Die BMW-Hasser-Story

Die BMW-Hasser-Story Fünf Kritiker testen BMW Motorräder

BMW hat viele begeisterte Fans, aber auch einige (v)erbitterte Kritiker. Fünf von ihnen lud MOTORRAD zu einer Ausfahrt ein - und zwar genau mit den BMW-Motorrädern, gegen die sie eine ausgeprägte Abneigung haben.

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Warum müssen die alle so schauen wie Karl Dall? Zwei gleich große Scheinwerfer wären doch letztlich günstiger“.

Die Resonanz war einfach überwältigend: Alle wollten sie dabei sein, wenn es ums Thema BMW geht. Der Internetaufruf „BMW-Hasser gesucht“ bei www.motorradonline.de löste eine wahre Flut an Leserbriefen aus. Am Ende wurden fünf Männer (siehe Seite 24) für eine ausgiebige Testrunde mit den ungeliebten Bikes ausgewählt. Das Ziel: MOTORRAD wollte ergründen, warum der einzige deutsche Hersteller mit internationaler Marktbedeutung ausgerechnet im eigenen Land dermaßen polarisiert.

Am frühen Morgen eines sonnigen Freitags im September sitzen die BMW-Gegner auf der Terrasse der Stuttgarter Motorpresse und teilen bereits kräftig aus. Christian Czupalla heizt mit einem Witz die Stimmung an: „Die Fahrer einer Yamaha, Honda und BMW klopfen ans Himmelstor. Petrus öffnet: ‚Rasen, Wheelies, offene Tröte - der Honda-Fahrer muss direkt in die Hölle. Dem Yamaha-Piloten nützen seine Ausflüchte nichts: ‚Abgefahrene Reifen, sich durchschlängeln im Stau, Fahrerflucht - auch ab in die Hölle! Der BMW-Fahrer will seine Sünden beichten, da unterbricht ihn Petrus: ‚Tritt ein, mein Sohn. Denn du hast ja schon die Hölle auf Erden gehabt.‘ “Christian haut sich bei der Pointe lachend auf den Schenkel: „Wisst ihr, was daran am lustigsten ist? Es ist gar kein Witz.“

Der Mann hat schlechte Erfahrungen gemacht. Nach 200 000 Kilometern auf diversen BMW-Motorrädern - zuletzt auf einer 1200 GS -, die an allerlei technischen Gebrechen litten, ist er nun zufriedener Besitzer einer Yamaha XT 1200 Z. Und damit sind wir schon beim ersten Argument der BMW-Gegner: Die bayrischen Maschinen seien nicht zuverlässig! Ein Eindruck, den die 50 000-Kilometer-Langstreckentests von MOTORRAD nicht unbedingt widerlegen. Völlig problemlos lief es da für BMW-Modelle selten, ob R 1200 GS, K 1300 GT oder S 1000 RR. Doch ist das repräsentativ? Sicherlich kann man nicht behaupten, dass die BMW-Motoren den Fahrern regelmäßig um die Ohren fliegen. Leserzuschriften und Stimmen aus dem Markt zeigen, dass viele BMW-Fahrer keinerlei Probleme mit ihren Maschinen haben.

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In der Produktpalette der Münchner kennen sich die fünf BMW-Gegner bestens aus. Und irgendwie - so scheint es zumindest - möchte jeder an diesem Tag seine Vorurteile und Ressentiments bestätigt wissen. Speditionskaufmann Rainer Schnieber lästert über die K 1600 GT: „Wer so etwas kauft, der möchte nur beim Nachbarn oder bei den Kumpels Eindruck schinden nach dem Motto: mein Haus, mein Boot, mein Bike. Typisch deutsch eben.“ Wie sie tatsächlich sind, die Deutschen, sei dahingestellt. Aber sicher haben viele von ihnen aufgrund der Vergangenheit ein Problem mit dem Nationalstolz. BMW ist zurzeit weltweit extrem erfolgreich mit Maschinen, die in jedem Segment vorn dabei, die fahrdynamisch erstklassig und technologisch richtungsweisend sind. Nicht umsonst liegt BMW mittlerweile in einigen Ländern Europas bei den Neuzulassungen ganz vorn. Innerhalb der letzten zwanzig Jahre hat es die Marke mit dem weißblauen Propeller in Deutschland geschafft, den Marktanteil bei Neuzulassungen auf 24,2 Prozent (Motorradmarkt Januar bis Juni 2011) zu steigern. Trotzdem erntet BMW hierzulande nicht die Anerkennung und den Respekt, den Harley in den USA und Ducati in Italien genießen. Während es in England, Frankreich oder Italien hip ist, eine BMW zu fahren, finden viele deutsche Biker die Marke immer noch uncool. In Italien hätte der Aufruf „Ducati-Hasser gesucht“ wahrscheinlich eine Welle der Empörung ausgelöst.

