Test Suzuki TL 1000 R

Test Suzuki TL 1000 R R-Fahrung

Suzukis Zweizylinder TL 1000 S fuhr unter keinem guten Stern. Jetzt soll die noch sportlichere TL 1000 R beweisen, daß Erfahrung nicht nur klug, sondern besser macht.

Beim ersten Hinsehen könnte man glatt auf Vierzylinder-Sportler tippen: Die Lackierung in traditionellem Weiß-Blau der Suzuki GSX-R-Linie, die Verkleidungsfront ausladend breit und ein Brückenrahmen, wie ihn eben die Sportler favorisieren. Lediglich das markante Heck hebt vom vertrauten Bild ab. Dennoch, es steht Suzuki TL 1000 R drauf: Die letzte supersportliche Neuheit für 1998 ist da, und das tiefe Bollern aus ihren beiden riesigen Schalldämpfern beseitigt alle Zweifel - unter der Plastikhaut schlägt ein 90-Grad-V-Zweizylinder.
Also an’s Eingemachte. 132 PS drückt der wassergekühlte Twin auf dem MOTORRAD-Prüfstand ab. Nicht ganz soviel wie versprochen, trotzdem: Respekt. Immerhin brachte es die doppelt so teure Ducati 916 SPS nur auf 124 Pferdchen. Freilich zeugen 257 km/h Topspeed nicht unbedingt davon, daß die Aerodynamiker diese Leistung zu würdigen wußten. Die Verkleidung ist kaum in der Lage, selbst einen gänzlich zusammengefalteten Fahrer wirkungsvoll zu schützen. Zum Ausgleich markiert der Tacho satte 280 km/h Topspeed - durchaus ausreichend zur persönlichen Befriedigung.
In Beschleunigung und Durchzug hapert es noch deutlicher. Das kann selbst die weniger ambitionierte, acht PS schwächere TL 1000 S besser. Sind die nur durchschnittlichen Beschleunigungswerte noch durch ein sich wild aufbäumendes Vorderrad zu erklären, muß der schwache Durchzug andere Ursachen haben: Rund zwei Sekunden verliert die R bei der klassischen Durchzugsprobe im letzten Gang von 60 bis 160 km/h auf ihre ältere Schwester. Und das bei gleichen Übersetzungsstufen und mit einer geringfügig fülligeren Leistungskurve. Wie kann so etwas passieren?
Die Erklärung scheint simpel.:»Du bist zu fett«, sagt die unbestechliche elektronische Waage zur TL 1000 R und attestiert ihr 231 Kilogramm. Das sind nochmal 15 mehr als bei der TL 1000 S. Alles andere als eine supersportliche Empfehlung.
Was soll’s, Übergewicht muß nicht immer ein Handikap sein. Schließlich haben es die Suzuki-Techniker verstanden, die Extrapfunde überwiegend aufs Vorderrad zu laden. Zusammen mit dem serienmäßigen Lenkungsdämpfer sollen sie das Problem Lenkerschlagen beseitigen. Und es funktioniert. Selbst auf schlechten Wegstrecken reagiert die R nur noch mit einem leichten, aber harmlosen Zucken in der Lenkung.
Für solche Ausflüge auf schlechten Straßen lassen sich die Federelemente äußerst komfortabel abstimmen. Dabei fällt der etwas kleinere Drehflügeldämpfer an der Hinterhand auf, dessen Zug- und Druckstufenverstellung jetzt gut zugänglich ist. Wer die Federvorspannung des nunmehr hinter dem Motor angeordneten Federbeins verändern will, muß sich allerdings gehörig die Finger verbiegen.
Verbiegen muß man auf der TL 1000 R auch sein Rückgrat, denn die Sitzposition ist ausgesprochen sportlich ausgefallen. Unter den Gabelbrücken angeschellte Lenkerstummel und ein recht enger Abstand zwischen der niederen Sitzbank und den hoch montierten Fußrasten verlangen nach gelenkigen Knochen. Daß die Handgelenke vor allem bei langsamer Fahrt stark belastet werden und dadurch schnell ermüden, ist unter Supersportlern Ehrensache.
Auf winkligen Straßen mit schnellen Schräglagenwechseln verlangt die TL einen deutlichen Krafteinsatz am Lenker. Auch wenn die Strecke schneller und die Kurvenradien weiter werden, macht die Suzuki keinen allzu glücklichen Eindruck. Ist die Piste nicht ganz eben, beginnt die R in Schräglage immer wieder leicht zu schlingern. Auch auf der Bremse fühlt sie sich etwas schwammig und indirekt im Vorbau an. Von der Fahrstabilität einer Ducati ist diese Maschine meilenweit entfernt. Offenbar hatte Suzuki bei der Reifenwahl kein glückliches Händchen, denn ein Gutteil des kapriziösen Fahrverhaltens geht auf die Kappe des Metzeler ME Z3 Racing-Reifen. Die Originalbereifung mit der Zusatzkennung A läßt an Handling, Zielgenauigkeit und Kurvenstabilität zu wünschen übrig.
Da tröstet es wenig, daß der aufgepeppte Vau-Zwo ohne zu murren gleichmäßig kraftvoll bis an den roten Bereich dreht. Leider hat die R die typischen Probleme mit dem Rundlauf im Standgas vom S-Modell geerbt. Der Motor quittiert in warmem Zustand an der Ampel manchmal schlagartig den Dienst und patscht im Schiebebetrieb immer wieder in den Auspuff. Zudem nervt der Einspritzer beim Dahinrollen in den unteren drei Gangstufen durch deutliches Konstantfahrruckeln.
Anlaufschwierigkeiten anderer Art plagen die Bremsanlage der Suzuki. Zu Beginn der rund 1500 Testkilometer irritierte sie mit verzögertem Ansprechen und hohen Handkräften. Erst seit sie ein paar schnelle Runden in Hockenheim zu bewältigen hatte, packen die Sechskolbenzangen spontan, kräftig und besser dosierbar zu und verdienen das Prädikat: gehobenes Mittelmaß.
Das Mittelmaß ist überhaupt das größte Problem der Suzuki TL 1000 R. Für einen Supersportler zu schwer, für einen Zweizylinder zu breit und für einen Charakterdarsteller zu uniform. Auch wenn man dem Ehrgeiz der japanischen Ingenieure und ihrem Mut zu immer neuen Kreationen Unrecht tut: Die Faszination Zweizylinder wurde schon besser umgesetzt. Und das nicht nur von einer sündhaft teuren Ducati 916 SPS.

