Lust zu laufen, stellte das Zünden nach und nach auf allen vier Zylindern ein.
Trotz umfangreicher Bemühungen seitens des Suzuki-Händlers unseres Vertrauens, bei dem wir die GSF auch gekauft hatten, konnte das Problem bis Testende nicht behoben werden. Dabei soll (siehe Kasten »Suzuki nimmt Stellung«) schon ein wenig Silicon an den Nahtstellen zwischen Zündspulen und Zündkabel Abhilfe schaffen. Mag ja auch stimmen - irgendwie. Hauptursache für dieses Leiden dürfte allerdings eher der mangelnde Spritzschutz sein, denn tatsächlich gelangen Dreck und Wasser nahezu ungehindert in den Bereich der Kerzenstecker vor, die mit der Zeit Feuchtigkeit ziehen. Wie Uli, der Stecker, Kerzen und deren Umfeld nach so mancher Abholaktion trockengelegt hat, bestätigen kann.
Nun reagierte unser kleiner Bandit aber nicht nur empfindlich auf Nässe: Mit zunehmendem Alter machte ihm auch die Kälte schwer zu schaffen. Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt herum sprang der Vierzylinder nur noch unter Aufbietung trickreicher Startzeremonien oder eben gar nicht mehr an.
In seinen frühen Tagen bereitete das Spielmobil der Redaktion allerdings nur Vergnügen. Die Eintragungen im Fahrtenbuch, beginnend im April 1995, huldigen der überragenden Handlichkeit des Fahrwerks, der Dreh- und Durchzugsfreude des Motors, den sowohl sportlichen als auch touristischen Talenten des Gesamtpakets Bandit 600 und nicht zuletzt der gelungenen äußeren Erscheinung dieser modernen Nackten. Kritische Bemerkungen fallen anfangs nur zum Thema Spritverbrauch, der bei hohem Dauertempo schon mal an die zehn Liter heranreicht und selbst bei christlich-schneckiger Fahrweise selten unter fünf Litern Normalbenzin liegt.
Wie das Leben einer Dauertestmaschine so spielt, mehren sich die tadelnden Worte mit zunehmender Kilometerleistung. So geraten beispielsweise die Federelemente immer häufiger unter Beschuß. War zu Beginn noch von komfortabler Abstimmung und sensiblem Ansprechverhalten die Rede, so finden sich ab Tachostand 6000 Äußerungen wie: »Wer hat eigentlich da hinten diesen vollgesoffenen Strumpf reingesteckt?« Und: »Seit wann dürfen Mistgabeln als Vorderradführung verwendet werden?« Sehr unschöne und freilich weit übertriebene Bilder. Tatsächlich aber bauten Gabel und Federbein von Tag zu Tag merklich ab.
Operative Eingriffe zur Beseitigung dieser Störungen waren allerdings erst nach 28000 Kilometern vonnöten. Und wieder traf es Uli, der seinen wohlverdienten Urlaub nach elf Minuten aus Sicherheitsgründen abbrechen mußte: Die Bandit in vollem Ornat - Uli, Freundin und Gepäck, die Kurve mit Bodenwelle, und schon war´s vorbei. »Das Ding ging kriminell auf Block. Ansatzlos. Mindestens eineinhalb Meter hat´s uns versetzt«, berichtete der sichtlich erschütterte MOTORRADler. Höchste Zeit also, die bereits vorrätigen White Power-Komponenten einzubauen. Progressiv gewickelte Gabelfedern (169 Mark) und ein in Zugstufe sowie Federvorspannung justierbares Federbein (799 Mark) verhalfen der gebrechlich gewordenen Bandit auf die Sprünge. Zwar verloren die Ersatzteile während ihrer 22000 Kilometer Laufzeit ebenfalls an Spannkraft, allerdings weit weniger dramatisch wie die Originale.
