Gelobt sei, was schnell macht. Aber was macht eigentlich wirklich schnell? Vier Pärchen sind angetreten, getroffen, um die Unterschiede zwischen Renn- und Serienmaschinen aufzuzeigen.
Gelobt sei, was schnell macht. Aber was macht eigentlich wirklich schnell? Vier Pärchen sind angetreten, getroffen, um die Unterschiede zwischen Renn- und Serienmaschinen aufzuzeigen.
Wie ein Geschoss fliegt das rotgelbe Superbike auf die Sachskurve zu, noch einmal kurz, ohne das Gas zu lupfen, auf den Schalthebel getreten, noch wenige Meter stehen lassen. Noch, noooch - und genug. Brutal in die Eisen und sich im nächsten Moment darüber wundern, dass auch bei dieser Runde immer noch locker fünf bis zehn Meter drin gewesen wären. Und das, obwohl einen Durchgang vorher auf der Serien-R7 bei diesem Bremspunkt die Abschlussbewertung nicht vom Tester, sondern vielmehr von einem Sachverständigen der Unfallversicherung vorzunehmen wäre.
Keine Frage, der Unterschied zwischen Rennversion und Basis-Bike fällt nirgends so krass aus wie in der viertaktenden Königsklasse, den Superbikes. Mit seinen 175 PS steht das WM-Motorrad von Markus Barth nicht nur leistungsmäßig gut im Futter, sondern MOTORRAD-Tester Barth hat mit regelmäßigen Punkterängen auch die Performance des gesamten Pakets eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Und dieses Paket hat Tuner Thomas Franz nahezu ohne Serienteile geschnürt. Lediglich Rahmen, Schwinge, Motorgehäuse und Tank entstammen der teuren Original-R7, Federelemente, Räder, Bremsen, Kühler, Airbox, Einspritzanlage Bordelektronik oder Kunststoffteile fertigt das Alpha-Technik-Team selbst oder verwendet kostspielige Kitteile und bezieht Racing-Zubehör wie Lenkerstummel, Fußrastenanlage oder Kühler aus Italien.
Der Lohn der Mühe spiegelt sich in gnadenloser Fahrstabilität, einem dennoch spielerischen, aber messerscharfen Handling und einer unglaublichen Neutralität auf der Bremse wieder. Obwohl das Datarecording die Ausnutzung des vollen Federwegs der Öhlins-Gabel dokumentiert, scheint die Frontpartie beim brutalen Einsatz der Beringer-Sechskolbenanlage kaum abzutauchen. Gleiches gilt beim harten Gasanlegen am Kurvenausgang. Die typischen Nick- und Schaukelbewegungen beim abrupten Lastwechel sind am Superbike kaum spürbar. Unter widrigen herbstlichen Bedingungen schafft Markus eine 1.06,8er-Runde. Unter Rennbedingungen müssten noch knapp zwei Sekunden drin sein, meint er trocken und gibt sich so mit einem glatten Sieben-Sekunden-Vorsprung gegenüber der Serie zufrieden.
Gegen das Superbike wirkt die Standard-R7 mit vollgetankt 209 Kilogramm gegenüber dem 183 Kilo leichten Renner - wie ein gutmütiges Fahrschul-Motorrad. Mit einer weniger extremen Sitzposition und in der zulassungsfähigen Leistungsvariante von 106 PS leicht untermotorisiert, wirkt ihr ansonsten als überdurchschnittlich sportlich empfundenes Fahrwerk jetzt eher mittelmäßig begabt. Zu viel ungewollte Bewegung vermittelt einen schwammigen Eindruck und ein unsicheres Gefühl bei der Suche nach dem Grenzbereich. Was nicht zuletzt durch den riesigen Unterschied in Sachen Reifenhaftung verursacht wird. Die vorgeheizten Slicks auf Markus Superbike schaffen erst die Voraussetzung, das enorme Potentzial des Renners umzusetzen. Selbst in leichter Schräglage steigt das Vorderrad am Kurvenausgang. Und das schon, wenn gerade mal 9000/min auf dem Drehzahlmesser anstehen.
