Bikes für 999 Euro und die Folgen, Teil 2
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Nach dem Kauf die Bestandsaufnahme: Was bekommt man heute für 999 Euro? MOTORRAD-Redakteure nehmen ihre Gebrauchtbikes kritisch unter die Lupe.

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Foto: fact, Glück, Hertneck, mps-Fotostudio

Kennen Sie das federleichte Glücksgefühl nach einem erfolgreichen Kauf? Etwas, das Sie schon immer haben wollten, gehört nun Ihnen. Doch schnell macht sich Ernüchterung breit. Sie entdecken Macken, spüren Mängel auf. Nichts Dramatisches, aber es reicht, um auf den Boden der Tatsachen zu kommen. Vor wenigen Wochen sind vier MOTORRAD-Tester losgezogen und haben vier Bikes gekauft. Die Vorgabe: Sie sollten die 1000-Euro-Mauer nicht durchbrechen. Nach der Kaufbilanz in der letzten MOTORRAD-Ausgabe folgt die nüchterne Bestandsaufnahme im kalten Werkstattlicht. Während sich bei Yamaha FJ 1100 massive Probleme auftürmen und Yamaha XT 600 einigen Feinschliff verlangt, brummen Honda CX 500 C und Suzuki GS 500 bereits über die Landstraße, Letztere schon mit offener Leistung. Hier die Auszüge aus den Fahrtenbüchern...

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Honda CX 500 C

Nun ist sie mein Patenkind, die Honda mit dem wenig schmeichelhaften Beinamen »Güllepumpe«. Kollege Thorsten Dentges hatte sie angeschleppt – ein echtes »blind date«. Als Ebay-Angebot gekauft wie geklickt, ohne Besichtigungstermin oder Probefahrt (siehe MOTORRAD 8/2007). Thorsten macht nun B wie Babypause und ich fahre CX 500 C wie Custom. Und Custom steht gemeinhin für einen Chopper. Da sich das Wort vom englischen »to chop of« (sprich »abhacken«) herleitet, ist die erste Maßnahme wohl klar.
Bei meiner Kontaktaufnahme türmt sich ein mannshohes Windschild vor der rustikalen Cockpit-Landschaft auf. Hier gibt es eine Lösung: den 17er-Ringschlüssel. Binnen Minuten ist die Scheibe demontiert. Und siehe da: Schon sieht der V-Twin eine ganze Spur authentischer aus.
Überhaupt muss sich die CX im direkten Vergleich mit den drei anderen 999ern nicht verstecken. Klar trägt sie die Patina der vergangenen 26 Jahre – aber das mit Würde. Der Pflegezustand ist akzeptabel, und bei den ersten Fahrten erweckt die 500er technisch einen sehr fitten Eindruck: startet mit Choke-Unterstützung zuverlässig auf Knopfdruck, zieht ohne Aussetzer durch und schwingt sich locker über die typischen Stuttgar-
ter Berg-und-Tal-Bahnen. Lediglich die stumpfen Bremsen und das leicht nachschwingende Fahrwerk zeugen vom Alter der CX. Und wenn ich Werner und Horst treffen sollte: An die Kühlschläuche meiner CX dürfen die nicht ran! jöl

Lastenheft zur Honda CX 500 C

Glück gehabt. Die erste Bestandsaufnahme nach dem Kauf verzeichnet keine echten Schwächen. Trotzdem ist einiges zu tun.
Leistung: Die auf 27 PS gedrosselte CX soll künftig wieder über 50 PS verfügen. Der Umrüstkit kostet rund 1300 Euro. Wir prüfen, was günstigere Lösungen taugen.
Rost: Der Auspuffsammler ist stark angerostet. Ein neuer kostet rund 250 Euro. Eventuell bringt aber auch Restaurieren Erfolg. Wir probieren, was zu retten ist.
Macken: Die CX hat bekannte Schwachstellen wie einen brechenden Steuerkettenspanner oder Undichtigkeiten an Wasserpumpe und hinterem Motorgehäuse. Wir schauen nach, ob präventive Maßnahmen zu ergreifen sind.
Optik: flacher Lenker, neue Armaturen, schicke Speichenräder. Ideen sind da, der CX das gewisse Etwas zu verleihen. Wir werden uns vom Fan-Forum www.cx500-online.de inspirieren lassen.

