KTM 890 Duke R (121 PS, 13.049 Euro), Triumph Street Triple RS (130 PS, 12.495 Euro) und Yamaha MT-09 SP (119 PS, 12.899 Euro) besetzen die nicht ganz klar definierte Etage zwischen schnödem Mittelbau und mondänem Penthouse. So mit irgendwas zwischen 750 und 900 Kubik, um die 120 PS und rund 190 Kilogramm. Und mit hochwertiger Analog-Hardware. Kayaba, WP, Öhlins, Showa, Brembo, und zwar überall in der besseren Variante. Es handelt sich in diesem Testfeld nämlich um die extra schicken Topversionen der jeweiligen Modelle. Ein Aufwand, der früher nur für die absolute A-Liga betrieben wurde.
Ihr Dynamikversprechen kann die gepflegte Landstraßenpartie locker zur lebensverneinenden Zitterpartie werden lassen und die Grenzen des einen oder der anderen sprengen. Etwaige Autoren dieser Geschichte eingeschlossen. So viel sei an dieser Stelle schon einmal – nicht allzu überraschend – verraten. Eine echte Überraschung gibt es jedoch, wenn man sich das Power-Trio genauer anschaut.
Erster Eindruck Yamaha MT-09 SP
Schlankes Heck, aber extrem bauchiger Vorbau. Edel schimmernder Lack, seidig glänzende Fahrwerkskomponenten, aber ein Rahmen, der pragmatischer aussieht als der Anzug eines mittelrangigen Lokalpolitikers. Die wahrscheinlich höchsten Lenkerböcke und das wahrscheinlich kleinste TFT-Display des Motorradmarkts. Ein, na ja, interessant geformter Meter Auspuff ohne erkennbares Ende. Und schlussendlich eine gewohnt solide Verarbeitung, die aber ähnlich aufregend ist wie ein Schnitzelteller an der Raststätte. Rustikal und rau kommt die Yamaha MT-09 SP daher. Muss man nicht mögen, scheint aber gewollt und passt dann ja auch irgendwo wieder zum roughen Image der MT-Serie.
Erster Eindruck KTM 890 Duke R
Eine Außenwirkung, mit der auch die KTM 890 Duke R bestens vertraut ist. Auch hier ist Finesse im Detail eher Mangelware. Nichtsdestotrotz sind die hochwertigen Komponenten solide zusammenkomponiert, und im Einklang mit der gewohnten Designkante ergibt sich so der robuste Charme eines kräftigen wie sehnigen Anpackers, wie wir ihn aus Mattighofen gewohnt sind. Wer ständig bereit fürs nächste Rennen ist, wie die alpinen Nachbarn es stets proklamieren, hat wohl keine Zeit für Chichi.
Erster Eindruck Triumph Street Triple RS
Das sieht man in England offensichtlich anders, wie ein Blick auf die nobelste aller Triumph Street Triple zeigt. Die Trackday-Qualitäten dieses als Naked Bike getarnten Supersportlers sind längst legendär, und trotzdem sind so viel Aufmerksamkeit und Zuwendung in die Machart der Triumph geflossen, dass man sich an ihr kaum sattsehen mag. Material, Lackauftrag, Details, Verarbeitung und Markenbewusstsein: Grandezza, wo man auch hinschaut. Man werfe nur mal beispielhaft einen Blick auf das kunstvolle Miteinander von Alu, Karbon und Markenlogo auf der Auspuffblende. Delightful, indeed.
Ergonomie und Sitzposition
Einmal Platz genommen, wüsste man sofort, was die Stunde auf der Triumph Street Triple geschlagen hat. Dafür sorgt schon die Sitzposition. Keine andere zieht dich trotz bequemen Breitlenkertums so weit Richtung Vorderrad. Auch nicht die kaum weniger Rennstreckenromantik bemühende KTM, trotz extra für die R flacher montierten Lenkrohrs. Die Nähe zur Front kommt hier vielmehr durch den geringen Abstand zum Lenker als durch seine tiefe Positionierung. So bewahrt sich die Duke trotz gleichzeitig erhöhter Fußrasten ihren typischen Schuss Supermoto-Haftigkeit und damit auch ihre trotz aller Sportlichkeit noch komfortable Ergonomie. Letzteres gilt auch für die Yamaha, das "noch" kann man aber streichen. Wie eh und je sitzt man auf ihr ultraaufrecht, der Lenker ist jetzt aber nicht mehr ganz so übertrieben nah wie bisher, was die Lümmeligkeit dieser Sitzposition eher noch verstärkt. So kann man es mehr als aushalten, gewiss. Aber nach Sport und Attacke schmeckt das bislang eher nicht.