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K 1600 GT: „Von allem zu viel: Motor, Plastik, Gewicht, Größe. Auto fahren im Auto, find ich besser“.

Genug der Vorbetrachtungen, nun geht es los. Die fünf Testmotorräder stehen in der Tiefgarage bereit und repräsentieren einen Querschnitt dessen, was BMW anbietet: den Supersportler S 1000 RR, die beiden Naked Bikes F 800 R sowie K 1300 R, den Supertourer K 1600 GT und schlussendlich natürlich die R 1200 GS, das erfolgreichste BMW-Bike aller Zeiten. Umpacken ist angesagt. Während Strippen gezogen und Gurte verzurrt werden, räsoniert Harald Rössling über das zwiespältige Image von BMW: „Als die Bayern in den 70ern und 80ern eisern auf maximal 60 PS, das altbackene Design und überteuerte Preise setzten, haben die Japaner sie praktisch über Nacht überrollt. Und jetzt soll plötzlich das Gegenteil richtig sein?“ Man spürt, wie sehr den Bayern das Image früherer Jahre nachhängt, ein Wandel vollzieht sich eben nicht über Nacht. Audi hat beispielsweise rund 20 Jahre gebraucht, um den Mantel des Altherrenfahrzeugs mit Wackeldackel im Heck abzustreifen. 

Die Rundreise über die Schwäbische Alb beginnt im innerstädtischen Geschlängel von Stuttgart. Die letzte Ampel, schließlich freie Fahrt auf der Schnellstraße. Kurzfristig schnellt die Tachonadel mal auf über 200 km/h hoch. Bei den Teilnehmern der Ausfahrt überlagert rasch der Fahrspaß den BMW-Hass. Beim ersten Stopp nach dem Albaufstieg blickt man in lachende Gesichter. Okay, so schlecht fahren diese bayrischen Dinger gar nicht, lautet der allgemeine Tenor. So sagt etwa Harald über die K 1300 R: „Ich habe vom bescheidenen Aussehen aufs Fahrverhalten geschlossen und bin extrem überrascht. Die fährt ja echt super!“ Doch nach diesen Lobeshymnen ist schnell wieder Abschmähen angesagt. Die Diskussion verlagert sich zurück auf das ewige Reizthema Design. „Die F 800 R sieht so aus, als hätten die Designer mittendrin keinen Bock mehr gehabt“, meint Christian Tomanik. Und Daniel Braun, mit 22 der Jüngste im Bunde, grummelt: „Wenn bei der K 1300 R mal der Motor verreckt, bringst du die Kiste zum Schrott, aus den Überresten können sie dann ne Ampel oder ne Leitplanke biegen. Eine ausgediente MV Brutale stellst du dagegen als Schmuckstück ins Wohnzimmer.“ So kann man es sehen.

Weiter gehts. In Schräglage durchs Kurvengeschlängel der Alb. Auch kleinste Straßen mit drittklassigem Belag werden nicht ausgelassen, nach jeweils rund 30 Kilometern tauschen die Jungs die Bikes, gegen Mittag ist Zeit für ein erstes Fazit.

Am meisten überrascht der 1600er-Supertourer. „Beim Rangieren eine einzige Katastrophe“, stöhnt Christian Czupalla, „aber ansonsten muss man zugestehen: dickes Lob an BMW. Die GT ist ein Meilenstein, langstreckentauglich, super bequem, leichtgängige Kupplung - und sie macht richtig Spaß, wenn sie erst einmal rollt.“ Harald kratzt sich am Kopf und sagt: „Ich habe mich nach dem Starten gefragt, ob der Sechszylinder an ist, der läuft so samtig. Aber mir ist alles too much - zu viel Plastik, Motor, Ausstattung. Das brauch ich alles nicht.“ Bis auf den hohen Preis (Testmaschine: 21 870 Euro) und das Design finden die meisten BMW-Gegner aber keine fahrdynamischen Nachteile. Rainers Kommentar: „Für ein Auto, das nur zwei Räder hat, würde ich nie so viel Geld ausgeben. Außerdem will ich beim Motorradfahren das Vorderrad sehen. Hier sieht man nur Plastik.“