Technische Daten

Motor:Wassergekühlter Zweizylinder-Viertakt-90-Grad-V-Motor, Kurbelwelle querliegend, je zwei obenliegende, kettengetriebene Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, Tassenstößel, Naßsumpfschmierung, elektronische Saugrohreinspritzung, Motormanagement, E-Starter, Drehstromlichtmaschine 380 W, Batterie 12 V/10 Ah.Motordaten:Bohrung/Hub 98,0/66,0 mm, Hubraum 996 cm³,Verdichtung 11,7 : 1Nennleistung 99 kW (135 PS) bei 9500/minMax. Drehmoment 106 Nm (10,8 kpm) bei 7500/minKraftübertragung: Primärantrieb über Zahnräder, hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, O-Ring-Kette. Sekundärübersetzung 2,23Fahrwerk: Alu-Brückenrahmen, Upside-down-Gabel, Gleitrohrdurchmesser 43 mm, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Alu-Zweiarmschwinge, Zentralfederbein mit Hebelsystem, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, Sechskolbensättel, schwimmend gelagerte Bremsscheiben, Ø 320 mm, Scheibenbremse hinten, Zweikolbensattel, Ø 220 mmAlu-Gußräder 3.50 x 17; 6.00 x 17Reifen 120/70 ZR 17; 190/50 ZR 17Fahrwerksdaten: Radstand 1405 mm, Lenkkopfwinkel 66°, Nachlauf 93 mm, Federweg 115/125 mmService-DatenService-Intervalle alle 6000 kmÖlwechsel (mit Filter) alle 6000km/3,1 l, (18 000 km/3,3 l)Motoröl SAE 10 W 40Telegabelöl SAE 5 WZündkerzen NGK CR 9 EK,Kette 5/8 x 3/8, 104 RollenLeerlaufdrehzahl 1200±100/minVentilspiel, Ein-/Auslaß 0,10 - 0,20/0,20 - 0,30 mmReifenfreigabenMetzeler ME Z3 A Front Racing/ME Z3 A, Dunlop D 207 FM/J,Reifenluftdruck vorn/hinten 2,5/2,5 barPreis inkl. MwSt.und Nebenkosten 19 650 MarkGarantie zwei Jahre ohne km-BegrenzungFarben Rot, Blau/Weiß