Motor Yamaha MT-09 SP
Praktischerweise besitzt die MT-09 SP einen kleinen Schalter an der rechten Lenkerarmatur, der das schnell ändert. Kalt sofort, warm mit einer kleinen Gedenksekunde, faucht sich der nun um ein Schnapsglas aufgebohrte Triple prägnant ins Leben. Der Motor gibt sich nach wie vor akustisch etwas rau, vibriert ab der Drehzahlmitte dezent langwellig, ist sonst aber ein echter Schmeichler. Seit 2021 auch am Gasgriff, sofern nicht der wirklich scharfe Fahrmodus 1 aktiviert ist. Mit Fahrmodus 2 und 3 ist man hingegen jederzeit gut angezogen, Fahrmodus 4 agiert lähmend bräsig und kappt zudem noch die Power. Und die ist auch beim neuesten CP3 genannten Motor nach wie vor eine Kardinaltugend: dicker Bumms von unten, fleischiger Punch in der Mitte und forderndes Feuer oben – alles noch eine Nummer besser als bei den Vorgängerinnen. Ein kleines Loch um 5.000 Umdrehungen herum gibt es trotzdem, das man auf der Prüfstandkurve nicht sieht, direkt aus dem Radius heraus aber spürt. Vielleicht wird der schlecht ablesbare Drehzahlmesser auf dem Mini-TFT deswegen genau bei dieser Marke grün. Dazu braucht es im präzisen Getriebe vergleichsweise viel Kraft am Schaltfuß. Nun, abgesehen von diesen lässlichen Sünden liefert dieser Antriebsstrang mit Attitüde aber ein ausgesprochen rundes Paket, dem man mit Leichtigkeit verfällt.
Motor Triumph Street Triple RS
Da muss sich auch der famose, aber deutlich kleinere Triumph-Triple ganz schön strecken, um dranzubleiben. Zumindest im echten Leben, denn dort wirkt der britische 765er fast immer und überall merklich schwächer. Vor allem, wenn man aus der Kurve feuert, fehlt der rechte Punch. Trotz mittlerweile kürzer übersetzten unteren Gängen und mehr Drehmoment in der Mitte braucht der extrem lineare, extrem kultivierte und extrem breitbandige Dreizylinder Drehzahl, um richtig durchzustarten. Dann gibt es zwar feinzieselige Vibrationen, aber auch kein Halten mehr, wie die Messwerte für Beschleunigung und Durchzug eindrucksvoll aufzeigen. Bei 10.000 Touren, wenn die anderen beiden längst die Segel streichen, zündet noch mal die letzte gewaltige Nachbrenner-Stufe mit furiosem Spektakel. Das butterig-smoothe Getriebe mit seinen kurzen Wegen unterstützt diese herrlich fauchige Jubelei vortrefflich, ironischerweise jedoch umso mehr, wenn konventionell geschaltet wird. Grund: Der Quickshifter braucht beim Hochschalten im Vergleich recht lang für den Gangwechsel. Noch ein kleiner Wermutstropfen: Bei allem Öl, das reichlich durch die Kanäle dieses Aggregats zu fließen scheint, ist leider die Gasannahme etwas harsch geraten. Nicht weltbewegend oder linienversauend, aber doch unangenehm spürbar, wenn es engagierter zugeht. Die Wahl der Fahrmodi hat da leider keinen Einfluss drauf. Nichtsdestotrotz: ein Wahnsinnsantrieb, der für sein volles Potenzial aber auch wahnsinnig viel Schaltarbeit oder Auslauf aka Rennasphalt braucht. Mangelnde Konsequenz kann man den Briten jedenfalls nicht vorwerfen, was die Triumph Street Triple RS angeht.
