Sieben edle Superbikes, zwei spanische Rennstrecken: Honda Fireblade SP, Aprilia RSV4 RF, Suzuki GSX-R 1000 R, Ducati 1299 Panigale S, Kawasaki ZX-10RR, Yamaha YZF-R1M und BMW S 1000 RR im Track-Test.
Sieben edle Superbikes, zwei spanische Rennstrecken: Honda Fireblade SP, Aprilia RSV4 RF, Suzuki GSX-R 1000 R, Ducati 1299 Panigale S, Kawasaki ZX-10RR, Yamaha YZF-R1M und BMW S 1000 RR im Track-Test.
Für den 2017er-Mega-Track-Test der Sportler haben sich die Sterne zu einer ganz besonders glücklichen Konstellation am Firmament versammelt: Gerade rechtzeitig lieferte Honda die noch flammneue Fireblade SP an MOTORRAD. Suzuki flog eigens ein Exemplar der kürzlich auf Phillip Island vorgestellten GSX-R 1000 R aus Japan ein. Die jüngst nachgeschärfte Aprilia RSV4 RF kam per Transporter direkt von der Präsentation aus Italien zur Rennstrecke. Yamaha YZF-R1M, Kawasaki ZX-10RR und die BMW S 1000 RR sind die jeweils allerersten ausgelieferten Testmaschinen nach Euro 4-Update. Dieser Vergleich hat Gewicht, und alle wollen dabei sein. Auch die Ducati 1299 Panigale S, die jedoch, zugegeben, ein wenig aus dem Rahmen fällt. Sie gönnt sich einen satten Hubraumaufschlag, ist noch nach Euro 3 homologiert und damit ein Abverkaufsmodell. Wäre sie aber nicht dabei, die schnelle Rote aus Bologna, sie würde fehlen. RF, S, SP, RR, R, M: Die Modellbezeichnungen verraten, dass hier – ausgenommen die BMW, die jedoch mit Zubehörpaketen aufgerüstet wurde – nur Superbikes in gehobener Ausstattungsvariante antreten. Als Testgelände dienen uns die WM-Strecke Motorland Aragón und der Circuito de Alcarràs. Aragón, das Reich des schnellen Schwebens, mit seinen zu großen Teilen weiten, flüssigen Radien, Gourmet-Asphalt und einer langen Geraden, an deren Ende das GPS-Data-Recording mit einem Profi im Sattel einer 200-PS-Maschine atemberaubende 290 Stundenkilometer ausweist, ist wie geschaffen, das Potenzial dieses Feldes auszuloten. Hier ist für aussagekräftige Zeiten und Testeindrücke ganz nah am Grenzbereich Arne Tode, ehemaliger Moto2-Pilot und zweifacher IDM-Supersport-Champion, mit von der Partie. Die Strecke in Alcarràs gibt sich weit weniger wohlgesonnen: engere, sich teils garstig zuziehende Kurven, pockiger Asphalt (aber viel Grip), die böse Bergab-Doppellinks-Mutkurve, eine hundsgemeine Schikane und eine Gerade, so wellig, dass die Wheeliekontrollen auch im vierten Gang ausgiebig getestet werden können. Mehr Grabenkampf als Schweben, aber umso besser geeignet, auch kleinste Unzulänglichkeiten und Schwächen aufzudecken.
Welche also ist die Schnellste und warum? Wie wichtig ist hierfür Leistung? Wo stehen die schnellen Sieben des Jahrgangs 2017 in Sachen Regelelektronik? Braucht es ein semiaktives elektronisches Fahrwerk, wie Panigale S, R1M, Fireblade SP und die so spezifizierte S 1000 RR es mitbringen? Schließlich: Wo reihen sich die lange ersehnten Neuzugänge Fireblade SP und GSX-R 1000 R im Feld ein?
