KTM wird manchmal noch etwas sentimental als der kleine Motorradhersteller aus Österreich gesehen. Der Charme eines einsamen Bergwolfs umhüllt Marke und Modelle. Und könnte doch nicht weiter von der Wahrheit entfernt sein. Denn KTM ist der größte Motorradhersteller Europas. Nicht schlecht für eine Firma, die 1991 pleite war. Stefan Pierer kaufte 1991 über eine Gesellschaft die Reste von KTM und über die nächsten Jahre auch noch Husaberg, WP, Husqvarna, GasGas, MV Agusta, Raymon und Felt. Vielleicht zu viel, denn 2024 wurde aus der bisher solide wirkenden Unternehmung ein wackeliges Kartenhaus.
KTM Motorcycles
Einer der vier Arme der Pierer Mobility AG in Sachen Zweirad ist KTM Motorcycles. Unter diesem Namen produziert und vertreibt die AG Motorräder der Marken KTM, Husqvarna, GasGas, MV Agusta, CFMoto, Zeeho und Fahrwerke von WP. Wer in diesem Reigen Husaberg vermisst: Husaberg ging 2013 in Husqvarna auf, nachdem die Schweden sich 1988 von Husqvarna abgesplittet hatten. WP gehört seit 1995 zu KTM Motorcycles, und die spanische Offroad-Marke GasGas kam 2020 komplett zur Gruppe.

Pierer Bicycles
Der zweite Arm der Pierer Mobility ist die Sparte "Bicycles". Unter ihr laufen die Fahrradmarken GasGas, Husqvarna und Felt. Gut 160.000 Fahrräder verkaufte die Gruppe 2023. Übrigens: Die Fahrradmarke "KTM Fahrrad" gehört seit der Insolvenz 1991 nicht mehr zum Konzern. Den Rennrad-Spezialisten Felt übernahm Pierer Mobility im November 2021 von der französischen Gruppe Rossignol. Die Marke Raymon wurde im Herbst 2023 verkauft.
Design, Entwicklung und Concept Development
Der dritte Arm der Pierer Mobility beschäftigt sich vornehmlich mit dem Thema Design und Entwicklung. Kiska dürfte eine der bekanntesten Design-Agenturen sein und ist für unverwechselbare Linien und Kanten der KTM- und Husqvarna-Motorräder verantwortlich. Ebenfalls in dieser Sparte der Gruppe ist die ebenso von der Insolvenz bedrohte KTM F&E, also die Forschung und Entwicklung der Motorradmarken. Mit Cero gehört eine weitere Design-Firma zur Gruppe, die in Spanien sitzt.
Digitales und Innovationen
Der vierte Arm der Pierer Mobility AG besteht aus der Pierer Innovation, Avocodo, KTM Informatics und LX Media. Die Pierer Innovation ist die konzerneigene Agentur für alles Digitale: Künstliche Intelligenz, Big Data und Blockchain-Lösungen für alle Pierer-Firmen. Avocodo ist ein eigenes Softwarehaus im Konzern für webbasierte und mobile Business-Anwendungen. Die KTM Informatics ist die hauseigene IT-Agentur der Mobility AG, und LX Media ist eine Digital-Agentur, die sich um Apps sowie Webseiten kümmert.
KTM MotoGP-Team
Von der Insolvenz nicht direkt betroffen ist die KTM Racing GmbH. KTM werde weiter im Motorsport aktiv sein und auch künftig in der MotoGP starten, sagte KTM-Sportchef Pit Beirer in einem Interview. Insider schätzen die Kosten für das MotoGP-Engagement der Firma auf rund 70 Millionen Euro im Jahr. Geld, das aber größtenteils von Hauptsponsor Red Bull kommt. Der Motor von KTMs GP-Prototypen RC16 für 2025 gilt als fertig entwickelt. Zur Rally Dakar im Januar haben die Österreicher drei Werksfahrer angemeldet. Teams der KTM-Schwestermarken Husqvarna und GasGas werden nicht dabei sein.
Wem gehört die Pierer Mobility?
Die Pierer Mobility AG gehört nicht Stefan Pierer allein. Die AG gehört zu 74,9 Prozent der Pierer Bajaj AG, zu 0,1 Prozent der Pierer Konzerngesellschaft mbH und zu 25 Prozent Anlegern im Aktienmarkt. Die Pierer Bajaj AG gehört zu 50,1 Prozent der Pierer Industrie AG und zu 49,9 Prozent der Bajaj Auto International Holding. Letztere ist wiederum zu 100 Prozent in Hand der Bajaj Auto Limited. Ebenfalls zu 100 Prozent gehört die Pierer Industrie AG der bereits erwähnten Pierer Konzerngesellschaft mbh.

KTM ist bei MV Agusta eingestiegen
"Im November 2022 wird sich die KTM AG im Rahmen einer Kapitalerhöhung mit 25,1 Prozent an der MV Agusta Motor S.p.A. mit Sitz in Varese (Italien) beteiligen.", hieß es in einer Mitteilung von MV Agusta. Mit diesem Anteil hielt die KTM AG eine Sperrminorität an MV Agusta. Während die Vorteile für MV Agusta offensichtlich sind, sind die Motive seitens KTM eher indirekter Art: Mit dem Sortiment von MV Agusta inklusive daran hängendem Kundenservice soll das Angebot bei den Händlern in den Bereichen "Straße" und "Premium" verstärkt werden. Mit den eigenen Ableger-Marken Husqvarna und GasGas ist KTM in dieser Hinsicht breit aufgestellt. Mittlerweile gehören 50,1 Prozent von MV Agusta zu KTM.
CFMoto-Vertrieb in Europa von Pierer Mobility
Zwischen der Pierer Mobility AG und dem chinesischen Hersteller CFMoto besteht seit über 10 Jahren ein Joint Venture, also eine strategische Partnerschaft. Seit 2021 baut CFMoto zudem alle 790-Modelle von (also für) KTM in einer eigens dafür errichteten KTM-Fabrik gegenüber dem CFMoto-Stammsitz in Hangzhou. Bei diesem Produktions-Joint-Venture wird in Österreich entwickelt, in China gefertigt. Ab Januar 2023 wurde die Partnerschaft weiter ausgebaut, indem die CFMoto-Motorräder von der KTM-Mutter in fünf europäischen Märkten vertrieben werden: nämlich in Deutschland, Österreich, Schweiz, Spanien und Großbritannien. Im Juli 2023 vermeldete die Pierer AG, die Partnerschaft würde noch weiter intensiviert. In diesem Zuge erhöht CFMoto die Beteiligung an der börsennotierten Pierer Mobility AG auf 2,0 Prozent. Für manche eigenen Modelle nutzt CFMoto die Antriebstechnik von KTM.