Sportler Im Vergleich: Yamaha TRX 850, Kawasaki ZX-.6R, Suzuki GSX-R 750, Honda CBR 900 RR
Offensive

Stärker, schneller, leichter heißt die Maxime im Supersport-Zirkus. Ein ungewöhnlicher Vergleich von unvergleichlichen Varianten zum Thema Sportlichkeit. Mit voller Leistung und auf der letzten Rille gefahren.

Stehender Applaus im Circus Maximus beim Einzug der Gladiatoren: Die schnellsten Supersportler des Jahrgangs 1996 treten zum ultimativen Schlagabtausch in den Ring. Leicht, alle unter 210 Kilogramm, bärenstark und durchtrainiert. Sportler eben. Vorhang auf, Taräääää, Fanfaren, Jubel - und dann so was: Schüchtern stiehlt sich die dürre Yamaha TRX 850 aufs Podium, das Publikum staunt, Pfiffe von den billigen Rängen. »Was hat der Mickerling hier zu suchen, das sind doch keine Bundesjugendspiele.« Ja genau, was will denn die schwächliche TRX 850 im Circus Maximus? Mitspielen, einfach nur mitspielen. Hat zwar nur zwei Zylinder, aber in jedem fünf Ventile. Immerhin. Und 80 und ein paar zerquetschte PS. Auch nicht schlecht, aber einfach zu wenig. Und dann das Fahrwerk, wie zu Schorsch Meiers Zeiten - aus Stahlrohr. Schlechte Karten also.

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Stell dir vor: Muskelprotz Hulg Hoogan catcht gegen Wiegald Bohning. Zum totlachen. Dann aber strahlen die Gesichter der Zuschauer, die Kawasaki tänzelt ins Stadion. Giftgrün wie immer, durchtrainiert, sehnig. Kaum ein Jahr dabei und schon Weltmeister - oder so was Ähnliches. Auf jeden Fall hat der Udo Mark mit seiner ZX-6R die Jungs in der Thunderbike-Trophy sauber abgeledert, und bei MOTORRAD wurde sie 1995 vor der CBR 600 F zur Sportlerkönigin gekürt. Alles Schnee von gestern - vergiß es,Kumpel. Oder warum, glaubst du wohl, flippt der weißblaue Fan-Club in der Ostkurve jetzt total aus? Sie ist da, die Neue, die Starke, die Schnelle - die GSX-R 750. »Built to win«, sagen die von Suzuki. Mit 128 PS und schlanken 205 Kilogramm ein Kinderspiel. Aber wenn Kinder spielen, weiß man ja nie, wie´s ausgeht.

Vor allem dann, wenn der Brecher da hinten noch mitspielt: Ja genau, der mit den Luftlöchern im Sportdreß. CBR 900 RR - das allein wär` nicht so schlimm, aber da steht noch Honda davor, und die wissen, wie man Motorräder baut. Feintuning hätten sie an der neuen Fire Blade betrieben, Big-Bore-Kits hätten sie reingesteckt und Gewicht gut gemacht. Na, dann schaun wir mal. Die Spielregeln sind klar, pure Sportlichkeit ist gefragt. Was nicht unmittelbar damit zu tun hat, mit qualmendem Gummi in Null-Komma-nichts auf 250 km/h zu beschleunigen.

Viel wichtiger: Schub in allen Lagen, Drehfreudigkeit, Handling, Bremsen, Schräglage - kurz: alles, was den Spaß am Motorradeln in seiner extremsten Form ausmacht. Und damit keiner schummelt, werden beim Rennstreckensprint Geschwindigkeit und Drehzahlen elektronisch aufgezeichnet. Und weil kein Mensch auf die Idee kommt für den 100m Sprint derbe Bergstiefeln überzustülpen, tragen alle vier Pirelli Dragon-Sportschuhe: in puncto Handling und Stabilität schon immer ein gute Wahl.

