CMC, V2X, C-ITS. Keine neuen E-Roller-Modelle aus Asien, sondern grundlegende Strukturen wie Fahrzeuge heute miteinander und mit der Umwelt kommunizieren. CMC ist das "Connected Motorcycles Consortium", ein Zusammenschluss führender Motorradhersteller zur Entwicklung und Standardisierung von Sicherheitssystemen, die im Austausch mit anderen Fahrzeugen stehen. V2X steht für "Vehicle to everything", also der Kommunikation des Fahrzeugs mit allem um sich herum. C-ITS konkretisiert das weiter als "Cooperative Intelligent Transport Systems", also die reine Kommunikation unter Fahrzeugen mittels GPS als Fundament.
Das Motorrad weiß immer mehr
Die Vernetzung von Fahrzeugen zum Austausch zur Vermeidung kritischer Situationen oder rein zum Komfortgewinn sind im Auto bereits näher als mancher glaubt und nicht nur für die Sicherheit, sondern auch für das große Thema autonome Fahren ein Grundbaustein. Beim Motorrad indes sind solche Bausteine nur rudimentär in manchen aktuellen Topmodellen vorhanden in Form der Radarsysteme von Ducati, BMW, KTM und vielleicht Honda. Hier ist die Kommunikation aber einseitig und rein reaktiv: Das Radar registriert erst mal nur die Veränderungen des sichtbaren Verkehrs und passt die Geschwindigkeit an.

Und hier liegt der große Unterschied zu Fahrzeugen, die mittels C-ITS per Ad-hoc-Funknetzwerk kommunizieren: Sie sehen sich gar nicht. Entsprechende Warnungen werden zwischen den Fahrzeugen schon lange vor der Sichtbarkeit ausgetauscht. Wobei es nicht nur um kritische Situationen geht, die ein Auto und ein Motorrad direkt betreffen. Es können auch Situationen sein, die ein Fahrzeug wahrnimmt und ein anderes Fahrzeug warnt, dass von diesem Vorfall betroffen sein könnte. Beispiel: Tagesbaustellen, plötzliche Wetterumschwünge oder Unfallstellen. Die Technik dahinter verlangt ein absolut genaues GPS-Signal als Grundlage, dazu werden mehrere GPS-Antennen im Motorrad benötigt und natürlich für den Stadtverkehr absolut genaue und aktuelle Karten, sonst kann das System nicht arbeiten wie geplant.

Fahrplan zur Vernetzung vorgestellt
Das CMC arbeitet seit 2016 daran die C-ITS-Techniken vom Vierrad auf das Zweirad zu übertragen, da beim Motorrad die Situationen, die zu einem Unfall führen können, andere sind. Daher müssen auch die Warnungen andere sein. Diese von der CMC getauften Basic Specifications sind jetzt erstmals vorgestellt worden und enthalten quasi das Fundament des C-ITS:
- Welche Art von Unfällen könnten von einem C-ITS-System vermieden werden?
- Welche Szenarien liegen dem zugrunde und durch welche Anwendung im C-ITS können die Situationen adressiert werden?
- Welche Systemvoraussetzungen am oder im Motorrad werden benötigt? Wie viele GPS-Antennen werden an welcher Stelle im Motorrad benötigt? Wie müssen die Sicherheitsprotokolle aussehen?
- Wie arbeiten diese System im Echtzeittest auf Prototypen? Oder wie lange vor ab müssen die Warnungen oder Benachrichtigungen dem Fahrer mitgeteilt werden?
- Wie arbeitet das Systeme im Vergleich der anderen V2X-Standards wie ETSI oder Car 2 Car?
- Mensch-Maschine-Schnittstelle: Wie kann das Motorrad den Fahrer rechtzeitig waren, ohne dabei zu überfordern oder gar abzulenken?
- Wie und Wann können diese Systeme angeboten werden und wie hoch ist der Aufwand?