Der Serientestsieger R 1200 GS wird ebenfalls äußerst kritisch beäugt. Christian Tomanik: „Auf der GS fühlt sich Motorradfahren an, wie im Wasserballon hocken und übers Wasser trippeln - das Fahrwerk entkoppelt mich zu stark vom Boden. Ich weiß nicht, was unter mir ist und habe überhaupt kein Feedback.“ Harald gefallen die GS-Horden auf der Straße nicht. Seine These über den typischen GS-Fahrer, sein Feindbild: „Die GS ist der Bestseller und in den Tests immer Sieger nach Punkten. Wahrscheinlich zu Recht, aber für mich ist sie keine Herzenssache. Da fehlt mir Gefühl, Emotion.“ Daniel versucht sich mit sachlicher Kritik: „Die GS wird beim Beschleunigen vorn sehr leicht, das gibt ein unsicheres Gefühl.“ Wobei die Angst vor ungewollten Wheelies dank ASC eigentlich völlig unbegründet ist. „Das ist ebenfalls etwas, das mir an BMW-Bikes nicht gefällt,“ wirft Christian Tomanik ein, „zu viel Elektronik an Bord. Alles nur potenzielle Fehlerquellen.“ Damit spielt er auf die Einführung des CanBus-Systems zur Jahrtausendwende an. Zu Beginn brauchte die komplizierte Elektronik auch bei abgeschalteter Zündung viel Strom, oft war die Batterie schon nach ein paar Tagen Standzeit leer gesaugt. Das ist mittlerweile Schnee von gestern, spukt aber ebenso in den Köpfen einiger BMW-Gegner herum, wie der surrende Bremskraftverstärker, den die Bayern in der ersten Hälfte dieses Jahrzehnts in ihre Modelle verbauten: Bei ausgeschalteter Zündung bremsten die Maschinen fast gar nicht, bei angeschalteter hingegen kam die Bremswirkung abrupt und war kaum dosierbar. Auch passé.

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„Langsam fahren geht gar nicht. Und auch enge Kehren zu fahren, finde ich mit ihr katastrophal. Das Ding gehört auf die Rennstrecke“.

Heutzutage sind BMW-Stopper bezüglich Verzögerung, Dosierbarkeit und ABS-Regel--verhalten auf absolut höchstem Niveau und setzen bei ABS-Tests Referenzwerte.

Aufsatteln, weiterfahren. Goldenes Herbstlicht, 23 Grad, Windstille. 200 Kilometer über idyllische Kurvenstrecken. Motorradfahren kann so schön sein - auch als BMW-Hasser auf einer BMW. Als die Dämmerung ihr Tuch über die Sonne deckt, resümieren die fünf Männer über die F 800 R, sie sei zwar völlig easy zu fahren, die Vibrationen im mittleren Drehzahlbereich seien allerdings untragbar. „Zudem hat der Motor einen Gummiband-Charakter“, sagt Harald. „Die lineare Leistungsentfaltung ist ohne Kick und zum Einschlafen. Fahr mal eine Triumph Street Triple. Dann weißt du, was ich meine.“ Bei der S 1000 RR gehen den Kritikaster aber die Argumente aus, da werden kleinste Schwächen aufgebauscht. Christian Tomanik schwärmt über Power, Fahrstabilität und satt dämpfende Federelemente, kritisiert jedoch die harte Sitzbank: „Da ist meine GSX-R wesentlich alltagstauglicher.“ Harald stört der schwergängige Gasgriff: „Da habe ich gar nicht so viel Gefühl für die Leistung.“ Und Daniel, der noch nie im Leben einen Supersportler gefahren hatte, schwärmt: „Ein klasse Lenkverhalten, toller Sound und fürs Schnellfahren einfach super. Allerdings ist mir die Versuchung, das permanent zu tun, zu groß. Die S macht nur auf der Rennstrecke Sinn.“ Auch Christian Czupalla kommt zähneknirschend zu dem Schluss: „Hut ab! Bei der S 1000 RR ist technisch alles auf hohem Niveau, auch die elektronischen Helferlein überzeugen. Ich kann eigentlich nichts Negatives über die Maschine sagen.“ Das konnten die meisten Tester weltweit auch nicht, reihenweise siegte das bayrische Erstlingswerk im Supersportsegment in den Vergleichstests. Für die BMW-Gegner muss die S 1000 RR sicherlich ein Schock gewesen sein. Denn das hatte den Bayern sicher niemand zugetraut, dass sie aus dem Stand die etablierte japanische Supersportkonkurrenz im Schach halten können.