Eine erste Referenz liefert die RSV4 RF, Siegerin des letztjährigen Vergleichs. In der Tat gelingt Arne Tode auf ihr auch die beste Rundenzeit in Aragón: 1:59,5 min. So konsequent wie kein anderes Motorrad in diesem Feld will die Aprilia, entsprechend dem selbst gesteckten Anspruch der Entwickler, nur eines, nämlich schnell sein auf der Rennstrecke. Kompromisslos sportlich die Sitzposition: hinten sehr hoch (845 Millimeter Sitzhöhe), vorne tiefe Lenkerstummel, brettharte Sitzbank. Dies und eine sehr kompakte Bauweise mit kurzem Tank ergeben eine hervorragende Bewegungsfreiheit für den Jockey. Die sollte, nein, muss dieser aber auch gebrauchen. Wer in den Kurven nicht tief, gleichsam innen neben das Vorderrad abtaucht, nutzt ihr Potenzial für schnelle Kurvenfahrt nur zum kleinen Teil. Doch wer zu dieser komfort- und filterlosen Ergonomie seinen eigenen Körpereinsatz gibt, genießt ein glasklares Gefühl für den Grip und die Reaktionen des Vorderreifens. Damit animiert die RSV4, mehr Geschwindigkeit in die Kurve mit hineinzunehmen, im Kurvenscheitel konsequent die enge Linie zu suchen, um das Motorrad frühzeitig so zu positionieren, dass die optimale Bahn fürs
reißende Herausbeschleunigen offen liegt. Eine gar nicht so profane Erkenntnis: Kurvenspeed macht schnell. Und zwar auch vor und nach der Kurve.
In diesem Punkt zeigen die Aprilia und die Yamaha große Gemeinsamkeiten bis hin zur exakt identischen Rundenzeit. Auch die R1M platziert ihre Fahrer hinten hoch und vorne tief – die Mitte der Lenkerhälften liegt nur um etwa zwei Zentimeter über der Sitzfläche. Auch sie belohnt diejenigen, die sich damit arrangieren können, mit fulminantem Einlenkverhalten und faszinierender Präzision. Im Unterschied zur Aprilia ist die Federung der Yamaha „freundlicher“ abgestimmt. Das neue Umlenksystem der aktuellen RSV4 agiert trotz einer weicheren Feder im hinteren Öhlins-Dämpfer mit gnadenloser Härte, während die R1M mit ihrer elektronisch geregelten Dämpfung und einer hervorragenden Grundabstimmung straff, aber fügsam die Wellen bügelt. Dank der semiaktiven Dämpfungsregelung zeigt die M-Version der R1 das typische Aufsteigen des Hecks beim scharfen Bremsen – es ist dem handlingfreundlichen, extrem kurzen Radstand geschuldet – nur in abgemilderter Form. Mehr Druckdämpfung vorn und weniger Zugdämpfung hinten verbessern die Bremsstabilität, wie auch ein zusätzliches Anheben der Frontpartie in den Gabelbrücken seitens der Tester ein auf der Bremse tanzendes Hinterrad weiter abmildert. Nebenbei bemerkt, verfügen alle sieben Maschinen über höchst standfeste Bremsanlagen, die Vorderreifen ins Schwitzen und defensiv abgestimmte, nicht abschaltbare Blockierverhinderer in Bedrängnis bringen. Unter ihnen allerdings sticht die Yamaha mit besonders feiner, saugend-leckender Dosierbarkeit und kristallklarem Druckpunkt besonders hervor.
Auf dem Niveau, auf dem sich die R1M und die RSV4 RF bewegen, sind Unterschiede in Motorleistung und Drehmoment von nachrangiger Bedeutung. Die Yamaha kann fast immer im Bereich über 7000/min, also oberhalb der Drehmomentflaute, gefahren werden und die Aprilia von ihrer etwas höheren Spitzenleistung nicht erkennbar profitieren.
