Hierzulande sind Dreiradroller noch verschmäht und werden kaum beachtet. Zu Unrecht, wie Piaggios neues Flaggschiff MP3 beweist.
Hierzulande sind Dreiradroller noch verschmäht und werden kaum beachtet. Zu Unrecht, wie Piaggios neues Flaggschiff MP3 beweist.
"Es gib nur zwei Orte auf der Welt, wo wir glücklich leben können: Zuhause und in Paris." Das Zitat stammt von Ernest Hemingway, und er hat damit nicht ganz unrecht. Die französische Hauptstadt ist immer eine Reise wert, und so präsentierte Piaggio die neusten Versionen ihres Dreirad-Rollers MP3 in der Stadt der Liebe. Drei sind es an der Zahl: Der 400 hpe als Einstiegsmodell, der 400 hpe Sport mit gleichem Antrieb, anderen Farben und mehr Ausstattung und das Top-Modell 530 hpe Exclusive mit großem Motor und einer Ausstattung, die man teilweise nicht mal im Auto-Segment bekommt. Der Schauplatz Paris ist nicht zufällig gewählt: Erstens bietet Paris mit seinem berühmt-berüchtigten Verkehrschaos die perfekte Bühne, um die Vorteile eines Rollers auszukosten, und zweitens kurven von den bisher verkauften 230.000 Einheiten in den mittlerweile 16 Jahren des MP3-Bestehens gefühlt alle in Paris herum. Doch zurück zu dem Zitat von Hemingway: Dieses Mal passte der eigentlich stimmige Satz nicht ganz, denn über die Wettersituation konnte man nicht glücklich sein, selbst in Paris nicht. Kurzversion: Regen und nur 13 Grad. Einen hat es gefreut, und zwar den Roller selbst. Unter den Bedingungen konnte er seine Stärken aufzeigen.
Der größte Pluspunkt des Piaggio MP3 ist das Thema Sicherheit. Im Rückspiegel wirkt der Roller mit seinen zwei Rädern vorn immer etwas ulkig, doch im Nassen ist der Vorteil der Zwillingsbereifung vorn nicht von der Hand zu weisen. In keiner Situation, weder bei tiefen Pfützen, noch auf glatten Gullydeckeln oder schmierigen Fahrbahnmarkierungen, braucht man einen Gedanken an eine rutschende Front zu hegen. Wie spurstabil und elegant der Piaggio über die regennassen Straßen von Paris gleitet, ist wirklich beeindruckend. Obendrauf sind die zwei Räder vorn ein wichtiges Verkaufsargument: Aufgrund seiner Spurbreite von 465 Millimetern darf der MP3 mit einem Führerschein Klasse B bewegt werden. Unterm Strich: Der MP3 fährt sehr angenehm und ist, für einen Roller mit Triebsatzschwinge und zwei in der Federvorspannung verstellbaren Federbeinen, sehr komfortabel abgestimmt und läuft geschmeidig über Bodenwellen.
Bleiben wir beim Thema Sicherheit, denn mal ganz abgesehen von der erhöhten Grip durch drei Räder bietet der MP3 in seiner höchsten Ausbaustufe 530 hpe eine Ausstattung, die so manchen Kleinwagen erblassen lässt. Neben einer Traktionskontrolle, einem 3-Kanal-ABS (wirkt über die beiden Handbremshebel und über ein Fußbremspedal) und einer hell-strahlenden LED-Beleuchtung rundum verfügt der 530er im Vergleich zu seinen beiden kleinen Brüdern zusätzlich über ein Radarsystem. Dieses scannt am Heck einen Bereich von 25 bis 30 Metern ab. Erkennt das Radar ein Fahrzeug im toten Winkel, so wird auf dem 7-Zoll-TFT-Display eine nicht zu übersehende Warnung angezeigt, in welcher Richtung sich ein Objekt im nicht einzusehenden Bereich befindet. Apropos Display: Die Kommandozentrale des MP3 verfügt über alle wichtigen Informationen und ist bei bedecktem Himmel bestens ablesbar. Die Bedienung des Menüs geht im Übrigen fix von der Hand und ist sehr intuitiv. Für noch mehr Funktionen gibt es beim 400 Sport und dem 530 das Piaggio MIA Connectivtiy System. Hiermit kann in Windeseile das Smartphone mit dem Piaggio gekoppelt werden und Telefonate geführt, die Navigation genutzt oder Musik abgespielt werden. Für musikalische Untermalung oder Telefonie sollte man aber ein Kommunikationssystem am Helm haben, Lautsprecher besitzt der MP3 (noch) nicht. Als Sahnehäubchen für Technik-Freaks zeigt das TFT-Display Histogramme von Verbrauchs-, Leistungs- und Drehmomentkurven in Echtzeit an. Diese Informationen werden aufgezeichnet und können mittels passender App auf dem Smartphone in Grafiken oder als Statistik angezeigt werden. On top kommt der 530er noch mit einer Rückfahrkamera, die beim Rangieren im Rückwärtsgang (ja, das Topmodell hat einen Rückwärtsgang) ungemein hilft.
