Motorradreise ins Schweizer Kanton Wallis

Motorradreise ins Schweizer Kanton Wallis
Die 10 höchsten Gipfel der Schweiz

Veröffentlicht am 10.07.2024

Im Wallis gibt es jede Menge zu entdecken. Vor allem Straßenabenteuer, bei denen einem die Spucke wegbleibt. Andreas Prinz und Dirk Schäfer ließen sich auf Schluckbeschwerden ein: Wir lassen die Mittelaltergassen von Sion hinter uns. Aber wohin? Denn das vertrackte am Wallis ist, dass alle Seitentäler Sackgassen sind. Fast alle. Auf jeden Fall müssen wir raus aus dem schwitzigen Haupttal. Das Quecksilber schabt an der 30-Grad-Marke. Wir zischen flott auf die südlichen Anhöhen Richtung Hérémence. Genauso flott sind wir den Durchgangsverkehr und die Hektik los.

Grandiose Balkonstrecke

Eine feine Straße, die sich die Mittelmarkierung erspart hat, schwingt sich mit mehreren engen Kehren aufwärts und bildet den Auftakt zu einem Panorama-Potpourri. Unsere beiden Ducatis gleiten in kühlende Nadelwälder. Die tunken alles in das harzige Aroma von frischem Holz. Dann verschwindet das Rhônetal aus dem Blick und das Blubbern der Zweizylinder schiebt uns vorbei an Almen und hin zu den Schneekappen der Dent Blanche. Klar, die Straße führt nicht wirklich um den pyramidenförmigen 4.000er. Aber das Gefühl, dem Ding näherzukommen …

Wenn wir nicht in eine 20 Kilometer lange Sackgasse fahren wollen, dann müssen wir an der Spitzkehrenkreuzung vor Les Haudères abdrehen. Machen wir? Machen wir! Von jetzt an hangeln wir uns an einer grandiosen Balkonstrecke entlang, die erst beim Skiort Nendaz wieder Kontakt mit dem Talboden aufnehmen will. Von Sion sind wir Luftlinie noch keine zehn Kilometer entfernt. Trotzdem haben wir schon 80 Zähler auf der Uhr.

Olympia? Nein, danke.

Apropos Sion: Die Stadt hätte die Olympischen Winterspiele 2026 haben können. Aber die Walliser zeigten Olympia die eiskalte Winterschulter: "Ne veut pas! Wollen wir nicht!" Ist das Ignoranz, Hochmut oder die Erkenntnis, dass nach ein paar Wochen Medienrummel auch nicht viel gewonnen ist?

Motorradreise Motorradtour Wallis Schweiz
Dirk Schäfer

Auf Außenstehende wirken Schweizer manchmal eigenwillig. Unter den Eidgenossen selbst haben diesen Status wiederum die Walliser inne. Das olympische "Non" passt also ins Bild. Noch eigenwilliger: Die Walliser liebäugeln mit einem Austritt aus der Eidgenossenschaft. Der Rest des Landes nimmt das aber eher als Teil der kantonstypischen Folklore. Doch Folklore hin oder her: Fahren wir nun zum Grossen Sankt Bernhard, und wo ist denn jetzt eigentlich der Abzweig nach Sembrancher? Denn dort tut sich etwas auf, bei dem ich grinsen muss, wenn ich mir vorstelle, wie es Andi mit der kleinen Duc bei der Auffahrt ergehen wird.

Motorrad-Work über 28 Kehren

Ich habe mich nicht getäuscht. Klein, stark, schwarz. Und dazu steil und eng. Zumindest die Kehren. Andis 400er muss richtig schuften. Und das durch 28 Kehren. Bäm! Nach jeder 180-Grad-Wende nimmt die Kleine wieder Anlauf, den Berg zu meistern, um nach nur wenigen Hundert Metern von der nächsten Serpentine eingefangen zu werden. Das ist nicht nur Kurvenfahren, das ist Motorrad-Work-out!

Ein wenig hatte ich damit gerechnet, dass Andi nach dieser Kurbelei ein temporäres Stimmungstief zur Schau tragen würde. Aber der strahlt über alle Backen. Und hat allen Grund dazu. Nicht nur, weil die Ducati Scrambler Sixty2 die Mühe klaglos wegsteckt. Sondern weil unser tischdeckenbreiter Serpentinenfahrweg völlig überraschend aus dem Unterholz auftaucht und sich im Mittagsdunst die massige Kulisse des Grossen Sankt Bernhards vor uns aufbaut. Wer jetzt an eine Runde über den Pass und wieder ins Wallis denkt – der Col de la Forclaz liegt gleich um die Ecke – muss mindestens 320 Extrakilometer einplanen. Wollen wir das? Es gäbe auch eine Alternative. Den Forclaz kann man ja auch mitnehmen, ohne die Extrarunde zu fahren, oder?

Es ist ein Impuls, der einen in der ersten Kehre auf dem Forclaz anhalten lassen will. Die Perspektive auf das schnurgerade Rhônetal und nicht zuletzt die weit aufgespannten grünen Sonnenschirme des genau in der Kehre liegenden Bistros "Le Virage/Die Kurve" sprechen dafür. Scheinbar ignorant zimmere ich an diesem Panorama-Spot mit Verköstigungseinrichtung vorbei, als wäre das nichts anderes als die Autobahnauffahrt in Duisburg-Wedau. Denn nur vier Kurven weiter liegt DER Aussichtspunkt auf das Wallis. Als ob man dir ein Teleobjektiv direkt aufs Auge schraubt, liegt es vor dir. Das Tal der Täler. "Und was ist jetzt mit Kaffee?" Ich hätte es wissen müssen.

