Der Start der Suzuki GSX 1100 F im Herbst 1987 war alles andere als gelungen. Die ersten 260 ausgelieferten Maschinen wackelten wie die Lämmerschwänze. Das Werk in Japan reagierte schnell: Ab dem 1988er Modell erhielt die GSX einen neues, besser dämpfendes Federbein hinten und progressivere Federn in der Telegabel. Für den Jahrgang 1989 änderte und verstärkte Suzuki dann noch den Lenkkopf und modifizierte den Rahmen mit zwei Zusatzstreben in Nähe der Motoraufnahme. Damit waren die anfänglichen Fahrwerksprobleme zwar beseitigt. Doch das Image des soliden Sporttourers hatte so empfindlich gelitten, daß sich der gewünschte Erfolg in den Verkaufscharts hierzulande nie so recht einstellen wollte.
Von der bis 1996 gebauten Maschine sind heute noch rund 4700 Stück unterwegs. Und das Verhältnis der 1100 F-Treiber zu ihrem 275 Kilogramm schweren Untersatz, egal ob im Solobetrieb oder beim Reisen zu zweit mit Sack und Pack, scheint ungetrübt.
Das bereits im unteren Drehzahlbereich drehmomentstarke Doppelnocken-Vierzylinder-Triebwerk erlaubt schaltfaules Fahren, was gerade bei der großen Urlaubstour häufig positiv vermerkt wird. Der Platz für den Beifahrer ist passabel, selbst wenn große Krauser-Koffer montiert sind. Fahrer über 185 Zentimeter mosern dagegen schon mal über die zu stark abgewinkelte Beinhaltung oder die sehr aufrechte Sitzhaltung. Da hilft auch der Gimmick einer in der Höhe elektrisch verstellbaren Scheibe gegen den Fahrtwind kaum weiter. Im Gegenteil: Bei höherem Tempo wird der Druck auf den Helm und die Schulterpartie für den Fahrer recht unangenehm, der Kopf des Sozius regelrecht gebeutelt.
Dafür kommen über Geradeauslaufeigenschaften und Fahrdynamik in schnellen Kurven bei GSX 1100 F ab Baujahr 1990 keine Klagen mehr. Gelobt wird die Handlichkeit der kleinen 120/150er 16-Zoll-Reifen, die auch beim Bremsen in Schräglage nur wenig Aufstellneigung kennen.
Leichte Kritik erhält die Suzuki in puncto Benzinhahn, der keine Reservestellung hat. Weil der Motor je nach Vorwärtsdrang des Piloten zwischen vier und 14 Litern pro 100 Kilometer schluckt, bietet der Benzinstand-Anzeiger offensichtlich nicht die nötige Sicherheit - bei flotter Gangart ist der rote Bereich überraschend schnell erreicht.
Auch über das Trennen der Kupplung gibt es vereinzelt Klagen: problematische Leerlauffindung, Krachen beim Einlegen des Gangs während der Fahrt und Durchrutschen der Kupplung im fünften Gang können Indizien dafür sein, daß die Reibscheiben eventuell eines Tausches bedürfen. Kosten (ohne Einbau) rund 60 Mark. Seltener, dafür aber auch teurer in der Reparatur sind die Folgen von Ölmangel im Ventiltrieb zwischen Gabelschlepphebel und Nocken. Offensichtlich modifizierte Suzuki nach dem Auftreten erster Schäden die Oberflächenhärtung der Nockenwellen und regelte aufgetretene Schäden im Rahmen von Garantie oder Kulanz. Vorsichtige GSX 1100 F-Besitzer richten ihr Augenmerk auf penible Ventilspielkontrolle, unter Umständen auch mal außerhalb der vorgegebenen Intervalle, wenn verdächtige Geräusche - das Spektrum reicht von leichtem Klickern bis zum schweren Mahlen - von Richtung Zylinderkopf an das Ohr des Fahrers dringen.
