Stellen Sie sich vor, Sie würden mit der Aufgabe konfrontiert, einen Motorradmotor zu entwickeln, der leistungs- und drehmomentstark zugleich, gutmütig und temperamentvoll, dabei aber sparsam sein soll, wenig Bauraum beanspruchen darf, der möglichst leicht sein soll, aber zuverlässig für über 150.000 Fahrkilometer, der günstig zu fertigen sein, aber zugleich einen gewissen Haben-wollen-Reflex auslösen soll.
Der weiterhin wenig Wartung verlangt, wenn sie aber nötig wird, gut zugänglich sein soll. Der mit möglichst wenig Anpassungen auf der ganzen Welt funktionieren soll, in allen Klimazonen auf allen erreichbaren Meereshöhen, mit brasilianischem Benzin, das mindestens 25 Prozent Bio-Ethanol enthält – quasi E25 –, oder mit Benzinqualitäten, die in eurasischen Ländern erhältlich sind. Der überdies – und das ist das Minimum der Anforderungen – die gesetzlichen Bestimmungen aller Länder erfüllen muss, in denen er zum Einsatz kommen soll.
Willkommen in der Realität eines Motorenentwicklers
Seit der Erfindung des Hubkolbenmotors in den 1860er-Jahren haben sich Heerscharen von Spezialisten mit dessen Weiterentwicklung beschäftigt. Damit sind nicht nur die Motorenbauer im engeren Sinn gemeint, sondern auch die Werkstoffentwickler, Kunststofftechniker, Thermodynamiker, Chemiker, Elektriker und Elektroniker, Informatiker und Produktionsingenieure. Ohne sie würde heute kein Motor zum Laufen kommen, schon gar nicht in großindustriell relevanten Stückzahlen, und damit überhaupt erst für viele Menschen erhältlich und erschwinglich.
Wenig Chancen für Daniel Düsentrieb
Angesichts dessen ist es wenig wahrscheinlich, dass ein einzelner Daniel Düsentrieb oder vielleicht eine kleine Gruppe von Genies heute noch die eine bahnbrechende Motorenkonstruktion zur Reife bringt, die alles Bisherige übertrifft. Verbesserungen eines Serienprodukts sind nahezu ausschließlich im Rahmen einer Spezialisierung möglich, welche unweigerlich mit Nachteilen in anderen Bereichen einhergeht.
Ein gutes Beispiel dafür sind Motoren, die in seriennahen Rennklassen wie Superbike und Supersport eingesetzt werden. Sie bringen viel mehr Leistung als ihre schon beeindruckenden Serienpendants, drehen höher und sind mit fein ausgewogenen Komponenten aufgebaut. Aber sie sind nicht mehr zulassungsfähig. Und welcher normalverdienende Amateur-Sportfahrer kann sich die in vergleichsweise kurzen Intervallen anfallenden Motorrevisionen leisten? In der Superbike-WM werden sie etwa alle 2000 Kilometer fällig.
Probleme bei der Finanzierung?
Den etablierten Herstellern im Automotive-Bereich, seien es Auto-, LKW- oder Motorradbauer, wird oft vorgeworfen, Ideen grundsätzlich abzulehnen, die von außen an sie herangetragen werden. Laut Auskunft eines Ingenieurs im Ruhestand, der 35 Jahre für einen europäischen Motorradhersteller gearbeitet hat, trifft dieser Vorwurf nicht zu.
Sein Gegenargument ist an den entscheidenden Stellen im Konjunktiv formuliert: "Wenn ein Konzept eingereicht würde, das in der Mehrzahl der relevanten Kriterien den Anforderungen entspräche, würde es für den Hersteller, der es erwirbt, einen Wettbewerbsvorteil bringen und eine beträchtliche Kostenersparnis. Denn selbst einige Millionen Euro, die man dem Erfinder zahlte, wären nur ein Bruchteil der Summe, die man für eine komplette Entwicklung im eigenen Haus aufwenden muss."
Der Konjunktiv weist darauf hin, dass dies äußerst selten geschieht. "Ich habe einige solcher extern vorgedachten Projekte begutachtet und auch an internen Erfindungen mit viel Enthusiasmus mitgearbeitet, aber kein einziges neues Motorkonzept hat es bis zur Serienreife geschafft. Das lag immer daran, dass die externen Erfinder den vollständigen Anforderungskatalog nicht kannten und meist nur einen Vorteil ihrer Konstruktion im Blick hatten oder die vielfältigen Serienanforderungen schlicht ignoriert haben."