Alle Kraft und Ehrlichkeit: Die Motoren. Das aktuelle Patentrezept für maximale Leistung lautet offenbar: vier eng aneinandergereihte, wassergekühlte Zylinder, zwei Nockenwellen, vier Ventile und senkrecht in den Brennraum stürzende Atemwege. So jedenfalls präsentiert sich die uniforme Technik bei allen Vierzylindern im Vergleich. Yamahas TRX-Twin versucht mit fünf Ventilen das Drehzahlhandicap der beiden 424 cm3 großen Töpfe wettzumachen, hält sich aber in allen anderen Baugruppen streng ans Vierzylinder-Vorbild: Wasserkühlung, zwei Nockenwellen, schnurgerader Ansaugschlund. Seidenweichen Motorlauf über die ganze Drehzahlleiter haben die Kawasaki- und Suzuki-Ingenieure ihren Kraftsportlern antrainiert. Hondas 900er kribbelt dagegen je nach Drehzahl schon teilweise lästig in Lenker und Rasten. Dafür schiebt der CBR-Motor aus Drehzahlen vorwärts, bei denen seine Widersacher noch kraftlos vor sich hinröcheln. Hubraum eben. Gepaart mit der Tatsache, daß Honda die Motorenabstimmung auf sattes Drehmoment statt schierer Leistung trimmte.

Das Rücklicht wird klein und kleiner, die CBR 900 RR macht sich bei der Durchzugsprüfung unhaltbar aus dem Staub. Wacker marschiert der Yamaha-Twin hinterher und erreicht noch vor Suzuki und Kawasaki im letzten Gang die 160-km/h-Marke. Zweizylinder eben. Der rüttelt zwar unter 3000/min unsanft am Gitterrohrrahmen, kommt danach aber schnell zur Ruhe und preßt keine 2500/min später satte 91 Nm an Drehmoment auf die Rolle. Aber was hat das alles mit Sportlichkeit zu tun? Durchzug? Drehmoment? Laufruhe? Alles Quark - Poooower!!!! Bitte schön, können Sie haben, jede Menge. Mit der Suzuki GSX-R 750 gelingt der Sprint bis 200km/h in 10,8 Sekunden, fast drei Sekunden mehr benötigt die CBR 900. Aber passen Sie auf, daß sie mit ihrer neuen Suzuki dabei keine Rolle rückwärts machen, wär` schade ums Material.

Vielleicht genügt auch die kleine Kawasaki, die schafft´s in 14,2 Sekunden - ohne Kapriolen. Und wo bleibt die Yamaha? Da ist doch hoffentlich nix passiert. Ahh, ja, jetzt, da hinten. Alles klar: 26,9 Sekunden für den »Sprint« von 0 bis 200 km/h. Eine wirklich zeitloses Motorrad, diese TRX 850.Verabschieden wir uns von den rein akademischen Meßwerten und fahren um die Wette. Im südfranzösischen Ledenon ist zwar auch Winter, aber nicht ganz so Winter wie bei uns. Und eine Rennstrecke haben die dort unten, erste Sahne. Rauf und runter, links, rechts, schnell, langsam - einfach toll. Und plötzlich sind Durchzug und Drehmoment wieder Thema Nummer eins. Nichts gelingt einfacher, als eine flotte Runde mit dem TRX-Zweizylinder. Bremsen, runterschalten, Gas aufziehen. Sanft und trotzdem kraftvoll rauscht die Yamaha aus den Ecken. Nur schade, daß sich das Fünfganggetriebe nicht annähernd so sanft schalten läßt.

Aber egal, wenn´s beim Anbremsen mit der Schalterei nicht mehr klappt, bleibt der große Gang drin, der Fünfventiler stampft sich fluchs wieder frei und dreht hemmungslos bis zum Anschlag. Dort, wo die 130-PS-Raketen vor lauter Kraft schwarze Striche auf den Asphalt brennen, brettert der TRX-Pilot liegend, Gas am Anschlag, durch. Soooo viel Spaß und soooo wenig Streß. Aber mit gerademal 183 km/h Topspeed auf der Zielgeraden viiiiel zu langsam. Mit der ZX-6R von Kawasaki kommen wir der Sache schon näher. 197 km/h notiert der Bordcomputer als Bestwert. Kein Wunder mit dem Motor und dem Getriebe. Hat man seine Schaltpunkte gefunden, gibt es nichts mehr, das einen aufhält. Phantastisch weich, ohne jedes Lastwechselzucken, legt der kleine Vierzylinder los, dreht, was das Zeug hält, und läßt sich absolut präzise schalten. Rauf oder runter, egal, die Gänge sitzen bombenfest. Ein Gedicht. Aber immer noch viiiiel zu langsam.