Bei der Wahl der Bandit-Standardbereifung, Marke Bridgestone, Typ Exedra G 601/602, bewies Suzuki auch kein allzu glückliches Händchen (siehe Reifenberatung MOTORRAD 4/1996). Unkomfortabel, weder sonderlich zielgenau noch ausgeprägt handlich, zeichnen sich diese Pneus allein durch ihre relativ hohe Laufleistung aus. Hinten würde so ein Exedra wohl seine 8000 Kilometer, vorn gut 13000 schaffen, allerdings wartete MOTORRAD die Verschleißgrenze nie ab, da die Bridgestones schon nach 2000 Kilometern nicht mehr dazu angetan sind, gute Laune zu verbreiten: Kaum hat die Profiltiefe um einen Hauch abgenommen, laufen sie jeder Spurrille hinterher. Inzwischen gibt es für die GSF 600 aber derart viele Reifenfreigaben, daß man auf den Exedra nicht weiter angewiesen ist. Unsere Empfehlung: Pirelli MTR 03/04. Ein guter Kompromiß zwischen Stabilität, Komfort, Handlich- und Haltbarkeit.
Eine Empfehlung für das hakelige Lenk-/Zündschloß hat MOTORRAD leider nicht parat. Hier hilft kein Schmieren, kein Graphit und kein Garnichts, das Mistding ist allein mit Geduld zu bezwingen. Gegen das Beschlagen des Drehzahlmesserglases ist auch kein rechtes Kraut gewachsen. »Man müßte die Wattzahl der Beleuchtung absenken«, sagte ein Suzuki-Techniker. Na dann: Macht mal.
Obschon die Bandit, abgesehen von der angesprochenen Wetterfühligkeit, während ihres Marathonlaufs keinerlei innerliche Beschwerden hatte, hörte sie sich gegen Ende der 50000-Kilometer-Distanz ziemlich krank an. Auszüge aus dem Fahrtenbuch: »Das Ding nagelt wie ein alter Diesel. Klingelgeräusche, besonders im Schiebebetrieb. Bald haben wir die Bescherung: Die spuckt sich demnächst ihre 16 Ventile aus dem Leib.« Auch das anfangs tadellos funktionierende Getriebe gab zum Schluß gar furchterregende Geräusche von sich. Vor allem beim Einlegen der ersten beiden Gänge.
Die Stimmung beim großen GSF-Schlachtfest Ende Dezember 1996 war dementsprechend gespannt. Was wird wohl alles zum Vorschein kommen? Die Schrauber rechneten mit dem Schlimmsten, auch weil die Kompression auf allen vier Zylindern deutlich nachgelassen hatte. Doch was da beim Öffnen des Vierzylinders zum Vorschein kam, war alles andere als besorgniserregend. Auf den ersten Blick jedenfalls sah das Herz der Bandit recht gesund aus. Keine nennenswerten sichtbaren Schäden. Allerdings waren tatsächlich fast alle Ventile undicht geworden, was den Kompressionsverlust erklärt.
Detaillierte Informationen über das werte Befinden der Suzuki GSF 600 stehen im Zustandsbericht auf Seite 49. Ganz allgemein bleibt festzuhalten, daß sie die Strapazen des Dauertests gut weggesteckt hat. Tank sowie Plastikteile erstrahlten bis zum letzten Tag in feuerrotem Glanz, und selbst der Rost, ein treuer Weggefährte so mancher Suzuki, hatte bei der Bandit kaum eine Chance.
Verschleißzustand
Ventiltrieb: Keine Verschleißspuren an Ein- und Auslaßnocken, leichte Riefen in den mittleren Nockenwellenlagerböcken, einseitige Pittingspuren am Einlaß-Gabelschlepphebel des dritten Zylinders, sehr geringe Ablagerungen im Zylinderkopf, keine Ablagerungen auf den Ventilen, Einlaßventile von Zylinder eins, drei und vier undicht, sämtliche Auslaßventile undicht, Einlaßventilsitze zum Teil verschlissen, alle Auslaßventilsitze verschlissen, beide Kettenführungen wie neu.Kolben und Kurbeltrieb: Sehr geringe Ablagerungen auf Kolben, Kolben des zweiten Zylinders an einer Stelle riefig, leichte Ablagerungen auf Kolbenbolzen außerhalb des Tragbereichs, obere Pleuellager tadellos, leichte Laufspuren an unteren Pleuel- und Kurbelwellenlagern.Primärantrieb und Kupplung: Zahnräder des Primärantriebs in Ordnung, keine Brandflecken auf den Kupplungsstahlscheiben, Beläge über Einbaumaß aufgequollen, tiefe Rattermarken an Kupplungskorb und -nabe, Kupplungsfedern unter Verschleißmaß gestaucht.Getriebe und Sekundärantrieb: Abdruck des Getriebeausgangslagers im Gehäuse, Schaltgabeln in Ordnung, leichte Riefen im Nutgrund einer Schaltklaue, beginnendes Pitting am Ersten-Gang-Rad der Getriebeausgangswelle, Kette und Zahnkranz noch in Ordnung, Antriebsritzel verschlissen, Kettenführung leicht verschlissen.Fahrwerk: Bremsscheibendicke in Ordnung, hintere Bremsscheibe stark riefig, Beläge zu zwei Drittel verschlissen, leichte Abdrücke in den Lagerschalen im Lenkkopf, Lagerstellen der Hebelumlenkung, sowie Schwingen- und Radlager in Ordnung.Korrosion: Keine Rostspuren an Rahmen und Schwinge, Schwingenachse leicht korrodiert, Kabel und -verbindungen in Ordnung, Hupendeckel korrodiert, Tanklackierung am Übergang zur Sitzbank abgescheuert, Auspuff an der Verbindung zwischen Sammler und Endrohr stark korrodiert.
