Kennen Sie das Gefühl verpasster Chancen? Da stand damals dieses Motorrad im Schaufenster und blinzelte verführerisch. Daneben stand ein Preisschild, und das machte klar: jetzt nicht! Doch die Maschine lässt Sie nicht los, noch Jahre später träumen Sie von ihr. Ein hoffungsloser Fall? Nein. Ganz im Gegenteil. Denn Ihr Traumbike ist noch unterwegs. Irgendwo in Deutschland. Sie müssen nur jemanden finden, der es Ihnen verkauft. Vier MOTORRAD-Redakteure haben sich auf die Suche begeben und ihr Wunschbike von damals gefunden. Zum attraktiven Tarif von 3000 Euro. Und das ist ihre Geschichte, Teil 1. Denn die Maschinen werden uns weiter begleiten. Bereichern ab sofort den MOTORRAD-Fuhrpark. Werden auf Reisen gehen und Stoff für so manche Technik- und Hintergrund-Story liefern. Man will ja nicht noch einmal die Chance verpassen.
Es begann beim ziellosen Surfen auf ebay.co.uk. Da wurden plötzlich tipptopp gepflegte T 595 angeboten. Für umgerechnet deutlich unter 3000 Euro. Wahnsinn, dachte ich, bei uns kostet die schönste aller Daytonas rund 4000 Euro. Mit nem Billigflieger rüber nach England und dann per Achse zurück warum nicht. Das Ticket war schon fast gebucht, da flimmerte die Anzeige auf mobile.de über den Schirm. Eine goldgelbe 1997er für 3300 Euro, Verhandlungsbasis. Standort bei Münster.
Das ist weit weg, aber Freund Guido wohnt ums Eck. Der war mal Techniker bei Triumph. Wenn einer das Bike beurteilen kann, dann er. Per SMS kommt grünes Licht. Parallel per Fahrgestellnummer bei Triumph gecheckt: Klasse, das Motorrad war regelmäßig beim Händler, keine Rückrufe offen, alles okay. Wir einigen uns auf 3100. Handschlag, zufriedenes Grinsen auf beiden Seiten. Als die T 595 im Transporter verschwindet, sehe ich feuchte Augen beim Verkäufer. Keine Angst, Reinhard, wir passen drauf auf!
Daten
Dreizylinder-Reihenmotor, 956 cm3, 96 kW (130 PS), Gewicht 223 kg, Zuladung 187 kg, Tankinhalt 18 Liter, Sitz-höhe 820 mm, Höchstgeschwindigkeit 255 km/h, Verbrauch Landstraße 7,5 Liter/100 km (Super)
Plus
Bärenstarker Dreizylinder-Motor, der sich schaltfaul fahren lässt; unverwechselbare Soundkulisse; toll verarbeitet; klasse zupackende, gut dosierbare Bremsen
Minus
Sitz wird stark durch Motorwärme aufgeheizt; 1997er-Modelle mit geringer Schräglagenfreiheit durch ungünstig verlaufende Krümmerführung; Lenkerhälften sehr tief positioniert
"Ein Supersportler, der trotz seines Alters nicht in die Jahre gekommen ist. Der immer noch unverbraucht und frisch wirkt. Ein echter Gent- leman-Racer. Werde ab sofort Kra- watte unter dem Einteiler tragen."
Eine dicke Suzuki Bandit aufzutreiben, kann eigentlich nicht so schwer sein. Doch trotz großen Angebots: Wer eine unverbastelte Gebrauchte haben möchte, muss lange suchen. Mir gelang es jedenfalls im avisierten Preissegment um 3000 Euro nicht, eine GSF 1200 Bandit im Originalzustand zu ergattern. Bei zahlreichen Internet-Offerten handelte es sich um furchtbar verbastelte Streetfighter-Umbauten, die den Verdacht nahelegen, dass da mal ein Unfall im Spiel war. Im äußersten Südosten Deutschlands fand sich schließlich eine Bandit, die zwar einige Zubehörteile aufwies, doch die Serienteile waren vorhanden ein entscheidendes Kaufargument.
Kurz vor Ostern erfolgte zwischen zwei Schneeschauern die Probefahrt, die nichts Auffälliges zutage förderte. Die Maschine scheint in recht gutem technischen Zustand. 2650 Euro, 50 Euro weniger als ohne zusätzliche Serienteile ausgeschrieben, mussten für die 1997er-Bandit auf den Tisch. Ich finde: ein guter Kauf.
