Eine Strecke, vier Motorräder, sechs Stunden Fahrzeit, 13 Fahrer, 14 Turns, ein Motto: Vollgas mit Ducati 996 Biposto, Honda VTR 1000 F, Kawasaki ZX-7R und Suzuki GSX-R 750.
Eine Strecke, vier Motorräder, sechs Stunden Fahrzeit, 13 Fahrer, 14 Turns, ein Motto: Vollgas mit Ducati 996 Biposto, Honda VTR 1000 F, Kawasaki ZX-7R und Suzuki GSX-R 750.
Am Start: Vier Sportbikes von der Stange, Massenware, vermarktet unter dem Image des potentiellen Superbikes. Zwei 90-Grad-V-Twins mit vollem Liter Hubraum, zwei 750er Reihenvierzylinder. Die Ansage ist klar: Die vier Kandidaten - Ducati 996 Biposto, Honda VTR 1000 F, Kawasaki ZX-7R und Suzuki GSX-R 750 - so schnell wie möglich über das anspruchsvolle Auf- und Ab des GP-Kurses von Imola prügeln. An der Grenze der materiellen Belastbarkeit fahren, nix zerkratzen, höchstens die Fußrasten.
Damits fair zugeht, stellen Michelin Pilot Race Rennreifen (siehe Kasten) ultraklebrigen Kontakt aller vier Maschinen zum traditionsreichen Rennasphalt her. 13 Sportfahrer - vom Gelegenheits-Knieschleifer bis zum Ex-Grand-Prix-Piloten - stehen bereit, von denen jeder einmal, einer zweimal jedes Motorrad während der 14 anberaumten Turns über jeweils 25 Minuten bewegen muß - bei über 35 Grad im Schatten.
Bewertungskriterien? Klar, der schnellste Fahrer legt jeweils die Meßlatte. Dann hat das Motorrad, das die meisten Runden zurücklegt, schon mal gute Karten. Die durchschnittliche Rundenzeit aller gefahrenen Runden steht für die tatsächliche Performance des Prüflings über die Gesamtdistanz. Schließlich zeigt die Differenz zwischen den durchschnittlichen Rundenzeiten in einem Turn, die der langsamste und der schnellste Fahrer pro Motorrad erreichen, wie leicht sich der Umgang mit diesem Motorrad gestaltet. Alles verstanden? Dann konkret zu den einzelnen Mopeds.
Ducati 996 Biposto
Die herrliche Italienerin fühlt sich auf der italienischen Rennstrecke von Imola pudelwohl. Da die Ideallinie hier selbst die Formel 1-Bremsschikanen noch schnell und flüssig durchwindet, kämpfen die Piloten nicht ganz so verbissen mit der Unhandlichkeit der 996 wie auf winkligen Kursen. Auch machen die kompromisslosen Michelin die Bologneser Diva handlicher.
Sie erfreut denn auch überall mit tadelloser Kurvenlage und vorbildlicher Rückmeldung, die straffen Federelemente schaffen Ruhe im Fahrwerk und ziehen so mancher Bodenwelle den Giftzahn, einfach toll. Der erfolgreichste unter den V-Zweizylindern steuert das Seine zu den Qualitäten der 996 bei: sanft und wohldosierbar am Gas, kräftig ohne zornige Leistungsspitzen, dazu ein gierig-eng gestuftes Getriebe. Und die vielzitierte Sitzposition könnte kaum noch sportlicher sein. Allerdings vermissen große Fahrer schon mal den Halt auf den Rasten, kämpfen zudem mit enormen Stützkräften am Lenker beim Bremsen, was die Dosierung der ohnehin nicht sehr bissigen vorderen Brembos zusätzlich erschwert.
Viel Licht bei wenig Schatten insgesamt, was sich in hervorragender Performance auszahlt: Die Ducati dreht zusammen mit der Honda die meisten, nämlich 140 Runden, ist unter dem grimmigst am Quirl drehenden Markus »Barth Simpson« gerade mal zehn Sekunden langsamer als Mick Doohan im Grand Prix 1998. Die Suzuki als Zweitschnellste folgt im Respektabstand von fast zwei Sekunden. Auch bemerkenswert, dass der Abstand zwischen langsamster und schnellster Turn-Durchschnittszeit bei der Ducati vergleichsweise gering ausfällt, ein Indiz dafür, dass sie sich auf der Rennstrecke ziemlich leicht beherrschen läßt. Somit: Spiel, Satz und Sieg.
Honda VTR 1000 F
Abends zuvor herrschte noch Skepsis angesichts der VTR 1000 F. Nicht, dass einer an den Qualitäten der Honda gezweifelt hätte, wohl aber an ihrem Supersport-Talent. Und genau das sollte ja ermittelt werden. Würde sich die VTR mit ihren vergleichsweise komfortablen Federelementen und ihrer - ebenso relativen - Schwachbrüstigkeit nicht äußerst schwer gegen die aggressiven Mitstreiter tun?
