Retro-Bike-Test: BMW R 12 S, Triumph Speed Twin 1200, Kawasaki Z 900 RS & Yamaha XSR 900

Retro-Bikes von BMW, Triumph, Kawasaki und Yamaha
Leistungsstarke Retro-Bikes mit über 100-PS im Test

ArtikeldatumVeröffentlicht am 24.09.2025
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Das jüngste Modell im Reigen der Retro-Bikes ist die auf der auch erst im Frühjahr 2024 präsentierten R 12 nineT basierende R 12 S. Sie ist im Grunde nichts anderes als eine im Konfigurator heftig bekreuzte Basis-nineT. In der Summe ihrer Extras bleibt diese preislich sogar unter den für die S aufgerufenen 22.000 Euro, muss aber dafür auf das im Volksmund Daytona-Orange genannte Lackkleid verzichten. Dieses wurde zuerst 1975 an der BMW R 90 S gesichtet. 1976 erreichten BMW-Boxer in ebenjener durchaus auffälligen Lackierung auf der Isle of Man mit Helmut Dähne einen Klassensieg und gewannen in Daytona unter Steve McLaughlin sogar die Gesamtwertung des 200-Meilen-Rennens. Und man muss wahrhaft weder ein Renn- noch ein BMW- oder gar Boxerfan sein, um der BMW R 12 S eine ausgesprochen prägnante und ästhetische Erscheinung zu attestieren. Und ja, in jeder anderen Farbe wäre es halt "nur" eine R 12 nineT, letztendlich aber auch kein Grund, Trübsal zu blasen.

BMW R 12 S: schmal geschnittener Tank, enger Kniewinkel

Denn hier wie dort wird man durchaus fahraktiv, aber nicht übertrieben sportlich auf dem relativ weich gepolsterten Sitz der BMW R 12 S untergebracht. Ausgewiesene Langbeiner können sich aber an den Kanten des im hinteren Bereich schmal geschnittenen Tanks sowie am engen Kniewinkel stören. Ab Werk und serienmäßig wird übrigens ein Soziuskit mitgeliefert. Da dieser aber für längeres Verweilen nur bedingt geeignet ist und zudem die Linie nicht unbedingt verbessert, haben wir ihn nur kurz zum Testen montiert. Die Hände fallen wie von alleine auf den breiten Lenker. Dessen Armaturen sind von anderen Modellen bestens bekannt, allein der charakteristische Dreh-Drück-Ring ist beim Testmotorrad ohne Aufgabe, ergo Funktion. Die bekäme er, wenn man das aufpreispflichtige, aber überhaupt nicht zum Stil der S passende Mikro-TFT-Display wählte.

BMW R 12 S: Keyless-Go und USB-C-Adapter

Die beiden aufpreisfreien, schlicht schönen oder schön schlichten Rundinstrumente der BMW R 12 S liegen gut im Blick und sind perfekt ablesbar. Im unteren Teil beherbergen sie kleine LC-Displays, die in schönster Nadeldrucker-Optik (für alle Youngster: Damit konnten Formulare samt Durchschlag ausgedruckt werden) allerlei Infos bis hin zum Reifendruck darbieten. Eine in der Praxis durchaus sinnvolle Tankinhalts- oder gar Restreichweitenanzeige sucht man indes vergeblich.

Vom sich an gewohntem Platz befindlichen, vermeintlichen Zündschloss sollte man sich nicht täuschen lassen, es dient dank Keyless-Go nur der Lenkersperre. Einmal entriegelt, ist der Transponder in der Jacken- oder Hosentasche besser aufgehoben. Unterhalb des Lenkkopfs bieten rechts eine Mini-Steckdose und links ein USB-C-Adapter Strom feil.

BMW R 12 S: 224 Kilogramm Gewicht

Der altbekannte 1170-Kubik-Boxer startet kalt wie heiß stets ohne Gewese und dank entfallener Auspuffklappe auch ohne pubertäres Geplärr, sondern mit einem dem Hubraum angemessenen voluminösen Bariton. Über den theoretisch perfekten Ausgleich der oszillierenden Massen eines Boxermotors sieht zumindest das Testmotorrad generös hinweg und unterhält den Fahrer mit stets präsenten, aber eher unterhaltenden denn nervigen Vibrationen. Es ist immer wieder begeisternd, wie der Boxer selbst im Sechsten klaglos schon unter 2.000/min losbüffelt und die mit 224 Kilogramm schwerste Fuhre im Feld nachdrücklich anschiebt.

