Sport- und Touring-Motorräder eröffnen Teil zwei des Alpen-Masters. Wer tritt hier an? Ducati schickt mit der 959 Panigale die hubraumerweiterte Euro 4-Nachfolgerin der 899 ins Rennen, Kawasaki die brandneue, nominell 200 PS starke ZX-10R. Suzukis GSX-S 1000 war schon im letzten Jahr bei den Nakeds ziemlich überzeugend mit von der Partie, ihre vollverkleidete, technisch eng verwandte Schwester „F“ darf sich heuer in der sportlichsten Kategorie unter Beweis stellen. Und dann, sie dürften viele mit Spannung erwartet haben, wäre da noch KTMs 1290 Super Duke GT. Mit ihr wollen die Mattighofener beim Alpen-Masters natürlich ganz vorne mitmischen. Verständlich, bringt doch die Basis-Super-Duke R schon vieles mit, was einen echten Dolo-Champion ausmacht: stabiles Fahrwerk, aufrecht-sportliche Ergonomie, Riesenbremse und nicht zuletzt ein 1300er-Vau-Zwo-Katapult, dem für feiste Fahrleistungen Drehzahl, Gang und Beladungszustand stets ziemlich schnuppe sind. Zum ultimativen Alpen-Brenner fehlt der Super Duke R bloß etwas Langstreckenkomfort, Platz für Sozius und Gepäck sowie ein wenig Ausstattung. Als wären sie MOTORRAD-Abonnenten, haben die KTM-Ingenieure der Super Duke GT all dies nun angedeihen lassen.
Ein ganz, ganz heißer Titelkandidat. Doch der Reihe nach, zunächst zu den Gebückten. Denn die haben im Alpen-Masters fast schon traditionell eher wenig zu bestellen, da machen auch Ducati 959 Panigale und Kawasaki ZX-10R keine Ausnahme. Woran liegt das? Nun, sicher nicht an Fahrwerksqualität, Bremsperformance oder Power, denn von beidem haben Kawa und Duc im Überfluss. Ist der Straßenbelag eben und trocken, die Kurven lang, und die Sportpneus auf Temperatur (besonders der Bridgestone RS 10 der Kawa braucht einiges davon), dann macht den Sportmotorrädern in puncto Stabilität, Schräglagenfreiheit, Rückmeldung, letztlich Fahrvergnügen, keiner was vor. Diese wunderbaren Sportfahrer-Tunnelblick-Momente sind aber rar, denn Nässe, Schlaglöcher, Spitzkehren sind in den Alpen nun mal die Regel, und dann lautet der Hashtag Stummellenker-Leid. Zwar arbeitet das Fahrwerk der Ducati prinzipiell sehr gut, aber wegen ihrer auf Agilität getrimmten Geometrie reagiert sie auf Impulse in Schräglage eher bockig, verlangt den Pordoi hinauf eher einen Bändiger als einen Piloten.
Duc besser, weil druckvoller und passender übersetzt
Die Kawasaki ZX-10R dagegen liegt herrlich satt und bolzstabil, will ihrerseits aber deutlich mehr Körpereinsatz in Wechselkurven. Dazu ist das Fahren auf der Zehner mit ihrem langem Tank und tief montierten Lenkerstummeln besonders bergab richtig Arbeit. Anstiege wiederum, als Beispiel sei erneut der Pordoi angeführt, muss der Kawa-Treiber fast ausnahmslos in der elendig langen Gangstufe eins (bis über 150 km/h) absolvieren, und selbst dann noch ziehen ohne Einsatz der Kupplung viele andere, auch deutlich schwächere Motorräder gnadenlos davon. Nur zum Vergleich: 8,2 Sekunden beim Durchzug bergauf mit Sozius, von 25 auf 75 Stundenkilometer, damit reiht sich die Kawasaki ZX-10R zwischen Honda CB 500 F und Moto Guzzi V9 ein. Doch wehe, wenn der Reihenvierer ab etwa 8000 Umdrehungen zündet – denn dann fährt die ZX-10R alles in Grund und Boden. Das ist natürlich nett, in diesem Wettbewerb aber eher von untergeordneter Bedeutung.
Etwas besser, weil druckvoller und passender übersetzt, räubert die Duc. Aber so richtig befriedigend ist auch ihr Sportmotor hier nicht. Addiert man dazu das völlige Fehlen von Soziuskomfort und Gepäckunterbringung bei beiden, darf das Gesamtergebnis nicht überraschen. Die Unterschiede zwischen beiden sind eher gradueller Natur. Die Panigale 959 fühlt sich etwas frischer an, handlicher, aber auch eigenwilliger, die Kawa geschliffener, stabiler, bodenständiger, eher oldschool. Ducati 959 Panigale und Kawasaki ZX-10R taugen am ehesten für eine einzige, zornige Testrunde. Im Rennleder, nach Möglichkeit bei gesperrter Strecke.
Bequeme Ergonomie, kräftige Bremse, tolle Reichweite
Viel, viel umgänglicher, dem Einsatzzweck angemessener und dennoch kein bisschen dröge kommt da die Suzuki GSX-S 1000 F rüber. Weil sie praktisch identisch ist mit der letztjährig vertretenen nackten Variante, seien deren Stärken kurz wiederholt: bärenstarker Reihenvierzylinder mit feiner japanischer Laufkultur und heiserem Röhren, knackig-straffes Fahrwerk mit ordentlichen Reserven, leichtfüßiges Handling, aufrecht-bequeme Ergonomie, kräftige Bremse, tolle Reichweite. All dies lässt sich auf die „F“ übertragen, ergänzt um einen spürbar besseren Windschutz. Das macht die Suzuki GSX-S 1000 F unterm Strich zu einem ausgesprochen kompetenten Alpen-Brenner. Kritik? Federbein und Gabel dürften etwas sensibler ansprechen, Soziuskomfort gibt’s nicht, und ein Gepäcksystem findet sich nur beim Zubehörspezialisten. Immerhin scheint die gern kritisierte, harsche Gasannahme aus dem Schiebebetrieb nun etwas milder, wenngleich noch nicht ganz perfekt. Trotzdem, und erst recht zum Preis von 12.800 Euro: Die Suzuki GSX-S 1000 F ist für Solo-Alpinisten mit mehr Sport- als Tourambitionen rundum empfehlenswert.
Und damit zu dem Motorrad, das schon ob seiner Eckdaten den Gruppensieg beinahe einfahren muss. Satte 173 PS und noch sattere 144 Nm maximales Drehmoment, semiaktives Fahrwerk, großer Tank, Windschutz, Platz für zwei und Gepäck, Ausstattung bis zum Abwinken – schon auf dem Papier macht die KTM 1290 Super Duke GT alles richtig. Fast noch erdrückender dann die Überlegenheit auf der Straße. In der aktuellsten Euro 4-Variante mit neuen Zylinderköpfen und einer Auspuffklappe ist der 1300er-Vau-Motor subjektiv noch einmal ein wenig kräftiger geworden. Wie der den Pass stürmt, sucht seinesgleichen: 3,2 Sekunden Durchzug im zweiten Gang bergauf, mit Sozius. Das ist einsame Spitze. Dieser Druck bedeutet eine extreme Souveränität in allen Lebenslagen, besonders weil die Leistungsentfaltung, das Ansprechen des Treibsatzes so wunderbar geschmeidig und unaufgeregt vonstattengehen. Der himmelhohe Sieg unter allen Alpen-Bikes in der Motorenwertung ist das verdiente Resultat. Dann das Fahrverhalten: spürbar Super Duke R, also weiterhin ausgesprochen sportlich, aber ergänzt um eine kräftige Prise gediegenen Langstreckenkomfort.
Wahnsinns-Spagat zwischen Tour und Wettkampf
Grundsätzlich eher straff, lässt das elektronische Fahrwerk im Komfortmodus eine mehr als ausreichende Behaglichkeit aufkommen. Ein Schaltautomat ist mit an Bord (kein Blipper), und die Traktionskontrolle verfügt nun über eine Schräglagensensorik, eine willkommene Ergänzung. Des Weiteren verfügt der Touren-Herzog über enorme Fähigkeiten bei Beladung (elektronische Anpassung der Federvorspannung hinten), hat Fahrer-und Beifahrerkomfort fast auf Niveau einer Reiseenduro, ebensolche Reichweite und Zuladung. Genau wie der Motor macht das ganze Fahrzeug einen Wahnsinns-Spagat zwischen Tour und Wettkampf. Die KTM 1290 Super Duke GT schafft es, genug Motorrad für die ausdauernde Reise zu zweit zu sein, ohne darüber zu ausladend zu werden im Hinblick auf Fahrspaß.
Als einziges echtes Haar in der Suppe muss, vielleicht neben der defensiven ABS-Abstimmung, die bergab den Bremsweg überraschend lang werden lassen kann, das mechanische Klackern der semiaktiven Federgabel genannt sein. Wüsste man nicht um deren einwandfreie Funktion, man könnte meinen, da sei etwas kaputt. Davon einmal abgesehen, stellt die KTM 1290 Super Duke GT ein ausgesprochen komplettes Motorrad dar.
Platz 1: KTM 1290 Super Duke GT

