Bei der Vorstellung der neuen CBR 1000 F anno 1986 reagierte die Fachpresse schockiert. War doch von dem, was bei dieser Honda so überraschte, ihrem Vierzylinder nämlich, nichts, aber auch gar nichts zu sehen. Dabei läutete eben jener wassergekühlte Four in-line die vorläufige Abkehr des Weltmarktführers vom V4-Konzept und die reumütige Rückkehr zum altgedienten Layout à la CB 750 ein. Nicht zuletzt deshalb, weil sich »weniger Fahrer als erwartet für unsere V-Linie begeistern konnten«, so Entwickler Isamo Goto. Außerdem hatte er eine »Verpflichtung zur Leistung« zu erfüllen und sah diesbezüglich mit dem Reihen-Vierer bessere Chancen.
In Verbindung mit einer guten Aerodynamik - damals für viele Motorradhersteller noch ein Buch mit sieben Siegeln - sollte diese Leistung dann einen respektheischenden Topspeed ermöglichen. So kam die CBR, gemeinsam mit ihrer gleichzeitig vorgestellten kleinen 600er-Schwester, zu einer Rundum-Plastikschale: die ersten vom Rückspiegel bis zum Heckbürzel verschalten Motorräder mit nahtlos in Tank-/Sitzbank-Kombination übergehender Verkleidung. Zwar erreichte die 1000er nicht Platz eins bei der Höchstgeschwindigkeit von Serienmotorrädern, aber 235 km/h Spitze in der gedrosselten 100-PS-Version waren vor 13 Jahren richtig schnell. Noch schneller freilich waren Spitznamen für die CBR gefunden: Plastikbomber und Yoghurtbecher titelten vor allem Fahrern von Suzuki GSX-R 1100, Kawasaki GPZ 900 oder Yamaha FZR 1000. Dabei sollte das damalige Honda-Flaggschiff niemals ein richtiger Sportler sein.
Und heute? Die CBR 1000 F, ein Trendsetter von ehedem, fällt kaum noch auf, Vollverkleidung ist bei Sportlern und Tourern längst Standard. Offiziell wird sie mit 98 PS angeboten, aber der Händler kann sie auf nominell 130 PS entdrosseln, womit sie auch im Vergleich zur aktuellen Konkurrenz gut im Futter steht. Und lässt sich vor allem immer noch schnell und bequem fahren - eine echte Empfehlung an sportive Touristen mit Sinn für entspanntes Reisen. Koffer dran, Sozia aufgeschnallt und ab in den Westerwald, denn zum Rasen und Knieschleifen auf abgesperrten Strecken ist die CBR mit 271 Kilogramm Leergewicht eindeutig zu schwer.
Der Vierzylinder mit gemessenen 102 Nm bei 6000/min und 123 PS bei 9500/min bürgt eigentlich in jedem Drehzahlbereich für flottes Vorwärtskommen. Er zieht ab 2000/min sehr sauber, gleichmäßig und vibrationsarm an, reißt bis zu mittleren Drehzahlen - gemessen an der aktuellen Konkurrenz - aber keine Bäume aus. Ab 6500 Touren setzt dann ein deutlicher Schub ein, gerade recht für schnelle Überholmanöver und Zwischensprints. Mit einem Durchschnittsverbrauch von 6,5 Litern und 21 Liter Tankvolumen ergeben immerhin rund 320 Kilometer Aktionsradius - ein äußerst respektabler Wert.
Dass die Höchstgeschwindigkeit der offenen Version von immerhin 252 km/h auch sicher wieder abgebaut werden kann, dafür sorgt das seit 1993 eingesetzte Dual CBS, eine Honda-eigene Verbundbremse, die unabhängig davon, ob vorn oder hinten gebremst wird, immer beide Räder verzögert. Beim Bremsen vorn etwa betätigt der linke vordere Bremssattel über ein Hebelsystem einen separaten Bremszylinder, der zusätzlich die hintere Bremse aktiviert. Das System ist auf den ersten paar Kilometern gewöhnungsbedürftig, danach aber recht angenehm. Angenehm auch die Tatsache, dass sich die CBR beim Bremsen in Schräglage kaum aufstellt.
Die üppig gepolsterte Sitzbank und das komfortable Fahrwerk unterstützen den Fahrspaß auf Landstraßen und Autobahnen ebenso wie die überaus bequeme ergonomische Auslegung des Dickschiffs. Auf schnellen Autobahn-Etappen gefällt es zudem durch spurtreuen Geradeauslauf. Allerdings nerven bei hohen Geschwindigkeiten mit der Zeit starke Turbulenzen am Helm. Der Grund dafür ist die kurze Verkleidungsscheibe. Ein altes und lästiges Thema der großen Honda. Ebenso wie die fehlende Uhr im Cockpit, eigentlich ein Muss bei einer Reisemaschine. Diese Punkte wurden schon beim MOTORRAD-Langstreckentest (Heft 22/1988) der ersten CBR-Generation kritisiert, wie auch die schlechten Kaltstarteigenschaften und die niedrige Zuladung von 182 Kilogramm. In Sachen Zuverlässigkeit gab sich die Honda dagegen vorbildlich.
Die CBR 1000 ist trotz ihrer Jahre noch ein akzeptabler Touren-Sportler. Ob sich in ihrem erfolgreichstem Jahr 1989 die 2728 Käufer unter sportlichen oder touristischen Aspekten für diese Maschine entschieden haben, bleibt offen. 1999 waren es jedenfalls nur noch 244 neue Kunden. Also doch Schnee von gestern? Für 17990 Mark bekommt man auch einen Sporttourer der jüngeren Generation. Und für 4500 Mark Aufpreis gibt es aus gleichem Hause die bessere Doppel-XX. Aber der CBR 1000-Listenpreis ist sicher nurmehr als Verhandlungsgrundlage zu verstehen.
Modellreport
Die erste CBR 1000 F, intern SC21 genannt, ein damals ungewöhnliches, aber fast perfektes Motorrad, bekam der Kunde 1987 für 13500 Mark. Zwei Jahre später optimierte Honda die dann SC24 genannte CBR. Verändert wurden Verkleidung und Silhouette. Zudem gabs neue Instrumente, ein revidiertes Fahrwerk und einen überarbeiteten Motor. Außerdem wurden der Maschine breitere Felgen und Reifen spendiert, was der Beliebtheit der CBR gut tat. Die letzte Modellpflege kam 1993 mit nochmals anderer Verkleidung und motorseitigen Änderungen. Wesentlichstes Merkmal war jedoch die Dual CBS genannnte Verbundbremse, bei der der Fahrer sowohl mit dem Hand- als auch dem Fußbremshebel jeweils beide Bremsen aktiviert. Mit den Modifikationen wuchs allerdings auch das Gewicht der 1000er auf 271 Kilogramm. Laut Honda beruhte in diesen Jahren der Markterfolg auf der Vielseitigkeit der CBR.Bis April 1996 war die große CBR das Topmodell im Hause Honda. Dann stellten die Japaner die 1100 XX vor, die ihr in Sachen Leistung und Gewicht den Rang ablief. Seitdem führt die CBR 1000 F eher ein Schattendasein.Die CBR 1000 F in MOTORRAD: Gebrauchtkauf 25/1994; Test 5/1993, 6/1989, 5/1987; Vergleichstest 14/1993, 14/1991, 13/1991 und 11/1990, Dauertest 22/1988, 15/87