Her mit der Suzuki-Granate. Aufs Hinterrad und ab die Post. Ein echter Rennmotor, unten rum ziemlich zäh, in der Mitte na ja, und bei 10 000/min zieht`s dir die Arme lang. Wenn dann das Vorderrad bis in den dritten Gang, das sind laut Data-Recording 175 km/h, noch Flieger spielt, braucht´s gute Nerven und eine noch bessere Balance. Und das trotz der ewig langen Gesamtübersetzung, die mit dem verwinkelten Kurs von Ledenon überhaupt nicht harmoniert. Deshalb blitzschnell durchschalten, das Getriebe macht`s munter mit, bremsen, runterschalten - ratatatatatatat, schon stempelt und springt das Hinterrad ohne Ende. Kleiner Trick bei solchem Ärger: beim Runterschalten die Kupplung leicht gezogen lassen, gerade so, daß der Motor noch mitbremst, das harte Stempeln aber im Schlupf der Kupplung untergeht. Wer den Trick in der Hektik schneller Runden noch einbauen kann, dem hilft`s, aber trotzdem ein rechter Mist. Zuviel Spiel im Antrieb, zu weiche Ruckdämpfer im Hinterrad, und das Ganze kombiniert mit einem abrupten und ruckeligen Leistungseinsatz beim Gas anlegen.

»Built to win«? Ein Siegermotorrad stellt man sich eigentlich anders vor. Schade, soviel Power, soviel Speed, und trotzdem nur bei den Messungen auf der Zielgeraden mit 206,8 km/h auf Platz eins. Gerade mal einen knappen km/h langsamer zischt die CBR 900 durch Start und Ziel. Und das ohne Ram-Air-Zauber und mit einer ziemlich zerklüfteteten Aerodynamik. Satte 95 Nm Drehmoment katapultierten die 206 Kilogramm plus Fahrer wie eine Schleuder die steile Zielgerade empor. Die Front hebt sich sanft und berechenbar vom Asphalt, wenn´s zuviel wird, einfach den nächsten Gang reingedrückt, der Motor schiebt auch ohne das letzte Quentchen an Drehzahl ungestüm weiter. Nur zum Schalten sollte man sich Zeit nehmen, den beim überstürzten Gangwechsel verirrt sich die knochig harte Schaltung bei den unteren Gängen zuweilen im Zwischenleerlauf. Nur Yamaha fällt aus dem Rahmen: Die Fahrwerke.

Warum nicht, dachten sich die Yamaha-Konstrukteure, und umrahmten ihren TRX-850-Motor mit stabilen Dreiecksverbänden aus Stahlrohr, womit bereits optisch eine klare Abgrenzung zu den einheitlichen Aluminium-Brücken der Vierzylinder-Armada gezogen wird. Ein Verzicht auf moderne Federung und Radführung wollte man nicht riskieren, so drehen sich zwischen 41er Telegabel und Aluminium-Schwinge Räder und Reifen in aktuellem 600er Supersport-Format und machen sich zwei Vierkolben-Stopper an 300er Bremsscheiben zu schaffen. Der Computer-Spezialist checkt noch einmal die Elektronik, klick, alles klar, Zeit läuft. Schön, wenn es der fahrende Untersatz nicht ganz so eilig hat und etwas Zeit bleibt, um die Ideallinie auf den letzten Millimeter auszufeilen. Das gelingt mit der TRX 850 perfekt. Der Pilot findet auf der Yamaha ein kommodes Plätzchen, von dem aus sich der Twin vorzüglich dirigieren läßt. Wie geschaffen für den flotten Tagesritt auf der Landstraße, nur auf der Rennpiste ein bißchen zu aufrecht, zu zivilisiert, fühlt man sich hinter dem knuppeligen, aber schmalen Tank pudelwohl.