Bleibt zum Schluss noch die K 1300 R, deren Leistungsentfaltung alle fünf nachhaltig beeindruckt hat. Doch trotzdem können sie mit dem Powerbike nicht richtig warm werden, das ungewöhnliche Design ist der Knackpunkt. „Wenn ich in meine Garage gehe, will ich mich über was Schönes freuen“, sagt Harald, „bei der 1300er müsste ich jedes Mal einen Würgereiz unterdrücken.“ Rainer stört das Getriebe: „Ich will beim Gangeinlegen frühmorgens nicht alle Anwohner aufwecken. Dieses Kalong-Getriebe ist eine Zumutung.“ Nur Christian Tomanik verarbeitet geistig noch die Fahreindrücke: „Kaum zu glauben, wie handlich das Motorrad trotz des extrem langen Radstands ist.“

Und das Fazit? Sind die Vorurteile der fünf nach 200 Testkilometern gefestigt oder vielleicht ein wenig aufgeweicht worden? Dass alle fünf BMW-Motorräder tolle Fahrmaschinen sind, wird kaum bezweifelt. „Aber wenn man das Design, den Sound oder den Charakter eines Bikes überhaupt nicht mag, überzeugen einen auch die beste Fahrdynamik und der kräftigste Motor nicht“, sagt Daniel. Und Harald fasst zusammen: „BMW-Motorräder sind technokratisch entwickelt und funktionieren unter fahrdynamischen Aspekten wirklich tadellos. Doch die Perfektion der Technik tötet jegliche Emotion. Für mich ist eine BMW mit einer sterilen Dreizimmerwohnung vergleichbar: keine Bilder, keine Farben, kein Schmuck. Nur Raum, Heizung und Licht.“ Ein hartes Resümee, aber eben eine subjektive Einschätzung. Zigtausende von BMW-Fans werden dazu eine völlig andere Meinung haben - vielleicht sollte man die mal einladen.

Die fünf Kritiker

Christian Tomanik (33), Prüfstandsingenieur aus Reiskirchen, raspelt mit seiner Jubiläums-Suzuki GSX-R 750 schon mal 2200 Kilometer am Wochenende ab und belächelt die vielen vollausgestatteten, bekofferten BMW-Bikes, die auf Hängern in den Urlaub mitgeschleift werden. Neben dem Design kritisiert er auch den „übertriebenen Einsatz von Elektronik“ in BMW-Bikes und fragt: „Was rechtfertigt eigentlich den Preis? Viele der Bauteile wirken ziemlich billig.“

Rainer Schnieber (44), Speditionskaufmann aus Memmingerberg, hasst die markenge-bundene Sonderstellung der BMW-Treiber, die - wie er meint - auch nur BMWler zurückgrüßen. Er hält BMW-Bikes für von der deutschen Presse völlig zu Unrecht gelobhudelte Produkte und wirft den bayrischen Produkten Un-zuverlässigkeit vor. Im Gegenzug ist er absolut von seiner 2011er-Kawasaki Z 1000 und seiner 19 Jahre alten Suzuki GSX 1100 G überzeugt.

Harald Rössling (51), SAP-Berater aus Großaiching, transportiert seine Jugenderinnerungen in die Neuzeit: „BMWs waren immer altbacken, spießig und teuer.“ Heute symbolisieren BMW-Fahrer für ihn das perfekte Feindbild: nichtgrüßend, arrogant und warnwestenbekleidet. Zudem wirft er den bayrischen Produkten Emotionslosigkeit vor. Ganz im Gegensatz dazu seine eigenen Fahrzeuge: MV Agusta Brutale, Suzuki GSX-R 1000 K6 und Triumph Bonneville.

Daniel Braun (22), Mechatroniker aus Ingelheim, lernt bei der Adam Opel AG. Seine beruflich bedingte Antipathie für BMW-Autos hat sich auch auf den Zweiradbereich übertragen. Daniel besitzt seit drei Monaten den unbeschränkten Motorrad-führerschein und fährt derzeit eine Honda CBR 1000 F. Auf seiner Yamaha XJ 600 hat er jährlich rund 20 000 Kilometer ab-gespult. Aufgrund des Designs könnte er sich nie vorstellen, eine BMW zu kaufen.

Christian Czupalla (38), IT-Vertriebs- und Marketingexperte aus Echting, ist länger als zehn Jahre selbst BMW gefahren und hat „die Schnauze nach etlichen Werkstattbesuchen und Ärgernissen gestrichen voll“. Er meint: „Nur BMW hat die Arroganz, seine Kunden als Testfahrer zu missbrauchen und auf Reklamationen völlig ignorant zu reagieren.“ Statt der R 1150 GS fährt er nun die beiden Yamaha Ténéré-Modelle mit 1200 und 660 Kubik und ist verliebt in deren Zuverlässigkeit.

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