Suzuki nimmt Stellung
... zu den undichten Ventilen:Um eine exakte Aussage treffen zu können, müßten die Materialien im Labor untersucht werden. Bei dem Langstreckentest-Motor müssen die Ventile neu eingeschliffen werden und sind danach wieder voll funktionsfähig.... zu den Riefen am Kolben des zweiten Zylinders:Diese Riefen entstehen in der Regel nur, wenn dem Motor in nicht betriebswarmem Zustand übermäßig Leistung oder Drehzahlen abverlangt werden, da es dann zu stark unterschiedlichen Wärmeausdehnungen der Materialien kommen kann. Der Kolben kann bedenkenlos weiterverwendet werden.... zu den aufgequollenen Kupplungsbelägen:Da die Funktion und die Wirkungsweise der Kupplung nicht beeinträchtigt ist, können die Reibbeläge wieder montiert werden.... zu den Rattermarken an Kupplungskorb und -nabe:Dies sind Gebrauchsspuren nach 50000 Kilometer Testbetrieb. Sowohl der Kupplungskorb als auch die -nabe können wieder verwendet werden.... zum beginnenden Pitting an einem Zahnrad des ersten Gangs:Da die Räder des ersten Gangs anders in der Oberfläche bearbeitet werden als die übrigen Getrieberäder, hat sich die Oberfläche der Zahnflanke, wo die Kraft anliegt, leicht verändert. Das Rad ist aber ohne Beschädigung und kann weiterverwendet werden.... zum korrodierten Auspuff zwischen Sammler und Endrohr:Die Auspuffanlage ist aus Nirosta-Stahl gefertigt, und der Bereich zwischen Sammler und Endrohr ist die engste Stelle. In diesem Bereich wird die höchste Temperatur erreicht, dadurch verändert sich die Oberfläche entsprechend.... zu den Zündungsausfällen bei Nässe:Hier hilft, wenn man die Zündkabel, die aus der Zündspule kommen, mit Silicon abdichtet, so daß kein Funke mehr überspringen kann.
Lesererfahrungen
Sechs Bandit-Fahrer, eine Meinung: trotz diverser Mängel ein Motorrad, das sein Geld wert ist.
