Sie suchen einen Supertourer, und zwar einen richtig exklusiven? Eine Honda Gold Wing gibts Ihnen schon zu oft, und eine Kawasaki Z 1300 Voyager ist nicht Ihr Fall, da Sie Reihensechszylinder nicht leiden können? Dann wären vielleicht die wahrscheinlich fast schon in Vergessenheit geratenen Supertourer von Yamaha was für Sie: die XVZ 12 T und 13 T.
Für Exklusivität garantieren schon allein die geringen Stückzahlen, die Yamaha in Deutschland absetzen konnte: Für die XVZ 12 T, Typ 47G, die von 1984 bis 1988 in den Angebotslisten stand, fanden sich 315 Käufer, die XVZ 13 T, Typ 3JS, fortan auch Venture Royal genannt und von 1989 bis 1991 gebaut, brachte es in diesen drei Jahren sogar nur auf ganze 89 Abnehmer. Auf den ersten Blick wurde also der Beiname der XVZ 13 T traurige Wahrheit, denn »Venture Royal« heißt übersetzt soviel wie »königliches Wagnis« - und das ging dann wohl gründlich in die Hose. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Zwar konnte Yamaha in der Tat von der hierzulande homologierten Version nur sehr wenige Exemplare verkaufen, dafür fanden aber etliche XVZ über den Grauimport den Weg nach Deutschland. Das alte Dilemma: Während zum Beispiel die amerikanische Version der 1200er mit Radio, Kassettendeck, Gegensprechanlage, CB-Funk, Topcase, hoher Windschutzscheibe und einer kompressorbetriebenen Luftunterstützung der Federbeine protzen konnte, blieb der deutschen Version davon gerade mal der Kompressor erhalten.
Für Exklusivität garantiert ebenso das Triebwerk, denn wer kann sonst schon ohne rot zu werden behaupten: »In meinem Supertourer steckt der Vmax-Motor.« Ein bißchen rötlich sollte sich der prahlende Besitzer bei dieser forschen Aussage aber dennoch färben, denn auch das ist wieder nur die halbe Wahrheit. Der V4-Motor der XVZ 12 T bildete zwar die Basis für das ein Jahr später in Erscheinung tretende Kraftpaket Vmax, doch waren seitens Yamaha noch etliche Kunstgriffe nötig, um die tourenmäßigen 97 PS der XVZ auf stattliche 145 PS aufzustocken. Größere Ventile mit verstärkten Ventilfedern, schärfere Nockenwellen, leichtere Kolben, überarbeitete Pleuel sowie Kurbelwelle und natürlich das »V-Boost-System«, das ab 6000/min über einen Servomotor zuschaltet, zeichneten für den immensen Leistungszuwachs verantwortlich.
Immerhin, die Basis ist identisch, und daher sind auch die technischen Macken der beiden Motoren gleich: Es gibt keine. Das Triebwerk der XVZ 12 T und das der XVZ 13 T sind ausgesprochen langlebig - Laufleistungen um die 200 000 Kilometer sind kein Problem. Daher bestand für Yamaha auch kein ernstzunehmender Anlaß für tiefgreifende Modellpflegemaßnahmen. Die XVZ 12 T wurde fünf Jahre nahezu unverändert hergestellt, erst der Wechsel zur XVZ 13 T brachte einige Änderungen mit sich. So waren bei der 1200er noch die Seitenkoffer abnehmbar, was sich bei der 1300er grundlegend änderte, denn bei ihr das Heck in sich geschlossen, die Koffer sind fest montiert. Natürlich wuchs auch der Hubraum: von 1198 auf 1294 cm³. Im Getriebe werkelten jetzt verstärkte Zahnräder, denn bei der 1200er kam es hin und wieder zu Problemen mit dem zweiten Gang, der bei fortgeschrittenem Verschleiß der Zahnräder beim Beschleunigen heraussprang. Tip für gebeutelte 1200er Fahrer: Die verstärkten Getrieberäder der 1300er passen auch in die 1200er, dann ist der Spuk vorbei.
1990 erhielt die 1300er neben einigen Kleinigkeiten eine Digitalzündung und praktische Schmiernippel an den Umlenkhebeln des Zentralfederbeins. 1991 rückte die deutsche Version dem amerikanischen »Way of drive« einen Schritt näher: Ein Tempomat sollte die unendlichen, schnurgeraden Weiten deutscher Autobahnen erträglicher machen.