Mit dafür verantwortlich ist sicherlich auch die eher kurze Gesamtübersetzung, die sehr dicht an der viel drehzahlorientierteren Kawasaki liegt. Zum Vergleich: Im Sechsten liegen bei 100 km/h bei BMW/Kawasaki/Triumph/Yamaha 3.880/3.980/3.470/4.430/min an. Bei 130 km/h sind es dann entsprechend 5.050/5.170/4.500/5.770 min. Erfreulicherweise schlägt sich das hohe Drehzahlniveau der Yamaha nicht negativ auf den Verbrauch aus. Im Gegenteil: Bei der gemeinsam absolvierten Verbrauchsrunde gab sie sich mit 4,7/4,2/4,3/4,1 Litern sogar am genügsamsten. Auch wenn es zügiger vorangeht, bleibt sie noch unter der Fünf-Liter-Marke, während die BMW stramm in Richtung sechs Liter geht. Womit wir wieder beim Boxer wären.

BMW R 12 S: 3 Fahrmodi und teilintegrales ABS

Mittels dreier Fahrmodi (Rain, Road, Dynamic) lässt sich seine Hektikzität der aktuellen Tagesform des Fahrers anpassen. Quickshifter und Blipper der BMW R 12 S machen einen richtig guten Job, sodass man die recht langen Schaltwege des Getriebes ebenso verzeiht wie die höchste Handkraft die als einzige im Testfeld hydraulisch betätigte Kupplung. Trotz des im Vergleich zur Vorgängerin flacher gewordenen Lenkkopfwinkels lenkt die S sehr behände ein und muss sich in dieser Disziplin am Ende nur knapp der Yamaha beugen.

Für die Bremse gilt dasselbe. Zwei Finger reichen jederzeit, um die Fuhre wohl dosierbar und ohne großes Aufstellmoment in Schräglage bei Bedarf brachial zu verzögern. Als Einzige im Testfeld verfügt die BMW über ein teilintegrales ABS, will heißen: Ziehst du vorne, wird immer auch hinten, der Stabilität wegen, mitgebremst. Trittst du hinten, bremst du auch nur hinten. Dieses Arrangement passt. Die S kann also nicht nur Emotion, sie kann auch Funktion. In 2024 konnte die Basis R 12 nineT insgesamt 1.068 Käufer überzeugen, was sie im BMW-internen Ranking auf Platz acht und in der Zulassungsstatistik insgesamt auf Platz 32 landen ließ. Mit der R 12 S werden das sicherlich nicht weniger werden. Auch der enorme Anschaffungspreis wird solvente Fans eher nicht abschrecken.

Kawasaki Z 900 RS noch mit Euro-5-Abgasnorm

Die Kombination von Emotion und Funktion schafft der Silberrücken im Testfeld, die Kawasaki Z 900 RS, genauso und gibt sich dank des rund 8.000 Euro günstigeren Preises deutlich volksnäher. Seit sie 2018 das Licht der Zweiradwelt erblickte, haben sich außer der Umstellung auf Euro 5 zum Modelljahr 2022 eigentlich nur die Lackierungen geändert. Das sehr gefällige Outfit des Testbikes mit dem gelb abgesetzten Tank und den schwarzen Felgen mit polierten Hörnern nennt sich übrigens "Yellow Ball Edition". Auch 2025 wird die RS dank Ausnahmeregelung noch mit Euro-5-Abgasnorm angeboten, was natürlich die Spekulationen, den 26er-Jahrgang betreffend, kräftig anheizt. Doch das ist eine andere Geschichte.

Hier und jetzt wirkt die Kawasaki Z 900 RS nicht nur des Kaufpreises wegen wie die Antipode zur BMW R 12 S. Man sitzt 35 Millimeter höher auf dem Bike, der chromglänzende Lenker wirkt aus der Warte der BMW R 12 S wie ein Apehanger light, zudem spreizt der breite Tank des Fahrers Oberschenkel auf nachgerade frivole Art und Weise. Dazu werden je nach Drehzahl stets in unterschiedlicher Intensität hochfrequent Vibrationen serviert. Auch die Akustik passt, denn der Vier-in-eins-Edelstahlanlage entweicht ein dermaßen derber, rotzig-frecher, gleichwohl ebenso nachbarschafts- wie tirolkompatibler Sound, der selbst des Revoluzzertums unverdächtige Typen binnen kürzester Zeit mental in Richtung Outlaw beamt.