Hinter den beiden Schnellsten, die für Rundenzeiten von unter zwei Minuten gut waren, kommt eine Dreiergruppe mit 2.00er-Zeiten eng beieinander ins Ziel. Dies allein wäre noch kein Grund, BMW, Honda und Ducati in der Rennstrecken-Punktewertung hinter Aprilia und Yamaha zu setzen. Doch beim Rundenzeiten-Shootout offenbarte jeder der drei Zweiminutenbrenner in zugespitzter Form und auf seine Weise, was ihn im Vergleich zum Spitzenduo die eine oder andere Zehntelsekunde kostet.
Bei der BMW S 1000 RR sind dies wie in den vergangenen Jahren die Sitzposition und das Fahrwerk, vor allem die Hinterradfederung und -dämpfung. Die gemessene Sitzhöhe liefert dazu einen wichtigen Hinweis. Mit 820 Millimetern gehört die BMW zu den niedrigsten, abgesehen von der Kawasaki ZX-10RR, auf der man noch fünf Millimeter tiefer sitzt. Weil auf aktuellen Supersportlern mit Rennreifen ohne Weiteres Schräglagen von satt über 50 Grad gefahren werden, dürfen die Fußrasten nicht allzu tief montiert sein. Aus der Kombination dieser beiden Eigenschaften ergibt sich zwangsläufig eine eher passive Sitzposition auf der BMW, die es einem erschwert, sich kurvenausgangs gegen den massiv einsetzenden Vortrieb zu stemmen. Hinzu kommt ein spürbares Rühren der Hinterhand beim Beschleunigen, welches sich auch bei diesem Test trotz weiterer Einstellexperimente mit der semiaktiven Dämpfung nicht abstellen ließ. Weil die BMW anders als 2016 auf schwereren Standardrädern rollte, schien es sogar noch ein wenig stärker ausgeprägt zu sein. Eine leichte, doch spürbare Neigung, beim Beschleunigen in Schräglage nach außen zu ziehen, sowie kernige Rührbewegungen in der Lenkung beim Übergang auf die Geraden sind die Folge und dämpfen den Tatendrang des Fahrers. Der S 1000 RR fehlt es in den Bergabpassagen auch ein wenig an Motorbremsmoment, was Aufmerksamkeit fordert fürs gefühlvolle Dosieren der Hinterradbremse. Im höchst erfreulichen Unterschied zum letzten Jahr allerdings stand die BMW-Bremse dieses Mal wie eine Eins. Fadingerscheinungen oder ein wandernder Druckpunkt blieben den Testern erspart.
So sorgt letztlich der enorm druckvolle, fein einsetzende BMW-Vierzylinder für eine achtbare Rundenzeit. Genau umgekehrt ist es bei der Fireblade SP. Sie kommt trotz nennenswertem Leistungsdefizit auf fast die gleiche Zeit wie die BMW. Zieht man zur Ursachenforschung die originalen, fein aufgelösten Data-Recording-Aufzeichnungen zurate, zeigt sich ein ähnliches Bild wie bei der Aprilia und der Yamaha. Mit Expresszuschlag. Zum Vergleich: In der Corkscrew genannten Bergabpassage war die Yamaha an der langsamsten Stelle 93,3 km/h schnell, die Honda 98 km/h. Die Rechts-links-Schikane vor der Bergabgerade durchwedelte die R1M mit 92 km/h, die Fireblade mit 97 km/h. Dies gab ihr einen solchen Schwung auf die Gerade mit, dass sie in der Höchstgeschwindigkeit nur 5 km/h auf die ungleich stärkere R1M verlor und immerhin 285 km/h erreichte.
Auf der winkeligen Strecke von Alcarràs tritt der Handlingvorteil der Honda noch stärker hervor; sie erreichte unter Top-Tester Karsten Schwers und zwei weiteren Fahrern hinter der BMW die zweitschnellste Rundenzeit. Offenbar braucht man hier entweder einen brachialen Motor oder ein bestechendes Fahrwerk. Nicht auszudenken, welche Rakete sich ergäbe, wenn BMW und Honda ihre jeweiligen Erkenntnisse im Motor- und Fahrwerksbau zusammenbringen würden.
