Neuer KTM-Motor LC8c 950/990: Duke, Adventure, RC

Nächste KTM-Motorengeneration LC8c 950 bis 990
KTM 950 bis 990 – neuer Twin mit Ölspritzrohr

Veröffentlicht am 16.02.2023

Im Januar 2022 tauchte erstmals ein Erlkönig der 950/990 Duke auf, im November 2022 folgte die RC 950/990 – ebenfalls als Erlkönig. Inzwischen liegen erste Bilder vom neuen Twin vor, auf denen der neue Motor zusammen mit dem bisherigen 890er zu sehen ist. Zudem wurde im Februar 2023 eine Patentanmeldung von KTM veröffentlicht, in der ein Reihenzweizylindermotor mit einem neuartigen Ölspritzrohr beschrieben wird. Offizielle Bilder und Informationen von KTM sind im Laufe des Jahres 2023 zu erwarten, die Markteinführung der neuen Modelle für 2024.

KTM LC8c – 3. Version mit 950 bis 990 Kubik

LC8c, das ist seit 2017 die KTM-interne Abkürzung für liquid cooled, 8 Ventile, compact. Dabei bedeutet compact frei übersetzt Reihenzweizylinder, denn bei den älteren LC8-Konstruktionen handelt es sich um aufwändigere und weniger kompakte V-Twins. Nach dem Evolutionsschritt vom ersten KTM-Reihenzweizylinder, dem 790er mit 799 Kubik, zur 2. Version, dem 890er mit 889 Kubik, folgt offenbar demnächst die 3. Version mit 950 bis 990 Kubik.

Performance vs. Emissonsnormen

Die Fortschritte um jeweils rund 100 Kubik macht KTM trotz des Markenslogans "Ready to Race" indes nicht nur, um die Performance zu steigern. Immer strenger werdende Emissionsnormen für Fahrzeuge mit Vebrennungsmotoren erzwingen Hubraumerhöhungen schon allein deswegen, um bei den Leistungsdaten keine Rückschritte machen zu müssen. Zumindest ein Teil des gewachsenen Hubraums kompensiert also lediglich die zunehmend mageren und sauberen Einspritz-Mappings, um das bisherige Performance-Level halten zu können. Dieser Zielkonflikt betrifft alle Hersteller gleichermaßen. Beispiele von der letzten Abgasnormstufe von Euro 4 zu Euro 5: Honda Africa Twin 1000/1100, Suzuki V-Strom 1000/1050, Yamaha MT-09/Tracer 9. KTM schnürt das 950/990-Paket bereits für die nächsten Normen, die voraussichtlich ab 2024 auf Euro 5 folgen und sowohl Abgas als auch Geräusch betreffen werden.

Wahrscheinlich bis zu 992 cm³ für den LC8c von KTM

Ob das Aufstocken des Hubraums durch größere Zylinderbohrungen, durch verlängerten Kolbenhub oder durch eine Kombination beider Maßnahmen durchgeführt wird, hängt vom Material-Spielraum des jeweiligen Triebwerks ab. Und von der konzeptionellen Ausrichtung: eher kurzhubig sportlich oder eher langhubig Drehzahl-senkend. Bei KTM geht es traditionell in die sportliche Richtung. Ausgehend von der bisher größten Ausbaustufe des LC8c-Twins, mit dem Bohrung-Hub-Verhältnis von 90,7 x 68,8 Millimeter und 889 Kubik, erscheint uns diese neue Konfiguration naheliegend: 95 x 70 Millimeter für 992 Kubik. Möglicherweise macht KTM jedoch zunächst einen 950er-Zwischenschritt, bevor dann später wohl 990 folgt. Mit jeweils 93 x 70 Millimeter würden sich 951 Kubik ergeben.

Von 121 auf bis zu 140 PS

Mit bis zu circa 100 Kubik mehr Hubraum könnte die Nennleistung von den 121 PS (89 kW) der 890 Duke R auf bis zu 140 PS steigen. Die Differenz zwischen den 890er-Modellen und den immer noch, beziehungsweise wieder angebotenen 790er-Modellen ist noch größer, denn die sind auf 95 PS (70 kW) abgestimmt. Damit halten sie den Grenzwert ein, der für A2-Bikes (europäischer Stufenführerschein A2) gilt: Ein auf 48 PS gedrosselter Motor darf offen nur maximal 95 PS leisten. Früher, ab 2018, hatte die 790 Duke 105 PS. Auf jeden Fall wird das maximale Drehmoment mit dem 990er-Twin die 100-Nm-Marke deutlich überschreiten. Beim 890er-Twin sind es maximal 99 Nm.

