Crossover-Mittelklasse Tourer im Test: CFMoto 650 MT und Kawasaki Versys 650

Crossover-Mittelklasse Tourer im Vergleichstest
CFMoto 650 MT und Kawasaki Versys 650

Veröffentlicht am 01.07.2025

Am Anfang gleich der Blick aufs Datenblatt: Einspritzungen mit 38 Millimetern Durchmesser, ein Hubraum von 649 cm³, dazu eine 83er-Bohrung und ein 60er-Hub. Diese Werte weisen sowohl die CFMoto 650 MT als auch die Kawasaki Versys 650 dieses Vergleichs auf, beide Jahrgang 2022. Ziemlich ähnlich sieht’s bei den beiden Crossover-Modellen auch beim Fahrwerk aus: gleicher Lenkkopfwinkel, ähnliche Werte beim Radstand.

Wer hat da wen kopiert? Als jüngere Marke haben die Ingenieure bei CFMoto aus China genau hingeschaut, wie ein taugliches Crossover-Modell der unteren Mittelklasse auszusehen hat, und die 650 MT auf die Räder gestellt. Doch hat sie wirklich das Zeug dazu, der etablierten Vorlage Kawasaki Versys 650 das Wasser abzugraben? Ein gute Frage, die Antworten verlangt.

Kawasaki Versys 650

Der erste Eindruck vermeldet: durchaus. Vor allem beim Blick aufs Preisschild. Für 6.699 plus 202 Euro Nebenkosten rückt der CFMoto-Händler die CFMoto 650 MT heraus – inklusive Koffersatz sowie fahrschultauglicher Sturzbügel (Stand: Herbst 2022). Die Kawasaki Versys 650 ist teurer. Nicht nur ein wenig, sondern richtig viel: 9.718 Euro kostet das Testfahrzeug samt der Koffer, silbernem Lack und einiger Anbauteile als Extra (Stand: Herbst 2022). Damit ist’s aber noch nicht getan. 600 Euro Überführungskosten schlägt Kawasaki noch obendrauf. Das ergibt eine Differenz von 3.417 Euro zwischen den beiden Crossover-Typen, die sonst so gleich scheinen. Das Preisbrett, das die 650 MT bohrt, ist ein dickes.

Leichtgängige Kupplung, einstellbare Handhebel

Doch was gibt es für die sauber ersparten Euros? Bei beiden eine ganze Menge. Einstellbare Handhebel zum Beispiel. Ein Feature, das oft sogar an Highclass-Modellen fehlt, zählt bei beiden zum guten Ton, sowohl auf der Kupplungsseite als auch beim Handbremshebel. Allerdings nicht ganz ohne Einschränkungen. Und schon wieder trifft es die Kawasaki Versys 650. Als dicken Pluspunkt verbucht sie eine überaus leichtgängige Kupplung, von den fünf Rastpunkten für den Bremshebel lassen sich aber nur die Stufen vier und fünf sinnvoll nutzen. Für alle anderen bräuchte es riesenhafte Pranken, fällt die Praxistauglichkeit gleich null aus. Besser macht es die verstellbare Scheibe der Kawasaki. Über einen Drucktaster unterhalb des Cockpits lässt sich ihre Arretierung lösen, die Scheibe schnell in der Höhe verschieben. Da die komplette Arretierung in zwei wackelfreien Führungsschienen läuft, zappelt selbst beim gemessenen Topspeed von 184 km/h nichts, bleibt die Geräuschentwicklung auf vertretbarem Niveau.

CFMoto 650 MT

Noch besser erledigt die Sache aber die CFMoto 650 MT – zumindest, was den Windschutz betrifft. Ihre Scheibe fällt größer aus, schirmt den Fahrer besser vom Fahrwind ab. Und auch sie lässt sich in der Höhe verstellen. Über zwei Drehknäufe (links mit Linksgewinde) gelingt bei ihr die Höhenanpassung. Ganz herausgezogen arretieren die Drehknäufe die Scheibe aber nur noch punktuell in den Führungsschienen. Das kostet Stabilität. Oder anders gesagt: Mehr Windschutz bedeutet auch mehr Lärm. Die 650-MT-Scheibe wackelt mitunter, genau wie die komplette Frontverkleidung beim Testbike hörbare Schwingungen aufbaut – und dröhnt.

