Alle Pflichtstunden sind erfüllt, die Theorie längst bestanden und endlich gibt der Fahrlehrer das Go: Du bist bereit für die Führerscheinprüfung! Doch was, wenn der TÜV nicht mit Prüfen hinterher kommt? Dann wartest du wochenlang auf einen Prüftermin. Oder bekommst von deinem Fahrlehrer gesagt, dass er derzeit überhaupt keine Prüftermine vom TÜV bekommt – auch keine, die fünf Wochen in der Zukunft lägen. Es fehlt also an Planungssicherheit und zwar für Fahrschüler und Fahrlehrer.
Ein uns geschilderter Fall: Die Fahrschülerin möchte ihre Prüfung zum Motorradführerschein ablegen. Ihr Fahrlehrer möchte sie seit mehreren Wochen zur Prüfung anmelden, bekommt aber im TÜV-System zur Terminvergabe keine freien Prüfplätze. Ein Einzelfall? Nicht ganz. Rund 40 weitere Fahrschüler dieser Fahrschule warten auf einen Prüftermin. Und das schon seit dem Frühsommer. Viele Fahrschulen in Baden-Württemberg sind betroffen, aber auch in anderen Bundesländern, wie wir von Fahrlehrern aus unserer Facebook-Community vernehmen.
Gründe für fehlende Prüftermine
Beim TÜV Süd in Baden-Württemberg gab es, laut der Pressestelle des TÜV Süd, im Juni 2018 eine Systemumstellung. "Obwohl wir das System ausführlich getestet haben, gibt es leider Fehler. Aber wir sind daran, diese schnellstmöglich zu beheben“, ließ die Pressestelle im Juli 2018 gegenüber der Stuttgarter Zeitung vermelden.
Das sagt der Fahrlehrerverband
Doch bereits im Mai war die Prüfterminvergabe ein Thema auf der Mitgliederversammlung des Fahrlehrerverbandes Baden-Württemberg e.V., der auf seiner Homepage dazu schreibt, dass der TÜV „im Laufe der Versammlung noch mehrmals und intensiv zur Sprache“ kam und es u.a. um die „Behandlung aktueller Probleme, die Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer vor allem wegen Prüfterminen im Raum Freiburg derzeit beschäftigen“ ging.

Im August sagte der Vorsitzende des Fahrlehrerverbandes Baden-Württemberg, Jochen Klima, gegenüber dem SWR: „Seit fünf Wochen gibt es kaum Prüfungstermine beim TÜV Süd.“ Er habe außerdem „kein Verständnis dafür, dass der TÜV ausgerechnet im Juni, also kurz vor den Sommerferien, seine Software umgestellt hat.“
Im September 2018 gibt die Pressestelle gegenüber motorradonline.de folgendes Statement ab: „Die Software-Umstellung ist nun abgeschlossen, das System funktioniert gut und noch dieses Jahr soll es auf alle Geschäftsstellen ausgerollt werden. Mancherorts gab es da gar keine Probleme, bei anderen lief es nicht ganz so reibungslos. Wir haben festgestellt, dass die unterschiedlichen Geschäftsstellen sehr verschiedene Ansprüche haben.“
Maßnahmen des TÜV Süd
Dass eine Systemumstellung nicht immer optimal läuft ist ja die Regel. Aber was sind die Maßnahmen? Hierzu noch mal die Pressestelle des TÜV Süd: „Den Rückstand bei den Führerscheinprüfungen sollten wir bis Ende des Monats [Anm. der Red.: September 2018] ausgeglichen haben. Das schaffen wir mit Zusatzterminen und Samstagsterminen. Außerdem haben wir extra Prüfer leihweise, etwa aus Bayern zugezogen.“
Wir haben noch mal bei einer Fahrschule nachgefragt: „Prüftermine Samstags? Schön wär’s! Wir schauen stündlich ins System, ich habe hier noch nie gesehen, dass für Samstags Termine eingestellt wurden. Das System zeigt mir nur eine Wochenübersicht von Montag bis Freitag." Ein aktueller Screenshot des Systems liegt unseren Redaktionen vor und das Bild bestätigt die Aussage des Fahrlehrers: Es stehen keinerlei Prüftermine zur Wahl und eine Spalte für „Samstag“ sieht das System nicht vor.
Situation vor der Systemumstellung
Pro Prüfort hatten die meisten Fahrschulen einen festen Prüftag, indem sie ein bestimmtes Kontingent für Fahrprüfungen ausschöpfen konnten. Seit der Umstellung haben viele Fahrschulen gar kein Kontingent mehr und einen festen Prüftag schon gar nicht. Den haben nur Fahrschulen mit dem Status „Exklusiv-Kunde“. Wie man diesen Status erreicht, warum manche Fahrschulen diesen Status nach der Systemumstellung verloren haben und wie die Terminvergabe beim TÜV Süd generell gesteuert wird, ist nicht den Fahrschulen nach unseren Informationen nicht bekannt. Weder die Fahrlehrer noch motorradonline.de bekamen hierzu vom TÜV Süd oder von der kontaktierten Dienststelle eine Auskunft.
Regierungspräsidium und Verkehrsministerium
Nun schaltet sich auch das Regierungspräsidium ein und fordert eine Stellungnahme vom Prüfstellenleiter an. Hintergrund: Der Staat gibt dem TÜV den Prüfungsauftrag. Der TÜV Süd hat das Monopol auf die Abnahme der Führerscheinprüfung. Aber er hat eben auch die Pflicht, diese Fahrprüfungen durchzuführen. Das Verkehrsministerium in Stuttgart als zuständige Aufsichtsbehörde ist bereits im Bilde. Doch mehr als die Aussagen, dass zusätzliche Prüfer leihweise aus Bayern hinzugezogen werden, zusätzlich an Samstagen geprüft werden soll und noch im September Prüfungstermine „mit einem Vorlauf von höchstens vier Wochen gewährleistet werden“, so das Verkehrsministerium in Stuttgart, bleibt weder den Fahrlehrern noch den Fahrschülern nicht. Die Lehrer haben die Schulen voll mit prüfungsreifen Schülern und ärgern sich über die Auskunftsscheu der TÜV Süd-Prüfstellen.
Und die Fahrschüler?
Die verschieben Urlaube, obwohl sie noch gar nicht wissen, ob es dann mit einem Prüfungstermin klappt. Außerdem kostet sie der Verzug richtig Geld. Als Neuling erst mal wochenlang pausieren? Das ist nicht empfehlenswert, denn dann fehlt es an Fahrpraxis.
Und die Motorradfahrschüler?
Die bangen um wetterabhängige Prüftermine. Klar, kann mancher auch bei Regen und sechs Grad eine Motorrad-Führerscheinprüfung ablegen. In der Regel entscheidet das aber nicht der Fahrschüler. Klasse A-Anwärtern kann es also passieren, dass sie den Winter über Geld ansparen müssen, um dann im Frühjahr noch mal recht weit vorne anzufangen mit den Übungsstunden. Ob es beim TÜV Süd eine Strategie gäbe, nun priorisiert die Motorradfahrschüler durchzuschleusen, haben wir gefragt. „Nein, das wäre ja Bevorzugung.“
Dass manche Fahrschulen einen Exklusiv-Status mit festen Prüftagen und festem Prüfkontingent haben – da stört den TÜV die Bevorzugung nicht. Und dass Motorradfahrschüler im November schlechtere Chancen haben geprüft zu werden, wie ein Autofahrschüler, offensichtlich auch nicht.