MOTORRAD spekuliert über eine neue BMW
BMW F 500 als Mittelklasse-Kracher?

Designer Kar Lee zeichnete im Auftrag von MOTORRAD eine BMW-Modellfamilie mit 500-Kubik-Reihenmotor.

BMW F 500 Concept
Foto: KarDesign
In diesem Artikel:
  • Händler wünscht sich eine 500er-BMW
  • Große Lücke bei BMW Motorrad
  • Boom im Segment
  • Kein kleiner Boxer
  • Fazit

Wer den BMW-Händler seines Vertrauens nach Lücken im mittlerweile auf 25 Modelle angewachsenen Programm befragt, wird in den meisten Fällen reflexartiges Kopfschütteln ernten. Es fehle an nichts, hört man dann häufig. Aber ­später, nach kurzem Überlegen, weckt diese Frage doch Begehrlichkeiten. So wie bei Sandro Strohmaier: "Etwas zwischen der G 310 und der F-Baureihe – das wäre schon nicht schlecht."

Händler wünscht sich eine 500er-BMW

Strohmaier ist Geschäftsführer bei BMW Brauneisen, einem großen BMW-­Exklusivhändler in Wendlingen am Neckar nahe Stuttgart. Fremdmarken kommen ihm nur ganz kurz auf den Hof, als Inzahlungnahme etwa. Die gibt der begeisterte Endurist dann umgehend an die entsprechende Markenvertretung im Umland ­weiter. Bei Brauneisen findet nur BMW pur statt, und damit basta. Auch das übliche Nebeneinander von Autos und Motor­rädern hat man bei Brauneisen schon vor Jahren abgeschafft und diesen Schritt nie bereut. Das hat natürlich ursächlich auch mit der gelungenen und lebhaften Modellpolitik der Münchener in den vergangenen 20 Jahren zu tun. Mit der aktuellen Modellpalette sei er daher grundsätzlich hochzufrieden, so Strohmaier. "Aber wenn ich mir was wünschen dürfte, wäre das etwas um die 500 bis 600 Kubikzentimeter. Das würde schon gehen", ist sich der BMW-Händler sicher. "Und wenn ich schon beim Wünschen bin: Eine 125er wäre auch nicht schlecht."

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Große Lücke bei BMW Motorrad

Dass er auf einen Achtel-Liter-Flitzer vermutlich noch lange warten kann, weiß Strohmaier genau, denn Vorstöße in diese Richtung haben die Bayern in der Vergangenheit stets mit dem Argument abgeschmettert, so ein Nachwuchs-Suchgerät passe nicht zum Premium-Anspruch. Strohmaiers Wunsch nach einer neuen Mittelklasse jedoch wird vermutlich nicht für immer auf taube Ohren stoßen. Denn es stimmt ja: Zu offensichtlich klafft da ­eine Lücke zwischen F und G. Nicht im ­Alphabet, da hat alles seine Ordnung, und nach F kommt G. Nein, im aktuellen BMW-Programm. In Zahlen: Rund 600 Kubikzentimeter beträgt der Hubraum-Unterschied von der G 310 auf die Reihenzweizylinder der F-Baureihe, stramme 43 PS liegen ­zwischen dem kleinen Single und dem schwächsten Twin in der F 750 GS. Wenn man die neue, stärkere F 900 R zum ­Vergleich heranzieht, sind es sogar über 70 PS.

Boom im Segment

Und das in einem Motorradmarkt, in dem genau dieses untere Leistungs- und Preissegment seit Jahren boomt und in dem nicht umsonst Bestseller (Kawasaki Z 650/Yamaha MT-07) zu Hause sind. Ausgerechnet hier nichts mit BMW-Logo auf dem Tank anbieten zu können – das kann eigentlich nur einen Grund haben. Nämlich den, dass sie sich in München mit dem Angriff der mächtigen R 18 auf den Harley-dominierten Cruisermarkt schwer verausgabt haben, weil sie einen völlig neuen Motor konstruieren mussten. Ganz ähnlich sähe es für eine 500er aus, denn es ist aus technischer Sicht nicht möglich, den kleinen 310er-Single auf das notwendige Maß aufzubohren. Ebenso wenig würde es Sinn ergeben, den 900er-Reihentwin der F-Baureihe auf die gewünschte Größe zurechtzustutzen. Und selbst, wenn das möglich wäre, ist der Zweizylinder für diese Klasse einfach zu schwer und zu ausladend.

Kein kleiner Boxer

Dass es sich bei dem neuen Motor um einen Reihenzweizylinder handeln muss, steht derweil außer Frage. Warum ist das so? Weil ein Motor dieser Kategorie in ­erster Linie kostengünstig zu produzieren sein muss, dichtauf gefolgt von Attributen wie leicht und kompakt. Und das lässt sich mit keiner Zylinderkonfiguration leichter ­erreichen als mit einem Reihentwin. Natürlich, wie heutzutage üblich, mit einem ungleichförmigen Hubzapfenversatz versehen, der selbst in einem "kleinen" 500er für einen kernigen Charakter sorgt. Für die 500er-Variante statt einer ebenso vorstellbaren 600er-Version hat sich MOTORRAD in diesem Gedankenspiel entschieden, weil der Blick aus München über den europäischen und nordamerika­nischen Tellerrand in diesen Preiskategorien zum Beispiel in Asien auf eine ganz andere Marktsituation trifft: Eine 500er genießt dort beinahe Big-Bike-Status, eine 300er ist, im Automobil-Jargon ausgedrückt, bereits obere Mittelklasse. Damit verbunden sind entsprechende Stückzahlen. Ein Beispiel: Um die 60.000 Einheiten ihrer 300er-Baureihe verkaufte Honda im vergangenen Jahr – allein in Malaysia.

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500 Kubik und Premium, das passt nicht zusammen. Klares Nein.Auf jeden Fall. Die Lücke in diesem Segment bei BMW ist zu groß.

Fazit

Zahlen, die beeindrucken. Und Zahlen, die zeigen, um was es hier geht. Für BMW Motorrad nach der Neuheitenflut der ­vergangenen 20 Jahre und dem damit verbundenen radikalen Image-Wandel geht es um nicht mehr und nicht weniger als um die künftige strategische Position auf dem Weltmarkt. Allein deshalb werden die Münchner um ein Angebot in diesem Hubraumsegment wohl nicht herumkommen.

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MOTORRAD 20 / 2023

Erscheinungsdatum 15.09.2023