Plus:
- extrem souveräner Antrieb, hervorragende Fahrleistungen
- breitbandiges Fahrwerk, kann Komfort und Sport
- komplette Ausstattung
- guter Sitz- und Reisekomfort, auch für zwei
Minus:
- defensives ABS
- klackernde Federgabel
Platz 2: Suzuki GSX-S 1000 F

Plus:
- bäriger Vierzylinder, satter Druck, feine Laufkultur
- Beschleunigung und Durchzug spitze
- stabiles, straffes Fahrverhalten
- kommode Sitzposition
- niedriger Verbrauch, gute Reichweite
Minus:
- Soziuskomfort unzureichend
- schlechte Gepäckunterbringung
Platz 3: Kawasaki ZX-10R

Plus:
- stabiles, sattes Fahrverhalten
- sehr sicheres ABS
- heftige Beschleunigung im oberen Drehzahlbereich
Minus:
- supersportliche Sitzposition, ermüdend
- schlechter Durchzug
- Soziuskomfort und Gepäckunterbringung
Platz 4: Ducati 959 Panigale

Plus:
- hervorragende Bremse, Wirkung und Dosierbarkeit
- Handlichkeit und Rückmeldung auf ebener Fahrbahn
Minus:
- harter Motorlauf
- geringe Reichweite
- nicht soziustauglich, Gepäckunterbringung
Alpen-Masters-Wertung
Maximale Punktzahl | Ducati 959 Panigale | Kawasaki ZX-10R | KTM 1290 Super Duke GT | Suzuki GSX-S 1000 F | Motor | 150 | 104 | 97 | 134 | 120 | Fahrverhalten | 180 | 120 | 125 | 141 | 127 | Alltag | 100 | 44 | 51 | 77 | 61 | Komfort | 70 | 19 | 22 | 48 | 36 | Gesamtwertung | 500 | 287 | 295 | 400 | 344 | Platzierung | 4. | 3. | 1. | 2. |