- 12 Prozent mehr Unfälle
- Protest führt zur Wiederholung
- Neu sind Beschilderungen und Fahrschulunterricht
- Fazit
Seit 2016 wurde in elf französischen Départments das sogenannte "Lane-Splitting", also die Staudurchfahrung, toleriert. Dabei war es testweise möglich, bei langsamem Verkehr oder Stau, zwischen den beiden äußersten linken Fahrspuren eine weitere für Einspurfahrzeuge zu öffnen, die es Motorrädern möglich machte zwischen den langsamen oder stehenden Autos hindurch zu fahren. Erlaubt war für Zweiräder dann eine Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h bei ausreichendem Abstand zu den stehenden oder langsamen Autos und mit einer Differenz von maximal 30 km/h zu den anderen Fahrzeugen. Das Experiment endete am 31. Januar 2021 mit einem schlechten Ergebnis.
12 Prozent mehr Unfälle
In Summe mussten für den Testzeitraum 12 Prozent mehr Unfälle auf den freigegebenen Straße notiert werden, als auf den Straßen, wo das Experiment nicht durchgeführt wurde. Hier sank die Zahl der Unfälle gar um zehn Prozent. Jedoch zeigte die abschließende Studie verglichen mit Unfalldaten vergangener Jahre, dass sich 90 Prozent dieser 1.650 Unfälle zwar auf der vorgeschriebenen geteilten Fahrspur ereigneten, aber auch immer unter Beteiligung eines unerwarteten Spurwechsels eines Autos. Die restlichen Unfälle kamen laut der Studie durch unangemessene Geschwindigkeit der Zweiräder zustande. Unterm Strich also alles Situationen, in denen sich nicht an die Vorschriften gehalten wurde. Einen Fehlschlag des Experiments wollen die Studienmacher also nicht sehen.
Protest führt zur Wiederholung

Im Februar 2021 rief der französische Motorradfahrerverband FFMC (Fédération Française des Motards en Colère) zu einer großen Protestaktion auf. Über 20.000 Biker gingen mit ihren Motorrädern auf die Straßen, um gegen das endgültige Verbot des sogenannten Lane Splittings zu protestieren. Und sie hatten Erfolg: Das Experiment für die Staudurchfahrung wird unter neuen Rahmenbedingungen wiederholt. Seit August 2021 läuft das Experiment wieder. Es ist für 3 Jahre angesetzt. Dieses Mal machen 21 Departements mit, zuvor waren es nur 11. Es wird also wieder erlaubt sein, zwischen den Fahrspuren in den acht Departements der Ile de France, im Großraum Lyon, in den Alpes Maritimes, in den Bouches du Rhône, in der Drome, in der Haute Garonne, in der Gironde, im Hérault, im Isère, in Loire-Atlantique, im Nord, in den Pyrénées Orientales, in der Rhône, im Var und im Vaucluse zu fahren.
Neu sind Beschilderungen und Fahrschulunterricht
Neu ist im zweiten Versuch der Motorrad-Staudurchfahrung, dass der Verkehr zwischen den Fahrspuren in den Versuchsgebieten nun ausgeschildert ist, um die Autofahrer auf diese Praxis hinzuweisen. Außerdem ist es seit Anfang 2022 für die teilnehmenden 21 Departements Pflicht, die Staudurchfahrung als Bestandteil im Motorrad-Fahrschulunterricht zu integrieren. So sollen die Fahrschüler in der Praxis lernen, bei einer Staudurchfahrt schon früh Hinweise und Risiken wahrzunehmen, mit anderen Verkehrsteilnehmern zu kommunizieren, Sicherheitsabstände einzuhalten und die Geschwindigkeit anzupassen – vor allem auch in Abhängigkeit der Geschwindigkeit der überholten Fahrzeuge. Der neue Stoff ist Bestandteil des Fahrschulunterrichts zur Klasse A. In der Theorie könnte es aber auch sinnvoll sein, Autofahranfänger miteinzubeziehen.
Mehr Verkehr verwässert die Statistik
Zuvor kam auch das Verkehrsministerium zu dem Schluss, dass die Ergebnisse der ersten Studie nicht aussagekräftig genug seien. Der Grund: Mehr Verkehr. Gerade im Großraum Paris, wo das Experiment auch durchgeführt wurde, stieg der Anteil an Zweiradunfällen während des Lane Splitting von 13 in 2015 auf 57 in 2018. So gesehen eine Steigerung von 300 Prozent in vier Jahren. Zeitgleich stieg die Zahl aller anderen Unfälle mit Zweirädern von 310 auf 480, also um gut 54 Prozent und spiegelt so auch den starken Anstieg des Verkehrs in diesem Zeitraum im Großraum Paris wider.
Und in Deutschland?
In Deutschland gilt das Durchfahren eines Staus rechts der äußersten linken Spur weiterhin als unzulässiges Überholen, weiterhin sind zu geringe Seitenabstände, in der meist von den Autofahrern nicht gebildeten Rettungsgasse an der Tagesordnung. Trotz vieler Petitionen ist hier keine Änderung in Sicht und die dürfte nach der jüngsten Novelle des Bußgeldkatalogs nicht kommen, denn neu ist: Wer bei einem Stau keine Rettungsgasse bildet oder diese sogar selbst nutzt (aufgepasst beim Durchschlängeln), muss künftig mit einem Bußgeld zwischen 200 und 320 Euro und einem Monat Fahrverbot rechnen.
Fazit
Wenn 20.000 Biker zeitgleich auf den Straßen protestieren, kann das nicht übersehen werden. Nach einer Protestaktion im Februarn 2021 geht das Experiment unter angepassten Bedingungen ab August 2021 in die zweite Runde. Laufzeit: 3 Jahre. Es besteht also Hoffnung, da das korrekte Verhalten auf der dritten Spur in Frankreich Teil der Fahrausbildung Motorrad ist.