Moderne ABS-Bremsanlagen von brandneuen Motorrädern sind mit ihrer hydraulischen bzw. elektronischen Steuerung zwar oft komplexe Systeme, in Bezug auf die Bremszangen und Bremsbeläge unterscheiden sie sich aber kaum von den seit Ende der 70er-Jahre verbauten klassischen Scheiben-Bremsanlagen. Da sowohl die Scheiben als auch die Beläge zu den Verschleißteilen gehören, sollten sie regelmäßig kontrolliert und eventuell getauscht werden. Aber auch die Bremszange muss von Zeit zu Zeit auf korrekte Funktion und Verschmutzung geprüft sowie gegebenenfalls gereinigt werden.
Funktion
Betätigt man den Bremshebel, so drückt ein Bremspumpenkolben die Bremsflüssigkeit durch die Leitungen in die Bremszange. Die Bremskolben in der Zange werden herausgeschoben und pressen die Bremsbeläge an die Scheibe, die gewünschte Verzögerung tritt ein. Durch die Reibung entsteht Wärme, und der Belag wird ganz leicht „abgeschmirgelt“. Der dabei entstehende sehr feine Abrieb setzt sich unter anderem an Zange und Bremskolben fest. Die Bremskolben werden durch spezielle Gummiringe in der Zange zur Bremsflüssigkeit abgedichtet, deren Scherspannung auch dazu führt, dass die Kolben nach Beendigung des Bremsvorgangs wieder in die Ausgangsposition zurückkehren.
Schwimmsattelbremsen haben nur auf einer Seite Bremskolben, die die Beläge andrücken. Der andere Belag wird durch die Bremszange angedrückt, die verschiebbar ist und auf Bolzen gleitet. Schaut man von der Innenseite auf eine Schwimmsattelbremse, so sieht man keine Kolben und kann direkt auf die Rückseite des Belags schauen. Wenn die Schwimmsattelbremse aber beweglich ist, dann muss man dies auch fühlen können. Packt man die Bremszange mit der ganzen Hand, dann sollte man sie ganz leicht schieben und bewegen können. Das Ganze fühlt sich so an, als ob die Bremszange ein kleines bisschen locker wäre. Das ist aber normal und nicht etwa, weil die Halteschrauben locker wären! Lässt sich die Zange einer Schwimmsattelbremse überhaupt nicht oder nur sehr schwer bewegen, dann sind die Bolzen möglicherweise verschmutzt oder korrodiert, die Zange gleitet nicht mehr richtig, und die Beläge werden nur noch einseitig angedrückt. Schlechtere Bremsleistung und einseitig abgefahrene Beläge sind die Folge. Abhilfe bringen die Demontage der Bremszange und das Reinigen und Schmieren der Bolzen (je nach Vorgabe mit Silikon-/Kupferpaste). Die Vorteile der Schwimmsattelbremsen sind ein geringeres Gewicht und die kompakte Baubreite.
Eine Festsattelbremse hat immer gegenüberliegende Kolbenpaare, die die Beläge von beiden Seiten gleichmäßig an die Bremsscheibe drücken. Die Zange ist starr an der Gabel befestigt und darf sich deshalb nicht bewegen lassen. Sonst wären hier tatsächlich die Halteschrauben locker. Neuester Stand der Technik sind eigentlich aus dem Rennsport stammende, sogenannte radial verschraubte Festsattelbremsen. Das bedeutet, die Zange ist an einem oberen und einem unteren Punkt mit der Gabel verschraubt, woraus bei Bremsmanövern eine höhere Steifigkeit resultiert. Es ist durchaus möglich, dass ein Motorrad über eine Kombination der beiden Bauarten (z. B. vorne Fest-, hinten Schwimmsattelbremsen) verfügt.
