Der Spitzname "Raging Bull" kommt nicht von ungefähr. Michael Dunlop ist ein kräftiger Mann, dessen Augen vor Selbstbewusstsein strotzen. Sein ganzes Auftreten vermittelt Respekt, ist beinahe einschüchternd. Dafür ist er bekannt, hat bei Road-Racing-Fans beinahe den heroischen Status eines "Gott der Straßen". Was die Fans bewundern, lässt bei der Konkurrenz Angstzustände auftreten. Sein Auftritt passt wie die Faust aufs Auge zu seinem aggressiven Fahrstil. Der 34-jährige Dunlop aus dem beschaulichen Örtchen Ballymoney fährt nicht einfach nur die berüchtigten Rennkurse wie den Mountain Course auf der Isle of Man oder die North West – er bezwingt sie förmlich mit aller Macht und seine Gegner gleich mit.
Michael Dunlop mit 113 Road Racing-Siegen
Michael ist der jüngste Spross der berühmten Dunlop-Rennfahrerfamilie und schaut auf eine fast schon einmalige Erfolgsbilanz im Road Racing zurück. Insgesamt gehen seit seinem Straßenrenn-Debüt mit erst 17 Jahren anno 2006 beim Manx-GP satte 113 Siege auf sein Konto. 25 Mal holte er sich die TT-Krone, 38-mal stand er auf dem TT-Podium. Neben all den Erfolgen erlitt Michael aber auch viele Schicksalsschläge: Sein Vater Robert, Bruder William und Onkel Joey kamen bei Straßenrennen ums Leben. Ans Aufhören denkt Michael Dunlop jedoch nicht – sein Leben gehört dem Road Racing.

Michael Dunlop: "Wirklich schneller fahren wir heute auch nicht". Im Hauptsitz des britischen Protektorenherstellers D30, unweit von London, nahm sich Road-Racing-Legende
Michael Dunlop viel Zeit für MOTORRAD.
Mir geht’s wie dem aktuellen englischen Wetter – Schnee, Regen, Kälte –, also blendend (lacht). Danke der Nachfrage.
Ja, stimmt, da hast du recht! Ich bin schon einige Jahre dabei. Ehrlich gesagt erwarte ich aktuell noch gar nicht so viel, es ist ja noch ein bisschen Zeit bis zur TT. Unabhängig davon bereite ich mich so langsam vor und versuche natürlich während der TT mein Bestes zu geben. Mein Team und ich werden wieder versuchen, alles zu geben und uns zu pushen.
Darüber habe ich bisher noch nie nachgedacht und wollte daran auch keinen Gedanken verschwenden. Mein Job ist es, schnell Motorrad zu fahren, und das so gut es eben geht – unabhängig davon, ob ich nun einen Rekord breche oder nicht. Ich möchte Rennen gewinnen, die Anzahl dabei ist mir eigentlich vollkommen egal. Ich hoffe einfach, dass mir das auch dieses Jahr wieder gelingen wird. Mein Ziel und das von meinem Team ist es, an das vergangene Jahr anzuknüpfen und unsere Performance vom letzten Jahr auszubauen. Das letzte Jahr war schon echt gut, aber es hätte trotzdem noch besser verlaufen können. Im Umkehrschluss hätten wir natürlich das Jahr auch schlechter abschließen können (lacht). Mein Plan ist es, noch mehr zu pushen, damit die Ergebnisse auch stimmen.
Auf jeden Fall! Das war wirklich toll und auch eine echte Wertschätzung für unsere Arbeit. Weißt du, manchmal kann die TT etwas frustrierend sein für private Teams. Es gibt zwar eine kleine Meisterschaft beziehungsweise eine Klasse für Privatteams bei der TT, aber die bekommt einfach zu wenig Aufmerksamkeit. Ich kann jetzt nur über unsere Truppe, sprich MD Racing, sprechen, aber wir bekommen wirklich gar keine Unterstützung von einem Werk. Wir machen alles selbst: Wir bauen die Motoren selbst auf, probieren unterschiedliche Fahrwerke aus, versuchen selbstständig die Geometrie herauszufinden und so weiter – und das alles ohne viel Testarbeit und vor allem ohne ein Riesenbudget. Daher war es echt schön, dass wir den Award bekommen haben. Wie gesagt, wir arbeiten unglaublich hart. Ich baue alle Motorräder in meiner Werkstatt selbst auf. Die Jungs, die dann bei den Rennen oder in der Vorbereitungszeit als Mechaniker arbeiten, die bekommen dafür kein Geld oder Ähnliches – dafür reicht das Budget nicht.