Es soll bloß niemand annehmen, er müsse nur eine Fireblade SP kaufen und bekäme dann die schnellen Runden geschenkt. Zwar fährt sie dank ihrer weniger radikalen Sitzposition und nochmals kompakterer Bauweise kommoder, kräfteschonender als die Aprilia und Yamaha, besitzt aber ein äußerst feinfühliges Handling. Dementsprechend sollten Lenk- und Bewegungsimpulse des Fahrers ebenso feinfühlig und präzise erfolgen, Gleiches gilt für das Anzupfen des Gasgriffs in der Kurvenmitte. Relativ viel Spiel im Antriebsstrang verursacht beim grobmotorischen Zug am Kabel derbes Lastwechselrucken, welches das sensible Fahrwerk sogleich in leichte Irritation versetzt. Nicht gerade das, was man in voller Schräglage gerne hat. Den Schaltassistenten auf die höchste Empfindlichkeit einzustellen, hilft, die Lenkeinflüsse beim schnellen Durchschalten zu verringern.
Während die Abstimmung der semiaktiven Dämpfung der Honda ähnlich der Yamaha sofort zufriedenstellt, bremst die anfangs auf mittlerer Stufe befindliche Traktionskontrolle den Vorwärtsdrang zu sehr. Man landet schnell in den beiden schärfsten Stufen. In Aragón passte Stufe zwei, in Alcarràs musste es wegen der vielen Bodenwellen sogar Stufe eins sein. Die Stufen drei bis acht sind wohl nur im Regen zu gebrauchen, ihr Regelverhalten ist bei normalen Bedingungen zu defensiv.
Ebenfalls etwas zu vorsichtig, allerdings ohne Möglichkeit der Justage, geriet die Abstimmung des Honda-ABS. Gerne hätten alle Fahrer den Blockierverhinderer an den enormen Grip der Rennreifen angepasst oder wenigstens abgeschaltet, denn ein ums andere Mal hielt das System sicher erreichbare Verzögerungen für sturzgefährlich und reduzierte deshalb über längere Zeit die Bremskraft. Die Aprilia, BMW und Ducati lassen sich in feinen Stufen an die Verhältnisse auf der Rennstrecke anpassen, auf Wunsch ist ihr ABS teilweise oder sogar ganz abschaltbar. Leider gestatten die Sicherheitsbedenken aller vier japanischen Hersteller dies nicht. Bei der Fireblade fehlt sogar die Möglichkeit, durch Ziehen einer Sicherung das ABS zu deaktivieren, weil dadurch die komplette Elektronik außer Betrieb gesetzt würde. Ein kostengünstiger Dongle zum Abschalten des Hinterrad- oder des gesamten ABS, wie er für etwa 25 Euro für die Kawasaki ZX-10R angeboten wird (bitte beim nächsten Mal beilegen!), ist ebenfalls nicht verfügbar. Eine aus unserer Sicht übertriebene Vorsicht, die auf der Rennstrecke nicht zu mehr, sondern zu weniger Sicherheit führt. Supersportler vom Kaliber unserer Testmotorräder sollten Anpassungen ermöglichen, die im Rennstreckenbetrieb einen Gewinn an aktiver Sicherheit bringen.