Bei zirka 5000/min produziert der Motor hochfrequente Vibrationen, die schon mal die beiden oberen Gummilager des Ölkühlers zermürben. Werden die Vibrationen trotz exakt eingestellten Motors deutlich unangenehmer, sind wahrscheinlich die Gummiaufnahmen zwischen Motor und Rahmen verschlissen und müssen ersetzt werden. Wenn in sommerlicher Hitze das Triebwerk sehr gefordert wird, kann die abströmende Wärme die Batterieflüssigkeit zum Verdunsten bringen, im lästigeren Fall zum Überlaufen. Hellsichtige Naturen verlegen den Überlauf deshalb in den Spritzschutz der Hinterradabdeckung, weil die abtropfende Säure ansonsten die Felge mit unschönen Folgen ätzt.
Die Wirkung der vorderen Doppelscheiben-Bremsanlage entspricht zwar noch dem Stand der 80er Jahre, die Fahrer bemängeln aber eigentlich nur die erforderliche Handkraft, um die recht schwere Maschine effektiv zu verzögern. Wem der Druckpunkt der Vorderradbremse zu wenig exakt ist, rüstet auf Stahlflexleitungen um. Vielfahrer geben die Lebensdauer der Standardbereifung Metzeler ME 33/55 mit zirka 14 000 Kilometern für den Vorderradreifen und die Hälfte der Distanz für den hinteren Pneu an. Zirka 20000 bis 25000 Kilometer hält ein Standard-Kettenkit.
Da Suzuki die GSX 1100 F dieses Jahr aus dem Programm genommen hat, sind die Gebrauchtpreise leicht ins Rutschen gekommen. Ungefähr fünf Jahre alte Maschinen mit 40 000 Kilometern werden für rund 7000 Mark angeboten, sind zu dem Preis allerdings schwer an den Mann oder die Frau zu bringen. Ähnliches gilt für das 1996er Modell, das mit 15 000 Kilometern noch rund 12000 Mark kosten soll. Es ist also für Spielraum beim Verhandeln nach einer ausgiebigen Probefahrt gesorgt.
Und all diejenigen, die sich einen so druckvollen Motor wie das GSX 1100 F-Triebwerk in einem modernisierten Fahrwerk mit noch effektiveren Bremsen wünschen, können hoffen: Nachdem Suzuki auf der Mailänder Messe ein neues F-Modell mit 750 cm³ offerierte, stehen die Zeichen für einen neues, ganz großes Tourensport-Modell gut. Für eine neue Beziehungskiste eben.
Technische Daten
Technische DatenMotorLuft-/ ölgekühlter Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor, zwei obenliegende, kettengetriebene Nockenwellen, vier über Gabelschlepphebel betätigte Ventile pro Zylinder, gleitgelagerte Kurbelwelle, kontaktlose Zündanlage mit elektronischer Zündverstellung, vier Mikuni-Gleichdruckvergaser, 0 34 mm, Drehstromlichtmaschine 420 Watt, Batterie 12V/14Ah, E-Starter.Bohrung x Hub 78 x 59 mmHubraum 1128 cm3Verdichtungsverhältnis 10 : 1Nennleistung 98 PS (72 kW) bei 8000/minMax. Drehmoment 9,8kpm (96 Nm) bei 6500/minKraftübertragungPrimärantrieb über