Im Herbst präsentiert Honda eine neue CBR 600 RR. Klarer Fall: Der zwei- beziehungsweise vierjährige Rhythmus bei der Modellpflege von Supersportlern steht nicht in Frage; diesem Rhythmus entsprechend ist für 2009 eine milde Überarbeitung fällig, mit Designänderungen und Feintuning der Technik.
Doch wahrscheinlich wird diese behutsame Überarbeitung von einer echten Sensation überlagert werden: Die neue CBR 600 RR bekommt ein ABS-CBS, das gleichermaßen straßen- und rennstreckentauglich sein soll. Möglicherweise wird es auch für die Fireblade angeboten sowie für Supersport- und Superbike-Rennen homologiert. Es ist die erste völlige Neuentwicklung für Supersportler, in der Vielfalt seiner Funktionen dem System der BMW HP2 Sport weit überlegen. Am 10. Juni durften europäische Motorradjournalisten einen Prototyp des "Combined ABS", eingebaut in drei CBR 600 RR des Jahrgangs 2007, erstmals probieren.

Zwar erlaubt es die Kürze der Fahrt nicht, von einem Test zu sprechen, doch einige Bremsmanöver, bei denen der Tester bei etwa 150 km/h den Handbremshebel durchriss, offenbarten eine erstaunliche Stabilität der 600er. Die in langen Phasen maximaler Verzögerung üblichen Schlingerbewegungen der Hinterhand waren nicht festzustellen, nicht einmal, wenn das ABS regelte. Ein Grund dafür liegt in der allein vom System bewirkten kurzen Initialbetätigung der Hinterradbremse, die das Motorrad hinten in die Federung zieht und die Entlastung des Hinterrads verzögert. Bei den Bremsmessungen im MOTORRAD-Top-Test ein gängiges Verfahren, wird es in der neuen CBR quasi automatisiert.
Zunkunfts-Visionen

Diese kurzzeitige Kombibremsfunktion wird wie alle CBS-Aktivitäten rein elektronisch eingeleitet. Zwischen den Bremskreisen gibt es keine mechanisch-hydraulische Verbindung mehr. Sensoren für den Eingangsbremsdruck teilen dem Steuergerät mit, wie stark der Fahrer welchen Hebel betätigt. Im Zusammenspiel mit anderen Faktoren wie Raddrehzahlen und Geschwindigkeit erkennt es bestimmte Situationen und aktiviert entsprechende Funktionen. Wenn der Fahrer zum Beispiel den Fußbremshebel voll durchtritt, signalisiert das Blockieren des Hinterrads erhöhten Verzögerungsbedarf. Also baut sich vorne Bremsdruck auf, der stetig steigt, solange das Vorderrad nicht blockiert. Wer darin die adaptive Bremskraftverteilung des vielfach angefeindeten Integral-ABS von BMW wiedererkennt, liegt richtig und erhält einen Hinweis darauf, wie fortschrittlich dieses System war.
Wohin seine ungestörte Weiterentwicklung hätte führen können, zeigte der Honda-Prototyp bei der Rückmeldung und dem Bedienkomfort. Alles fühlt sich an wie ohne ABS, im Regelbereich ist kein Pulsieren an den Hebeln zu spüren. Der Fahrer nimmt jedoch genau die Drehzahlsprünge des Vorderrads wahr. Wenn es auf der Rennstrecke gilt, nach hartem Geradeausbremsen mit nachlassendem Bremsdruck in eine Kurve einzulenken, ist dieses unverfälschte Gespür eminent wichtig. Denn ein Kurven-ABS für Vollbremsungen in maximaler Schräglage ist auch das neue Honda-System nicht. Doch daran, dass es mehr Sicherheit und den meisten Fahrern schnellere Rundenzeiten bringen wird, bestehen kaum Zweifel.

Noch weniger zweifelhaft ist der weitere Ausbau der Motorrad-Mittelklasse zwischen 60 und 78 PS, die in den letzten Jahren schon vielfältig bereichert wurde. Entgegen der alphabetischen Reihenfolge ist in diesem Zusammenhang Yamaha an erster Stelle zu nennen. Nach der Präsentation der Vmax, deren Preis mittlerweile auf 19750 Euro plus Nebenkosten festgesetzt wurde, verstärkten sich die Gerüchte über ein preisgünstiges Mittelklasse-Motorrad, das noch im Herbst vorgestellt werden soll. Knapp unter 6000 Euro soll es kosten, also gleichsam den Antipoden zur Vmax bilden. Ob die Sechs- bis Siebenhunderter einen neu konstruierten Zweizylindermotor oder eine Neuauflage des XJ-600-Vierzylinders erhalten wird, scheint im Moment weniger sicher als der Preis. Die Informanten des französischen Computerretuscheurs Jean-Marie Guerin sowie Andeutungen aus dem Dunstkreis der Yamaha-Europazentrale gehen von einem Zweizylinder aus.
Neue Impulse