Motor KTM 890 Duke R
Auch die Österreicher bleiben konsequent sportlich, allerdings natürlich mit der gebührlichen Prise KTM-Kante. Deswegen hat der Reihen-Zweizylinder auch nicht den heute üblichen Zündversatz von 270 Grad, sondern derer 285. Ergebnis: Klang und Charakter wie ein V2 mit den hausüblichen 75 Grad Zylinderwinkel. Im Laufe seiner Evolution ist der ehemalige 790er vor allem durch eine erhöhte Schwungmasse spürbar kultivierter geworden, lässt sich in den kleinen Gängen schon ab gut 2.500 Touren effektiv nutzen und geht dank Feinjustage der Elektronik jetzt in allen Fahrmodi angenehm zivil ans Gas. Das war in jüngster KTM-Vergangenheit noch ganz anders, noch früher gar undenkbar. Doch keine Sorge, wo "Ready to Race" draufsteht, steckt auch immer noch garstige Performance drin. Im kurzen, knackigen, aber markentypisch knorrigen Getriebe runtergesteppt, am Gasgriff kräftig abgewinkelt, und zack, strebt das Vorderrad gen Himmel. Vorausgesetzt, die elektronischen Leinen sind los. Dieser Motor startet ansatzlos im Fortissimo, hängt auf Wunsch am Gas wie ein Junkie an der Nadel (Fahrmodus "Track" für Hyperaktive, "Sport" für alle anderen) und legt unter schnoddrigem Geboller bei ca. 5.000 Touren noch ein astreines Crescendo hin. Entgegen der Leistungskurve ist der Twin obenrum zwar kein echter Reißer mehr, aber Power vermisst man auf der Duke gefühlt am wenigsten, dafür schnalzt es einfach zu verführerisch stark aus den Ecken raus. Dazu passend: der blitzschnelle Schaltautomat, der die Drehmoment-Salven nur durch ein kurzes "Bröpp" in sechs deftige Happen portioniert. Der Schaltwunsch sollte aber mit Verbindlichkeit erfolgen, sonst landet man gerne mal unversehens im grausig aufheulenden Gangstufen-Nirwana. Klar, das poltert, rumpelt und vibriert schlussendlich immer noch ganz anders als die beiden Dreiender. Aber wer sich aktiv für zwei Zylinder und drei orange Buchstaben entscheidet, wird das nicht als Nachteil sehen.
Die sportlichen Naked Bikes im Motorradalltag
Und wo wir schon bei fehlenden Nachteilen – man könnte sie auch einfach Vorteile nennen – sind: Trotz aller sportlichen Meriten, die diese drei Kombattanten bereitwillig verteilen, beherrschen sie auch unisono den weniger getriebenen Motorradalltag. Zumindest in einem Ausmaß, das mehr als nur die kurze Verschnaufpause zwischen den lustfördernden "hot stints" erlaubt. Ergonomie und Laufkultur sind wie schon beschrieben mit markengerechten Aromaanpassungen durch die Bank weg ordentlich. Und die feine Fahrwerks-Hardware zeigt mit verschiedenen Schwerpunktsetzungen durchaus annehmbare Güte.
Komfort auf den Naked Bikes
Insgesamt am gnädigsten agiert die mit großzügigen Federwegen ausgestattete KTM, ihr direkt angelenktes Federbein reicht aber auf kurzen Unebenheiten schon mal gefühlsecht durch. Auch dank eher asketischem Sitzkissen. Kurz dahinter folgt die fein federnde, Kayaba- und Öhlins-geadelte Yamaha. Durch die ergonomiebedingt kleine Nähe zur Gabel und die große zum Federbein spürt man jedoch auch hier die Arbeit des Hecks mehr als die der Front. Das straffste Setup bietet die rennaffine Triumph. Sowohl ihre Showa-Gabel als auch das Öhlins-Federbein sprechen aber dafür extra cremig an, Letzteres sollte für das echte Leben auf echten Straßen durchaus etwas gesoftet werden. Kein Problem, denn die Federelemente sind – wie bei allen Nobel-Nakeds – selbstredend voll einstellbar. Spätestens, wenn man sich das durchweg moderate Trinkverhalten der drei Midi-Sportler anschaut, hat man damit bereits eine ganze Stange an Alltagsqualitäten, die bei so einigen Bewohnern der nächsthöheren Etage nicht in diesem Maß zu finden sind.
Handling
Das gilt auch fürs Handling. Fest steht: Diesseits der High-End-Nakeds gibt es bereits messerscharfe Präzision, eherne Stabilität und luftige Leichtigkeit. Zwar nicht vereint in einem einzigen Motorrad, aber in jeweils sehr ausgeprägter und gut verdaulicher Portionierung. Der von manchem Hyper Naked bekannte Eindruck eines schwer zähmbaren, vor Kraft kaum laufenden Biests, bei dem man nie so ganz weiß, wer jetzt die Oberhand hat: Er fehlt in dieser Klasse. Keine Frage, auch jener Ritt auf der Kanonenkugel kann einen gewaltigen Reiz ausüben, aber wirklich schneller macht er das Motorradleben auch nur in wenigen Ausnahmefällen großer Talentansammlung und ganz besonders vorteilhafter, leerer Straßenverhältnisse.