Vollkommen richtig. Sie lieben den Sport, stehen auf Motorräder und sind unglaublich leidenschaftlich in dem, was sie da tun. Teilweise sind sie auch keine gelernten Schrauber, sondern machen das, weil sie es lieben. Und auch wenn meine Jungs das teilweise gar nicht gelernt haben – sie machen die Arbeit fantastisch und hängen sich voll rein. Definitiv könnten alle auch als professionelle Zweirad-Mechaniker arbeiten, weil sie ihr Handwerk verstehen. Aber sie möchten es nicht – weil es eben eine Passion oder ein Hobby bleiben soll und kein Job. Gerade deshalb war der Award für die Truppe ein wahnsinniger Erfolg – so bekamen sie auch von außerhalb, sprich nicht nur von mir, die Wertschätzung, die ihnen zusteht. Ich meine, es ist ja so: Meistens wird mir der Ruhm und die Ehre zugesprochen, doch meinen Mechanikern sollte die gleiche Ehre zugesprochen werden. Sie arbeiten teilweise Tag und Nacht an den Bikes, bereiten sie vor oder verbessern sie. Ohne sie funktioniert das alles nicht. Wären sie nicht da, könnte ich die Rennen nicht so professionell bestreiten.

"Jedes Bike, das ich gefahren bin, hatte gute und schlechte Eigenschaften – klasse waren sie aber trotzdem alle."
Nein, tatsächlich nicht. Das Paket ist noch nicht vollends geschnürt, aber langsam ernährt sich das Eichhörnchen. Aktuell planen wir viel und schauen uns diverse Möglichkeiten und Motorräder an, aber Genaueres kann ich dazu noch nicht sagen. So viel sei verraten: Es wird interessant und womöglich ein neuer Schritt für uns.
Gute Frage. Also, um es mal so zu sagen: Jedes Motorrad ist anders, und auch die Entwicklung beziehungsweise der technische Fortschritt spielt immer eine große Rolle. Für mich ist es eher so, dass ich es spannend und interessant finde, wenn man mit dem jeweiligen Fabrikat etwas "Neues" machen kann. Sprich: das erste Motorrad, mit dem es möglich war, eine neue Bestzeit zu setzen, mit dem du entspannter schnell fahren konntest und so weiter. Das find’ ich cool. Daher kann ich jetzt auch nicht direkt ein Motorrad aus meiner Karriere benennen, was mir in allen Belangen getaugt hat. Jedes Bike, das ich gefahren bin, hatte gute und schlechte Eigenschaften – klasse waren sie aber trotzdem alle.