Eines der wichtigsten Features eines Rollers: Der Ampelstart muss Paradedisziplin sein. Hier gibt der MP3 eine gute Figur ab. Der 400 hpe und der 400 hpe Sport werden von einem 35 PS Motor mit gut 38 Newtonmeter Drehmoment angetrieben, beim 530 hpe Exclusive werkelt ein 44 Pferde starkes Aggregat mit gar 50 Newtonmeter Drehmoment. In Kombination mit dem stufenlosen CVT-Getriebe mit Riemenantrieb schiebt der Roller trotz seines hohen Gewichts von 260 Kilogramm oder respektive 280 Kilogramm beim 530er ordentlich vorwärts. Piaggio gibt eine Höchstgeschwindigkeit von 135 km/h beziehungsweise 145 km/h an, was definitiv ausreicht, um im Verkehr mitzuschwimmen. Dabei sind beide Motorenvarianten sparsam unterwegs: 3,8 Liter und 4,0 Liter Benzin schluckt der MP3 auf 100 Kilometer. Im Pariser Stadtdschungel kam das gut hin. Zudem ein witziges wie nützliches Feature: Das "Roll-Lock-System". Diese Mechanik kennt man schon von den Vorgängermodellen und wurde beim Neuen nochmals überarbeitet. Fährt man im Schritttempo beispielsweise an eine Ampel heran, so reicht ein einfacher Druck auf einen Schalter an der rechten Lenkerarmatur, um die beiden Vorderräder zu fixieren. So bleibt der Roller in seiner waagerechten einfach stehen, wodurch man die Füße nicht auf den Boden platzieren muss, um den Roller vorm Umkippen zu bewahren. Am Anfang ist das noch ein wenig ungewohnt, nach einigen Kilometern geht das System aber in Fleisch und Blut über. Stellt man den Roller ab, so drückt man ebenfalls den Schalter und zieht die Handbremse – Fertig. Was auch noch wichtig ist: die Verstaumöglichkeiten. Da punktet der MP3 mit einem riesigen "Kofferraum", in dem fast ein ganzer Studenten-Hausstand Platz finden würde. Unter der breiten Sitzbank passen locker zwei Integralhelme und weiteren Kleinkrams. Wem das noch nicht reicht, der bekommt im Zubehör noch ein in Motorradfarbe lackiertes Top Case mit großem Fassungsvermögen.
All diese Features haben natürlich auch ihren Preis: Der Piaggio 400 hpe ist für 10.799 Euro in zwei Farben zu haben, den 400 Sport gibt es in vier Farbgebungen für 11.299 Euro und das Top-Modell 530 hep Exclusive gibt es ab 13.299 Euro in vier Farbvarianten.
Safety First lautet das Motto des Piaggio MP3 in seinen drei Ausführungen. In allen begeistert der MP3 mit seinem ruhigen Fahrverhalten und der üppigen Ausstattung. Und das Beste: Wer keinen Motorradführerschein besitzt, und gerne mal "Zweiradluft" schnuppern möchte, der sollte unbedingt den MP3 auf dem Schirm haben.