Eins drauf setzt da sogar noch die Hayabusa von Tausendsassa Elmar Geulen. 206 PS liefert der von LKM getunte und auf 1460 Kubikzentimeter Hubraum aufgestockte Vierzylinder auf dem MOTORRAD-Prüfstand ab. Bei einem Gewicht von 215 Kilogramm bringt es das Xtreme-Bike auf einähnliches Leistungsgewicht wie das Superbike. Bei fast leerem Tank stehen jedem der Pferdchen weniger als ein Kilogramm Masse entgegen. Kein Wunder, dass der Ritt auf Elmars Hayabusa dem auf einer Kanonenkugel gleicht. Auch die Durchschlagskraft dürfte nicht weit von der einer solchen entfernt liegen. Denn im Gegensatz zum R7-Renner wird das Hayabusa-Fahrwerk der gebotenen Leistung keineswegs Herr. Da hilft auch der Einbau des Technoflex-Federbeins und der Umbau der Seriengabel wenig. Wenn die geballte Ladung Hayabusa explodiert, drückt es dem Piloten den Angstschweiß auf die Stirn. Die Bremspunkte können nicht früh genug gewählt werden, die Masse schiebt trotz der sehr gut dosierbaren Sechskolben-Bremsanlage mit Lucas-Zangen und Magura-Radialpumpe beängstigend nach.
Der breite Rahmen, der mächtige Tank und die wuchtige Verkleidung schüchtern den Fahrgast ebenfalls mehr ein, als dass sie für ein beruhigendes Gefühl sorgen. Alles wirkt brutal und von roher Gewalt beherrscht. Und dennoch biegt dieses Trumm von Motorrad vergleichsweise leichtfüßig um die Ecken. Nicht nur knapp 40 Kilogramm weniger Gewicht als bei der Serienmaschine müssen beim schnellen Richtungswechsel auf den neuen Kurs gewuchtet werden, dank leichterer Verbundräder der Firma Fischer hilft auch das Minus an rotierenden Massen der Xtreme-Hayabusa auf die Sprünge.
Der Serien-Suzuki fällt die Übung auf der Rennstrecke sichtlich schwerer, wenngleich ihr Leistungspotentzial von immerhin 177 PS alles andere als schwachbrüstig wirkt. Im Gegenteil, es ist sogar leichter und sicherer, die Serien-Power umzusetzen. Deutlich harmloser wirkt der schwere Klotz beim Beschleunigen aus den recht engen Kurven des Motodroms, obwohl im Fahrwerk noch mehr Bewegung herrscht. Doch mit einem endlos breit erscheinenden Grenzbereich reagiert die Serien-GSX 1300 R beim harten Anbremsen geradezu rührend. Allzu forsche, gar übermütige Attacken auf den Vollblut-Renner werden aber alsbald in Linkskurven von einem kratzenden Lichtmaschinendeckel vereitelt. Da würden der Serien-Hayabusa die klebrigen Slicks leider auch nicht weiterhelfen. Und so muss sie sich mit einer 1.15,9er-Runde dem Xtreme-Renner um ganze fünf Sekunden geschlagen geben.
Mit knapp einem Drittel weniger Leistung, dafür aber mit 1.09.6 min um über fünf Sekunden schneller jagt die Yamaha YZF-R6 um den Kurs. Kein Wunder, das von Tuner Theo Laaks liebevoll aufgebaute Supersport-Motorrad hat den Altgefreiten Michael Schulten dieses Jahr immerhin auf Platz zwei in der deutschen und auch in der Europameisterschaft getragen. Unter optimalen Bedingungen, wie sie beim diesjährigen DM-Lauf herrschten, brannte der Vizemeister eine fantastische 1.06,2 auf den Hockenheimer Asphalt.
Selbst der routinierteste Tester ist angesichts dieser Rundenzeit geneigt, die Fähigkeiten der offiziellen Zeitnahme anzuzweifeln. Bis er die ersten Meter auf dem schmal bauenden roten Renner abspult. Verblüffend, wie dieses vergleichsweise seriennahe Supersport-Motorrad im Charakter dem als Erstes gefahrenen Superbike ähnelt. Vollgetankt 182 Kilogramm schwer und damit gerade mal zwei Pfund leichter als die große Schwester, macht die R6 auch in Sachen Stabilität, Fahrwerksabstimmung und Handling einen nahezu perfekten Eindruck. Einzig gewöhnungsbedürftig ist der extrem weite Öffnungswinkel der Lenkerstummel. »So habe ich einen besseren Hebel und kann das Motorrad noch schneller abwinkeln«, meint Vizemeister Schulten. »Außerdem rückt dadurch automatisch der Schwerpunkt weiter nach vorn, und das schafft Vertrauen zum Vorderrad.« Und in der Tat, die Laaks-R6 zeigt sich auch auf der Waage frontlastig. 11 der 13 abgespeckten Kilogramm wurden am Fahrzeugheck eingespart.