Leider haben die beiden XVZ-Varianten mit der Brutalo-Schwester Vmax neben dem Triebwerk noch eine weitere Gemeinsamkeit: das sensible Fahrwerk. Falscher Reifenluftdruck, abgefahrene Reifen, nicht korrekt eingestellte oder verschlissene Lager in Lenkkopf und Schwinge oder den für den jeweiligen Beladungszustand falschen Luftdruck in den Federelementen nimmt die XVZ sehr persönlich: Sie schwimmt. Besonders bei Solofahrten beginnt die Maschine vor allem bei Geschwindigkeiten um die 150 bis 160 km/h fürchterlich zu schwänzeln. Zur Abhilfe doktern die meisten Besitzer mit progressiv gewickelten Gabelfedern, Präzisionslagern und ähnlichen Allheilmitteln herum, doch richtig stabil wird die XVZ offensichtlich nie.
Ebenso ist natürlich die Wahl der Reifen mit für die Fahrstabilität entscheidend, doch hier hat der Besitzer, zumindest wenn es nach den Reifenfreigaben von Yamaha geht, wenig, oder genauer gesagt, gar keine Auswahl. Die Pirelli-Reifen, mt denen die XVZ seinerzeit serienmäßig ausgeliefert wurden, wird nicht mehr in den entsprechenden Dimensionen hergestellt, bleibt also nur noch die freigegebene Metzeler Marathon-Paarung. Glücklicherweise gibt es aber noch die Möglichkeit, andere Gummis über Freigaben der Reifenhersteller einzutragen. Wer zu diesem Thema mit XVZ-Besitzern in Erfahrungsaustausch treten möchte, sollte sich einmal vertrauensvoll an die Mitglieder des »Venture-Club Deutschland« wenden (siehe Kasten »Das Clubleben« auf Seite xxx). Deren Favoriten zumindest sind die Bereifungen von Avon (HL 29/HL 30) und von Bridgestone (L303/G508) - und eingetragen sind sie auch.
Wer eine gebrauchte XVZ sucht, kann ja ebenfalls mal beim Venture-Club anklopfen. Billig wird die Anschaffung allerdings wohl kaum. Die XVZ 12 T kostete 1984 neu 17 700, in ihrem letzten offiziellen Jahr 19 500 Mark. Der Neupreis der XVZ 13 T betrug in ihrem ersten Baujahr 21 800, 1991 dann 22 350 Mark. 1994 waren noch letzte grau importierte 1300er in der amerikanischen Vollausstattung für zirka 24 000 Mark erhältlich. Heute ist eine 1200er in gutem Zustand unter 10 000 Mark kaum zu bekommen, die 1300er beginnen bei zirka 13 000 Mark. Nach oben ist die Preisskala offen, da XVZ-Eigner ihre Gefährte, ebenso wie Gold Wing-Treiber, gern mit dem ein oder anderen teuren Zubehör-Gimmick ausstaffieren und sich diese Ausstattung natürlich beim Verkauf honorieren lassen. Exklusivität hat eben ihren Preis.
Übrigens, der Motor der Venture ist auch heute noch aktuell, denn die Bezeichnung des seit 1996 gebauten Yamaha-Cruisers XVZ 1300 A Royal Star kommt nicht von ungefähr - auch dieses 74 PS starke Triebwerk basiert auf dem alten XVZ-Antrieb. Nur ist die Royal Star eben nicht mehr so ein leidenschaftlicher Fahrtenschwimmer.
Yamaha XVZ 13 Venture
Technische DatenMotorWassergekühlter Vierzylinder-Viertakt-V-Motor, Zylinderwinkel 70 Grad, je zwei obenliegende, kettengetriebene Nockenwellen, vier über Tassenstößel betätigte Ventile pro Zylinder, eine Ausgleichswelle, gleitgelagerte Kurbelwelle, kontaktlose Zündanlage mit elektronischer Zündverstellung, vier Mikuni-Gleichdruckvergaser, 0 35 mm, Drehstromlichtmaschine 420 Watt, Batterie 12V/20 Ah, E-Starter.Bohrung x Hub 79 x 66 mmHubraum 1294 cm3Verdichtungsverhältnis 10,5 : 1Nennleistung 97 PS (71 kW) bei 7000/minMax. Drehmoment 11,7 kpm (115 Nm) bei 5000/minKraftübertragungPrimärantrieb über Zahnräder, hydraulisch betätigte Mehrscheibenkupplung im Ölbad, klauengeschaltetes Fünfganggetriebe, Sekundärantrieb über Kardanwelle.FahrwerkDoppelschleifenrahmen aus rundem Stahlrohr, Telegabel mit Anti-Dive-System, Steuerkopf kegelrollengelagert, Standrohrdurchmesser 40 mm, Hinterradschwinge kegelrollengelagert, Zentralfederbein hinten, Federbasis