Yep, da hast du recht. Das ist aber auch ein Thema, was viele nicht immer richtig verstehen. Oft reden viele rein über die Topspeeds und dass die immer schneller werden oder geworden sind – und das ist nicht korrekt. Beispielsweise ist auf der North West 200, ich glaube 1992, eine Norton mit etwa 197 Meilen (Anm. d Red.: ca. 317 km/h), ich weiß es nicht mehr ganz genau, durch die Lichtschranke gerast. Wirklich schneller fahren wir heute auch nicht. Was aber die Rundenzeiten in den letzten Jahren purzeln ließ, ist die technische Weiterentwicklung bei den Chassis oder Fahrwerken. Wir haben heute viel mehr Grip zur Verfügung oder können auf bessere Bremsen vertrauen – das macht am Ende schnell. Und, wie du schon sagtest, sind die heutigen Superbikes aus der Kiste echt irre. Was du kaufen kannst, unterscheidet sich im Großen und Ganzen tatsächlich nur minimal von dem, womit wir die Rennen fahren. Zu den Superbikes ist der Unterschied echt minimal, bei den Stockbikes verwenden wir heutzutage zumeist das Serienmotorrad. Klar, ein paar Sachen ändern wir, beispielsweise die Auspuffanlage oder die Geometrie, und werfen die Lichtanlage in die Tonne, aber der Rest ist identisch mit dem Serienmotorrad. Gut, ich baue die Motoren meist noch mal auf, beim Stockbike aber eben mit den Serienkomponenten. Was wir aber oft ändern, ist, auch bei den Stockbikes, die Elektronik oder wir wechseln die komplette ECU. Das Serienzeugs ist beim Road Racing manchmal etwas überfordert oder schränkt eine gewisse Leistungsausbeute ein. Unabhängig davon ist es aber trotzdem so, dass der mechanische Aufwand sehr viel geringer ist als früher, als wir zum Beispiel noch andere Zylinderköpfe, Vergaser und was weiß ich nicht fahren mussten, damit das Moped richtig schnell wurde.
Eine gute Frage! Ich muss da leider gestehen, dass ich noch nie ein Motorrad mit gigantischen Flügeln gefahren bin. Ich würde zum Beispiel die Flügel an meiner letztjährigen Honda nicht als Flügel bezeichnen. Das sind aus meiner Sicht eher Aus- oder Einbuchtungen in der Verkleidung als richtige Flügel.
Ja, genau. So würde ich die Flügel der CBR jetzt nicht beschreiben. Die Wings an der CBR sind also keine Wings (lacht). Daher würde ich sagen, dass ich noch keine großen Erfahrungen damit gemacht habe – zumindest meiner Meinung nach.

2023 gewann Michael Dunlop satte 4 von 7 Solo-Klassen auf der Isle of Man.
Nee, ich schalte das alles immer ab und fahre ohne. Ich finde, dass das stört. In der Britischen Superbike-Meisterschaft (Anm. d. Red.: kurz BSB), in der ich ab und an teste, nutzen das ja beispielsweise ein paar Fahrer, aber ich mache das nicht. Ist nicht unbedingt mein Stil.
Tatsächlich nicht. Obwohl, wenn ich so darüber nachdenke, würde ich mal gerne mit einem aktuellen MotoGP-Motorrad fahren. Ich bin damals nach meinem TT-Sieg 2017 auf Suzuki ja das Werks-MotoGP-Bike von denen gefahren, das war geil. Aber ich meine jetzt eines von heute, mit der neuesten Technologie. Das würde mich schon interessieren. Ah, und ich habe gehört, dass die Britten V2 richtig Laune machen soll. Ich würde mit dem Ding auch kein Rennen fahren wollen, aber mal bewegen … Bisher hatte ich leider noch nie die Möglichkeit dazu. Sonst gibt es da eigentlich nichts, was mich groß in den Händen jucken würde.
Die Dakar würde ich wirklich gerne mal fahren! Im Auto würde ich dort jedoch nicht teilnehmen, wenn auf dem Motorrad. Aber bisher hat sich da noch keine Möglichkeit zu ergeben, auch weil ich finde, dass das ganz schön viel Kohle kostet. Zumindest, wenn man keinen Platz in einem etablierten Team bekommt. Und ohne ist das, denke ich, fast unmöglich. Aber trotzdem würde ich das echt gerne mal machen.
Schwierig (lacht)! Ich war schon einige Male in Deutschland, auch weil ich damals ab und an für ein deutsches Rennteam gefahren bin (Anm. d. Red.: Penz13). Und da habe ich eigentlich alles getrunken, was mir in die Hand gedrückt wurde (lacht). Es ist witzigerweise auch so: Wenn du in ein fremdes Land kommst oder mit Leuten zusammenarbeitest, deren Sprache du nicht verstehst, trinkst du einfach alles, was man dir gibt. Und so lernt man sich ja oft besser kennen. Viele Deutsche, die ich kenne, haben in dem Bezug aber einen ziemlich feinen Gaumen. Mir ist das aber eigentlich egal – Kopf hoch und rein damit (lacht)!