Meine auf Mariah getaufte Bandit ist seit über 30000 Kilometern treu an meiner Seite. Es macht einfach Spaß, sie zu fahren. Die Handlichkeit ist exzellent, der Zweipersonenbetrieb gut, die Tourenqualitäten sind bestechend. Auf Autobahnetappen mit Vollgas beträgt der Spritverbrauch 7,7 Liter, auf Landstraßen 5,8. Zunächst fuhr ich die 34-PS-Version und war auch damals mit den Fahrleistungen zufrieden. Mariah hat einen Motorschutzbügel und ein Koffer-/Trägersystem von Hepco & Becker - beides relativ paßgenau und einfach zu montieren. Als störend empfinde ich, daß nach jeder Regenfahrt die Blinker unter Wasser stehen und die Instrumente von innen beschlagen. Desweiteren klemmt das Lenk-/Zündschloß (trotz Schmierung), auch korrodieren einige Schraubverbindungen bereits heftig. Außerdem geht die Gabel beim harten Bremsen zu schnell auf Anschlag. Doch das Gute an Mariah überwiegt deutlich.Stefan Henrici, GilchingSeit dem 8. März 1996 fahre ich eine GSF 600. Mit dem Fahrwerk bin ich sehr zufrieden, bis auf Reifen und Sitzbank. Drum habe ich die Sitzbank gegen einen Variohöcker der Firma Gimbel ausgetauscht, wodurch auch die Sitzhöhe verringert wurde. Durch die Umbereifung von Bridgestone auf Metzeler wurde die Bandit ab 140 km/h ruhiger.Jürgen Schwarz, Eimersdorf Ich habe meine Bandit im März 1995 gekauft. Nach 2000 Kilometern fiel mir die lasche Gabel auf. Also: Gabel aufgeschraubt und längere Distanzhülsen eingesetzt. Zwischen 5000 und 10000 Kilometern bemerkte ich, daß der Lack im vorderen Bereich des Rahmens abblättert. Im Winter traten dann immer öfter Zündprobleme auf. Der Motor lief nur noch auf drei Zylindern, bis gar nichts mehr ging. Wurde aber auf Garantie behoben. Ansonsten lief die Kiste ganz gut, bis mir Ostern 1996 ein Auto die Vorfahrt nahm. Jetzt fahre ich Triumph.Alex Kemmann, OlfenDie Bandit paart Handlichkeit mit fast narrensicherem Fahrverhalten, bietet auch mit 34 PS erstaunlich gute Fahrleistungen, und die Sitzposition läßt selbst mich (1,96 Meter) mehrere Stunden im Sattel durchstehen. Nachteilig aufgefallen ist das extrem nervige Kaltstartverhalten. Berichte über ein schwächliches Federbein kann ich nicht bestätigen, allerdings neigt die Gabel schnell zum Durchschlagen. Für mich hat sich die Bandit sowohl als sportliche Maschine als auch auf Touren bewährt.M. Hilgenfeld, GräfelfingIch fahre eine »S«-Bandit, also mit Halbschale, die mir bis jetzt viel Freude bereitet hat. Sie ist ein leicht zu fahrendes Motorrad, das stets gutmütig reagiert. Nachteile aus meiner Sicht: Die Verkleidung erzeugt heftige Windgeräusche, die auch durch Anbau einer Scheibe von MRA nicht beseitigt werden konnten. Dann die Motorvibrationen bei 5000 Umdrehungen, die leider auch im häufig gefahrenen Bereich bei 100 km/h im letzten Gang auftreten. Der teigige Druckpunkt der Vorderradbremse wurde durch Verwendung von Stahlflex-Bremsleitungen behoben. Was mich stört, ist das Kleben der Kupplungsbeläge nach längerer Standzeit, das weder durch Einstellarbeiten noch durch Synthetiköl behoben werden konnte. Erstaunlich ist die Elastizität des Motors. Die Verarbeitung würde ich als durchschnittlich bezeichnen. Alles in allem überwiegen aber die Vorteile der Bandit.Hans Meier, StuttgartMeine Bandit hat zwar noch keine 5000 Kilometer auf dem Buckel, trotzdem habe ich ein paar Tips. Wichtig für Banditen, die etwas herzhafter am Gasgriff drehen: Die Bridgestone-Gummis runter und Metzeler ME Z1 drauf. Vorn 110 - wie gehabt, hinten 160 statt 150. Diese Bereifung vermittelt viel mehr Gefühl für die Straße. Haftung, Zielgenauigkeit und Stabilität fallen um Klassen besser aus. Stahlflexbremsleitungen sind ebenfalls ein Muß. Jungs und Mädels bis 57 Kilo Gesamtgewicht dürften keine Probleme mit der Fahrstabilität bekommen, wenn sie das Serienfederbein auf Position vier oder fünf einstellen. Solo kann man auf holprigen Sträßchen noch flott durch enge Kurvenpassagen preschen, ohne abgeworfen zu werden. Kleine Leute sollten den Lenker etwas zum Tank drehen, damit er näher am Körper liegt - gerade auf längeren Touren angenehmer für Schultern und Handgelenke. Außerdem empfiehlt es sich, die Sitzbank abzupolstern, sie ist danach immer noch bequem genug. Mein Eindruck nach einer 450 Kilometer langen Probefahrt mit der GSF 1200: Die 600er ist die bessere Bandit, gerade auf engen Straßen.Thilo Schatz, Pfullingen