Suzuki GS 500 E

Da steht sie nun vor der Garage: meine Suzuki GS 500 E. Hübsch kompakt, ohne viel Schnickschnack. Nur etwas arg niedrig ist sie geraten. Klar, die Vorbesitzerin hat schließlich vorn wie hinten das Fahrwerk tiefergelegt. Das kann aus mehreren Gründen nicht so bleiben. Erstens, weil die Eintragung für den Umbau fehlt. Zweitens, weil die um zirka drei Zentimeter niedrigere Sitzhöhe in Anbetracht meiner 1,95 Meter doch eher unangebracht scheint. Und drittens, weil es nur Schwerathleten gelingt, die tiefergelegte Suzuki auf den Hauptständer zu wuchten – weshalb die Vorbesitzerin das Teil kurzerhand entfernt, freundlicherweise beim Kauf aber mitgeliefert hat.
Bevor also irgendwelche Wartungs- und Reparaturarbeiten erledigt werden, kommt als Erstes das dafür so praktische Utensil wieder dran. Linke Schraube, passt. Rechte Schraube... geht nicht. Auspuff im Weg. Na gut, den hinteren Auspuffhalter entfernen, die ganze Anlage etwas runterdrücken, dann flutscht die rechte Schraube an ihren Platz. Jetzt nur noch die beiden Hauptständerfedern einhängen. Von wegen nur noch. Genau dabei habe ich mir schon oft genug die Fingerknöchel aufgerissen. Deshalb biege mir aus einem Draht einen Haken zurecht. Mit einem Schraubendreher als Zuganker klappt das Einhängen der extrem strammen Federn erstaunlich gut.
Nachdem die Suzuki endlich auf dem Hauptständer steht, nehme ich mir die Gabel vor. Keine zehn Minuten später schließen die Gabelstopfen bündig mit der oberen Gabelbrücke ab, und dank Erhöhen der Vorspannung – die Vorgängerin hatte sie praktisch komplett herausgenommen – federt die Front auch wieder flüssig aus. Als nächstes noch statt der Zubehörteile die serienmäßigen Umlenkhebel am Federbein montieren, damit auch das Heck wieder höher kommt, dann ist zumindest fahrwerksseitig alles im Lot. Als Mon-
tagehilfe hole ich mir ein paar Holzklötze aus dem Schuppen, die ich unters Hinterrad klemme. Das entlastet die Umlenkhebel, dadurch lassen sich die beiden Halteschrauben leichter (de)montieren. Das Ganze festziehen. Fertig. Super, klappt doch alles bestens.
Keine zehn Minuten später bin ich ganz anderer Meinung. Beim Versuch, den Tank abzunehmen, läuft mir jede Menge Sprit über die Hände. Ich verstehe die Welt nicht mehr. Die GS 500 hat doch Unterdruckvergaser, wie kann es da sein, dass nach Abziehen der Benzinschläuche Benzin austritt? Ungläubig starte ich weitere Versuche, ziehe den anderen der beiden Versorgungsschläuche ab, mal oben, mal unten, stets mit demselben Ergebnis. Hektisch versuche ich jedes Mal, den betreffenden Schlauch schnellstmöglich wieder draufzustecken. Schöner Mist!
In meiner Verzweiflung rufe ich Gerry an, unseren Werkstattleiter, erkläre ihm das Problem und er mir die Lösung: »Die Suzuki hat links unterm Tank einen zweiten Benzinhahn, den sogenannten Montagebenzinhahn.« Gut, wenn man einen Gerry hat, denke ich mir, während ich mit einem langen Schraubendreher den Montagehahn schließe. Und siehe da: Die Sauerei hat ein Ende.
Endlich kann ich mit der Entdrosselung anfangen. Dazu müssen bei der GS lediglich die beiden Vergaserdeckel gegen Exemplare ohne Gasschieberanschlag getauscht werden. Außerdem die 135er-Hauptdüsen der 34-PS-Version gegen 120er-Düsen. Deckel und Düsen wurden mir beim Kauf mitgegeben, sonst hätte ich sie mir in einer Suzuki-Vertragswerkstatt besorgen müssen. Die Deckel der 46-PS-Version sind in fünf Minuten montiert. Etwas mehr fummeln muss ich beim Tausch der Hauptdüsen. Da ich keine Lust habe, die Vergaser auszubauen, geht es etwas eng zu. Doch es klappt.
Jetzt das Ganze wieder zusammenbauen, den Tank aufsetzen, die Benzinschläuche dran und ja nicht vergessen, den Montagehahn zu öffnen – und? Eigentlich müsste die GS nun laufen. Tut sie aber nicht. Trotz minutenlangen Orgelns springt der Zweizylinder nicht an. Luftfilter verstopft? Nein, alles frei. Membrane in den Vergaserdeckeln nicht richtig montiert? Kann nicht sein, da hab’ ich penibel drauf geachtet. Kein Zündfunke? Alles okay. Die ausgebauten und ans Gehäuse gehaltenen Kerzen funken fleißig. Was dann? Vielleicht kein Benzin? Treffer: Die Schwimmerkammern sind trotz »Pri«-Stellung (Durchlauf) des Benzinhahns staubtrocken.
Notruf Nummer zwei an Gerry. Diesmal steht allerdings auch er vor einem Rätsel, da ich all seine möglichen Lösungen bereits gecheckt habe. »Vielleicht hat’s was mit dem Montagehahn zu tun.« Also noch einmal den Tank abbauen und kontrollieren. Tatsächlich, der Mistkerl hat zwei Schließstellungen und nur eine, bei der Sprit fließt. Beim Zusammenbau habe ich offensichtlich einen Tick zu weit gedreht, womit der Hahn auf »Off« stand. Nach einem längeren Druck auf den E-Starter läuft die Suzuki endlich wieder, als sei nie etwas gewesen.
So ähnlich sieht das auch der Mann beim TÜV. Zack, verpasst er der 15 Jahren alten Suzuki den Stempel für die fällige Haupt- und Abgasuntersuchung. Keinerlei Mängel. Beim Kauf war der TÜV bereits seit Juni 2006 überfällig gewesen. Weshalb ich die Maschine abgemeldet hatte und mit roter Nummer zur HU gefahren bin. Dann wird der TÜV nicht zurückdatiert, sondern ist nun erst im März 2009 wieder fällig. Zufrieden hole ich mit den frischen Prüfpapieren bei der Zulassungsstelle ein Stuttgarter Kennzeichen.
Ein bisschen euphorisch mache ich mich anschließend auf in Richtung Autobahn. Bei 190 km/h, lang liegend und leicht bergab, lasse ich es gut sein. Vielleicht ist irgendwann mal noch mehr drin. Im Moment müssen wir uns erst noch ein wenig besser aneinander gewöhnen. hh