Kawasai Z 900 RS mit guter Alltagskompatibilität

Dabei ist die Kawasaki Z 900 RS im Grunde ihres Wesens durchaus solide. Das zeigt sich zum Beispiel darin, dass sie Beifahrern und Gepäck durchaus wohlgesonnen ist und mit gutem Licht und großen Spiegeln Alltagskompatibilität beweist. Und unter dem Sitz befindet sich ein Zigarettenanzünder, falls Bedarf an Ladestrom besteht. Mit weiteren Gadgets kann die Zett nicht dienen. So gibt es außer ABS und einer zweistufigen, recht früh eingreifenden TC keinerlei elektronische Assistenten. Geschaltet wird hoch wie runter rein mechanisch, was angesichts des kurz, knackig und präzise zu bedienenden Getriebes mehr Lust denn Last ist. Auch mit verschiedenen Fahrmodi kann der noch mittels leibhaftiger Gaszüge befehligte Reihenvierer nicht dienen. Sie werden auch nicht vermisst, denn die Gasannahme ist spontan, aber nicht aggressiv. Einzig die spürbaren Lastwechselreaktionen trüben das positive Bild ein wenig. Deren Ursachen liegen aber eher auf der mechanischen Seite. Sprich: Spiel im Antriebsstrang.

Spürbare Aufstellmomente bei der Z 900 RS

In freier Wildbahn zeigt sich dann, dass die Kawasaki Z 900 RS zwar keineswegs schwerfällig unterwegs ist, aber in diesem Quartett doch den höchsten Einsatz erfordert, wenn es ums Abwinkeln oder schnelles Umlegen in Wechselkurven geht. Auch die Bremsanlage wirkt im direkten Vergleich mit dem Umfeld eher stumpf, ihre Wirkung ist aber auch hier über jeden Zweifel erhaben. Zudem zeigt die Kawa ein spürbares Aufstellmoment beim Bremsen in Schräglage. Diese Unterschiede fallen besonders bei häufigem Fahrzeugwechsel auf, sind aber nach wenigen Metern beziehungsweise Kurven adaptiert.

Ganz im Geiste ihrer Vorbilder, Z 900 und Z 1000 waren zu ihrer Zeit ja die Sinnbilder für supersportliche Motorräder schlichthin, liegt die Grundabstimmung des bis auf die hintere Zugstufendämpfung voll einstellbaren Fahrwerks wie bei der BMW auf der eher straffen Seite. Will heißen, bei geruhsamer Fahrt über Buckelpisten oder im Stadtverkehr könnte das Ansprechverhalten ruhig ein wenig feinfühliger sein, im gestreckten Galopp passt es dann. Lässt man den Reihenvierer richtig jubeln, stellt man fest, dass ab 6.000/min die Vibrationen richtig unangenehm werden. Doch ernsthaft abschreckend scheint dies nicht zu sein, denn hausintern war die Z 900 RS in all den Jahren immer Top Five, 2024 mit 1.289 verkauften Einheiten wieder einmal auf Platz drei, in der Gesamtwertung auf Platz 22.

Triump Speed Twin 1200

Von diesen Zahlen kann man beim Triumph-Importeur in Roßbach nur träumen. 2024 wurden von der großen Speed Twin 293 Einheiten unters Volk gebracht, was Triumph intern für Platz acht, gesamt für Rang 147 reichte. Einer der Gründe für den ausbaufähigen Erfolg dürfte der Umstand sein, dass Triumph seit dem Neustart 1990 vor allem mit Dreizylindern assoziiert wird und natürlich dementsprechend sehr attraktives Material im Portfolio hat, Stichwort Speed Triple. Vom Charakter ist/sind diese Modelle allerdings deutlich sportiver positioniert. So bleibt es den Twins, die in der wassergekühlten Variante mit 900 oder wie hier 1.200 Kubik auch schon seit 2016 auf dem Markt sind, überlassen, den nicht ganz so tempofixierten Engländerfreund abzuholen. Zunächst mit der ziemlich rückwärtsgewandten, Pardon, traditionsbewussten Bonneville, seit 2018 dann mit der optisch wie fahrdynamisch aufgefrischten Speed Twin. Die verkörperte die wilden Zeiten zunächst insofern authentisch, als dass bei ihr auch der Motor schneller war als das einfach gestrickte Fahrwerk.

Neue RS-Variante der Speed Twin 1200

2021 wurde ihr ein kleines Update gegönnt, seither war sie vorne mit supersportlichen Brembo M50-Monobloc-Bremssätteln bestückt. Das hat sich beim 25er-Jahrgang zumindest teilweise geändert. Bis dato gab es die Triumph Speed Twin 1200, und fertig. 2025 wird hier in Basismodell und RS unterschieden. Das Basismodell, zu der auch das Testbike zählt, gibt es zum leicht erhöhten Tarif der alten Speedy, es muss aber nicht nur auf die oben erwähnten M50 zugunsten von Triumph gebrandeten J.Juan-Sättel verzichten, sondern trägt nun auch Schutzbleche aus Kunststoff statt Aluminium. Und es steht auf Metzeler Sportec M9 RR-Gummis, die erfreulicherweise deutlich besser mit dem (oder der?) Twin harmonieren als die Racetec RR K3-Pellen, mit denen die RS nach wie vor ausgerüstet ist.