und Dämpfung vorn und hinten per Luftdruck fern-einstellbar, Doppelscheibenbremse mit Vierkolbensätteln vorn, 0 282 mm, Einscheibenbremse hinten, 0 320 mm, Integral-Bremssystem, Leichtmetall-Gußräder.Federweg vorn/hinten 140/105 mmFelgengrößevorn 2.50 x 18hinten 3.00 x 16Reifengrößevorn 120/90 H 18hinten 140/90 H 16Maße und GewichteLenkkopfwinkel 61,5 GradNachlauf 125 mmLänge 2440 mmRadstand 1610 mmSitzhöhe 800 mmLenkerbreite 810 mmTankinhalt/Reserve 20/3,3 LiterGewicht vollgetankt 348 kgZul. Gesamtgewicht 540 kgService DatenService-Intervalle alle 6000 kmÖlwechsel mit Filter alle 12 000 kmMotoröl SAE 20 W 40Füllmengemit/ohne Filter 3,8/3,5 LiterZündkerzen NGK DPR 8 EA-9Telegabelöl SAE 10 WFüllmenge je Holm 409 cm3Ventilspiel kalt Einlaß 0,11 bis 0,15 mm Auslaß 0,16 bis 0,20 mmTestwerteHöchstgeschwindigkeit solo/mit Sozius 196/192 km/hBeschleunigung 0-100 km/h solo/mit Sozius 4,7/5,5 sekVerbrauch 8 bis 11 LiterKraftstoff Normal bleifreiErsatzteil-PreiseSturzteileKupplungs-Armatur 322 MarkLenkerhälfte 220 MarkRückspiegel 61 MarkBlinker vorn 61 MarkGabelstandrohr 307 MarkSchutzblech vorn 390 MarkVorderradfelge 1031 MarkAuspufftopf 653 MarkTank, lackiert 694 MarkRahmen komplett 2720 MarkSeitenkoffer (links) 1292 MarkVerkleidung:Oberteil 1671 MarkScheibe 522 MarkVerschleißteileBremsbeläge vorn, ein Satz 55 MarkKupplungsbeläge, ein Satz 157 MarkBremsscheibe vorn 364 MarkLuftfilter 106 MarkÖlfilter 10 MarkGaszug (Öffner und Schließer) 54 MarkTachowelle 18 MarkBatterie 161 MarkGabeldichtring 13 MarkStärken und SchwächenStärkenBequem und gut ausgestattetHohe ExklusivitätStandfester MotorSchwächenZweiter Gang anfällig (bei XVZ 12 T)Hoher SpritverbrauchLabiles FahrwerkTest in MOTORRAD1Test XVZ 12 T 9/1984Vergleichstest Supertourer (XVZ 12 T) 11/1984Vorstellung XVZ 13 T 20/1988Test XVZ 13 T 15/1989Reifenfreigaben Typ 3JSvorn hinten120/90-18 65 H TL 140/90-16 reinf. 77 H TLPirelli MT 69² Pirelli MT 68²Alternativbereifung120/90 B 18 71 H 140/90 B 16 77 HMetzeler Marathon Front ML2 Metzeler Marathon ML2 PlusFußnoten:1Tests können beim Verlag bestellt werden, Telefon siehe Kasten auf Seite xxx, ²Bereifung wird nicht mehr hergestellt
Lesererfahrungen
Die Venture-Fahrer sind sich einig: Der Motor ist prima, das Fahrwerk ist wackelig - zum Schluchtenflitzen taugt die Venture nur bedingt. Um so erstaunlicher der hohe Anteil an Zuschriften aus der Schweiz.
Nach drei Jahren auf einer Honda GL 1100 entschloß ich mich 1988, auf eine XVZ 12 T zu wechseln. Sie war erst ein Jahr jung und 4000 Kilometer gelaufen - der Kaufpreis war im Vergleich zu den Gold Wing-Modellen sehr gering. Meine Erfahrungen, die ich bis 1991 während 38 000 gefahrenen Kilometern machte, sind sehr positiv. Allerdings mußte bei Kilometerstand 13 000 die Lichtmaschine gewechselt werden. Der starke Motor ließ keine Wünsche offen. Auch das Fahrwerk war, nachdem man den Luftdruck in Gabel und Stoßdämpfern mit Hilfe des Kompressors entsprechend einstellte, für einen Supertourer okay.Jürgen Feldmann, NeunkirchenIch habe 1992 eine XVZ 12 T mit 51 000 Kilometern gekauft, der Kilometerstand heute: 84 000. Das Motorrad ist sehr pflegeleicht und viel einfacher zu handhaben, als es aussieht. Selbst in überladenem Zustand (Ferien mit der Frau) sind keine wesentlichen Probleme aufgetreten. Das einzige echte Übel sind die Bremsen: Wegen der starken Aufstellneigung ist es sehr gefährlich, mit der Fußbremse auch nur in geringen Schräglagen zu bremsen. Ich habe daher die Bremsanlage so umgebaut, daß die Fußbremse nur noch auf das Hinterrad wirkt.Heinz Wenger, CH-BernMitte 1993 erstand ich meine zweite Venture (XVZ 12 T). Nun sind mittlerweile 55 000 Kilometer auf dem Tacho. Der Motor erwies sich bisher