Daten
Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor, 1157 cm³, 72 kW (98 PS), Gewicht 238 kg, Zuladung 212 kg, Tankinhalt 19 Liter, Sitzhöhe 820 mm, Höchstgeschwindigkeit 218 km/h, Verbrauch Landstraße 7,3 Liter/100 km (Normal)
Plus
Leistungs- und drehmomentstarker, laufruhiger Motor; sauber abgestuftes, gut schaltbares Getriebe; sehr zuverlässig; hohe Zuladung; bequeme Sitzposition; wartungsfreundlich; handlich
Minus
Zu weiche Gabel; hoher Verbrauch; mäßige Lackqualität
"Warum die 1200er-Bandit? Weil der Motor eine Wucht ist und erfahrungsge- mäß ewig hält. Außerdem fasziniert mich die souveräne Leistungsentfaltung der Suzuki schon seit ihrer Präsentation 1995. Und nun bin ich ihr Pate. Klasse."
Ich will eine robuste Reise-Enduro. Kultiviert, nicht zu schwer, spurstabil auf Asphalt wie auf Schotter. Also eine Africa Twin. Original und unverbastelt, nicht zu hohe Laufleistung, obwohl der bewährte Honda-V2 ewig hält. Von allen Varianten der XRV ist mir die Modellreihe RD 07 aus den Baujahren 1993 bis 1995 sympathisch, denn nur die war wertig ausgestattet. Alle ordentlichen Privatangebote liegen über 3000 Euro, auch solche mit 70000 Kilometern auf der Uhr. Ausgerechnet ein Händler offeriert die Schönste in den begehrten Farben Rot/Weiß/Blau: eine der letzten 95er, erst 96 zugelassen. 3699 Euro möchte er haben.
Für den Händler spricht, dass er seriös wirkt und nur topgepflegte Gebrauchte anbietet. Jonas Born aus Langenfeld bei Düsseldorf rückt den Twin für 3400 Euro raus. Dass die wertstabile Maschine auf 50 PS gedrosselt ist, macht die Geschichte nur interessanter: So lassen sich Fahrleistungen vergleichen und Entdrossel-Kosten angeben.
Daten
Zweizylinder-V-Motor, 742 cm3, 44 kW (60 PS), Gewicht 235 kg, Zuladung 190 kg, Tankinhalt 23 Liter, Sitzhöhe 865 mm, Höchstgeschwindigkeit 180 km/h, Verbrauch Landstraße 6 Liter/100 km (Normal)
Plus
Kultivierter, nahezu unzerstörbarer V2-Motor; straffes, aber komfortables Fahrwerk, handlich, kein Pendeln mit Koffern, spurstabil auf Schotter; passable Bremsen, geschmeidiges Getriebe; gute Verarbeitung
Minus
Kleiner Kettenschutz; auf langen Strecken unbequeme Sitzbank; im oberen Drehzahlbereich hochfrequente Vibratio-nen; wenig Leistungsreserven
"Manche finden sie langweilig, doch ich liebe die Werte der Africa Twin. Der zuver- lässige Dreiventiler kennt bis auf seine mitunter anfällige Benzinpumpe keine Schwächen. Ohne große Zuwendung ist er gut für astronomische Laufleistungen. Die XRV gleicht einer japanischen Geisha, die den Reisenden verwöhnt. Mit leichtem Handling, stabilem Fahrwerk und sanftem Motor, der auch schlechten Sprit ver- trägt. Ordentliche Zuladung kommt dazu. Tolle Funktion ist für mich nicht langweilig, sondern liebenswert."
Mit leichtem Stirnrunzeln dachte ich an die 999-Euro-Bikes zurück. Damals hatte ich mir mit der stark angeschlagenen Yamaha FJ 1100 richtig viel Arbeit angelacht und konnte erst Monate später an den Start rollen. Dieses Mal keine Experimente. Ich wollte Freude am Fahren, vom ersten Augenblick. Schnell im Geiste durchgeblättert: Ja, eine BMW R 1100 RS mit dem Vierventil-Boxer und Telelever-Fahrwerk, die könnte es werden. Nur nicht in Rot. Das bleibt den Italienerinnen vorbehalten. Im Budget von 3000 Euro ist das Angebot überschaubar. Die Blaue könnte sich noch als echter Glücksgriff erweisen, verbrachte sie doch ihr bisheriges Leben in einer Familie, die ihre hohe Affinität zu den Weißblauen weder verbergen kann noch will.
Die letzte große Inspektion ist gerade mal 1000 Kilometer her. Der Motor läuft rund, sauber und mechanisch leise, das Technoflex-Fahrwerk arbeitet hart, aber herzlich. Zuschlag bei 2999 Euro. Und Plan erfüllt: Die BMW wurde als Erste zugelassen.
