Mit viel Sinn für Komfort spielt die GTR 1000 seit 1986 den Tourguide im Kawasaki-Programm und betört - was Wunder - mit unverfälschtem 80er-Jahre-Charme. Aber erfüllt der geräumige Klassiker noch die ständig gewachsenen Ansprüche modernen Reisens?
Mit viel Sinn für Komfort spielt die GTR 1000 seit 1986 den Tourguide im Kawasaki-Programm und betört - was Wunder - mit unverfälschtem 80er-Jahre-Charme. Aber erfüllt der geräumige Klassiker noch die ständig gewachsenen Ansprüche modernen Reisens?
Dank ausladender Verkleidung von störenden Witterungseinflüssen befreit. Dank starkem Motor übertriebener Schaltarbeit entledigt und trotzdem agil unterwegs. Diesen Maximen verpflichtete sich die Kawasaki GTR 1000, als sie ihre Reise begann und der BMW K 100 RT das Blaue Band der Ausflugsdampfer streitig machen wollte. Grand Tourisme eben.
Die Kawa hat sich dabei nicht dumm angestellt. Ihr aus der GPZ 900 bekannter und moderat vergrößerter Vierzylinder-Vierventiler brachte genügend Leistung und Ausdauer mit, die Ausstattung ließ kaum Wünsche offen, und sowohl der Sitz- als auch der Fahrkomfort gefielen. Den MOTORRAD-Dauertest über 40000 Kilometer absolvierte sie, mal abgesehen von leichten Schwächen beim Ventiltrieb, mit großem Anstand und sehr zum Vergnügen ihrer allermeisten Passagiere. Kawasakis Aufbruch in die wundersame Welt des aktiven Luxus-Tourens durfte insgesamt als geglückt gelten, auch wenn die Verkaufszahlen niemals an die der BMW und späterer Konkurrenz heranreichten.
Doch dann geschah Verblüffendes: Kawasaki ließ den Lorbeer vertrocknen, bediente dieses kaufmännisch wie technisch interessante Segment Jahr um Jahr - genau: mit der GTR. Kein Nachfolger. Kein Tourer mit GPZ 1100-Motor, keiner mit ZX 10-Antrieb. Nur neue Instrumente und Kleinkram. GTR forever, und deshalb sei die Frage erlaubt, ob denn das Touren die letzte Konstante des Motorradfahrens ist.
Nein, meinen Ästheten, wenn sie der GTR auf Bürzel, Verkleidungskeil und Tanklinie schauen. Nein, brummeln Techniker wegen fehlender Abgasreinigung und dürrer Gabel. Macht nix, entgegnen Pragmatiker und verweisen auf Zuverlässigkeit, Komfort und Details. In der Tat fehlt von den vorderen Staufächern über den großen Tank bis zu den hinteren Gepäckhaken nichts, was Tourer über andere Motorräder erhebt. Sogar die geräumigen Koffer samt schlankem Haltesystem gehören serienmäßig dazu.
Selbst wenn die Sitzbankkante den Fahrer ein wenig kneift, darf von zwei First Class-Sitzen gesprochen werden, auch die gemäßigt sportive Position der Rasten und Armaturen stimmt. Ein schwelgerisches Cockpit bietet hohen Unterhaltungswert, die Rücksicht in den Spiegeln ist vorbildlich. Aber der steil aufragenden Verkleidung merkt ein jeder ihre Jahre an: keine geschickte, den lästigen Sog mildernde Hinterströmung, Hitzestau im Bereich der Unterschenkel, lärmige Turbulenzen ab 140 km/h.
Ein Feingeist dagegen der Motor: Er produziert seine 98 PS zwar ohne großen Druck, aber stets kultiviert. Der sechste Gang fungiert als Overdrive, bei Autobahnrichtgeschwindigkeit liegen gerade mal 4500 Touren an. Solisten, die es mit bepackten Koffern gern schneller hätten, müssen berücksichtigen, daß die - etwa am modernen BMW-System gemessen - eher labil montierten Gepäckstücke Unruhen ins Fahrwerk einleiten, welche ab 160 km/h zu spürbaren, ab 180 sogar ekligen Pendeleien des Fahrwerks führen. Ein Tribut der Zeit, heute sind Gepäcksysteme und Fahrwerke einfach stabiler. Zu zweit übrigens herrscht bis hinauf zur Höchstgeschwindigkeit von 194 km/h Ruhe, ebene Fahrbahn vorausgesetzt. Andernfalls gautscht die GTR wegen weich gedämpfter und gefederter Federelemente spürbar, aber noch gutmütig.
Kardanreaktionen registrieren nur jene, die den Tourer mit fauchendem Motor in sportliche Gefilde treiben. Davon sei - wegen der weichen Federelemente - abgeraten. Durchaus dynamischem Touren ist das Fahrwerk jedoch gewachsen, die seinerzeit hochgelobten Bremsen sowieso: gut definierter Druckpunkt, bei Bedarf knackiges Zupacken. Wegen des relativ hohen Schwerpunkts braucht«s etwas Gewöhnung, bis die GTR lässig von einer zur nächsten Kehre schwenkt, Zielgenauigkeit und Stabilität sind immer noch ordentlich.
Selbiges gilt für Verarbeitung wie Licht, und deshalb lichtet sich auch das Dunkel um die merkwürdige Dauer-Existenz dieses Reisekrads: Wer bei seinem Händler einen Preis um 17500 Mark raushandeln kann und ein wirklich komfortables Motorrad sucht, darf immer noch zugreifen. Der Listenpreis ist ein Witz.