Triumph Speed Twin 1200: 105 PS bei 7.750/min

Wie Testfahrer Timo zu berichten weiß, der beide Varianten gefahren ist. Leider ist die RS mittlerweile mit 16.195 Euro preislich ziemlich entrückt, sodass die Basis das interessantere Modell ist. Beiden gemein ist der Antrieb, der mit der Umstellung auf die Euro-5+-Norm nominell fünf PS zugelegt hat und nun 105 PS bei 7.750/min anstelle von 100 PS bei 7.250/min bietet. Das bei dieser Art von Motorrad eher bedeutsame maximale Drehmoment blieb auf dem Papier mit 112 Nm bei 4.250/min unverändert und liegt nach wie vor zwischen 3.000 und 6.000/min teilweise dramatisch über dem des Umfelds. Dass die Maximaldrehzahl um 500/min (jetzt 7.800/min) gesteigert wurde, nimmt man wohl zur Kenntnis, die Tatsache an sich läuft bei dieser Art von Antrieb aber unter der Kategorie "So what?".

Connectivity und schräglagensensitives ABS

Denn der fühlt sich zwischen 2.500 und 5.000/min am wohlsten, massiert Seele und Antriebskette akustisch wie mechanisch mit wohldosiertem Bollern und lässt sich auch von der ellenlangen Gesamtübersetzung nicht wirklich beeindrucken. Nicht auszudenken, wie er wohl mit zwei Zähnen mehr am Kettenblatt andrückte. Schmacht! Aber so gibt es wenigstens ab und an einen Grund, die ohne Schalthilfen auskommende, knackig und präzise arbeitende Schaltbox zu bemühen. Im Vergleich zum Vorjahresmodell sticht sofort das neue, deutlich weniger wertig wirkende TFT-Display der Triumph Speed Twin 1200 ins Auge, das die beiden bis dato verbauten wunderschönen Rundinstrumente ersetzt. Zum Trost gibt es jetzt dafür Connectivity, eine USB-C-Buchse sowie neue Lenkerarmaturen zur Bedienung. Ob potenzielle Speed Twin-Interessenten genau darauf gewartet haben, sei dahingestellt. Dafür agieren ABS und TC jetzt auch schräglagensensitiv.

Leicht überarbeitete Ergonomie der Triumph Speed Twin 1200

An der reinen Bremsleistung gibt es auch mit den mutmaßlich deutlich günstigeren Bremssätteln nichts auszusetzen, die ABS-Regelung indes könnte nach wie vor etwas feinsinniger sein. Auch die Ergonomie der Triumph Speed Twin 1200 wurde leicht überarbeitet, der Lenker wurde einen Tick breiter, die Fußrasten wanderten 40 Millimeter nach hinten. Die Sitzbank wurde (noch) schmaler und flacher, aber ohne den direkten Vergleich mit dem Vorjahresmodell kommt man zu dem Schluss: alles wie gehabt, auch der gefühlt nicht vorhandene Knieschluss am wirklich schmalen Tank. Wer also vorher mit der Speedy klarkam, kommt es auch weiterhin.

Auch fahrwerksmäßig hat sich etwas getan. Die nach wie vor fixe Marzocchi-USD-Gabel wurde neu abgestimmt, ebenso die hinteren Federbeine, die nunmehr mit externen Ausgleichsbehältern, Piggybags genannt, ausgestattet sind. Auch liegen die Einsteller der Federbasis jetzt oben, sodass zu deren Anpassung nicht mehr die Endtöpfe demontiert werden müssen. Grundsätzlich sind sie sich aber in ihrem Wesen treu geblieben.

Triumph Speed Twin 1200: Hüftsteif in den Wechselkurven

Vergleichsweise komfortabel rollt die Triumph Speed Twin 1200 durchs Leben, ohne jedoch die Besatzung vom Untergrund zu entkoppeln. Um die Mittellage zu verlassen, braucht die Triumph nach wie vor einen klaren Impuls, liegt dann aber sehr stabil. In schnellen, langen Bögen ist sie in ihrem Element und durch nichts aus der Ruhe zu bringen, dafür sind schnell aufeinanderfolgende Wechselkurven nicht so ganz ihr Ding, da wird sie mit zunehmendem Tempo etwas hüftsteif. Geschenkt! Fallen im Kurvenverlauf Bremsmanöver an, bleibt sie weitgehend gelassen, entwickelt nur ein geringes Aufstellmoment. Wie bei der Yamaha auch, setzen die aufsetzenden Fußrasten dem schrägen Treiben erst spät ein Ende. So empfiehlt sich die Triumph für Leute, die mit großer Gelassenheit zügig, aber ohne Hektik und gerne auch schräg unterwegs sind.