Hinzu kommt heute die Möglichkeit, viele Eigenschaften künftiger Konstruktionen mittels komplexer Simulationssoftware im Voraus zu evaluieren. Sollten diese Simulationen keine vielversprechenden Ergebnisse bringen, braucht man keinen Prototypen mehr zu bauen und erproben.
Hondas Kritik der reinen Vernunft
Neben der allfälligen Rationalität des Konstruierens, also zum Beispiel der aktuell weiten Verbreitung von Reihenzweizylindern, gibt es jedoch immer wieder einmal faszinierende Ausnahmen. Die bei Weitem spannendste Erklärung für eine solche bewusste Abkehr von der Rationalität, eine auf die Motorentechnik gemünzte "Kritik der reinen Vernunft", lieferte Honda als begleitende Information zu den Motoren mit Ovalkolben.
Takeo Fukui, neben Soichiro Irimajiri einer der führenden Protagonisten dieses Projekts, nannte als dessen wichtigste Motivation seine aufrüttelnde Wirkung. Die Entwicklungsabteilung von Honda habe sich gegen Ende der 1970er-Jahre auf dem Erfolg der OHC-Reihenvierzylinder ausgeruht und sei denkfaul geworden.
Deshalb habe man das eigentlich unmögliche und letztlich gescheiterte Projekt aufgesetzt, mit einem Viertaktmotor in einem revolutionären Fahrwerk gegen die damals übermächtigen 500er-Zweitakter in der Weltmeisterschaft anzutreten. "Die Anforderungen an unsere Ingenieure konnten gar nicht hoch genug sein", so Fukui 1977 im Interview mit MOTORRAD.
Im Rückblick kann man sagen, dass diese Anforderungen, sicherlich begleitet von einem harschen Ausleseprozess, die Honda-Entwicklungsabteilung auf ein immens hohes Niveau technischer Kreativität gebracht haben. Handfeste "Nebenwirkungen" wie die Entstehung der V4-Motoren inbegriffen.
Was hat diese alte Geschichte hier zu suchen?
Nach meiner rein persönlichen Meinung entspringt der V3-Motor mit elektrisch angetriebenem Turbolader, den Honda im letzten Herbst bei der EICMA vorgestellt hat, einer ähnlichen Motivation wie damals das Ovalkolben-Projekt. Dem Vernehmen nach sind in den letzten Jahren viele erfahrene Entwicklungsingenieure in den Ruhestand verabschiedet worden, und die Motorradabteilung steht bei der Rekrutierung ihrer Nachfolger in scharfer Konkurrenz zur eigenen Autosparte sowie anderen Autobauern.
Der V3 mit einer bisher nicht gekannten Art der Aufladung bietet Motorrad-Enthusiasten unter den jungen Ingenieuren eine attraktive Aufgabe mit realistischer Aussicht auf eine Serienfertigung.
Mit dem Honda-V3 und seinem "Haarfön"-Kompressor beginnt die Vorstellung einer Reihe ungewöhnlicher Motorenkonzepte in unterschiedlichen Entwicklungsstadien.
Der Honda-V3 – was bisher unerwähnt blieb
In den Ausgaben 24/2024 und 25/2024 hat MOTORRAD über den V3-Motor von Honda berichtet, in Heft 9/2025 einen Entwurf von Kar Lee vorgestellt, der diesen Motor in ein Naked Bike integriert hat. Auch sonst wurde viel über die V3-Konfiguration und ihre historischen Vorbilder geschrieben, vom DKW-Dreizylinder-Zweitakter bis zu den NS und RS 500 oder der NS 400 R von Honda selbst.

Was die Zylinderanordnung betrifft, so entspricht sie am ehesten dem Serienmotor der NS 400 R mit zwei vorderen und einem hinteren Zylinder – die Begriffe liegend und stehend verbieten sich bei der Neukonstruktion, deren Zylinder in annähernd gleichen Winkeln von der Senkrechten abstehen. Die Möglichkeiten, die sich mit dem elektrisch und damit unabhängig von der Motordrehzahl angetriebenen Lader auftun, wurden aber bislang nur angedeutet.