Belagkontrolle
Egal, um welches System es sich handelt, eine regelmäßige Kontrolle der Beläge ist unverzichtbar. Ein erstes Indiz für abgefahrene Bremsbeläge ist ein veränderter Stand der Bremsflüssigkeit. Durch die Abnutzung beim Bremsvorgang werden die Beläge dünner, und die Bremskolben müssen weiter aus der Zange herausgedrückt werden, um die Beläge anzupressen. Dadurch fließt mehr Bremsflüssigkeit in die Bremszange, und der Stand im Vorratsbehälter sinkt. Die meisten Beläge verfügen über Verschleißmarkierungen. Das sind meist längliche Kerben in den Belägen, die auch von der schmalen Seite sowohl von oben als auch von unten sichtbar sind. Ähnlich wie beim Reifenprofil lässt sich der Verschleißzustand erkennen, und bei einer Kontrolle kann man auch gut sehen, ob der Belag eventuell schief angedrückt wird, denn dann sind die Einkerbungen unterschiedlich tief. Bei Schwimmsattelbremsen ist der innen liegende Belag häufig nur sehr schlecht zu sehen. Spiegel und Taschenlampe helfen auch nur bedingt. Im Zweifel baut man deshalb zur Kontrolle die Bremszangen ab. Bei Festsattelbremsen lässt sich in vielen Fällen die obere Kunststoffabdeckung bzw. Blechhalterung leicht entfernen und ermöglicht so einen freien Blick auf den Zustand der Beläge.
Belagwechsel
Zum Wechsel müssen natürlich die alten Beläge ausgebaut werden. Auch hier gibt es verschiedene Bauarten. Bei einigen Bremsen kann man die Beläge relativ einfach von oben wechseln. Bei anderen Bremsen muss dafür die Zange demontiert werden. Ich würde das ohnehin empfehlen, weil ich beim Belagwechsel die Bremse immer gründlich reinige. Außerdem ist es einfacher, die Bremskolben bei ausgebauter Zange zurückzudrücken. Die Beläge sind selbstverständlich gegen Herausfallen bzw. Verrutschen gesichert. Ein oder mehrere Haltebolzen sind entweder geschraubt oder per Splint etc. fixiert. Dazu kommen noch gegebenenfalls Halteklammern/Bremsbelagfedern. Es empfiehlt sich also, vorher in der Reparaturanleitung nachzuschlagen und sich mithilfe einer Schnittzeichnung Klarheit über den Aufbau der Bremse zu verschaffen. Viele Spezialisten (z. B. TRW) bieten preisgünstige, qualitativ hochwertige Alternativen zu den Originalbelägen an. Ein Blick ins Internet-Forum der Maschine bringt entsprechende Informationen dazu.
Reinigung
Die Bremskolben kommen beim Betrieb immer weiter aus der Zange heraus und sind damit auch unweigerlich Korrosion und Verschmutzung ausgesetzt. Beim Einbau der neuen Beläge (die ja wieder die Originalstärke haben) müssen sie zurück in die Zange gedrückt werden. Vorher sollte man sie aber unbedingt gründlich mit Bremsenreiniger säubern, sonst können die verschmutzten Kolben klemmen, und die Bremse ist schwergängig. Achtung: Da billiger Bremsenreiniger sowohl Lack als auch Gummi angreifen kann, können die Dichtringe der Bremskolben beschädigt werden. Ich benutze deshalb zum Reinigen der Kolben den (teureren) Bremsenreiniger von Caramba, der Gummi garantiert nicht angreift. Reifen und Lackteile decke ich trotzdem gut ab. Der Sprühkopf wird direkt auf die zu reinigende Stelle gerichtet, und die Bremskolben werden anschließend noch mit einem weichen Lappen oder Stoffstreifen gründlich nachpoliert – nichts Kratzendes verwenden! Zum Zurückdrücken der Kolben benutze ich einen speziellen Rücksteller (bei Louis für ca. 