Vorsprung durch Technik? - Suzuki TL 1000 R

Die Suzuki TL 1000 R im direkten Vergleich zur TL 1000 S

Was kann die neue R-Version nun besser als ihre weniger sportive Schwester S. Um das herauszufinden, mußten sich beide Maschinen in Hockenheim um den kleinen Kurs peitschen lassen. Beide auf Metzeler ME Z3 Racing-Bereifung, beide in der entdrosselten Version.Schon nach wenigen Runden kommen die zwei Fahrer an die Box, beide geplagt vom gleichen Problem. Bei den hohen Außentemperaturen von 30 Grad und der starken Beanspruchung der Federelemente läßt die Dämpfung vor allem am hinteren Drehflügeldämpfer stark nach. Überhaupt ist die Charakteristik der Dämpfung sehr zwiespältig. Sie erlaubt keine perfekte Abstimmung und erlaubt nur die Wahl zwischen gutem Ansprechverhalten oder befriedigender Dämpfung bei starken Bodenwellen.Mit dieser sehr straffen Einstellung verringern sich die starken Pendelbewegungen, die beim Beschleunigen in Schräglage immer iritieren. Nur auf der Bremse bleibt dieses indirekte Gefühl durch die leichten Rührbewegungen erhalten. Dieses Problem tritt vor allem am Ende der sehr schnellen Querspange und beim Anbremsen der Senke auf. Einen deutlichen Vorteil kann die neue R-Version allerdings in keinem Streckenabschnitt für sich verbuchen. Die beiden Fahrwerke benehmen sich aufgrund ihrer komfortablen Grundabstimmung erwartungsgemäß recht ähnlich.Die viel größere Überraschung bieten die Motoren. Denn egal, wie sehr sich der R-Fahrer auch anstrengt, die alte TL 1000 S ist auf den kurzen Geraden in Hockenheim nicht abzuhängen. Egal, wie oft die Maschinen getauscht werden, das Ergebnis bleibt immer dasselbe. Mit einer identischen Rundenzeit von 1.14,2 Minuten verlassen die zwei Streithähne nach gut 40 gefahrenen Runden ermattet die Arena. Mit einem kleinen Unterschied allerdings: die TL 1000 S mit stolzgeschwellter Brust, die TL 1000 R ein wenig enttäuscht.

Fazit

Nein, so kann man niemanden erschrecken, und schon gar keine Ducatis. Mit 231 Kilogramm leicht übergewichtig, zeigt die R auch Schwächen in Sachen Fahrstabilität. Sie läßt ein sicheres, direktes Gefühl zur Fahrbahn vermissen. Motorseitig gibt es bis auf ein lästiges Konstantfahrruckeln keine Probleme. Die Leistungsausbeute mit echten 132 PS kann sich jederzeit sehen lassen. Allerdings sind die dafür gebotenen Fahrleistungen weniger berauschend. Rein optisch tut sich die TL 1000 R schwer, Zweizylinderfaszination zu vermitteln.

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