Gebrauchtkauf Honda ST 1100

Gebrauchtkauf Honda ST 1100 Alles roger

Die Pan European - für Piloten offensichtlich ein Vergnügen nach Feierabend. Tourenfahrer spulen mit ihr Tausende problemloser Kilometer ab.

Honda ST 1100 - ohne Frage ein Motorrad, bei dessen Anblick sich die Geister scheiden. Mehr als sechs Zentner Masse, mit einem Kunststoffkleid komplett verhüllt, das einer Autokarosserie verdammt ähnlich sieht. Die Sport-, Chopper- und Enduro-Gemeinde reagiert auffällig abfällig, für sie hat das nicht mehr viel mit einem Motorrad zu tun. Ganz anders betrachten die Reisefreaks das japanische Pendant zur BMW K 100 LT. Fahrer mit dem Faible für das unbeschwerte Touren zu zweit offenbaren bei Nennung des Modellnamens eine Mischung aus Begeisterung und Respekt. Von allen, die den Boliden schon einmal pilotiert haben, werden große Lobeshymnen auf das Tourenflaggschiff von Honda gesungen. Sie schwärmen von der souveränen Kraftentfaltung des V4-Triebwerks, das seine 98 PS bei kommoden Drehzahlen mit Links abgibt. Von dem großzügigen Platzangebot für zwei Personen und ausreichend Gepäck. Von dem respektablen Wind- und Wetterschutz der Verkleidung. Und nicht zuletzt: von der ungewöhnlich Solidität des ganzen Motorrads, an dem auch bei hohen Laufleistungen kaum mal ein Defekt auftritt.

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So auch bei der Langstreckenmaschine von MOTORRAD, die nach dem Debüt der Pan European, wie Honda die ST 1100 optimistisch taufte, ab 1990 in zwei Jahren locker 100 000 Kilometer abspulte. Und außer zwei Lagerdefekten am Vorderrad und am Lenkkopf keine nennenswerte Schäden zu verzeichnen hatte (MOTORRAD 19/1992).Die zu diesem Modell zahlreichen Leserzuschriften wissen ebenfalls trotz Laufleistungen bis zu 140 000 Kilometern eigentlich nur von Bagatelldefekten und normalem Verschleiß zu berichten. Lediglich in zwei Zuschriften wird von schweren Schäden berichtet: Detlef Sydlowski aus Hamburg ereilte bei 120 000 Kilometern an seiner ST ein Defekt des Kardanantriebs, der mit gut 3000 Mark zu Buche schlug. Und an der ST von Helge Peters aus Hohenhorst brach bei 50 000 Kilometern eine Feder der Spannrolle des Zahnrienmenantriebs für die Nockenwellen. Als Folge sprang der Zahnriemen über und führte zu zwei ramponierten Kolben, einigen krummen Ventilen und einem ziemlich lädierten Zylinderkopf auf der rechten Seite. Diese beiden Malaisen seien hier nur erwähnt, um den Mythos der Unzerstörbarkeit dieses Triebwerks zu widerlegen. Auch bei Honda wird nur mit Wasser gekocht. Dennoch gehört die Pan European zweifellos zur Spitzenliga, in der nur wenige Modelle laufberechtigt sind.

Nach dem Langstreckentest hatte die Redaktion versprochen, die Marathon-ST weiterhin im Auge zu behalten. Der Wille war da, doch leider ist Gerhard Schwarz aus Fellbach, der seinerzeit besagte ST 1100 in wieder komplettierten Zustand von der Schwabengarage Stuttgart als Zweitbesitzer in Empfang nahm, mit unbekanntem Wohnsitz verzogen. Nicht auszuschließen, daß er mit der Pan European auf einer Weltreise das Weite gesucht hat. Sollte er wider Erwarten in seinem neuen Domizil diese Zeilen lesen, sollte er sich mal bei der Redaktion melden und Auskunft über das weitere Schicksal der ST 1100 geben.