Sie tat es nicht. Nicht nur, dass sie genauso viele Runden wie die Ducati gedreht hat, unterm Strich überraschte sie auch mit erstaunlichen Rundenzeiten. In puncto Schnelligkeit muß sie sich, sowohl absolut als auch durchschnittlich gesehen, zwar der Suzuki, der überlegenen Ducati sowieso beugen. Absolut ist der Abstand zur Konkurrenz aber erstaunlich gering. Wie kommt das?
Die VTR zelebriert leichteste Fahrbarkeit. Die Rasten schleifen sich kurz? Stresst nicht. Die Bremsen beißen etwas mau? Macht doch nichts. Nichts strengt besonders an, fast touristisch schwingt der Pilot die Honda durch Kehren und Schikanen. Leicht. Einfach. Easy. Und dabei, vielleicht deshalb, ganz unerwartet fix. Die geringste Differenz zwischen langsamstem und schnellstem Turn untermauert den spielerischen Umgang mit der VTR. Und empfiehlt sie als eines der genußreichsten Landstraßen- oder eben auch Rennstreckenbikes. Strike!
Kawasaki ZX-7R
Grün, aggressiv, geduckt - das Styling der ZX-7R verheißt pure Dynamik. Dynamik, die sie in vielen Rennserien bis hin zur Superbike -Weltmeisterschaft bewiesen hat. Talente hat sie also, allerdings wollen diese mit großem Aufwand aus der Serienversion heraustrainiert sein. Klar, bissige und wohldosierbare, sprich tolle Bremsen und eine harmonische Frontpartie bringen Punkte, die Lenkeigenschaften überzeugen ebenso wie die Federungs- und Dämpfungsarbeit der Gabel. Aber schwer ist die Kawa, ein Gewicht, das beim Beschleunigen, beim Bremsen, im Kurvenscheitel, eigentlich überall drückt. Zudem harmoniert für Imola die Übersetzung nicht, auch die Bodenfreiheit dürfte größer sein.
Unterm Strich bestätigt die Streckenperformance besagte Schwächen, denn die Kawasaki erntet in jeder Disziplin die rote Laterne. Ironie des Schicksals, dass ein Motorschaden - wahrscheinlich ein Ventil gebrochen - dem charakteristisch-martialischen Ansaugfauchen der ZX-7R in Turn 13 ein unfreiwilliges Ende bereitet. Zeit für Modellpflege.
Suzuki GSX-R 750
Sie ist leicht, sie ist stark, aber einfach zu fahren ist sie nicht. Die kapriziöse Suzuki fährt einfach zu nervös. Beim Bremsen hebt sie das Hinterrad, stempelt gern mal mit selbigem, erbarmungslos beißt oder besser schlägt der Motor zu, läßt in jeder Situation das große Spiel im Antriebsstrang spüren. Sowieso fährt immer irgendeine Form von Bewegung, von Unruhe mit, und wenn sie schlußendlich aus einem pumpenden Federbein erwächst.
Aber wenns dann läuft, dann läufts mit Macht. Die lange Anfreundungsphase kostet die wilde GSX-R unterm Strich zwei Runden gegen Ducati und Honda. Einmal eingewöhnt, hagelts dann aber schnelle Runden, die jedoch größere Sorgfalt erfordern als bei den V-Zweizylindern. Der Trick ist, sorgfältigst Belastungsspitzen zu vermeiden, sprich vorsichtiger bremsen, vorsichtiger Gas geben, vorsichtiger turnen, vorsichtiger schalten. Weil das nicht so einfach ist, treibt die Suzuki einfach mehr Schweiß als die anderen Mopeds. Aber schnell, schnell ist sie. Schwierig, in dieser Klasse mehr Speed pro Mark zu bekommen. Und somit Gleichstand mit der Honda.
Die vier Motorräder rollten gleichermaßen auf Michelin Pilot Race-Rennreifen der Dimensionen 120/70 ZR 17 vorn und 180/55 ZR 17 hinten. Im Interesse guter Highspeed-Stabilität basieren die Michelin auf einer Radialkarkasse mit Null-Grad-Kevlar-Gürtel. Darüber kreuzen dann, zwecks höchster Formstabilität unter Umfangs- und Querkräften, zwei um 45 Grad zum Umfang geneigte Schnittgürtellagen. Im Zusammenspiel mit Gummimischung und Profilierung gewährleistet dieser Rennreifenaufbau traumhaften Grip sowie fantastische Rückmeldung und Straßenlage bei toller Lenkpräzision und erstaunlicher Haltbarkeit.