Laufende Kosten für die Suzuki GS 500 E

Mit dem Motorradkauf ist noch lange nicht Schluss, was das Geldausgeben anbelangt. Abmelden, TÜV, Ummelden – da läppert sich ganz schön was zusammen. Hier eine Übersicht über die bisherigen Ausgaben für die Suzuki GS 500 E.

Abmelden 10,70 Euro
TÜV (HU) 35,00 Euro
AUK 19,10 Euro
Begutachtung Entdrosselung 25,60 Euro
Zulassung mit Kennzeichen 74,95 Euro

Yamaha XT 600

Die Arbeiten an der 80er-Jahre-Enduro liegen momentan auf Eis, der MOTORRAD-Käufer mit Lungenentzündung im Bett. Kollege Michael Schröder schaffte es gerade noch, die XT für die Redaktion an Land zu ziehen (siehe MOTORRAD-Ausgabe 8/2007), danach war erst mal Schicht. An dieser Stelle gute Besserung. Bis zum nächsten Teil der Geschichten über unseren Gebrauchtfuhrpark müssen sich unsere Leser also noch gedulden, um zu erfahren, was möglicherweise an der XT faul ist, welche Arbeiten ausgeführt werden müssen und ob es mit dem TÜV und der AUK ebenso glatt läuft wie bei der Suzuki GS 500 E. Auch wir sind gespannt. Ein erster Blick deutet aber auf einiges an Arbeit hin.

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MOTORRAD 12 / 2023

Erscheinungsdatum 26.05.2023