Kaffee-Pause in Erde

Durch die dicht gedrängten Rebstöcke oberhalb von Conthey strahlt eine Kupfersonne. Viele Orte kommen hier nicht mehr, bevor es ins Spektakel der Derborence-Schlucht geht. Einer davon heißt Erde. Erde besteht aus aufgeräumten Häusern mit Holzbalkonen. Eigentlich ein netter Ort. Wie sein viel größerer Kollege. Aber Kaffee? Erst in Aven, das aussieht wie Erde, werden wir im "Café de Sapins" fündig.

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Dirk Schäfer

Derborence-Schlucht – unübersichtlich und spektakulär

Nach der Pause geht es in die Derborence. Eine winzige Kapelle markiert die Stelle, an der die majestätische Schönheit des Wallis von einer unerwarteten Schroffheit abgelöst wird. Unverhohlen demonstriert Mutter Natur, dass wir hier zwar herfahren können, aber doch nur geduldete Besucher sind. Die Trasse, die am östlichen Berghang klebt, hat man dem wilden Tal in mühevoller Arbeit abtrotzen müssen. Wir tasten uns durch unbeleuchtete Naturtunnel langsam vorwärts. Zum zügigen Fahren ist die Straße zu schmal, zu unübersichtlich, aber auch zu spektakulär.

Zu einer lokalen Berühmtheit kam die Derborence, als zwei große Bergstürze das obere Tal überrollten. Fortan nannte man die Gipfelkette"Teufelsberge". Aber das eigentlich Bemerkenswerte waren die hundert Meter hohen Geröllhalden, die das Bächlein Derborence zu einem verwunschenen See aufstauten. Und just dort wuchs ein Urwald heran, der nicht nur in der Schweiz eine Rarität ist. Dem nähern wir uns jetzt, als wir die eigentliche Schlucht hinter uns lassen. Und mit ihr den Rest der Welt. Nur wenige finden den Weg in diese Sackgasse, die in ein seltenes Paradies mündet. Vor der "Auberge du Godet", einer von nur zwei Herbergen, stellen wir die Bikes ab. Bierchen? Bierchen! Was für ein Tal! Welches, das Walliser Rhônetal? Das auch.

Infos zur Motorradreise Wallis

Anreise/Jahreszeit: Das Wallis ist von hochalpinen Bergen umgeben und kann in den Hochlagen ab dem späten Frühjahr bis in den Spätherbst bereist werden. Der Zugang vom Genfer See ist ganzjährig befahrbar. Die ins Wallis mündenden Pässe Furka, Simplon, Grosser Sankt Bernhard und Forclaz sind mit Wintersperren versehen. Alternativ gibt es die Bahnverladung ab Kandersteg im Berner Oberland ins Goppenstein/Wallis. Eine Tour durchs Wallis lässt sich prima in eine größere Alpentour einbinden. Zum Ausgangsort der Tour sind ab München etwa 500 Kilometer, ab Frankfurt 570 Kilometer abzuspulen. Für die Schweizer Autobahnen benötigt man eine Vignette – kann man an der Grenze erwerben.

Die Strecke: Die gut 400 Kilometer lange Tour führt über alpine Straßen, die in schweiztypisch gutem Zustand sind. Dennoch werden viele schmale Straßen mit engen Kehren befahren. Sicheres Kurvenfahren auch im ersten Gang ist von Vorteil. Belohnt wird man mit großartigen Ausblicken und spektakulären Landschaften. Die Einfahrt in das Tal der Derborence kann kurzfristig wegen Steinschlag oder eines Bergrutsches gesperrt sein. Infos dazu finden sich direkt an der Taleinfahrt.

Unterkunft: Im landschaftlich großartig gelegenen Tal der Derborence bietet die "Auberge du Godet" urige Zimmer in einem rustikalen Ambiente. Knarzende Dielen und eher einfach ausgestattete Zimmer stehen im Gegensatz zur qualitativ guten und opulenten Verköstigung. Wir jedenfalls können das Raclette und die anderen Walliser Spezialitäten sehr empfehlen. Kurz vor Martigny, in Vernayaz, bietet sich das "Rêves Gourmands" als zentraler Ausgangspunkt für Touren durch das Wallis an. Das Doppelzimmer kommt mit Frühstück auf 140 Schweizer Franken. Gute Küche zu durchaus fairen Preisen bietet das empfehlenswerte Café/Restaurant "Des Rangs" auf dem Weg von Conthey nach Erde. Wir haben dort bestens gefrühstückt. Adresse: Route des Rangs 11A, 1975 Conthey.

Aktivitäten:

  • Weinfreunde werden im topmodernen Winzermuseum von Sion auf ihre Kosten kommen.
  • Im September findet in der Altstadt von Sion das Gourmetfestival Fête du Goût mit lokalen Weinen und Spezialitäten statt.
  • Mit Grimentz ist das vermeintlich schönste Dorf des Wallis gefunden. Am besten unter der Woche vorbeischauen, dann ist der touristische Andrang nur mäßig.
  • Karte: Die Schweiz-West-Karte von Marco Polo im Maßstab 1:200.000 ist detailliert genug, um auch einsame Milchkannen anzusteuern.