40 Euro). Dank des gleichmäßigen Drucks und der großen Auflagefläche des Rückstellers verkanten die Kolben nicht. Alternativ kann man auch mit Holzstückchen und einer Schraubzwinge arbeiten. Falls zu viel Bremsflüssigkeit im Ausgleichsbehälter ist, wird sie vorher abgesaugt. Bevor jetzt die neuen Beläge eingebaut werden, kommt Kupfer-/Keramikpaste, auch Antiquietschpaste genannt, zum Einsatz. Sie verhindert das unangenehme Bremsen-Quietschen bei Feuchtigkeit. Die Paste wird dünn auf die Rückseite der Beläge und an den Stellen, an denen die Bremsbeläge Kontakt zur Zange haben, aufgetragen. Bei einer Schwimmsattelbremse werden zusätzlich noch die Gleitbolzen mit Silikon- bzw. Kupferpaste geschmiert, denn die Zange soll ja möglichst gut gleiten. Stellt man dabei fest, dass die Gummimanschetten porös oder beschädigt sind, werden sie ausgetauscht. Beim Einbau der Beläge die Bremsbelag-/Haltefedern nicht vergessen und die Bolzen bzw. Halteschrauben entsprechend den Vorgaben montieren. Beim Aufsetzen der Zange auf die Bremsscheibe passiert es häufig, dass die Beläge nach innen wegkippen und man die Zange nicht auf die Scheibe setzen kann. Ich benutze immer ein Holzstück, das etwas dicker als die Bremsscheibe ist, als eine Art Abstandshalter. So kann man die Zange ganz einfach zur Hälfte aufsetzen und dann das Holzstück herausziehen. Die Befestigungsschrauben der Zange mit Loctite sichern, die Schrauben mit dem vorgeschriebenen Drehmoment festziehen und Bremsflüssigkeitsstand kontrollieren. Achtung: Die Bremse hat jetzt noch keinen Druck. Mehrmals den Hebel betätigen und so lange pumpen, bis der Bremsdruck aufgebaut ist. Neue Beläge müssen sich erst an die Bremsscheibe anpassen. Erst nach ein paar Hundert Kilometern hat die Bremse wieder ihre volle Leistungsfähigkeit erreicht.
Bremsscheiben
Zu den Verschleißteilen einer Bremsanlage gehören auch die meist aus Stahl- oder Graugusslegierungen bestehenden Bremsscheiben. Da die Bremsanlagen immer leistungsfähiger werden, verwendet man neben den klassischen starren zunehmend sogenannte schwimmend gelagerte Bremsscheiben. Die Bremsscheibe besteht dann aus einem Innen- und einem Außenring. Beweglich gelagerte Floater sorgen dafür, dass sich der Außenring der Scheibe bei starker thermischer Belastung leichter ausdehnen und zusammenziehen kann. So bleiben die Scheiben auch bei Erwärmung plan. Eine Bremsscheibe ist verschlissen, wenn sich starke Riefenbildung zeigt oder ein deutlicher Grat sicht- oder spürbar ist. Pulsiert der Bremshebel beim Bremsen, dann ist die Scheibe verzogen und ebenfalls ein Austausch fällig. Bei der hier als Beispiel verwendeten Honda Sevenfifty wies die hintere Bremsscheibe sowohl Riefenbildung als auch einen deutlich fühlbaren Grat auf. Beim Ersatz wählte ich aufgrund guter Erfahrungen mit dem Hersteller eine Scheibe vom Spezialisten Lucas/TRW, die nicht nur deutlich preisgünstiger, sondern auch noch erheblich leichter ist. Gleichzeitig wurden auch die Beläge erneuert. Die TRW-Scheibe war absolut passgenau und die Montage im Prinzip einfach. Das Problem beim Wechseln sind die Halteschrauben der Scheibe, die oft sehr festsitzen. Obacht: Je nach Herstellerangabe müssen sie auch erneuert werden! Exakt passendes, qualitativ hochwertiges Werkzeug (z. B. Schlagschrauber) ist für die Demontage unverzichtbar.