Mit dem gleichmäßigen Aufdrehen der Nippel auf die Speichen endete das Einspeichen in der letzten Ausgabe. Alle Speichen stehen also bereits leicht unter Spannung, als sich unser Experte Wolfgang Schelbert (www.wolfis-garage.de) ans Zentrieren der Felge auf einem manuellen Reifenauswuchtgerät macht.
Nach dem Einspeichen läuft ein Rad nur selten richtig rund, weil die Spannung meist noch nicht ausreicht. „Ich ziehe daher alle Speichen einmal rundherum mit dem Schraubendreher nach, und zwar wieder beginnend am Ventilloch“, so Wolfgang. „Es genügt dabei, die Nippel jeweils eine Umdrehung einzudrehen.“ Diesen Vorgang wiederholt er so oft, bis die Speichen deutlich Spannung aufbauen. Nun erst wird die Felge ausgerichtet. Dabei gilt es, einen Seiten- oder Höhenschlag (lateral/radial), die Ausrichtung von der Nabe zur Felge und die gleichmäßige Speichenspannung in Einklang zu bringen.
Zuerst einen Seitenschlag korrigieren
Obwohl auf alle vier Ausrichtungen zu achten ist, beginnt man stets mit dem Herausarbeiten eines Seitenschlags. Der wird mithilfe eines seitlich am Zentrierständer angebrachten Dorns oder einer Messuhr aufgespürt. Wolfgang arbeitet ohne Messuhr. „Ab Werk haben viele Felgen einen deutlichen Seitenschlag, meist im Bereich des Stoßes, wo die Felge zusammengeschweißt wurde. Hier mit einer Messuhr zu arbeiten, kann einen zur Verzweiflung bringen“, begründet der Zweiradprofi seine Vorgehensweise. „Besser ist es, mittels Dorn oder Fingernagel die Stelle des Seitenschlags zu suchen, indem man auf den Lichtspalt zur Felge achtet.“
Schlägt die Felge beispielsweise nach rechts aus, werden im Bereich des Seitenschlags alle Speichen gelöst, die zum rechten Nabenflansch gehen. Anschließend zieht man jene Speichen leicht an, die zum linken Nabenflansch gehen. „Das Spannen und Lösen muss dabei möglichst gleichmäßig erfolgen“, ergänzt Wolfi. „Wenn man hier eine Viertel Umdrehung öffnet, muss man dort also auch eine Viertel Umdrehung anziehen.“ Befindet sich das Maximum des Seitenschlags zwischen zwei Speichen, löst man die jeweils benachbarten Speichen eine Viertel Umdrehung. Entsprechend zieht man die genau dem Schlag-Maximum gegenüberliegenden Speichen um eine Viertel Umdrehung an. Liegt hingegen das Schlag-Maximum genau auf Höhe einer Speiche, wird diese Speiche um eine Viertel Umdrehung gelöst. Jedoch dürfen dann die jeweils benachbarten Speichen nur um eine Achtel Umdrehung gelöst werden. Entsprechend müssen dann auf der Gegenseite die Speichen angezogen werden. Reicht dies noch nicht aus, um den Seitenschlag zu eliminieren, wiederholt man diese Vorgehensweise so lange, bis ein zufriedenstellendes Ergebnis vorliegt.
An zwei Seitenschlägen abwechselnd arbeiten
Bei einem weiteren Seitenschlag in der Felge wird dieser nach der gleichen Methode herausgearbeitet. „Bei mehreren Seitenschlägen macht es keinen Sinn, den ersten perfekt herauszuarbeiten, um sich dann um den zweiten zu kümmern“, erklärt Wolfgang. „Besser klappt das, wenn man abwechselnd an beiden Seitenschlägen arbeitet und so versucht, diese Schritt für Schritt herauszuarbeiten.“
Den Höhenschlag herausarbeiten