Der ist bei der Erneuerung der Suzuki SV-650-Modelle ebenso gesetzt wie beim Update der Kawasaki ER-6. In beiden Fällen stehen neue Impulse in Sachen Design an erster Stelle, Suzuki wird darüber hinaus versuchen, den 650er-V2 wieder auf den ursprünglichen Leistungsstand vor der Umstellung auf die Euro-3-Abgasnorm zu heben. Von Kawasaki war zu hören, dass man sich die Kritik an der nachlässigen Verarbeitung der beiden ER-6 zu Herzen genommen habe und in fleißiger Detailarbeit Abhilfe schaffen wolle.

Wenn ein japanischer Hersteller die eingangs erwähnte Regel in Frage stellt, wonach Supersportler alle zwei Jahre eine leichte und alle vier Jahre eine tiefer gehende Überarbeitung erhalten, dann ist es Yamaha. Bereits die letzte Fünfventil-R1 blieb mit geringen Änderungen drei Jahre im Programm, und darüber, ob das aktuelle Modell 2009 oder erst 2010 abgelöst wird, gibt es widersprechende Aussagen. Offenbar erhalten Yamaha-Händler in Deutschland derzeit vom Importeur Hinweise, denen zufolge die derzeitige R1 noch ein Jahr nachsitzen muss. In Frankreich, vor allem jedoch Italien geht man davon aus, bereits für 2009 ein neues Motorrad anbieten zu können. Mit elektronischer Schlupfregelung, nochmals gesteigerter Leistung und als Reaktion auf Kritik an der Glupschaugen-Anmutung der Scheinwerfer einem anderen Design der Verkleidungskuppel. Dass sich dafür die Anlehnung an die YZF-R6 anbietet, dürfte klar sein.
Suzuki wird bei der nächsten Generation der GSX-R 1000 auf eine gefälligere Auspuffgestaltung achten. Da die japanischen Ingenieure für die Superbike-WM erstaunlich viel Leistung aus dem relativ langhubigen Vierzylinder kitzeln konnten, stehen große Änderungen in der Auslegung des Motors nicht an eher die eine oder andere Zweitverwertung aus der Rennmotorenentwicklung für die Serie. Ein ABS ist von diesen beiden Herstellern für 2009 nicht zu erwarten.
Gerüchte-Küche - Benelli, Ducati, Triumph
Heimlich, still und leise hat Benelli auf der Basis des 1130er-Dreizylinders eine Serie von V-6-Boots-motoren mit 2,2 Liter Hubraum gebaut. Man munkelt, der rührige Entwicklungschef Pierluigi Marconi arbeite an einem Riesen-tourer mit diesem Motor als Antrieb.
Auch bei Ducati scheint Gewaltiges zu entstehen. Niemand sagt etwas Konkretes, doch die Art, wie das Unaussprechliche verschwiegen wird, deutet auf ein nie dagewesenes Projekt. Der Ausbau der neuen Monster-Serie mit dem luftgekühlten 1100er sowie mit dem Testastretta-Evoluzione kann bei der Geheimniskrämerei kaum gemeint sein, denn dieser modellpolitische Schritt liegt auf der Hand. MOTORRAD vermutet daher: Ducati entwickelt ein Naked Bike mit dem V4-Motor der Desmosedici RR.Der britische Motorradjournalist Alan Cathcart durfte kürzlich bei einem Besuch im MV-Werk in Schiranna die Gussteile eines 675er-Dreizylinders sehen, der eine künftige MV Agusta F3 antreiben soll. Das Entwicklungsbudget für dieses Projekt ist jedoch im Moment ebenso wenig gesichert wie das für die F1, eine Supermoto-Maschine mit Viertakt-Einzylinder.
Apropos 675er-Dreizylinder: Bei Triumph steht nach der dritten Saison die erste Überarbeitung der bahnbrechenden Daytona 675 an.
Nach der positiven Resonanz auf die hauseigene YZF-R 125 und die Kawasaki Ninja 250 R scheint Yamaha ernsthaft über eine YZF-R 250 nachzudenken. Dies deutete sich am Rande eines Besuchs von MOTORRAD bei Yamaha-Italien an und wurde von einem japanischen Journalistenkollegen berichtet. Als Motor steht der hochmoderne Viertakt-Einzylinder der WR 250 X zur Verfügung. Er leistet 30 PS und würde gut in das geräumige und stabile Chassis der 125er passen.