Yamaha und Kawasaki rufen mit ihren neuen Modellen die Revolution aus, Honda entwickelt die CBR 900 RR im Detail weiter.
Yamaha und Kawasaki rufen mit ihren neuen Modellen die Revolution aus, Honda entwickelt die CBR 900 RR im Detail weiter.
Mit der CBR 900 RR Fireblade schockte Honda 1992 die Konkurrenz. Mit der Leistung über 750er Niveau und dem Gewicht einer 600er eröffnete die Fireblade neue Dimensionen und das Konzept der Honda-Strategen ging auf, schnitt die Feuerklinge in Deutschland doch einen erheblichen Teil aus dem Kuchen der Supersportler über 600 cm³. Nach einer ersten Überarbeitung 1996 präsentierte Honda nun auf der Rennstrecke im italienischen Misano das 1998er Modell und verfolgt im Gegensatz zu den radikal neuen Supersportlern von Kawasaki und Yamaha eine andere Philosophie: die kontinuierliche Weiterentwicklung ihres etablierten Produkts.
Von weitem eindeutig als CBR 900 zu identifizieren, fallen erst beim Näherkommen Neuerungen wie das Verkleidungsoberteil auf. Der weiter vorgezogene und flachere Verkleidungsbug soll die Aerodynamik verbessern. Die nun klare Streuscheibe der Scheinwerfer verleiht der CBR ein aggressiveres Erscheinungsbild und eine bessere Lichtausbeute. Am Fahrwerk fällt vor allem die neue Schwinge auf. Aber auch die Bremsanlage blieb nicht unangetastet: Die von 296 auf 310 Millimeter angewachsenen Bremsscheiben und neue Bremssättel sollen die Wirksamkeit verbessern. Wichtigste Modifikationen am Triebwerk: Beschichtete Aluzylinder statt der Gußlaufbüchsen reduzieren das Gewicht und verbessern den Wärmehaushalt. Aus der Verminderung der Reibleistung und der neuen Auspuffanlage, jetzt mit Edelstahlkrümmern, resultiert eine um zwei auf 130 PS gesteigerte Leistungsangabe.
Neugierig auf die Auswirkung der marginalen Änderungen und der Gewichtsreduzierung von drei Kilogramm gehen die Tester auf die Strecke. Vorsicht ist angesagt, brachte doch der Vortag mit wenigen Graden über Null die tiefsten Temperaturen in Misano seit 150 Jahren. Bei den ersten Runden mit gemäßigtem Tempo macht sich eine Eigenart bemerkbar, die dem Vorgängermodell fremd ist. In moderater Schräglage auf Bodenwellen beginnt die CBR 900 um die Längsachse zu kippen, gerade so, als sei ein 190er Reifen auf dem Hinterrad montiert, obwohl Honda weiterhin auf die weitaus vernünftigere 180er Dimension vertraut. Offensichtlich handelt es sich um ein Problem des speziell für die CBR 900 konstruierten Bridgestone BT 56-Hinterradpneus. Der überbreite 130er am Vorderrad blieb dagegen unverändert. Der macht sich beim Bremsen in Schräglage auch prompt mit starkem Aufstellmoment bemerkbar. Nach einigen Aufwärmrunden und zügigerer Gangart verhält sich das Fahrwerk bei größerer Schräglage dann homogener. Doch das Nachwippen des Hecks kündet von einer nicht optimalen Fahrwerkseinstellung. Selbst das nach einigen Turns nach den Vorstellungen von TT-Sieger Phillip Mc Cullen auf Honda CBR 900 geänderte Set Up kann nicht überzeugen. Das demonstriert unübersehbar der von Honda geladene WM-Langstreckenfahrer Pierre Lavieille beim Beschleunigen aus Kurven mit einem wild schlingernden Heck. Erst eine nochmals geänderte Dämpfereinstellung wirkt sich positiv aus und in puncto Haftung geben die Bridgestone keinerlei Anlaß zur Kritik, selbst bei den niedrigen Bodentemperaturen. Keine wesentliche Änderung bringt das neue Verkleidungsoberteil im Vergleich zu der als wenig effizient bekannten Schale des Vorgängermodells. So bläst dem hinter die Verkleidung geduckten Fahrer auf der langen Geraden des Kurses bei Tacho 240 ein wahrer Orkan um die Ohren. Anschließend gilt es, das Tempo auf unter 100 km/h zu verringern, Gelegenheit, das Potential der neuen Bremsanlage zu erkunden. Tatsächlich sind im Vergleich zur alten CBR 900 bei gleicher Verzögerung jetzt geringere Kräfte am Handbremshebel nötig. Dennoch agiert die Honda_anlage nicht mit dem exakt dosierbaren Biß einiger Kawasaki-Sportler.
Ebenfalls nur wenig Änderung spürt der Fahrer in der Sitzposition. Allenfalls die weniger nach unten gekröpften Lenkerhälften belasten die Handballen stärker. Dafür wird durch die höher gelegten Fußrasten die ehemals schon gute Schräglagenfreiheit nochmals verbessert. Das bekannt durchzugsfreudigeTriebwerk hat leichtes Spiel mit Fahrer und Maschine und garantiert auch mit vergleichsweise wenigen Gangwechseln ein zügiges Vorwärtskommen.
Unterm Strich bleibt die CBR 900 also die alte. Bleibt abzuwarten, ob sie trotz des Leistungsmankos gegenüber den neuen Überfliegern von Kawasaki und Yamaha wie in der Vergangenheit ihre Ausgewogenheit entscheidend in die Waagschale werfen kann. Einen positiven Aspekt hat die schon fast konservativ zu nennende Modellkonstanz mit Sicherheit: Auch der Preis bleibt der alte mit 20620 Mark kostet die Neue nicht einen Heller mehr als das Vorgängermodell.