Wer macht alles mit beim CMC?
Das CMC wurde 2016 ins Leben gerufen. Gründungsmitglieder und heutige Hauptmitglieder sind BMW Motorrad, Honda und Yamaha. Mittlerweile gehört auch KTM zum Kern des CMC. Weitere Mitglieder und Partner sind unter anderem:
- Alpinestars
- Ducati
- Kawasaki
- Suzuki
- Triumph
Die weiteren Mitglieder des CMC setzen sich aus Technischen Universitäten, der Unfallforschung und der Automotiv-Industrie zusammen. Die Kompetenz steht zumindest auf dem Papier außer Frage. Aktuell kommunizieren BMW Motorrad und Yamaha aktiv und offensiv zu diesem Thema und verlängern beide laut einer Pressemitteilung die Zusammenarbeit mit dem CMC und den anderen Partnern. Die nächste Stufe des CMC "Next" konzentriert sich dabei auf das Thema der Wahrnehmung von Motorrädern in ADAS (Advanced Driver Assitance Systems), also den bereits vorhandenen Sensoren-Systemen von Auto. Hier vornehmlich Radarsysteme, die in Motorrädern auch immer nutzbarer werden. BMW geht dabei als PKW- und Motorradhersteller in einer Doppelrolle auf und betont die nutzbaren Synergien besonders im Bereich der Onboard-Sensorik. Hierbei sollen vor allem die V2X-Systeme wie auch die bestehen Sensoriken "Hand in Hand arbeiten und nicht als Stand-Alone-Systeme zu Einsatz kommen" verkündet BMW Motorrad.

Was soll mir das alles bringen?
Das CMC hat bisher 19 verschiedene Anwendungen identifiziert und benannt, die von der C-ITS erkannt und dem Fahrer dargestellt werden sollen. Unterteilt werden die 19 Anwendungen in drei Kategorien wie "Sehen und gesehen werden", "Erwarte das Unerwartete" und "Weniger Stress". Unter den 19 Anwendungen befinden sich zum Beispiel ein Assistent, um Motorräder hinter Lieferwägen oder LKW einem links abbiegenden Auto zu signalisieren und gleichzeitig das Motorrad für einen Linksabbieger zu sensibilisieren. Oder auch die Warnung über mögliche glatte Stellen oder Hindernissen und Baustellen voraus sind geplant. Interessant auch aus dem Bereich "Weniger Stress" die Empfehlung der optimalen Geschwindigkeit auf ampelreichen Straßen zur Nutzung der Grünen Welle. Kurz: Alle echten Pain Points und möglichen Gefahrenszenarien, die ein Motorradfahrer als Verkehrsteilnehmer haben kann, sollen die die C-ITS des CMC so gut wie möglich verringert, im Besten Falle vermieden werden.

Warnen oder regeln?
Es wäre natürlich denkbar und logisch mit der Warnung im Motorrad vor einer Gefahrenstelle die fahraktiven Sicherheitssysteme auch aktiv arbeiten zu lassen. Also eine Notbremsung einleiten als greifbarstes Beispiel. Doch davor sind noch viele Forschungen nötig. Wichtig ist hier vor allem die Erkennungen: Was macht der Fahrer auf dem Krad gerade? Ist er konzentriert oder erfreut er sich an der Aussicht? Hat er den Lenker fest im Griff und genug Druck auf den Rasten? Das ist wichtig, denn eine automatische Bremsung würde ohne aufmerksamen Fahrer das ohnehin zum umfallen neigenden Konstrukt Motorrad weiter instabilisieren und einen Unfall womöglich weiter begünstigen. Hier kommt – ich spinne mal etwas herum – Partner Alpinestars ins Spiel. Der Bekleidungsspezialist, könnte ja die Kleidung selbst entsprechend ausrüsten, um Warnungen vom Motorrad zum Fahrer auch haptisch fühlbar zu machen oder gar die aktuelle Position des Fahrers auf der Maschine für die Entscheidung Notbremsung zu bewerten. Großartige Welt.

Morgen schon vernetzt?
Auf keinen Fall. Beim Auto ist die Idee einer Vernetzung gut 30 Jahre alt und erst seit Kurzem sind Autos in der Lage auch auf der Straße zu kommunizieren, von einer Marktdurchdringung kann also keine Rede sein. Weitere 30 Jahre wird es beim Motorrad nun aber nicht mehr dauern, für die nächste und wohl auch übernächste Modellgeneration ist es aber auch nicht zu erwarten. Auch in Sachen Infrastruktur ist noch viel Arbeit nötig und auch die Berücksichtigung nationaler Gesetzgebung muss berücksichtigt werden. Besonders wichtig sind aktuelle Straßenkarten zur genauen Positionsermittlung der Fahrzeuge, gerade im Stadtverkehr unerlässlich. Zudem müssen die Systeme beispielsweise erkennen, ob das Motorrad – unabhängig der Rechtslage – sich gerade durch einen Stau fädelt, um im restlichen Netzwerk nicht das Signal zu geben: Hier ist kein Stau oder gar eine vermeintliche Meldung: "Rettungsgasse bilden" auslöst.