Yamaha XSR 900

Bleibt zu guter Letzt die Yamaha XSR 900 , die in dieser Konfiguration seit 2022 unterwegs ist. Was zunächst wirkte wie die Antwort auf eine Frage, die niemand gestellt hatte, ist in der aktuellen Konfiguration zu einer äußerst ebenso wirkmächtigen wie effizienten Fahrmaschine mutiert. Die nur deshalb immer wieder in die Retro-Ecke geschoben wird, weil ihr leicht unfertig wirkendes Design, das ein wenig was von verunfalltem und deshalb verkleidungslosem Supersportler hat, in andere Sparten halt noch viel weniger passt.

11.749 Euro für die XSR 900

Das Einzige, das an der Yamaha XSR 900 retro sein könnte, ist das tatsächlich sehr 70er-mäßig aussehende Sitzbrötchen. Auch der Preis, der mit 11.749 Euro nur etwas mehr als die Hälfte der BMW ausmacht, könnte aus einer längst vergangenen Zeit stammen. Das Gebotene ist dafür definitiv von heute. Den 890-Kubik-Triple zu loben, hieße, um nicht immer wieder das nachtaktive hellenische Federvieh bemühen zu müssen, Hundehäufchen nach Berlin-Neukölln zu tragen. Der kann ziehen, drücken, schieben, drehen, quickshiften und blippern und begnügt sich bei aller Freude am fahrspaßigen Tun auch mit dem geringsten Verbrauch. (Tester-)Herz, was willst du mehr?

Yamaha XSR 900 mit konfigurierbarer Traktions- und Wheeliekontrolle

Auch elektronisch macht der Yamaha XSR 900 keine aus dem Quartett etwas vor. So gibt es neben den voreingestellten Mappings Rain, Street und Sport zwei frei konfigurierbare Slots, in denen neben dem Ansprechverhalten auch die Traktions-, die Slide- sowie die Lift-, ergo Wheeliekontrolle den persönlichen Bedürfnissen entsprechend angepasst werden können. Um jetzt allerdings all diesen Finessen en détail im öffentlichen Raum entspannt auf den Grund gehen zu können, ist ein eher lockeres Verhältnis zur persönlichen Fahrerlaubnis Grundvoraussetzung. Denn solange man sich auch nur in Sichtweite des Regelwerks, vulgo StVO, aufhält, haben all diese Systeme zumindest bei trockenen Verhältnissen frei. Aber wie der Volksmund weiß, ist Haben bekanntlich besser als Brauchen.

Yamaha XSR 900: Sieger in Preis-Leistung

Doch wenn gelegentlich Trackdays oder Ähnliches auf dem Programm stehen, dann ist die Yamaha XSR 900 in diesem Quartett definitiv das Bike der Wahl. Nirgendwo ist man so fahraktiv untergebracht wie hier. Nirgendwo hat man so ein Gespür für die Straße wie hier. Keine winkelt so forsch ab wie die XSR, keine hat so viel Luft unter den Rasten wie die XSR. Keine animiert so zum Andrücken wie die XSR. Und keine schert sich so sehr um Alltagsbelange wie die XSR. Dass unter der konsequenten Ausrichtung auf den Fast-Forward-Modus der Fahrkomfort in der Prio-Liste nach unten rutscht, ist klar. Egal sowieso. Solch konsequente Ausrichtung auf ein Ziel verdient Respekt und Anerkennung, und deshalb hätte sich die XSR den Testsieg auch trotz nicht vorhandener Stromquelle für externe Devices wirklich verdient.

Doch dann grätschte die völlig spaßfreie, dafür neutrale und objektive MOTORRAD-Punktwertung ein und meinte: nö. 163 Kilogramm Zuladung, das ist nichts, also fast nichts. Punktemäßig. Einer halt. Und so macht am Ende, wenn auch knapp, mal wieder die BMW das Rennen. Und so gesehen ist zumindest die Zweiradwelt, je nach Sichtweise, zumindest ein wenig in (Un)Ordnung geblieben. Wenn das mal keine gute Nachricht in dieser mit unguten News wahrhaft reichlich versorgten Gegenwart ist.