Was jetzt folgt, ist nicht durch Honda bestätigt; dort hat man bis heute zu technischen Details ohnehin beharrlich geschwiegen. Ich könnte mir aber vorstellen, dass der elektromotorisch betriebene Kompressor in Verbindung mit einer IMU und weiteren Sensoren das Spektrum elektronischer Fahrerunterstützung noch einmal erweitert.
Zum Beispiel könnte die Drehmomentcharakteristik in Abhängigkeit von Schräglage, gewähltem Fahrmodus und mithilfe von Federwegsensoren variiert werden. Also bei voller Beladung im Tourenmodus mit mehr Ladedruck und Drehmomentüberhang im mittleren Bereich oder im Unterschied dazu mit linearem Drehmomentaufbau und dem Maximum bei hohen Drehzahlen, wenn es gilt, auf der Rennstrecke in tiefsten Schräglagen aus den Kurven zu beschleunigen. Dabei ist kein plötzlicher Drehmomentanstieg, sondern berechenbare und gut dosierbare Zugkraft gefordert.
Die dazu notwendigen, komplexen Algorithmen zu programmieren, ist eine echte Herausforderung. Die Lösung einer solchen Aufgabe würde Honda viel Expertise in einem Bereich bringen, in dem der weltgrößte Motorradhersteller mittlerweile gegenüber den Europäern BMW, Ducati oder KTM etwas in Rückstand geraten ist – bei den elektronischen Fahrhilfen im Spitzensport und im Serienmaschinenbau.
Avadi-Motor: Lieber mal kompliziert
Selbst der Experte brauchte eine Reihe erklärender Videos, um die Funktionsweise des Avadi MA-250 zu verstehen. Am einfachsten zu kapieren ist bei diesem Motor noch die Umsetzung der Auf- und Abbewegung des Kolbens in eine Drehbewegung. Dies geschieht durch zwei Pleuel, die mit dem einen Kolben verbunden, mit 180 Grad Versatz auf eine sehr spezielle Kurbelwellenkonstruktion wirken.
Im Grunde sind es zwei "halbe" Wellen mit einem nur einseitig abgestützten Hubzapfen. Auf dem, was bei einer konventionellen Kurbelwelle ein Hauptlagerzapfen ist, trägt jede dieser Wellen ein Kegelrad, und beide Kegelräder greifen in eine große, fest sitzende Zahnscheibe mit demselben kegeligen Querschnitt. So dreht sich die gesamte Baugruppe bestehend aus Kolben, Pleueln, dem Kurbeltrieb und dem liegenden Zylinder um dessen Längsachse. Fest verbunden mit dem Zylinder überträgt ein Wellenzapfen das Drehmoment an Kupplung und Getriebe.

Die Steuerung des Gaswechsels geschieht durch Öffnungen im äußeren Gehäuse. Unter ihm dreht sich der Zylinder. Und wann immer die Öffnung oben im Zylinder mit der Ein- oder Auslassöffnung im Gehäuse zur Deckung kommt, wird frisches Gemisch angesaugt oder verbranntes ausgestoßen, je nach der Stellung des Kolbens. Neben dem komplizierten Kurbeltrieb, der an der propagierten geringen Reibleistung zweifeln lässt, wird die Abdichtung dieser besonderen Art der Schiebersteuerung mit hoher Wahrscheinlichkeit das größte Problem des Avadi-Motors.
Keine der bislang erprobten Lösungen, sei es bei Flugmotoren im Zweiten Weltkrieg oder späteren Versuchen von Felix Wankel und Audi-NSU, hat je dauerhaft funktioniert.
Die Antwort auf eine nicht gestellte Frage
Das gilt auch für die von ihnen bereits getestete und auch beim Avadi-Motor realisierte Beaufschlagung der gegeneinander abzudichtenden Flächen mit Gasdruck. Diese fördert zwar die Abdichtung, erhöht aber zugleich die Reibung. Hubventile in konventionellen Motoren haben demgegenüber den Vorteil, dass der natürlicherweise entstehende Kompressions- und Verbrennungsdruck die Ventilteller fester in ihre Sitze presst, die Abdichtung also ohne Reibungsverluste verbessert.
Weitere Probleme mit Schiebersteuerungen ergeben sich bei längeren Laufleistungen durch Verkoken der Kanäle und Eindringen von Ölkohlepartikeln zwischen die gegeneinander reibenden Scheiben. Sie führen zum Verschleiß der Keramikdichtungen, die um die Kanäle und den Brennraum angeordnet sind.