Diesbezüglich tadellos tritt, wie erwähnt, die Panigale S auf. Nicht nur ließe sich das ABS einfach per Menü deaktivieren, es ist auf so hohem Niveau kalibriert, kommt mit den Rennreifen so gut zurecht, dass dies gar nicht erst notwendig erschien. Gleiches trifft auf ihre Traktionskontrolle zu: In feinen Stufen lässt sich diese vom Lenkerende und während der Fahrt justieren. Ein willkommenes Feature, besonders dann, wenn der hintere Reifen mitten im Turn das Ende seiner Lebenszeit erreicht. Was durchaus einmal vorkommen kann auf der 1299. Denn ihr mächtiger Superquadro-Testastretta-Desmo-L-Twin (ja, schöne Namen können sie in Italien) schaufelt schubkarrenweise Drehmoment ans hintere Ende der Einarmschwinge. Mit gemessenen 201 PS und in der Spitze 140 Newtonmetern steht der (freilich noch nach Euro 3 homologierte) 1300er astrein im Futter, vernascht nicht nur Semislicks, sondern auch Zwischengeraden mit unnachahmlichem Punch. Wie wir aber bereits festgestellt haben, macht nicht die unbedingte Leistung allein schnell. Fein dosierbar stellt die Duc ihren forschen Antritt bereit, zehrt aber mit ihrem heftigen Drehmomentanstieg bei etwa 7500 Touren, der sorgsam verinnerlicht sein will, an der Ausdauer des Piloten. Fast noch mehr als die beinharte Aprilia (und mit Abstrichen die feinnervige Honda) verlangt die 1299 S nach kundiger, geübter Führung. Ursächlich hierfür sind einerseits die gänzlich verschiedenen Schaltpunkte, die beim einzigen Zweizylinder im Feld vollkommen neu sortiert sein wollen. Das darf man der Ducati aber nicht vorwerfen, es liegt in der Natur der Sache. Andererseits, und hier liegt der Hauptkritikpunkt, arbeitet ihr semiaktives Öhlins-Fahrwerk „out of the box“ nicht mit der gleichen Souveränität wie die Systeme von Honda und Yamaha. Unerwartet viel Bewegung, besonders über Bodenwellen in Schräglage und beim Herausbeschleunigen, auch hervorgerufen durch die relativ langen Zugkraftunterbrechungen des Quickshifters, erfordern viel Konzentration. Durch manuelles Nachjustieren in der hervorragenden Schaltzentrale lässt sich dies zwar ein wenig wegdämpfen, aber nie ganz abstellen. Dass der schnelle Arne in Aragón auf der Panigale S trotzdem die drittbeste Zeit hinnagelte, sei mit dem hochtransparenten Feedback der Front, sehr engagiertem Handling (mit 194 Kilogramm fahrfertig ist sie die deutlich leichteste Maschine im Vergleich) sowie einer enormen Bremsperformance und Stabilität erklärt. Welche Rolle die ausgezeichnete Ergonomie der Ducati dabei spielte, hat uns der ehemalige Moto2-Fahrer nicht erzählt; für ihn war sie wohl selbstverständlich. Der Rest der Truppe aber hat die Unterschiede wohl bemerkt: Die wunderbar schmale Taille des Zweizylinders gestattet intimen Knieschluss, an den schön konturierten Tankflanken kann man im Hanging-off und auf der Bremse regelrecht einrasten, und tiefe, aber weit auseinanderliegende Lenkerstummel vermitteln sichere Kontrolle. Möglicherweise wäre auf der Duc sogar eine noch bessere Rundenzeit drin gewesen, aber der Fairness halber haben wir jeder Maschine exakt drei fliegende Runden zugestanden, und die starke, aber spezielle Ducati war die einzige, mit der er in der dritten Runde am schnellsten war.