Der entscheidende Unterschied zum Superbike findet sich demnach nicht im Fahrwerk, sondern beim Motor: keine Angst vor brutalem Leistungseinsatz. Wie von einem Gummiband gezogen schiebt der 127 PS starke 600er bereits ab 7000/min los, wird stärker und stärker und findet erst ein Ende im Drehzahlbegrenzer, bei echten 15200/min. Kurz vorher mahnt ein Schaltblitz zum manuellen Gangwechsel. Elektronische Hilfen wie ein Schaltautomat sind bei den Supersportlern verboten.
Deutlich besser als bei der R7 kommt das Serienmotorrad bei der 600er-Klasse weg. Power satt und eine angenehme Leistungscharakteristik zählten schon jeher zu den R6-Stärken. Trotz der langen Originalübersetzung findet sich aufgrund des breiten nutzbaren Drehzahlbandes immer der passende Gang. Die Bremsanlage, die beim Supersport-Renner durch Racing-Beläge und Gussscheiben aufgerüstet wird, überzeugt schon im Serienzustand, das Fahrwerk bietet eine gesunde Grundhärte, und die Sitzposition ist auch ohne einstellbare Racing-Fußrasten aggressiv und vorderradlastig. Kein Wunder also: Lediglich 3,5 Sekunden büßt der Serienwetzhobel bei diesem kurzen Stelldichein auf sein Rennpendant ein. Respekt.
Besser kann das nur noch die GSX-R 750. Nicht allein, weil sie das zur Zeit wohl beste Großserien-Sportmotorrad auf dem Markt ist, sondern weil die Rennmotorräder der heiß umkämpften Stocksport-Klasse laut Reglement am dichtesten an der Serie dran sein müssen. Motortuning ist bis auf Feinabstimmung und den Anbau gewichtssenkender und leistungssteigernder Auspuffanlagen strikt verboten. Macht summa summarum 148 fröhliche PS und in Verbindung mit der fehlenden Lichtanlage und leichten Kunststoffteilen eine Gewichtsersparnis von zehn Kilogramm. Alles in allem keine Werte der Superlative, aber für Claus Ehrenbergers GSX-R dennoch genug, selbst die leistungsmäßig weit überlegenen R1, ZX-9R oder CBR 900 RR in seiner Klasse nach Strich und Faden zu bügeln. Acht Rennen, acht Siege, so die blitzblanke Statistik des frisch gebackenen deutschen Meisters.
Den entscheidenden Vorteil zieht auch die Renn-GSX-R aus der Optimierung in Sachen Fahrwerk. Ein Öhlins-Federbein sorgt hinten für ein sehr sattes und sicheres Fahrgefühl, und die unter Extrembelastung etwas zu weiche Seriengabel wurde von der Firma Zupin in Federrate und Dämpfung auf Vordermann gebracht. Dazu noch ein Satz klebriger Rennreifen, und die Renn-GSX-R ist für 1.07,2 min gut - so demonstriert vom Meister persönlich bei seinem Heimrennen im Spätsommer dieses Jahres.
Ein Wert, der sich auf der schmutzigen und vor allem kalten Piste nicht realisieren. Mit 1.09,5 min geben sich die MOTORRAD-Tester zufrieden und staunen über die respektablen Darbietungen der Serien-GSX-R. 1.12,5 min sind Tagesbestwert unter den Serienmaschinen. Auf nicht mehr brandneuen Serienreifen, wohlgemerkt. Und die stellen sich bei allen Serien-Probanten als die hauptsächlichen Spielverderber auf der Rennstrecke heraus. Denn die Erfahrung lehrt die MOTORRAD-Testcrew immer wieder, dass zehn PS mehr oder weniger in Hockenheim höchstens für eine halbe bis eine Sekunde gut sind, ein klebriger Rennreifen dagegen kann bei entsprechend guter Fahrwerksabstimmung für zwei bis drei Sekunden sorgen. Denn wie heißt es so schön: Wer gut klebt, der gut fährt.