Der von den Erbauern genannte Wirkungsgrad von 42 Prozent ist höchst zweifelhaft, die geringe Spitzenleistung von 15 PS bei 3.700/min wird von konventionellen 250ern moderner Bauart weit übertroffen. Die Frage stellt sich, warum der Motor nicht höher dreht. Beeindruckend erscheint das maximale Drehmoment von 30 Nm bei 3.500/min – dabei ist allerdings die integrierte Zwei-zu-eins-Untersetzung des Kurbeltriebs mit berücksichtigt.
Bezüglich der Gewichtsangabe von elf Kilogramm ist zu beachten, dass sie nur den Motor betrifft. Das Gewicht von Kupplung und Getriebe, die bei konventionellen Motorradmotoren in einem gemeinsamen Gehäuse montiert sind, kommt also beim Einsatz in Fahrzeugen noch dazu.
Nach allem, was die Erbauer bis heute an Fahrversuchen öffentlich dokumentiert haben – nur wenige Videosekunden –, ist der Avadi MA-250 die Antwort auf eine Frage, die außer ihnen und ihrem Finanzier wohl niemand gestellt hat.
Kawasaki-Zweitakter – wenig Zeit fürs Mischen
Kawasaki hat einen Zweitaktmotor mit Einlassventilen, Turbolader und Direkteinspritzung patentieren lassen. Damit kann der Einlass des Benzin-Luft-Gemischs ins Kurbelgehäuse entfallen – egal ob durch Kolben, Membran oder Drehschieber gesteuert. Die bei konventionellen Zweitaktmotoren im Kurbelgehäuse stattfindende Vorverdichtung des Gemischs soll beim Kawasaki-Patent der Turbolader übernehmen und zwar allein mit Luft, die bereits während des Arbeitstakts gegen die Einlassventile gepresst wird.

Zur Nutzung des vollen Verbrennungsdrucks können die Ventile erst um den unteren Totpunkt herum öffnen, dann wird die angestaute Luft das in Bohrung und Brennraum noch befindliche Abgas durch den Auslasskanal in den Auspuff drücken.
Kawasaki will dadurch das prinzipielle Problem jedes bekannten Zweitakters mit der Abgasqualität und dem Benzinverbrauch vermeiden: das gleichzeitige Vorhandensein von verbranntem und frischem Gemisch in einem Raum.
Vermutlich wird der Ladedruck so ausgelegt, dass ein Teil der einströmenden Luft mitsamt dem Abgas in den Brennraum entweicht und trotzdem noch ein sattes Quantum an Sauerstoff für die folgende Verbrennung zur Verfügung steht. Der Anteil von Luft im Abgas darf aber nicht groß sein, da die nachgeschalteten Katalysatoren ihren optimalen Wirkungsgrad mit Lambda 1 erreichen, nicht aber bei Luftüberschuss im Abgas.
Erst kurz bevor der zum oberen Totpunkt strebende Kolben wie beim konventionellen Zweitakter den Auslasskanal verschließt, kann die Direkteinspritzung das nötige Quantum an Benzin beisteuern. Die Zeit, die dann noch bis zur Zündung für das effiziente Vermischen der Benzin- und Luftanteile bleibt, ist aber verzweifelt kurz. Man darf gespannt sein, ob und wie Kawasaki dieses Kardinalproblem lösen wird, an dem bisher alle Zweitakter mit Direkteinspitzung gescheitert sind – das prominenteste Beispiel ist die Bimota Vdue.
Weil kein Gemisch unterhalb des Kolbens durchs Kurbelgehäuse strömt, kann die Frage der Schmierung beim Kawasaki-Patent mit Spritzdüsen im Kurbelraum und einem Ölkreislauf gelöst werden, also ohne dass ständig Öl zusammen mit dem Benzin verbrannt wird. Trotzdem werden Zweitakt-Fans wohl weiterhin sehr tapfer sein müssen.
Einzylinder-V2 von QJ: Mit eins spiel zwei
QJ Motor ließ einen V2-Motor patentieren, der nur einen antreibenden Zylinder besitzt. Der zweite Zylinder mitsamt Kolben und Pleuel dient lediglich dem besseren Massenausgleich, erhielt also einen schlichten Deckel anstelle eines Zylinderkopfs mit Nockenwellen, Ventilen und deren Betätigungsmechanismus. Da der Kolben nur als Ausgleichsmasse genutzt wird, seine Bewegungen im Zylinder also möglichst verlustarm erfolgen sollte, besitzt er einen stark durchlöcherten Kolbenboden, damit er wenig Luft verdrängt.