Das zur Verfügung stehende Potenzial zu erschließen, gelingt auf der neuen GSX-R 1000 R ungleich einfacher. Draufsetzen, wohlfühlen, schnell sein – aber nur bis zu einem gewissen Punkt. Zunächst umgarnt die Kilogixxer Race-Novizen und weniger sehnige Zeitgenossen, ebenso wie BMW und Kawa, mit einer eher bequemen Sitzposition, also vergleichsweise tiefem Polster und hohen Stummeln. Die aber lässt, wie auch bei den beiden anderen, das letzte Quäntchen Angriffslust vermissen. „Keine Extreme“, scheinen sich die Entwickler obenan ins Lastenheft gesetzt zu haben. Mit gemessenen 193 PS und einer starken Mitte drückt das Aggregat zwar mehr als ausreichend, läuft dem hauseigenen Anspruch aber ein wenig hinterher. Dass der Motor, vielleicht dank der nicht negativ spürbaren variablen Ventilsteuerung, bei 6000 Touren rund 15 PS mehr liefert als ZX-10RR und R1M, ist schön und für Landstraßenfahrer sicher ein handfester Vorteil. Auf der Rennstrecke bringt diese Charakteristik keine Vorteile. Schon eher ins Gewicht fallen die sensibel-geschmeidige Gasannahme des Vierzylinders, auf Augenhöhe mit jener der BMW, sowie der perfekt angepasste Quickshifter. Dieser bringt mit knackigen Schaltzeiten kaum Impulse ins ohnehin gutmütige Fahrwerk. All das macht die neue R-Gixxer zu einer sehr leicht zu bewegenden Sportmaschine. Kleine Unachtsamkeiten und Fahrfehler nimmt sie gelassener, im Gegenzug aber fehlen ihr die letzen drei, vielleicht auch fünf Prozent an Präzision und Biss. Wo die Kurvenkünstler des Vergleichs agil und zielgenau einlenken, scheinbar von selbst die enge Linie finden, in Wechselkurven behände die Schräglage wechseln, lässt es die Suzuki trotz steilsten Lenkkopfs und kürzesten Nachlaufs ruhiger, langsamer angehen, um nach dem Scheitelpunkt dann leicht, aber spürbar die weitere Linie zu suchen. Als mögliche Gründe für dieses Verhalten kommen die relativ schweren Räder in Betracht, vor allem aber die hohe Vorderradlast, mit einem Anteil von 52,5 Prozent am Gesamtgewicht die höchste im Feld. Die Showa-Federelemente mit Balance-Free-Technologie arbeiten, wie auch die gute Traktionskontrolle, im besten Sinne klaglos. Weniger negativ als jenes der Honda fiel das Suzuki-ABS auf, es ließe sich zudem per Manipulation der Sicherung deaktivieren. Darauf haben wir der Vergleichbarkeit halber jedoch bewusst verzichtet. Ohnehin ist es nicht der Blockierverhinderer, der die Suzuki zwingt, sich weiter hinten einzuordnen. Ihre weniger extreme Grundauslegung macht sie zwar nicht zu einer stumpfen, aber doch zu einer weniger scharfen Waffe. Es sei aber die Prognose gewagt, dass die Kilogixxer, mit oder ohne dem zweiten R, ihre große Stunde beim Landstraßenvergleich erleben wird.
Die Eigenschaften des Suzuki-Fahrwerks, positiv wie negativ, verstärkt Kawasakis ZX-10RR, immerhin das Arbeitsgerät eines gewissen Jonathan Rea. Mit an Trägheit grenzender Gutmütigkeit macht es die Kawasaki Amateuren leicht, Runde um Runde an Bremspunkt und Ideallinie zu feilen. Cracks stehen auf ihr im Serientrimm allerdings bald an, Data Recording und Rundenzeiten auf beiden Strecken dokumentieren dies. Ursächlich hierfür ist neben der schon skizzierten, vergleichsweise inaktiven Sitzposition eine unglückliche Kombination aus langer Endübersetzung, renngemäß gestuftem Getriebe und einem Motor, der viel seiner Leistung im Drehzahlband ganz oben versteckt. 8000 Touren sind Minimum, besser noch gleich fünfstellige Drehzahlen, soll die mattschwarze Grüne ihren geringeren Kurvenspeed mit Zwischensprints ansatzweise egalisieren. Die Fahrwerkseckdaten untermauern diesen Befund: Nicht außerordentlich, aber relativ flach steht die Gabel, länger geriet der Nachlauf und recht lang der Radstand. Diese mäßig-gestreckte Auslegung kostet etwas Handlichkeit, kommt der Kawasaki wiederum beim Bremsen zugute. Mit großer Stabilität nimmt sie harte Verzögerungsmanöver, reduziert dann zwar ebenfalls gelegentlich den Bremsdruck, verfällt aber auf eine Stufe, die noch als ausreichende Verzögerung wahrgenommen wird. Beim Einlenken braucht sie viel Zeit; wer den optimalen Punkt nur ein wenig verpasst, hat kaum Möglichkeiten zu korrigieren. Wetten, dass die WM-Superbikes von Johnny Rea und Tom Sykes schärfer und präziser einlenken?