Zum Bremsen braucht`s kräftige Pranken, einlenken und schräglegen macht die TRX dagegen von selbst. Schlägt der Asphaltteppichen dabei Wellen, gehen der TRX-Gabel die Reserven aus, und die Frontpartie stuckert nervös über Flickstellen. Wie gehabt, setzt Yamaha auch bei der neuen TRX-850 auf eine spindeldürre 17 Millimeter ?? Vorderachse in einfachen Klemmfäusten. Das Resultat: Lenkpräzison und Bremstabilität lassen bei zackigem Tempo zu wünschen übrig. Der Reiter nimmt die Mängel zur Kenntnis, läßt sich aber in seinem schrägen Vorhaben nicht beirren. Funkendsprühend, verkürzen sich Fußrasten, Seitenständer und Rundenzeiten, dann ist Schicht. Saubere 1.42,2 Minuten zeigt der Chronometer. Kompliment.

Aber nicht nur die absoluten Rundenzeiten sind beeindruckend, auch die Analyse der elektronischen Aufzeichnungen attestiert der TRX eine ausgeprägte Gutmütigkeit und mit die höchsten Kurvengeschwindigkeiten an den ganz heiklen Streckenpassagen. Kawasakis ZX-6R scheint die anspruchsvolle und winklige Teststrecke wie auf den schlanken Leib geschneidert. Raus aus den Boxen und zack - 1.40, 4 Minuten: Bestzeit. Mit dem superhandlichen, fein einstellbaren Fahrwerk, den besten Bremsen im Quartett und quirligem Schub legt die kleine Kawasaki los, wie von der Tarantel gestochen. Es gäbe eigentlich nichts zu meckern, wenn da nicht dieses lästige Gabelflattern wäre, das bei jedem harten Bremsvorgang den ganzen Vorderbau erzittern läßt. Neu ist das Problem nicht, nur hatte sich Kawasaki durch dickere Wandungen an Gabelstandrohren und Rahmenprofilen für die 1996er Modelle eine endgültige Lösung erhofft. Fehlanzeige. Die Glanzleistung der ZX-6R kann Suzukis Überflieger in spe natürlich nicht auf sich sitzen lassen.

Und tatsächlich, die GSX-R 750 fegt erstaunlich präzise und federleicht um Biegungen aller Art. Messerscharf sticht das Leichgewicht in Richtung Scheitelpunkt, saugt sich wie auf Schienen an der Ideallinie fest und zieht auf kürzestem Weg seine Bahn. Alle Achtung, viel besser kann`s die kleine Kawasaki auch nicht. Doch leider sind mit den brillianten Kurvenqualitäten der GSX-R 750 die herausragenden Eigenschaften auch schon abgehandelt.

Zum Thema Bremsen gibt`s wenig Gutes. Mühsam zu dosieren, lassen die Sechskolbenzangen beim blitzschnellen Wechsel von Vollgas zur Vollbremsung nicht viel Spielraum. Entweder alles oder nichts. Egal, holt man die Zeit eben mit Power, ist ja genügend da. Kleines Problem dabei: Selbst mit der überbreiten 190er Walze auf einer ebenso überbreiten 6.00-Zoll-Felge findet die Suzuki nicht den richtigen Grip. Zu schnell dreht sich das Heck der mit 1400 Millimeter Radstand extrem kurz geratenen Suzuki beim Beschleunigen weg. Unterm Strich bleiben 1.40,8 Minuten für die beste Runde. Viel Feinarbeit steht noch aus, um das Potential der neuen Suzuki auszuschöpfen. Das fängt mit Kleinigkeiten wie dem rutschigen, haltlosen Sitzpolster an und hört bei der schlecht dosierbaren, und im Regen mangelhaft ansprechenden Bremse auf.

MOTORRAD hat gleichmal ein paar Änderungen ausprobiert. Dunlopad-Bremsbeläge aus dem Zubehör-Handel machen die Sechskolben-Beißer zu wohldosierbaren Stoppern, und ein provisorisch aufgeklebtes Sitzbankpolster am Entenbürzel fixiert den Fahrer sicher in seiner Position. Höchste Perfektion von Haus aus verspricht Honda für die Neuauflage der CBR 900 RR. Alles neu, alles besser, alles stabiler - und trotzdem nicht schneller. Unauffällig segelt die Honda um die Strecke, bremst hervorragend, wenn auch nicht so perfekt wie die ZX-6R, fährt so schräg wie die Suzuki, wenn auch mit schraddelnden Fußrasten, und zieht souverän aus den Ecken, wie die TRX, nur mit mehr Power. Perfekt? Irgendwie schon. Klar, das 16-Zoll-Vorderrad lenkt nicht ganz so präzise, und in puncto Handling macht die CBR gegen die Suzuki keinen Stich. Vielleicht liegt`s ganz einfach daran, daß Honda mit der neuen CBR 900 RR keine Rennen, sondern einfach nur Käufer gewinnen möchte. Zwischen Ardeche und Mittelmeer.