Ungewöhnlich am Motorkonzept aus China ist die Tatsache, dass der Ausgleichskolben eine ähnlich große Bohrung ausfüllen soll wie der arbeitende Kolben. Das erinnert an die ersten, krachend gescheiterten Versuche bei der Entwicklung des Einzylinders der Ducati Supermono. Der passive Kolben fraß viel Leistung und verursachte wegen seines großen, zur Reibungsminderung gewählten Laufspiels heftige und furchtbar anzuhörende Klappergeräusche.
So kam Massimo Bordi auf die Idee, statt eines Kolbens ein Schwenkpleuel als Ausgleichsmasse einzusetzen. In anderer Konfiguration setzte auch BMW bei den ersten F 800-Motoren auf ein Schwenkpleuel zur Steigerung der Laufkultur. Damit konnten die als Gleichläufer konzipierten Reihenzweizylinder mit gleichmäßigen Zündabständen und geringem Vibrationsaufkommen glänzen.
Ein seit Jahrzehnten äußerst erfolgreicher Reihenzweizylinder als Gleichläufer mit einem dritten Zylinder als Masseausgleich – quasi ein Dreizylinder-Boxermotor – arbeitet in den Yamaha Tmax der verschiedenen Generationen. Der Ausgleichskolben ist kleiner im Durchmesser, aber höher als die gegenüberliegenden Arbeitskolben, vermutlich besteht er auch aus Material mit höherem spezifischem Gewicht als Aluminium. Außerdem ist sein Pleuel kürzer. Damit sparen die Yamaha-Konstrukteure Bauraum, während der V2 von QJ ihn trotz des fehlenden Zylinderkopfs unnötigerweise verschenkt.
Zwei und vier Takte – wer bietet mehr?
Zusammen mit der Universität von Cluj-Napoca in Rumänien hat Porsche einen Sechstakt-Motor patentieren lassen. Kern der Konstruktion ist ein spezieller Kurbeltrieb. Dargestellt am Beispiel eines Einzylinders trägt die Kurbelwelle ein Pleuel sowie exzentrisch zu dessen Hubzapfen links und rechts zwei Zahnräder.
Im Unterschied zum Avadi-Motor sind sie gerade verzahnt und greifen exzentrisch in zwei größere innenverzahnte Ringe, in der Patentschrift "Hohlräder" genannt. Damit wird ermöglicht, dass der Kolben seine Totpunkte in unterschiedlichen Höhen erreicht – je nachdem, wo die Zahnräder in den innenverzahnten Kränzen stehen, während er die Totpunkte durchläuft. Das Drehmoment kann über einen konventionellen Primärtrieb – egal ob im Automobil- oder Motorradbau – an Kupplung und Getriebe weitergeleitet werden.

Am Anfang des Zyklus mit sechs Takten läuft alles wie gewohnt. In seiner Abwärtsbewegung saugt der Kolben durch das geöffnete Einlassventil Benzin-Luft-Gemisch an, vielleicht auch reine Luft, welcher dann per Direkteinspritzung die Benzinanteile beigemischt werden. Ab 180 Grad Kurbelwinkel wird das Gemisch verdichtet und nahe dem oberen Totpunkt gezündet. Bei 540 Grad Kurbelwinkel erreicht der durch den Verbrennungsdruck nach unten gepresste Kolben zum zweiten Mal den unteren Totpunkt, genau dann, wenn auch der Hubzapfen seine tiefste Position in den innenverzahnten Hohlrädern durchläuft.
Es handelt sich also um den unteren der beiden unteren Totpunkte. Dadurch gibt der Kolben wie beim kolbengesteuerten Zweitakter eine Reihe von Spülkanälen frei. Durch diese strömt frisches Gemisch ein. Woher allerdings der Druck kommt, der dieses Einströmen des Frischgases bewirken soll, wird anhand der Patentschrift nicht klar. Ich kann mir dessen Erzeugung nur mithilfe eines Laders vorstellen.