Wer das ausblenden möchte, stöpselt sich Musik per Bluetooth in die Ohren. Damit dem Smartphone dabei auf längeren Etappen nicht der Saft ausgeht, bietet die CFMoto einen USB-Anschluss in der Front. Bei der Kawasaki ist dafür an ähnlicher Stelle ebenfalls ein Platz vorgesehen, auf den kleinen Stromspender muss der Versys-Pilot aber verzichten.

Versys 650: komfortabel-sanfte Abstimmung

Mehr Spielraum gibt’s dafür beim Fahrwerk. An der Kawa-Upside-down-Gabel sitzen Vorspannung und Zugstufenverstellung in getrennten Gabelholmen. Ein ähnliches Setup weist auch die CFMoto 650 MT auf. Auch bei ihr lassen sich Vorspannung und Zugstufe anpassen. Gleiches gilt zudem für das direkt zwischen Schwinge und Rahmen montierte Federbein. Die Versys 650 verzichtet bei diesem auf eine Zugstufenverstellung. Dafür bietet ihr Dämpfer eine per praktischem Handrad justierbare Vorspannung. Allerdings: Wichtig sind nicht die vielen Einstellräder, sondern das Basis-Setup.

Unter diesem Gesichtspunkt verwöhnt die Kawasaki Versys 650 mit einer komfortabel-sanften Abstimmung, die auf zweit- und drittklassigem Asphalt Stöße wirkungsvoll herausfiltert. Besonders die Gabel gleitet mit feinem Ansprechverhalten über alle straßenbaulichen Versäumnisse hinweg, während das ebenfalls direkt angelenkte Federbein ein Stück weit unsensibler anspricht. Es ist allerdings immer noch weit davon entfernt, den Fahrerhintern aktiv in die Dämpfungsarbeit einzubeziehen. Als Abstimmungstipp lohnt es sich, die Vorspannung hinten etwa sieben Klicks zu erhöhen. Dadurch sinkt die Versys hinten weniger ein, lenkt dafür zackiger ein – ohne dass der Komfort leidet, was auch für die gut gewählten Federraten spricht.

Straffes Setup bei der CFMoto 650 MT

Anders sieht es bei der CFMoto 650 MT aus. Ihr Heck steht hinten schon am Anschlag, und als ihre Fahrwerksentwickler geschmeidiges Ansprechverhalten verteilen wollten, hat von der 650-MT-Truppe niemand "hier" gerufen. Deutlich zappeliger als die Kawasaki huscht die CFMoto über Wellen und Kanten, liegt auf schlecht asphaltierten Straßen spürbar unruhiger – und das trotz komplett geöffneter Gabel-Zugstufe. Von ihrem straffen Setup profitiert die 650 MT nur in glatten, schnellen Ecken, in denen die Kawasaki aufgrund ihrer kommoderen Abstimmung vor allem hinten eher dazu neigt, leicht zu gautschen. Die CFMoto meistert das ohne einen Zucker im Fahrwerk. Allerdings: Im Alltag taugt das komfortablere Versys-Fahrwerk in 90 Prozent aller Situationen mehr als die straffere Fahrwerksauslegung der CFMoto. Zudem: Die Kawasaki Versys 650 wischt mit ihrem Setup so federleicht durch jeden Bogen, dass der Fahrer sich ganz auf die Linie konzentrieren kann. Die 650 MT verlangt dagegen mehr Engagement hinterm Lenker, stellt sich in Schräglage fühlbar auf. Ohne ständigen Druck läuft bei ihr nichts.

CFMoto : Aufstellmomente in Kurven

Ähnlich schaut es bei den zweien beim Thema Bremsen aus: Die Kawasaki-Anlage liegt hier mit klarem Druckpunkt und guter Wirkung vorne. Bei der CFMoto 650 MT braucht’s für die gleiche Verzögerungsleistung mehr Handkraft, auch, weil die 650-MT-Stopper recht stumpf in die Scheiben beißen. Da bleibt das Gefühl für die gerade abgerufene Bremsleistung auf der Strecke. Zudem nimmt das eh schon vorhandene Aufstellmoment beim Stopp weit in die Kurven hinein nochmals zu. Da sind klare Befehle gefordert, um die CFMoto auf Kurs zu halten.

