Exklusives Interview mit dem neuen CEO von MV Agusta

Exklusives Interview mit Hubert Trunkenpolz
„MV Agusta muss absolut exklusiv bleiben“

Veröffentlicht am 07.04.2024
„MV Agusta muss absolut exklusiv bleiben“
In diesem Artikel:
  • MV Agusta stellt in diesen Tagen die neue Enduro Veloce vor …

Nach dem Einstieg der KTM AG bei MV Agusta im Herbst 2022 sollte es langsam gehen. Nach den ersten 25,1 Prozent sprachen die KTM AG und die MV Agusta S.p.a zwar von Übernahmen, aber erst für 2026. Doch bereits im März 2024 zog die Pierer Mobility als Holding der KTM AG eine Option und übernahm 2 Jahre früher als geplant die Mehrheit an MV Agusta. Zum neuen CEO von MV Agusta bestellt die KTM AG ein Mitglied des Vorstands der Pierer Mobility: Hubert Trunkenpolz übernimmt den Chefsessel bei MV Agusta vom bisherigen CEO Timur Sardarov. Uns gab der neue Mann am Ruder von MV ein exklusives Interview.


Warum wird die Kaufoption für die Aktienmehrheit jetzt schon ausgeübt, nicht erst im Frühjahr 2026?

Weil im Laufe der Monate beide Aktionäre gesehen haben, dass es unter unserer Führung mehr Sinn macht. Wir haben ein gutes Verhältnis zu Familie Sardarov, daher haben wir uns entschlossen jetzt in die Verantwortung zu gehen.

Der bisherige Chef und Eigentümer Timur Sardarov sagt, MV habe 2023 erstmal ein positives Betriebsergebnis, deshalb sei es für ihn Zeit, sich von der Bühne zurückzuziehen. War das der Grund?

Wir sind der Familie sehr dankbar, sie hat viel Geld investiert, um die Marke am Leben zu erhalten. Die Übernahme von 25,1 Prozent durch KTM im November 2022 war ja schon ein Schritt der Familie, sich einen industriellen Partner zu suchen. Wir haben dann festgestellt, dass die Chemie zwischen uns gut ist, und vor allen Dingen, welche Möglichkeiten sich für Synergien bei uns im Konzern bieten. Dann wurde klar, dass wir schneller in die Mehrheit und die Verantwortung gehen wollten, und die Familie hat dem zugestimmt.

Wie kann man sich die Rolle von Timur Sardarov künftig vorstellen?

Er ist Vice Chairman, aber nicht mehr im operativen Geschäft. Die Familie ist mit 49,9 % nach wie vor am Unternehmen beteiligt und damit unser Partner. Die operativen Bereiche im Management liegen jetzt bei uns. Das bedeutet nicht, dass sie aus Österreich kommen, sondern mit Luca Martin ist unser italienischer Statthalter ja dort in Varese im Boot. Ich werde für die nächste Zeit die Funktion des CEO und des Chairman ausüben, bis sich die Dinge eingespielt haben.

Bleiben die Sardarovs denn auf längere Sicht Teilhaber?

Das müssen Sie die Sardarovs fragen. Nachdem die Familie die Möglichkeit hat, uns ihr Paket jederzeit anzubieten, ist es natürlich klar, dass wir dann auch die Verpflichtung haben, das anzunehmen. Aber zu sagen, was in zwei oder drei Jahren sein wird, das wäre zum jetzigen Zeitpunkt Kaffeesatzleserei. Wir haben mit Bajaj in der Pierer Mobility ja einen sehr großen Gesellschafter, also sind wir es gewöhnt, auch die Interessen eines Minderheitsgesellschafters entsprechend zu respektieren und zu wahren.

Können wir über Geld reden? Der Corriere della Sera nannte die Summe von 150 Millionen Euro, die KTM schon in MV investiert hat. Kommt das hin?

LACHT. Da sagen wir nichts. Wir haben über den Kaufpreis Stillschweigen vereinbart. Ich kann Ihnen aber sagen, dass das eine absurde Summe ist, die nicht stimmt. Was ich auch sagen kann: Wir haben ein Bekenntnis zum Standort Varese abgegeben, wo in den nächsten Jahren einiges zu investieren sein wird. Das werden wir auch tun. Natürlich bleiben Entwicklung, Produktion, Einkauf, Vertrieb und Marketing von MV in Varese. Gleichzeitig werden wir alle denkbaren Synergien zwischen den Standorten nutzen. Zum Beispiel in der Motorenentwicklung und im Vertrieb. Weil, schauen Sie, wenn’s alleine auch gegangen wäre, dann hätten uns die Sardarovs ja nicht ins Boot nehmen müssen. Spekulationen, den Standort Varese zu schwächen, entbehren jeder Grundlage, was da zum Teil veröffentlicht wird, ist schlicht Schwachsinn.