Zahnräder, hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, klauengeschaltetes Fünfganggetriebe, Sekundärantrieb über O-Ring-Kette.FahrwerkDoppelschleifenrahmen aus Vierkant-Stahl-Profilen, mit geschraubtem Rahmenheck und rechtem Unterzug,Telegabel, Steuerkopf kegelrollengelagert, Standrohrdurchmesser 41 mm, Aluprofil-Hinterradschwinge, nadelgelagert, Zentralfederbein, über Hebelsystem angelenkt, Zug- und Druckstufendämpfung und Federbasis verstellbar, Doppelscheibenbremse mit Zweikolbensattel und schwimmend gelagerten Bremsscheiben vorn, 0 275 mm, Scheibenbremse hinten, 0 275 mm, Leichtmetall-Gußräder.Federweg vorn/hinten 140/135 mmFelgengrößevorn 2.75 x 16hinten 3.50 x 16 Reifengrößevorn 120/80 VB 16hinten 150/80 VB 16Maße und GewichteLenkkopfwinkel 63,3 GradNachlauf 122 mmLänge 2295 mmRadstand 1535 mmSitzhöhe 780 mmLenkerbreite 740 mmTankinhalt/Reserve 21 LiterGewicht vollgetankt 275 kgZul. Gesamtgewicht 455 kgService DatenService-Intervalle alle 6000 kmÖlwechsel mit Filter alle 6000kmMotoröl SAE 10 W 40Füllmengemit/ohne Filter 4,5/4,2 LiterZündkerzen NGK JR9BTelegabelöl SAE 10Füllmenge je Holm 406cm3Ventilspiel kalt Einlaß 0,10 bis 0,15 mm Auslaß 0,10 bis 0,15 mm TestwerteHöchstgeschwindigkeit solo/mit Sozius 223/207 km/hBeschleunigung 0-100 km/h solo/mit Sozius 3,7/4,8 sekVerbrauch 7 LiterKraftstoff Normal Ersatzteil-PreiseSturzteileKupplungshebel 32 MarkHandbremshebel 29 MarkLenkerhälfte 171 MarkRückspiegel 157 MarkBlinker vorn 86 MarkTachometer 298 MarkDrehzahlmesser 427 MarkGabelstandrohr 285 MarkSchutzblech vorn 171 MarkVorderrad 783 MarkSchalldämpfer 541 MarkTank, lackiert 1039 MarkRahmen komplett 2441 MarkVerkleidung koplett mit Scheibe 2160 MarkVerschleißteileKettenkit 500 MarkBremsbeläge vorn, ein Satz 150 MarkKupplungsbeläge, ein Satz 230 Mark Bremsscheibe vorn 577 MarkLuftfilter 51 MarkÖlfilter 20 MarkGaszug 71 MarkTachowelle 43 MarkBatterie 87 MarkGabeldichtring 31 Mark Stärken und SchwächenStärkenAnrittststarker, elastischer MotorKonfortables FahrwerkBequemes Touren zu zweitSchwächenBenzinhahn ohne ReservestellungAnfängliche FahrwerksschwächenHohe Handkräfte beim Bremsen Test in MOTORRAD1Vergleichstest 4/1990Vergleichstest 13,14/1991Vergleichstest 2/1993Vergleichstest 3/1995Vergleichstest 11/1996 Reifenfreigaben Typ GV 72 Cvorn hinten120/80 VB 16 150/80 VB 16Metzeler ME 33 Laser MBS Metzeler ME 55Michelin AM 59 X Michelin AM 59 Fußnoten:1Tests können beim Verlag bestellt werden, Telefon siehe Kasten auf Seite xxx.
Lesererfahrungen
1100 F-Treiber nehmen gern eine Begleitung mit, treiben es aber auch mal gern allein. Und schrauben und tüfteln gern, wenn sie nicht gerade auf Urlaubsfahrt sind.