Wohlfühl-Athmosphäre auf der Kawasaki

Glücklicherweise taugt der 650-MT-Arbeitsplatz nahezu perfekt dazu, den Fokus ganz auf den Kurvenradius zu lenken. Angenehmer Kniewinkel, hoch angebrachter Lenker, alles liegt genau dort, wo man es erwartet. Gut so. Mit etwas weiter hinten angebrachten Rasten und einem noch griffgünstiger platzierten Lenker toppt die Kawasaki dieses Arrangement aber nochmals, bietet pure Wohlfühl-Atmosphäre ab dem ersten Meter, wirkt im direkten Vergleich noch ein Stück weit erwachsener, ausgereifter. Kleine Zeitgenossen müssen sich auf beiden keine Sorgen um den Bodenkontakt machen, selbst wenn die Sitzhöhen mit 845 Millimetern bei der CFMoto 650 MT und 855 Millimetern bei der Kawasaki Versys 650 üppig ausfallen. Enger Knieschluss und schmal geschnittene Sitzbänke im vorderen Bereich schaffen eine gute Kurzbeintauglichkeit. Und auch Lange fühlen sich auf den zweien wohl – mit leichten Vorteilen für die Kawasaki.

CFMoto-Antrieb ein Stück zu weit im Vordergrund

Die darüber hinaus auch beim Motor den besseren Eindruck hinterlässt. Bei Stadttempo rollt die Versys mit ein wenig Gefühl im sechsten Gang leise von Ampel zu Ampel, während die CFMoto 650 MT immer einen Gang tiefer bewegt werden möchte. An sich nicht schlimm, allerdings schiebt sich der 650-MT-Zweizylinder mit seinem rauen Motorlauf und dem etwas harschen Ansprechverhalten im Modus Sport – Tour ist gutmütiger – immer ein Stück zu weit in den Vordergrund, während der Kawasaki-Reihen-Zweier mit gemessenen 66 PS sanft und ohne Murren spätestens ab 2.500/min ein freundlich-spritziger Begleiter ist.

Er stellt wie das ganze Fahrzeug den Mensch und seine Wünsche in den Mittelpunkt, ohne dabei nur einen Funken Langeweile aufkommen zu lassen. Das schafft Konzentrationsraum für die Umwelt. Ganz anders gibt sich der 650-MT-Antrieb. Der übertrifft mit Prüfstands-bescheinigten 62 PS seine Werksangabe deutlich, weshalb er bei der Fahrleistung auf dem gleichen Level wie die Kawasaki Versys 650 liegt. Er läuft aber rauer, klettert nicht so entspannt-nachdrücklich durchs Drehzahlband wie der Kawa-Zweier. Anders gesagt: Der CFMoto-Antrieb ist präsenter.

Ist die Kawasaki Versys 650 die Preisdifferenz wert?

Und jetzt der Strich unter der Gesamtrechnung, Value for Money heißen die Zauberworte. Gemessen an ihrem Preis liefert die CFMoto 650 MT einen mehr als ansehnlichen Auftritt ab. Selbst wenn sie bei vielen Aspekten nicht ganz an die Klasse der Kawasaki Versys 650 heranreicht, gibt es einen dicken Daumen nach oben. Schließlich könnte derjenige, der wollte, für die Preisdifferenz bei Fahrwerk, Bremsen und Motor nachbesseren. Allerdings bleibt ein großer Knackpunkt, und das ist die Fahrzeugqualität an sich. Die 650 MT hatte zum Testzeitpunkt zarte 2.500 Kilometer auf der Uhr und sah an manchen Stellen wie dem Federbein, den Schaltern und der Lenkerbefestigung abgelebter als die Dauertester von MOTORRAD aus, die durchschnittlich zwei Jahre in der Redaktion inklusive fordernder Wintereinsätze bleiben.

Gänzlich anders kam die Kawasaki Versys 650 daher. Mit fast 6.000 Kilometern auf dem Tacho erweckte sie den Eindruck, als wäre sie gerade erst vom Band gerollt. Diese Anfassqualität, diese feine Haptik lässt sich nicht nachrüsten. Ob sie die Preisdifferenz wert ist? Ja, weil sie gleichzeitig den Werterhalt und damit den Wiederverkaufswert sichert. Hieran müssen sie bei CFMoto trotz grundsolider Basis vor allem noch arbeiten.