Naja, bei den Italienern steckt eben die Erfahrung mit Husqvarna tief drin …

Klar, aber das kann man gar nicht vergleichen. Punkt eins: Ein anderer europäischer Motorradhersteller wollte Husqvarna loshaben, aber nicht zusperren. Punkt zwei: Husqvarna war eine No Brand, die Produkte waren völlig im Eimer, die haben wir erst wieder reanimieren müssen. MV Agusta dagegen ist eine starke Marke, die schon erstaunlich viel ausgehalten hat. Natürlich muss man bei den Produkten nachbessern, aber die sind weit weg von schlecht. Bei der Verarbeitung und den Details dieser Maschinen wird einem warm ums Herz. Und es ist schlichtweg unmöglich, mit einer Marke wie MV von Italien wegzugehen. Bei Husqvarna dagegen hat kein Hahn danach gekräht. Oder?

Deswegen verzichten wir ja auf die Frage, ob MV jetzt auch die KTM-Motoren bekommt …

Nein! Tun sie nicht! Und das Design auch nicht!

Wie geht es konkret in der Motorenentwicklung weiter?

Der Dreizylinder wird als erstes gemeinsames Projekt gerade überarbeitet, da arbeiten wir sehr eng zusammen. Und außerdem kommt noch ein neuer Dreizylinder.

Moment, heißt das nun, dass künftig alle Dreizylinder 931 Kubik haben werden so wie die neue Enduro Veloce?

Nein, das geht schrittweise. Erstmal wird der 800er für die neue Norm Euro 5+ fit gemacht. Und der MV-Vierzylinder mit über 200 PS ist eh‘ eine Ikone, an dem ist nothing wrong.

Wer ist denn nach dem Weggang des bisherigen Technikchefs Brian Gillen von MV dort für die technische Entwicklung verantwortlich?

Das ist unser früherer Entwicklungschef in Mattighofen, Phillip Habsburg. Er leitet jetzt auch das Entwicklungsteam in Italien. Natürlich versuchen wir bei MV so viel italienische DNA beizubehalten wie möglich. Auf der anderen Seite müssen wir die Ressourcen nutzen, die wir haben und die in Italien nicht vorhanden sind, speziell was Prüfstände und dergleichen anbelangt.

Und wer prägt künftig das Design der MV-Motorräder?

Es wird eine Zusammenarbeit geben zwischen dem MV-Designcenter in San Marino, dem MV-Werk in Varese und unserem Kiska-Design. Ich kann Ihnen auf jeden Fall versichern, dass MVs künftig keine silberroten KTMs sein werden. Wir werden alles daran setzen, das großartige italienische Design dieser Motorräder in die Zukunft zu tragen.

MV Agusta stellt in diesen Tagen die neue Enduro Veloce vor …

Diese Enduro ist für mich ein Produkt, das nicht unbedingt der DNA von MV Agusta entspricht. Unsere Im exklusiven Interview mit MOTORRAD steht der neue CEO von MV Agusta, Hubert Trunkenpolz, Rede und Antwort, und spricht über Motoren und Design. von MV.

Wie viele MVs wollen Sie 2024 bauen?

6.000 Stück könnte ich mir vorstellen. Sicher nicht mehr, aber sicher auch nicht unter 5.000. Mittelfristig wollen wir auf über 10.000 Stück kommen, was nur mit einigen Neuerungen in der Produktpalette möglich sein wird. Aber das größte Problem, das wir derzeit haben, ist das lückenhafte Händlernetz von MV. Unsere massivste Anstrengung derzeit ist, so schnell wie möglich und weltweit ein qualifiziertes, gutes Händlernetz aufzubauen, weil ein schlechtes haben wir eh vorher gehabt. Und was die Stückzahlen angeht, so gibt es in Varese eine Produktionskapazität von 13- bis 14.000 Stück. Davon sind wir meilenweit weg, aber mehr wollen wir auch gar nicht machen. MV Agusta muss absolut exklusiv bleiben.

Heißt exklusiv bleiben auch weiterhin hochpreisig?

Ja, natürlich.