Trotz aller Kritik, trotz aller Unterschiede sei festgehalten: Der Superbike-Jahrgang 2017 ist fraglos der beste, den es je gab. Die Abstimmung mancher elektronischer Fahrhilfe ließe sich im Detail sicher noch verbessern, insbesondere die Antiblockiersysteme der japanischen Hersteller. Grundsätzlich infrage gestellt hat sie aber keiner der Tester. Selbst die Wheeliekontrollen, deren Sinn von einigen Fahrartisten lange bezweifelt wurde, fanden heuer durchweg Anerkennung. Im Laufe der Tests hat sich gezeigt, dass alle Fahrer die Angebote der elektronischen Fahrassistenzsysteme heute so selbstverständlich und gern nutzen wie beispielsweise das Potenzial eines guten Reifens. Umso lieber, da die Superbikes der 200-PS-Liga ihrerseits ungeheuer anstrengen. Einfach deshalb, weil sie so schnell sind.
1. Zu diesem Zeitpunkt vor Beginn des eigentlichen Tests rollten alle Motorräder für die zunächst geplanten Fotofahrten auf Pirelli Dragon Supercorsa SP. Wie jeder Fahrer wusste, waren sie ganz neu, nicht vorgeheizt und sollten im Verlauf von drei ersten Besichtigungsrunden angefahren und –gewärmt werden.
2. Der Kollege, dem das Malheur passiert ist, ist ein erfahrener und normalerweise sattelfester Rennfahrer. Es war ihm jedoch nicht bewusst, dass man einen neuen Reifen nicht durch „Wedeln“ auf Temperatur bringen kann, sondern zunächst nur durch moderates Geradeausbeschleunigen und Bremsen. Die Betonung liegt auf „Geradeaus“.
3. Die Traktionskontrolle der Fireblade SP war eingeschaltet. Weil der kalte und neue Reifen – zumal in Schräglage – durch den kurzen Gasstoß rasch in hohen Schlupf geriet und die Räder aufgrund der langsamen Geschwindigkeit nur geringe stabilisierende Kreiselmomente aufbauten, war das Motorrad sehr schnell in einem heillos instabilen Zustand. Zu schnell für eine Traktionskontrolle, die über die Drosselklappensteuerung eingreift. Mit hoher Wahrscheinlichkeit hätte nur eine Traktionskontrolle mit direktem Zugriff auf die Hinterradbremse das Problem lösen können. Ein solches System wird bisher nur in Automobilen verwendet (ESP).
Schnell, schneller, am schnellsten - Superbikes, die Königsklasse im Motorrad-Bereich. Vollgestopft mit Rennsport erprobter Technologie aller Art sind sie der Stolz eines jeden Herstellers und setzen gleichzeitig die Benchmark des derzeit Machbaren im Bereich Motorrad-Performance. Auch wenn Abgasnormvorschriften die Hersteller vor große Hürden stellen und einige legendäre Motorräder bereits dran glauben mussten, werden dennoch Jahr für Jahr neue, noch schärfere Supersportler vorgestellt. Hier findet ihr die derzeit heißesten Supersport-Bikes die der Gebrauchtmarkt zu bieten hat: Preise top-aktuelle Superbikes Deutschland