Weil der nach oben strebende Kolben die Spülkanäle rasch wieder verschließt, dürfte ein substanzieller Rest der Abgase im Zylinder verbleiben. Von der aufwärts gerichteten Kolbenbewegung wird dieser Gasanteil zusammen mit dem Frischgas bis etwa 720 Grad Kurbelwinkel abermals verdichtet und danach gezündet. Erst am oberen Totpunkt nach dem Leistungstakt, also bei 1080 Grad Kurbelwinkel, ist das Abgas wie beim Viertakter ausgestoßen und der Zyklus beginnt von vorn.
Wegen seiner aufwendigen Mechanik und der komplizierten doppelten Führung der Einlässe wäre ein solcher Sechstakter für ein Motorrad allerdings zu schwer und würde zu viel Bauraum einnehmen. Der eingangs genannte Ingenieur setzte dem komplizierten Patent dann auch einfache, klare Worte entgegen: "Schöne und kluge akademische Arbeit von zweifelhaftem praktischem Wert."
Vorkammer als Brandstifter
Die Idee ist nicht neu. Schon die Vierzylinder-Rennmotoren von Gilera in den 1950er-Jahren zündeten ihr Gemisch nicht direkt durch die Zündkerze, sondern durch einen "Schusskanal", der wie der eigentliche Brennraum mit Gemisch gefüllt war, sodass die Hauptladung von bereits entflammtem Gemisch in Brand gesetzt wurde.
Honda und BMW haben sich jüngst Varianten dieser Technik patentieren lassen. In Kombination mit einer Direkteinspritzung soll sie perspektivisch dazu beitragen, Magergemisch-Motoren zu realisieren, um Benzin zu sparen sowie Schadstoffe im Abgas zu reduzieren. Ein extrem abgemagertes Gemisch kann nämlich kaum mit einer oder auch zwei Zündkerzen so entflammt werden, dass es vollständig durchbrennt. Es braucht den brennenden Gemischanteil aus der Vorkammer, der im Hauptbrennraum großflächig Feuer legt.
Gegen die Anwendung dieses Prinzips in Motorradmotoren spricht derzeit vor allem der Platzbedarf. Motorradmotoren sind auf sehr viel höhere spezifische Leistungen ausgelegt als Automotoren und bekommen deshalb im Verhältnis zur Bohrung deutlich größere Ventile. Der Platz im Brennraum ist dadurch schon so weit ausgenutzt, dass Zündkerzen mit kleinen Gewinden unabdingbar werden. Da bleibt kaum zusätzlicher Raum für eine Vorkammer und eine Direkteinspritzdüse.
Auch deshalb hat BMW insgesamt 13 Patentansprüche mit verschiedenen Varianten der Anordnung von Vorkammer, Einspritzdüse und Zündkerze formuliert. Darunter auch die Idee, Zünd- und Masseelektrode der Zündkerze zu trennen und damit eventuelle Platzprobleme zu lösen. Die Vielzahl möglicher Konfigurationen deutet übrigens darauf hin, dass die Entwicklung eines solchen Motors bestenfalls erst am Anfang steht und noch nicht ermittelt ist, welche Variante die beste sein wird.
Die japanische Idee

Honda hat sich beim Vorkammer-Patent bereits auf eine Technik festgelegt. Hier wird die Vorkammer von einem rotierenden Walzendrehschieber mit einer großen ovalen Öffnung und mehreren kleinen Luftöffnungen gebildet, der vom Nockenwellenantrieb mitbewegt wird. Ist die ovale Öffnung vom Brennraum abgewandt, wird von einer separaten Düse Benzin in die Vorkammer gespritzt, in die der nach oben gehende Kolben bereits Luft gedrückt hat.
Dann wird das Vorkammergemisch entzündet und mit der Drehung der Öffnung zum Brennraum hin auch die Hauptladung. Ihr Benzinanteil kommt von einer Saugrohreinspritzung. Da die Vorkammer eine eigene Einspritzdüse erhält, spricht man von einer aktiven Vorkammerzündung, während die BMW-Varianten eine passive Vorkammerzündung vorsehen.
Weil selbst die Homologation nach Euro 5+ auch mit konventioneller Zündung zu schaffen ist und das Thema Verbrauch bei Motorrädern vom Gesetzgeber nicht so sensibel behandelt wird wie im Automobilbau, ist eine Realisierung in Motorradmotoren mittelfristig nicht zu erwarten.