1989 kaufte ich die erste von insgesamt fünf Suzuki GSX 1100 F. Es handelte sich um eines der ersten Modelle, deren eklatante Fahrwerksschwächen allerdings durch Suzuki-interne Maßnahmen bereits beseitigt worden waren. Die GSX 1100 F war für mich der ideale Kompromiß zwischen einer relativ sportlich zu fahrenden Maschine imj Solobetrieb und einem bequemen Tourer zu zweit. Zwei Maschinen habe ich offen mit 138 PS gefahren, die letzten hatten nur 98 PS. Zum einen hatte ich bei Fahrten in den Bergen dann einen besseren Duchzug, zum anderen konnte ich es mir so leisten, das Motorrad ganzjährig angemeldet zu lassen. Die GSX hatte einige Mängel: So vermißte ich einen Benzinhahn mit Reservestellung, um bei stark unterschiedlichem Benzinverbrauch je nach Fahrweise auf der sicheren Seite zu sein. Größtes Manko war die mangelnde Bodenfreiheit. Leichte Abhilfe brachte zuletzt die stärkere Feder des R-Modells hinten. Den Anschlag des Seitenständers feilte ich etwas ab, damit die Maschine sicherer stand. Beim letzten Modell montiere ich einen Tourensport-Lenker von LSL. Die Handgelenke wurden entlastet, das Handling besser. Beim Modelljahr 1991 hatte ich Schwierigkeiten mit den Zündspulen, die im unteren Drehzahlbereich Aussetzer produzierten.Horst Schreier, NürnbergAnfang 1996 entschieden meine Frau und ich uns zum Kauf einer Suzuki GSX 1100 F, Baujahr 1994, mit 17 000 Kilometern auf dem Tacho. Seitdem sind wir die gleiche Anzahl von Kilometern damit gefahren. Anfangs nervte uns der ständig leichte Vortrieb der Maschine auch im Leerlauf und bei gezogener Kupplung. Ein neuer Kupplungslamellensatz des R-Modells von Lucas für ganze 156 Mark beseitigte das Problem. Diverse Schrauben der Verkleidung verabschiedeten sich während der Fahrt, was für die Seitenverkleidungsteile existentiell bedrohlich wird. Seitdem wir lange Schrauben und Loctite verwenden, ist Ruhe. Nach Regenfahrten kam es vor, daß die elektrisch verstellbare Scheibe nach Einschalten der Zündung selbständig nach oben fuhr und blockierte, bis der Stellmotor qualmte. Seitdem ich neue Kabel bis in den E-Motor verlegt und gelötet habe und wasserdichte Steckverbindungen benutze, ist dieses Phänomen nicht wieder aufgetreten. Bei 32 000 Kilometern hatte der Motor statt 138 PS nur noch 88. Die verschlissenen Vergasermembranen samt Gasschieber (eine Einheit) wurden für 1000 Mark ersetzt. Meine Frau - eigentlich überzeugte Autofahrerin - behauptet zu meinem Entsetzen, die Sitzposition auf der F sei so gut und sicher wie in ihrem Wagen.Ute und Wolfgang Oed, Morsum Seit gut eineinhalb Jahren besitze ich eine 1100 F, Baujahr 1988, Kilometerstand 80000. Die Maschine ist vorn mit Gabelfedern und hinten mit einem Federbein von White Power ausgesrüstet. Den Serienlenker tauschte ich gegen ein Superbike-Exemplar von LSL, womit sich das Handling entscheidend verbesserte. Die zu kurze Sekundärübersetzung änderte ich durch ein Kettenblatt mit 48 statt der serienmäßigen 52 Zähne - ergibt eine Drehzahlsenkung von zirka 400/min. Eindeutiger Schwachpunkt sind einlaufende Nockenwellen, was durch exakte und häufige Ventilspielkontrolle kompensiert werden kann. Die Ventildeckelschrauben sollte man ohne Drehmomentschlüssel mit Gefühl festziehen, denn die Gewinde befinden sich direkt in den Nockenwellenlagerdeckeln und reißen gern aus ihrer Vernietung. Membrane und Gasschieber gibt es nur als komplettes Ersatzteil. Um bei einer defekten Membrane Kosten zu sparen, kann man die alte Fixierplatte nehmen und an die Stelle, wo die beiden Kunststoffnieten sitzen, jeweils ein Loch von zirka drei Mllimeter Stärke bohren. Dann kann man die neue Membrane penibel ausrichten und mit zwei passenden Blechschrauben am Schieber festschrauben. Natürlich müssen letztlich noch die Schraubenspitzen plangeschliffen werden.Ralf Tausche, Bremen