Geheimtipp in den Alpen: Wenig befahrener Berg-Pass Col de la Cayolle

Reise-Geheimtipp Col de la Cayolle
Wenig befahrener Berg-Pass in den Alpen

ArtikeldatumVeröffentlicht am 23.11.2025
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Barcelonnette ist einer dieser magischen Orte in den Westalpen, ein Ort der vielen Möglichkeiten, ein Ort, der sich als Basislager für die famosen Pässe in der Umgebung bestens eignet. Im Norden locken Col de Vars und Izoard. Der grandiose Bonette, seines Zeichens höchster Pass der Alpen, ist kaum eine Stunde entfernt, und südwärts warten Cayolle und Allos auf eine Erkundung. Zudem ist Barcelonnette in seiner Altstadt ein wirklich charmanter Ort mit dem typischen Flair des alpinen Südfrankreichs. Kurzum, eine Stadt zum Wohlfühlen.

Über die D902 zum Col de la Cayolle

Zum Col de la Cayolle führt die D 902, geadelt durch das Prädikat "Route des Grandes Alpes". Sie ist aber zum Glück eine Departement-Straße ohne Fernverkehr, ohnehin für Lkw und Wohnwagen-Gespanne gesperrt. Und das ist gut so. Die D 902 verlässt Barcelonnette an der Brücke über den kanalisierten Fluss Ubaye, nimmt breit und gut geteert Kurs auf die Berge, wird aber kurz nach der Abzweigung zum Col d’Allos durch steile und schroffe Kalksteinwände mächtig eingezwängt.

Ab hier wird es spannend. "Gorges du Bachelard" verrät ein kleines Schild. Der gleichnamige Wildbach rauscht durch die Schlucht, die Straße zwängt sich immer schmaler werdend hoch über dem Fluss an die Felswand. Ein paar Brücken, ein paar kurze Tunnel, kniehohe Schutzmauern trennen vom Abgrund, aber kaum Verkehr. Übersichtlich sind hier allenfalls die kurzen geraden Abschnitte und die gelegentlichen Ausweichstellen, ansonsten ist Konzentration gefordert. Gut nur, dass der Autoverkehr hier nur touristischer Natur ist, in der Nachsaison ist ohnehin kaum noch was los. Und auch die meisten Motorradfahrer nehmen lieber die prestigeträchtigen Pässe in der Umgebung ins Visier. Der Cayolle ist eher ein Kandidat für die Pässe-Gourmets.

Malerische Landschaft in Fours-Saint-Laurent

Das Spektakel der engen Bachelard-Schlucht hält leider nicht lange an, bald verlässt die Straße den rauschenden Fluss, es wird etwas steiler, bleibt aber immer noch deutlich unter zehn Prozent. Das bewaldete Tal wird weiter, es hat sogar Platz für ein paar winzige Dörfer, die meisten allerdings sehen arg ruinös aus, hier lebt schon lange niemand mehr. Lediglich in Fours-Saint-Laurent ist noch Leben, es gibt eine alte Kirche, den sprudelnden Brunnen von 1931, ein geschlossenes Hotel nebst Restaurant und Épicerie sowie eine Handvoll rustikaler Häuser. Echt malerisch und einen kurzen Stopp wert.

Die schmale Straße taucht wieder in den Wald ein, sie bleibt rumpelig und rau, prima für komfortable Enduro-Fahrwerke, Tiefflieger werden hier kaum Spaß haben. Dicke Lärchen und Kiefern wachsen selbst hier auf 1.600 Metern noch, der klimatische Einfluss des nahen Mittelmeers ist deutlich. Erst jenseits der 2.000-Meter-Marke lichtet sich der Wald, endlich gibt es schöne Ausblicke in die alpine Landschaft. Steil und bedrohlich groß ragt der weiße Riese Le Cimet auf, 3.020 Meter hoch, die helle Kalksteinwand blendet in der Mittagssonne. In einem weiten Bogen folgt die Straße dem sanften Hochtal, peilt nun Kurs Süd an. Rechts ragt der letzte Dreitausender vor dem Mittelmeer auf, der Mont Pelat, mit seinen 3.053 Metern ebenfalls ein nackter weißer Kalkstein-Riese.

In 2.326 Metern: Passhöhe des Cayolle

Noch ein Dutzend feine und endlich mal übersichtliche Kurven, vorbei am "Refuge de la Cayolle”, das in den drei Sommermonaten Essen und Übernachtung im Mehrbettzimmer anbietet, und schon ist die Passhöhe erreicht. Unspektakulär, nicht mal einen Parkplatz gibt es am höchsten Punkt. Der komplette Gegensatz zu den Promi-Passhöhen wie am Iseran, Izoard oder Galibier, wo es bisweilen sogar schwierig ist, einen Parkplatz fürs Moped zu finden. In Stein gemeißelt ist die Passhöhe von 2.326 Meter sowie die Distanz bis Nizza: 130 Kilometer. Tatsächlich ist der Scheitelpunkt mit dem gemauerten Stein die größte Sehenswürdigkeit auf der Passhöhe. Aber es passt zum Cayolle: bloß keine Sensationen, bloß kein Spektakel, immer schön ruhig bleiben.

Südwärts staffeln sich die Bergrücken im Mittagsdunst. Deutlich ist zu sehen, dass die Alpen ihr Spektakel hinter sich lassen, gemächlich bis zum Mittelmeer, bis zur Côte d’Azur, auslaufen. Was nicht heißt, dass es langweilig wird. Ganz sicher nicht, denn kaum eine Stunde entfernt locken die sensationellen Schluchten von Daluis und Cians, zudem das grandiose Kurvenparadies der östlichen Provence, das erst am Mittelmeer endet.

Kurvenreiche Abfahrt auf der Südseite

Südlich der Passhöhe nimmt auch der Cayolle deutlich an Fahrt auf. Die Straße wird besser und sogar breiter, es gibt noch ein Dutzend feiner Kehren und jede Menge Kurven auf dem Weg hinunter in die Hitze Südfrankreichs. Das weite Tal auf der Südseite lässt der Straße deutlich mehr Platz und Übersicht. Der erste wirkliche Ort südlich von Barcelonnette ist Saint-Martin-d’Entraunes. Das sieht schon sehr nach Südfrankreich aus. Alle Fensterläden sind geschlossen, der Ort schläft seinen langen Mittagsschlaf, nicht mal ein Café hat geöffnet. Mitten im Ort überrascht eine sehr enge 180-Grad-Kehre, hier ist schon so mancher gestrandet, der den Radius zu spät realisiert hat.

Etwas später biegt die schmale Straße zum Col des Champs und zum Col d’Allos ab, ermöglicht in Kombination mit dem Cayolle eine wunderbare Rundtour über drei Pässe und etwa 140 Kilometer. Die D 2202, so heißt die Cayolle-Straße ab der Passhöhe, folgt nun dem Tal des Var weiter südwärts bis Guillaumes. Der wenig schöne Ort liegt nur noch 800 Meter hoch, hier gibt’s allerdings genug Restaurants, Cafés, Tankstellen und Möglichkeiten zur weiteren Fahrtstrecke: retour über den Cayolle, südwärts zu den grandiosen Schluchten Daluis und Cians oder Richtung Osten zum Col de la Bonette. Aber egal welche Strecke man auch wählt, eines ist in dieser Region Frankreichs sicher: Es bleibt spannend.

Fazit