Hat das geklappt, korrigiert man anschließend den Höhenschlag einer Felge. Wie bei der Fahndung nach dem Seitenschlag sucht man auch hier wiederum die höchste Stelle des Ausschlags. Befindet er sich mittig zwischen zwei Speichen, werden diese beiden Speichen jeweils um eine halbe Umdrehung angezogen. Anschließend das Rad um 180 Grad drehen und die genau gegenüberliegenden Speichen ebenfalls um eine halbe Umdrehung öffnen.
Liegt der maximale Höhenschlag dagegen exakt über einem Speichenende, zieht man die betroffene Speiche um eine ganze Umdrehung und die beiden benachbarten Speichen um eine halbe Umdrehung an. Danach die genau gegenüberliegenden Speichen um die entsprechenden Werte lockern. „Bei der Korrektur von Seiten- und Höhenschlägen sollte man sich immer vergegenwärtigen, dass dies nur durch Spannen und Lockern von Speichen möglich ist“, ergänzt Wolfgang. „Das Herumdrücken an den Speichen funktioniert schon konstruktionsbedingt nicht!“
Die Ausrichtung von Nabe und Felge
Nach dem Ausrichten eines Schlages kontrolliert der Experte die mittige Ausrichtung der Nabe zur Felge, indem er deren Versatz an beiden Seiten misst. Dieser muss bei zentrischen Rädern gleich sein. Zeigt sich beim Drehen des Rads ein Lichtspalt zwischen Rad und Messwerkzeug, muss die Speichenspannung in diesem Bereich angepasst werden, um die Felge „einzumitten“. Falls die Nabe um mehr als zwei bis drei Millimeter aus der Mitte versetzt ist, werden – beginnend beim Ventilloch – alle 20 Speichen auf der gegenüberliegenden Seite des Versatzes um etwa eine halbe Umdrehung angezogen, um diesen zu eliminieren. Bei geringeren Abweichungen (ein bis zwei Millimeter) geht man vor wie beim Herausarbeiten des Seitenschlags. „Beim exakten Ausrichten der Nabe zur Felge ist, ebenso wie beim Korrigieren eines Seitenschlags, zwischendurch immer eine Kontrolle des Höhenschlags nötig“, weiß Wolfgang.
Die richtige Spannung der Speichen

Stimmt die Ausrichtung der Felge, wird anschließend die Spannung aller Speichen überprüft. „Fürs Spannen der Speichen gibt es kein allgemein gültiges Drehmoment“, sagt Wolfgang. „Hobbyschrauber haben nur zwei Möglichkeiten, die korrekte Spannung festzustellen: Zum einen die Klangprobe, zum anderen ihr Feingefühl beim Anziehen der Speichennippel.“ Bei der Klangprobe zupft man die Speiche oder schlägt mit einem Schraubendreher daran. Der Klang aller Speichen sollte annähernd gleich sein. Wer zum Vergleich ein komplett eingespeichtes Rad gleicher Bauart besitzt, kann den Klang prima vergleichen. Keinesfalls dürfen die Speichen dumpf oder scheppernd klingen, ideal ist ein mittelhoher Ton.
Bei der zweiten Methode braucht es viel Gefühl. „Man testet mit dem Speichenschlüssel, wie leicht oder schwer sich die Nippel noch drehen lassen“, erklärt Wolfgang. „Die hierbei aufgewendete Kraft sollte bei allen Speichen annähernd gleich sein.“
Speichentorsion
Letztlich ist noch auf die Speichentorsion zu achten. Beim Anziehen einer Speiche mit dem Speichenschlüssel wird sich diese bei zunehmender Spannung bis zum Anschlag des Speichenkopfs im Nabenflansch mitdrehen. „Das führt dazu, dass dann die Speiche im Fahrbetrieb die Zugkräfte am Speichenkopf nicht über die gesamte Auflagefläche aufnehmen kann. Was letztlich zum Bruch dieser Speiche führen kann“, weiß der Profi. „Vorbeugend sollte man daher den Speichennippel nach dem Festziehen wieder ein klein wenig öffnen. Aber nur so viel, dass der Speichenkopf flächig in seiner Aufnahme im Nabenflansch anliegt!“
Abschließend prüft unser Experte die Felgeninnenseite auf überstehende Speichen. Stehen diese zu weit heraus, können sie den Schlauch verletzen. Überstehende Enden lassen sich jedoch ganz einfach mit einem Minischleifer bis auf Höhe der Speichennippel herunterschleifen. Dann erst wird ein neues Felgenband angebracht – nun ist das Rad fertig. „Manuell eingespeichte Räder halten in der Regel länger als maschinell hergestellte, denn Maschinen haben kein Gefühl“, so Wolfgang. „Das braucht es jedoch, um Speichen korrekt auszurichten und zu spannen.“

Damit das neu eingespeichte Rad tatsächlich lange hält, steht nach rund 1.000 Kilometern nochmals ein Check der Speichenspannung an. Eventuelle Korrekturen erfolgen dann in der gleichen Weise, wie sie beim Zentrieren beschrieben wurden.
Das Prinzip des Felgenzentrierens

Speichen können nabenseitig keinen Druck auf die Felge aufbauen, da die Speichennippel lediglich von außen in den Felgenkranz gesteckt werden. Grundprinzip des Zentrierens ist daher das Ziehen. Einen Seiten- und/oder Höhenschlag korrigiert man daher durch Lockern der Speichen im Bereich des Schlages und dem Anziehen der gegenüberliegenden oder um 180 Grad versetzten Speichen.