Daten
Zweizylinder-Boxermotor, 1085 cm3, 66 kW (90 PS), Gewicht 246 kg, Zuladung 204 kg, Tankinhalt 23 Liter, Sitzhöhe 780 bis 820 mm, Höchstgeschwindigkeit 217 km/h, Verbrauch Landstraße 6,0 Liter/100 km (Super)
Plus
Komfortable und tourentaugliche Sitzposition auch für den Sozius; Sitzhöhe und Lenkerhälften einstellbar; mit G-Kat und ABS zeitgemäßer technischer Standard
Minus
Durch Telelever gewöhnungsbedürftiges Fahrverhalten; schlecht schaltberes Getriebe; teilweise ausgeprägtes Konstantfahrruckeln
"Ich habe nach einem Moped gesucht, mit dem man zu zweit menschenwürdig und flott auch längere Strecken zurücklegen kann. Und das auch mit Koffern noch ansehlich ist. Das größte Problem war, eine R 1100 RS zu finden, die nicht rot ist. Dieses Blau ist doch wirklich abgefahren."
... die 999-Euro-Bikes, die MOTORRAD im vergangenen Herbst wieder verkauft hat?
Eine dicke Suzuki Bandit aufzutreiben, kann eigentlich nicht so schwer sein. Doch trotz großen Angebots: Wer eine unverbastelte Gebrauchte haben möchte, muss lange suchen. Mir gelang es jedenfalls im avisierten Preissegment um 3000 Euro nicht, eine GSF 1200 Bandit im Originalzustand zu ergattern. Bei zahlreichen Internet-Offerten handelte es sich um furchtbar verbastelte Streetfighter-Umbauten, die den Verdacht nahelegen, dass da mal ein Unfall im Spiel war. Im äußersten Südosten Deutschlands fand sich schließlich eine Bandit, die zwar einige Zubehörteile aufwies, doch die Serienteile waren vorhanden ein entscheidendes Kaufargument. Kurz vor Ostern erfolgte zwischen zwei Schneeschauern die Probefahrt, die nichts Auffälliges zutage förderte. Die Maschine scheint in recht gutem technischen Zustand. 2650 Euro, 50 Euro weniger als ohne zusätzliche Serienteile ausgeschrieben, mussten für die 1997er-Bandit auf den Tisch. Ich finde: ein guter Kauf.
Daten Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor, 1157 cm³, 72 kW (98 PS), Gewicht 238 kg, Zuladung 212 kg, Tankinhalt 19 Liter, Sitzhöhe 820 mm, Höchstgeschwindigkeit 218 km/h, Verbrauch Landstraße 7,3 Liter/100 km (Normal)Plus Leistungs- und drehmomentstarker, laufruhiger Motor; sauber abgestuftes, gut schaltbares Getriebe; sehr zuverlässig; hohe Zuladung; bequeme Sitzposition; wartungsfreundlich; handlichMinus Zu weiche Gabel; hoher Verbrauch; mäßige Lackqualität
Warum die 1200er-Bandit? Weil der Motor eine Wucht ist und erfahrungsge- mäß ewig hält. Außerdem fasziniert mich die souveräne Leistungsentfaltung der Suzuki schon seit ihrer Präsentation 1995. Und nun bin ich ihr Pate. Klasse.
Dass ausgerechnet die 999-Euro-Bikes, die MOTORRAD vor einem Jahr gekauft hat, so viel Aufsehen erregen würden, hätte damals keiner in der Redaktion gedacht. In den Ausgaben 8, 9, 12, 15, 18, 21 und 24/2007 berichteten wir ausführlich über das illustre Quartett, das aus Honda CX 500, Suzuki GS 500 E sowie den Yamaha-Modellen XT 600 und FJ 1100 bestand. Auch lange nach dem Verkauf meldeten sich immer wieder Leser, die sich nach dem Verbleib der Maschinen erkundigten. Also hat MOTORRAD nachgeforscht und war erfreut, dass sich sämtliche Maschinen noch im Besitz der damaligen Käufer befinden und bislang keinerlei Defekte zu verzeichnen hatten. Mit seither gut 3000 gefahrenen Kilometern führt die FJ 1100 die aktuelle Liste an. Es folgen die CX 500 mit knapp 2000 und die GS 500 E mit rund 1000 Kilometern. Letztere wurde bereits einen Tag nach dem Kauf auf 34 PS gedrosselt und vom Stufenführerscheinbesitzer bewegt. An CX und FJ blieb alles wie gehabt, an der XT 600 hingegen kaum ein Bauteil unangetastet. Unglaubliche 4000 Euro hat Wolfgang T. über den Winter in die angejahrte Enduro gesteckt. Er ließ den Motor in einer Fachwerkstatt komplett überholen, alle Teile neu lackieren, und einen neuen Kettensatz gabs obendrein. MOTORRAD ist sich sicher: Wer so viel Geld in eine Gebrauchte steckt, der gibt sie nimmer her. Wobei auch die anderen 999-Euro-Bikes offensichtlich die richtigen Käufer gefunden haben. Wir wünschen weiterhin gute Fahrt.