890 Duke R: schmal, leicht, agil
Die Abteilung messerscharfe Präzision wird souverän von der 890 Duke R besetzt. Niemand in dieser Runde wirkt so schmal, so leicht und so agil. Gefühlt lässt sich mit der KTM auf einer Briefmarke wenden. Und dabei auf halber Strecke noch mal problemlos die Richtung wechseln. Trotz der aufrechten Sitzposition befindet man sich gefühlt direkt über dem Vorderrad, was für kristallklares Feedback und Gefühl für die Front sorgt. So lässt sich der Herzog präzise dirigieren, ohne allzu viel Stabilität in Schräglage zu opfern, sei es beim engagierten In-die-Kurve-Bremsen oder beim fixen Durchrauschen. Sie liefert genau so viel Schiene, dass man nie das Vertrauen verliert, würzt diese aber jederzeit mit der modellreihentypischen Beweglichkeit. Immer bereit zum Sprung, man könnte auch frech sagen: ready to race.
Street Triple RS: mehr Stabilität, mehr Feedback
Wer allerdings wirklich auf Schienen durch den Radius will: bitte schön, Auftritt Street Triple RS. Hier gibt es noch mehr Stabilität und noch mehr Feedback. Kein Wunder, so sehr wie dieses Motorrad schon optisch alles Richtung vorn und Straße zieht. Wie gefühlsecht Sitzposition und Fahrwerk den Asphalt abschnüffeln, präzise wie ein Seismograf die Asphaltlage rückmelden, das ist schlichtweg phänomenal. Das hat wirklich Superbike-Qualitäten. Passender und gleichzeitig kürzer kann man es kaum beschreiben. Mehr Vertrauen und Stabilität in Schräglage und auf der Bremse findet man nicht alle Tage. Dass es schon seit den Zeiten der ersten Streety einen höchst populären Marken-Cup rund um diese Trackday-Waffe gibt, ist also alles Mögliche, aber sicher kein Zufall. Ganz Superbike-like opfert die Triumph dabei aber etwas Handlichkeit. Nicht falsch verstehen: 190 Kilogramm bleiben 190 Kilogramm, zumal in so sportlicher Umgebung. Aber das emsige Bewegungstalent der Duke erreicht sie keineswegs.
MT-09 SP: müheloser geht es nicht
Auch nicht das der MT-09 SP. Sie lenkt fluffig ein, dafür sorgt allein schon der Hochhaus-Lenker. Das hat nicht die Unmittelbarkeit der KTM und schon gar nicht die Präzision der Triumph, aber müheloser als auf ihr geht es in dieser Runde nicht. Es ist ein bisschen, als würde man einen Hammer statt Darts werfen: Auf das letzte Feingefühl kommt es nicht an, auch mit schlampigen Impulsen kommt sie gut klar. Denn an Präzision und Transparenz fehlt es ihr deutlich im Vergleich. Auch die MT trifft, nach etwas Eingewöhnung, klare Linien. Allerdings nicht mit der Selbstverständlichkeit der anderen beiden, was vor allem an dem gefühlt ewig weit entfernten Vorderrad liegt, auf das man obendrein keinen vernünftigen Druck bekommt. Allzu viel kommt beim Fahrpersonal nicht an von seiner Arbeit. Das genaue Gegenteil gilt fürs Heck, denn gefühlt sitzt man direkt auf dem Federbein. Das macht die Sache insgesamt nicht unbedingt einfacher und ist am Ende des Tages vor allem der Preis dieser eher speziellen Ergonomie und Geometrie. Aber nach einer kurzen Gewöhnungsphase hat man den Dreh raus und kann durchaus sehr engagiert von Schräglage zu Schräglage schwingen.
Wer jetzt aber das Tempo weiter anzieht, sollte wissen, was er tut. Und die vergleichsweise tief montierten Fußrasten besser gleich auf der zweiten, 14 Millimeter höheren Position montieren. Denn so oder so: Es warten wundersame Dinge. Allzu große Bewegungen oder zu beherzte Griffe in die Bremse, während man sich in Schräglage befindet? Das mag die MT beim eifrigen Kurventanz nicht, dann stellt sie sich relativ stark auf und verliert schnell eine ganze Portion Neutralität. Lässt man die Bremse dann jedoch wieder los, zum Beispiel, wenn man forsch in die Kurve reinbremst, kippt sie unangenehm in den Radius. Klingt alles nicht so prickelnd, aber es sei an dieser Stelle noch mal ausdrücklich gesagt: Bei der handelsüblichen Landpartie muss man sehr flott unterwegs sein, um in diese eher schunkeligen Teile der MT-09-Experience vorzudringen.