Von außen ist kaum zu erkennen, dass hier ein Prototyp mit ganz besonderer Technik unterwegs ist: Die Bimota DB11 VLX wird das erste Serienmotorrad mit Kompressoraufladung sein - natürlich mit reichlich Power.
Von außen ist kaum zu erkennen, dass hier ein Prototyp mit ganz besonderer Technik unterwegs ist: Die Bimota DB11 VLX wird das erste Serienmotorrad mit Kompressoraufladung sein - natürlich mit reichlich Power.
Vor uns steht ein Prototyp von Bimotas jüngstem und zweifellos stärkstem Modell. Die aufgeladene DB11 VLX will nicht weniger sein als das am schnellsten beschleunigende Serienmotorrad, wenn es gegen Ende des Jahres auf den Markt kommt. Gewaltige 142,7 Nm Drehmoment bei nur 7400/min – und das alles mit dem 1198er-Serienmotor aus der Ducati Diavel, der dort nur 118 Nm bei 8000/min liefert. Wie funktioniert das? Indem man einen Kompressor montiert und so auch gleich die Leistung um satte 35 PS steigert.197 PS liegen nun bei 10 200/min an – das ist sogar etwas mehr, als die 1199 Panigale R leistet.
Und die Panigale ist der Grund, warum es die DB11 VLX überhaupt geben wird. „Ducati wollte uns vor 2015 keine Panigale-Motoren für eine Bimota bereitstellen, und wir hätten die nächsten zwei Jahre weiterhin den bekannten 1198er-Motor nehmen müssen“, sagt Bimota-Chefingenieur Andrea Acquaviva. Eigentlich kein Problem, doch Bimota will seinen Kunden seit jeher die beste und stärkste Technik bieten. „Also haben wir uns entschieden, einen Kompressor einzusetzen. Ein Turbolader kam wegen der Probleme beim Einbau, der großen Hitzeentwicklung und des Ansprechverhaltens nicht in Frage“, so Acquaviva. Der Vorteil des Sprintex-Kompressors liegt auf der Hand: Die komprimierte Luft ist kühler und damit dichter und ermöglicht so eine bessere Füllung der Zylin-der. Die DB11 VLX braucht auch keinen Ladeluftkühler und kommt mit dem originalen Kühler des 1198er-Motors aus.
Nun hätte man eigentlich das Aggregat aus der 1198 S nehmen und den Kompressor dort anflanschen können, die Ingenieure haben sich jedoch bewusst für das gezähmte Triebwerk der Diavel entschieden. Eine größere Schwungmasse, geringere Verdichtung und vor allem andere Steuerzeiten seien für den Einsatz des Kompressors besser geeignet: Die Leistung sei leichter kontrollierbar, das Ansprechverhalten bei niedrigen Drehzahlen besser und der Verbrauch geringer.
Druck auf den Startknopf. Ziemlich laut und rau läuft der aufgeladene Motor bei Standgas und im Stadtverkehr. Das typische Heulen des Laders im unteren Drehzahlbereich schwillt bei höheren Drehzahlen zu einem allzeit präsenten Kreischen an – eine Warnung an alles und jeden, dass das Biest aus Rimini im Anflug ist. Sehr, sehr schnell und sehr, sehr laut. Unglaublich, wie spontan der Kompressor jeden kleinsten Dreh am Gasgriff in unbändigen Vortrieb umsetzt. Die fast 200 PS und das gewaltige Drehmoment sind kaum im Zaum zu halten, von wegen leicht zu kontrollierende Leistung! In den ersten vier Gängen bleibt das Vorderrad nur mit Mühe am Boden. Nach etwas Eingewöhnungszeit lässt sich die DB11 VLX jedoch erstaunlich gut kontrollieren. Das Fahrwerk hat keine Mühe mit den 35 zusätzlichen Pferdestärken, die feinen Brembo-Stopper sind ohnehin über jeden Zweifel erhaben. Etwas Vorsicht ist dennoch geboten, gerade beim Herauspowern aus engen Kurven ließ der montierte Michelin zu wünschen übrig, weil er nur langsam Temperatur und Grip aufbaute.
Im Gegensatz zum Grip der Reifen baut der Kompressor blitzschnell seinen Ladedruck auf. Und zwar folgendermaßen: Auf dem Kurbelwellenstumpf sitzt eine kleine Riemenscheibe, die über eine Zwischenwelle mit großer Riemenscheibe den Kompressor antreibt. Durch den größeren Durchmesser der Scheibe auf der Zwischenwelle ist die Drehzahl des Kompressors viermal so hoch wie die des Motors – bei 10 000 Kurbelwellenumdrehungen rotiert der Kompressor also 40 000-mal und presst dann die Luft mit einem Ladedruck von 1,4 bar in die Brennräume. Der Druck ist drehzahlabhängig, denn je schneller der Kompressor rotiert, desto mehr Luft presst er in die Brennräume, desto mehr Drehmoment liegt an – desto besser beschleunigt das Bike. Ein Athena-Motorsteuergerät sorgt dafür, dass in möglichst allen Situationen der optimale Ladedruck anliegt und variiert ihn je nach Drehzahl, Drosselklappenstellung und eingelegtem Gang.
Am Ende des Tages bleibt vor allem die gewaltige Drehmomentkurve in Erinnerung, die der Sprintex-Lader schon von ganz unten liefert. In der Praxis zählen Newtonmeter mehr als PS, erst das Drehmoment macht Beschleunigung fühlbar. Ob es tatsächlich das am schnellsten beschleunigende Serienmotorrad wird, bleibt bis zum Verkaufsstart abzuwarten. Aus Rücksicht auf den Prototypen haben wir der Maschine nicht alles abverlangt.
Und natürlich hat die Sache auch einen Haken, zwei sogar. Zum einen sorgt der Kompressor für zusätzliches Gewicht – zehn Kilo mehr hat die DB11 VLX auf den Rippen. Zum anderen der Preis: Rund 35 000 Euro wird Bimota für das erste Serienbike mit Kompressor verlangen, wenn es gegen Ende des Jahres beim Händler steht. Der Rahmen der Bimota ist übrigens genauso Serie wie der Basismotor von Ducati. Bei Bedarf ließe sich der Kompressor also ohne große Umbauten wieder entfernen, der Serienzustand des Motors wieder herstellen. Aber warum sollte man so etwas Törichtes tun?