KTM-Patent mit Common-Rail-Ölspritzrohr

Im Februar 2023 wurde eine Patentanmeldung von KTM und Ingenieur Udo Söllner veröffentlicht, in der es ebenfalls um den Reihenzweizylindermotor, Typ LC8c, geht. Konkret beschrieben wird ein neuartiges Common-Rail-Ölspritzrohr, das die bisher üblichen Ölspritzdüsen im Motor ersetzen soll. Bereits in den 1980er-Jahren setzte Suzuki solche Ölspritzdüsen in den luft-ölgekühlten Reihenvierzylindermotoren der sportlichen GSX-R-Modelle ein. Zweck der Ölspritzdüsen war und ist, neben forcierter Schmierung besonders beanspruchter Stellen, die Kühlung der Kolbenböden. Insbesondere die thermisch hochbelasteten Auslasszonen unterhalb der Auslassventile können durch gezielte Ölspritzer von unten an die Kolbenböden effektiv gekühlt werden.

KTM Motor Patent Ölkühlung LC8c 950/990 (2023)
KTM/Udo Söllner

Ölspritzrohr anstatt Ölspritzdüsen

Nachteil der bisher – auch von KTM – eingesetzten separaten Ölspritzdüsen ist deren aufwändige Montage im Kurbelgehäuse. Beim LC8c-Twin werden die Ölspritzdüsen bisher von oben durch die Zylinderbohrungen eingesetzt. An den betreffenden Stellen muss zunächst gebohrt werden. Auf diese Weise ist der Einbau umständlich, und es besteht die Gefahr, dass dabei die Zylinderlaufbahnen beschädigt werden. Vorteil des neuen Ölspritzrohrs ist dessen vergleichsweise einfache Montage. Das Motorgehäuse kann seitlich bearbeitet werden, und das Ölspritzrohr kann dann seitlich eingeschoben und gegen Verdrehen fixiert werden, parallel zur Kurbelwelle.

KTM Motor Patent Ölkühlung LC8c 950/990 (2023)
KTM/Udo Söllner

Kühlendes Spritzöl für Kolbenböden, Kolbenbolzen und Pleuelaugen

Für den LC8c-Reihentwin ist ein Ölspritzrohr mit 6 Durchlässen vorgesehen, jeweils 3 pro Zylinder. Durch jeweils 2 Durchlässe spritzt das Öl von unten an die Kolbenböden, unterhalb der Auslassventile. Durch den jeweils mittleren Durchlass wird auf Pleuelauge und Kolbenbolzen gezielt – an der Stelle eher, um die Schmierung zu optimieren. Um die Durchflussreibung (Fluidreibung) zu reduzieren und um den Strahl präziser auszurichten sowie Sprühnebelbildung zu vermeiden, wird das Ölspritzrohr an den Durchlassstellen äußerlich abgeflacht. Im Einlassbereich des Rohrs ist ein Ölsieb vorgesehen, um gegebenenfalls Partikel abzufangen und eine Verstopfung des Rohrs zu verhindern.

LC8-V-Twins und LC8c-Reihentwins

Unklar ist, ob KTM beim LC8c-Reihentwin den ungewöhnlichen Hubzapfenversatz von 75 beziehungsweise 285 Grad beibehält, der von den hauseigenen V-Twins namens LC8 abgeleitet wurde. Ab 2003 gab es die Adventure 950 mit V-Twin, noch mit Vergasern und knapp über 100 PS, ab 2005 gab es die 990 Super Duke mit V-Twin, Benzineinspritzung und 120 PS. Bis 2013 gab es die 990 Super Duke R mit 125 PS, und für 2014 folgte die erste Generation der 1290 Super Duke R mit V-Twin, 1.301 Kubik und über 170 PS, später 180 PS. Doch wahrscheinlich bleibt KTM der Tradition 75-Grad treu.

950/990 Duke, 950/990 Adventure, RC 950/990

Unverändert bleiben beim LC8c die Positionen der Motoraufhängungen. So kann der neue Twin an bestehende 890er-Fahrwerke adaptiert werden. Der längere Kolbenhub wird anscheinend mit einem kompakteren Zylinderkopf und mit einer neu geformten Ölwanne ausgeglichen. Die asymmetrische Ölwanne macht zudem Platz für neue Abgasanlagen mitsamt Abgasreinigung. Sound-Tuning mit elektronisch gesteuerten Klappen ist künftig wohl nicht mehr vorgesehen, beziehungsweise wegen der gesetzlichen Vorgaben nicht mehr möglich. Neben 950/990-Versionen der Duke und der Adventure wird ein vollverkleidetes Sportmodell erwartet: die RC 950/990.

Fertigung bei CF Moto in China

Das "Leak", das zum Erscheinen der Motorbilder führte, passierte übrigens scheinbar nicht im österreichischen Mattighofen bei KTM, sondern beim chinesischen Kooperationspartner CF Moto in China. Dort soll wohl künftig auch der 950/990-Twin gefertigt werden. Vermutlich beinhaltet der Deal, dass CF Moto das neue Triebwerk ebenfalls für eigene Modelle nutzen darf, wie schon mit dem 790er und dem 890er vorexerziert.