als sehr robust und glänzt durch Elastizität. Das große Manko der Venture ist jedoch das Fahrwerk: Bei Geschwindigkeiten über 140 km/h und in welligen Kurven fühlt man sich in die Zeit der Kirmes-Schiffschaukel zurückversetzt. Hier hilft nur: der Einbau besserer Gabelfedern, einfach Gas geben und nicht versuchen, mittels Kraft die Pendelbewegung zu stoppen. Bei voller Beladung wird das Fahrverhalten deutlich besser. Ich bin mit dem durchzugsstarken Motor, dem Wind- und Wetterschutz, dem großen Stauraum und dem sehr bequemen Soziusplatz sehr zufrieden.Nils Gessinger, HamburgIch habe meine XVZ 1300 Venture Royal 1988 mit Freude neu gekauft und 1993 ohne Trauer wieder verkauft und bin dazwischen zirka 80 000 Kilometer mit ihr gefahren. Fahrstil: Immer zu schnell bis Vollgas, inklusive Kurvenräubereien, Burnouts und Wheelis. Die guten Seiten: Die XVZ ist das bequemste Schiff mit einer optimalen Motorcharakteristik. Das Getriebe ist ohne Macken, die Schräglagenfreiheit groß. Die schlechten Seiten: Mit 20 Litern ist der Tank viel zu klein. Nur durch viel Aufwand kann man dem Fahrwerk Manieren beibringen - Federelemente ersetzen und auf die härteste Einstellung fixieren, Lenkkopflager regelmäßig kontrollieren, Schwinge und Federbeinhebel jährlich neu lagern, die richtigen Reifen montieren (Michelin Hi-Tour vorn, Conti-Tour hinten) und nie ohne Sozia fahren. Zwischen 50 und 90 km/h flattert der Lenker. Bisher hatte ich drei verzogene Bremsscheiben und zwei demolierte Bremszangen zu beklagen. Der schlechte Zugang zu den Seitenkoffern nervt, außerdem hat die Venture das schlechteste Radio im Vergleich zur Konkurrenz. Die Schiebermembranen der Vergaser halten nur zirka 10 000 bis 15 000 Kilometer, bevor sie undicht werden. Das Resultat dieses teuren Schadens: keine Leistung mehr ab 6500/min. Die Lösung: Die undichten Stellen mit Sekundenkleber reparieren, das hält weitere 15 000 Kilometer. Zwei Wasserpumpen mußten auch ersetzt werden. Bilanz aus meinen Erfahrungen: Es leuchtet mir ein, daß mein Fahrstil maßgebend für den Verschleiß war. Erstaunlich nur die Tatsache, daß mein Fahrstil immer derselbe ist und daß sich nur bei der Venture andauernd die gleichen Teile vernichten lassen.Xavier Hall, CH-Zollikofen100-Mark-Tip
Das Clubleben
Minderheiten müssen zusammenhalten. In Deutschland waren die beiden XVZ-Modelle nie der Renner, Yamaha Deutschland konnte von der XVZ 12 und 13 T in Summe nur rund 400 Stück absetzen. So rotteten sich 1992 einige Venture-Fahrer zusammen, um fortan Fachwissen, Erfahrungen und Möglichkeiten der Ersatzteilbeschaffung auszutauschen. Ansprechpartner des mittlerweile rund 60 Mitglieder und 35 Motorräder zählenden »Venture-Club Deutschland« ist Thomas Spielkamp, Großmarkt/Asmos Haus, 50968 Köln, Telefon 0221/380581. Der jährliche Mitgliedsbeitrag beträgt pro Motorrad 85 Mark, ein Teil dieses Gelds fließt bei Grillfesten und ähnlichen Veranstaltungen meist an die zahlenden Mitglieder zurück. Zwischen März und Oktober gibt es einmal monatlich eine gemeinsame Venture-Wochenendausfahrt. Auch die Kontaktpflege zu Venture-Clubs im Ausland steht auf dem Programm, zum Beispiel zum »Venture Royale Club Schweiz«, »Yamaha Venture Club Nederland«, »Venture Club Norway«, »Venture Club of Sweden«, »Venture Club de France« oder der »Venture Touring Society« aus Las Vegas.Neben den clubinternen Aktivitäten finden natürlich auch verschiedene internationale Treffen statt: So veranstaltet der »Venture Royale Club Schweiz« am 7. und 8. Juni ein Treffen in der Nähe von Montreux, der »Venture Club de France« gibt sich vom 12. bis 14. Juli in der Nähe von Clermont Ferrand die Ehre. Meist finden sich bei diesen Veranstaltungen um die 200 XVZ zusammen.