Der AlltagDie nächste Runde führt nicht zu Start und Ziel, sondern durch die verschlungenen Sträßchen der südfranzösichen Provence. Im Thermo-Boy, weil`s kalt ist, und mit Rucksack, weil dort das Regenkombi verpackt ist. Nur der Honda-Fahrer braucht keinen Rucksack, der hat einen Kofferraum, schnapp - mit Deckel. Für die Landstraße allemal handlich genug, sammelt die CBR 900 RR Pluspunkte. Und noch mal: der Motor. Bums in allen Lagen, lebendig und sparsam. Fast schon bequem, zumindest für Supersportverhältnisse, die Sitzposition. Der tadellose Federungskomfort der fein ansprechenden Federelemente stände so manchem Tourer gut zu Gesicht. Über Verarbeitung und Ausstattung muß man keine großen Worte mehr verlieren: Honda eben.

Zur Überraschung der Testmannschaft bügelt auch das sportlich straff ausgelegte Suzuki-Chassis Landstraßen dritter Ordnung glatt. Selbst die Sitzposition, bei Hard-core-Rennern oft eine gnadenlose Folter, geht in Ordnung. Funktionell ausgestattet, mit pfiffigen Details, ist die neue Suzuki ihr Geld wert. Optisch macht die fette Hinterrad-Walze, für den der`s mag, schon was her. Auf der Landstraße aber straft der exakt 195 Millimeter breite Reifen den Suzuki-Fahrer mit lästigem Kippeln in welligen Kurven bei halber Schräglage. Aber so isser halt, der echte Leistungssportler, kompromißlos und leidenschaftlich: Suzuki eben. Ordentlich erzogen und nach dem Maßstab der Honda CBR 600 F entwickelt, gibt sich die Kawasaki im Alltag als höchst sympathische Begleitung. Nicht nur daß die kleine ZX-6R schädliche Abgase über ein Sekundärluftsystem (KCAS) reduziert, auch sonst ist alles dran, was man zwischen Montag und Freitag zu schätzen weiß, ohne die supersportlichen Talente unter den Scheffel zu stellen.

Was will man mehr? Mehr Durchzug. Stimmt schon, aber nur, wenn man die ZX-6R an den Hubraumriesen mißt. Mehr Leistung? Auf keinen Fall, satte 100 PS sind für öffentliche Straßen mehr als genug. Dafür gibt`s noch ein Beispiel: die Yamaha TRX 850. Sonorer Sound, fürs Geld ordentlich ausgerüstet und auf Straßen, wo Motorradeln so richtig Spaß macht, bestens motorisiert. Was sich auf der Rennstrecke angedeutet hat, findet zwischen Ardeche und Mittelmeer seine Bestätigung. Nicht die brachiale Power, sondern der ideale Kompromiß macht´s aus.

TRX 850 oder ZX-6R, egal welche, mit Sicherheit Bikes für alle Tage und fast alle Straßen dieser Welt. Zweifellos mit Schwächen, doch unterm Strich die eigentlichen Überraschungen im Test. Sollte ja nur ein Späßchen sein, den Power-Kisten eine lange Nase zu drehen oder zumindest mal am Rücklicht zu kleben. Doch das Späßchen zwingt zu ernsten Gedanken. Im Fall der TRX 45 PS weniger und gerademal 1,4 Sekunden langsamer auf der Rennpiste als die Suzuki-Bestzeit. Oder noch etwas deutlicher bei der ZX-6R: 20 PS weniger, dafür eine halbe Sekunde schneller. Klar, die Strecke: kurvig, buckelig, nichts für echte Kraftsportler. Laß´das Quartett mal auf die Autobahn, schnurgerade und dann volle Lotte mit den offenen Big Bikes. Dann bläßt man die TRX und ZX-6R einfach weg. Bestimmt, aber um ganz ehrlich zu sein, genau da wollten wir ja nie hin.

Die aktuelle Ausgabe
MOTORRAD 20 / 2023

Erscheinungsdatum 15.09.2023