ST-Fahrer fahren vorwiegend Langstrecke - 1000 Kilometer in einem Rutsch, wenn der Urlaub sich dem Ende nähert, sind keine Seltenheit. Da muß die Sitzposition stimmen. Fahrer mit kürzeren Armen ersetzen häufig den Serienlenker durch den stärker gekröpften und zirka fünf Zentimeter höheren von Magura (HG). Die Sitzposition ist dann noch aufrechter und entspannter. Die Züge müssen nicht verlängert werden, und die Eintragung beim TÜV ist problemlos. Piloten mit mehr als 185 Zentimeter Größe montieren häufig bei den Modellen bis 1994 eine höhere Scheibe von JF, um die Luftturbulenzen um den Helm herum zu eliminieren. Dann ist allerdings der Beifahrer einem Luftsog ausgesetzt, der den Oberkörper nach vorn zieht.

Da es bei Regen die Nässe durch den Schlitz zwischen Scheibe und Verkleidung drückt, schnitzten sich die Langstreckentester von MOTORRAD ein passendes Stück Moosgummi zurecht, um bei aufkommender Feuchtigkeit das Loch zu stopfen. Diesen Trick haben offensichtlich viele ST-Fahrer nachgeahmt und sind zufrieden.

Bei dem 1996er Modell sind ungefähr in Kinnhöhe noch einmal zwei Öffnungen hinzugekommen, die ab etwa 80 km/h mit lauten Windgeräuschen nerven. Doch das neueste Modell, das zusätzlich zum ABS mit der neuen Verbundbremse wie bei dem Modell CBR 1000 F ausgerüstet ist, steht hier noch nicht zur Debatte - so schnell verkauft kaum einer seine ST.

An dem Modell bis 1992 war die Verstellschraube für die Dämpfung des hinteren Federbeins nur nach Demontage der Packtasche und des rechten Seitenteils zu erreichen. Profis bohren ein Loch in die Seitenverkleidung, um mit einem Schraubendreher bei Bedarf jederzeit die Einstellung zu ändern.

Ab Werk besitzen alle ST 1100 eine per Handrad zu verstellende Leuchtweiten-Regulierung des Doppelscheinwerfers. Da diese sinnvolle Erfindung vor den Augen des TÜV keine Gnade fand, liefert Honda Offenbach die Maschinen ohne das Verstellrad aus. Was manche Fahrer noch mehr nervt, ist das für ihr Empfinden zu dürftige Abblendlicht bei Dunkelheit. Die in anderen Ländern genehmigte Zuschaltung des zweiten Scheinwerfers fiel ebenfalls dem Verbot des TÜV anheim.

Das beträchtliche Aufsehen, das die 35-Liter-Koffer der ST 1100 bei ihrem Erscheinen hervorriefen, hat sich mittlerweile gelegt. Heute monieren die Besitzer eher, das die integrierten Koffer zu klein sind und das Demontage-Ritual anfangs etwas gewöhnungsbedürftig ist. Erfreulich, daß die soliden Koffer das Fahrverhalten der ST nicht beeinflußen und bei Regen einigermaßen dicht sind. Außerdem ist die Silhouette der beiden Behältnisse schmaler als die Lenkerpartie mit den beiden Außenspiegeln.

Seit 1993 wird nur noch die versicherungsgünstigere 98-PS-Version angeboten. Eine Drosselung über die Ansaugstutzen bei älteren 100-PS-Modellen ist möglich. Der Unterschied in den Fahrleistungen ist so marginal, daß sich die Reduktion mit Kosten von zirka 85 Mark immer lohnt. Die Liebhaber von Alpenpässen bemängeln, daß für das Anfahren am Berg mit viel Gepäck der erste Gang sehr lang übersetzt ist. Die ebenfalls reichlich lange Übersetzung des fünften Gangs als Overdrive findet dagegen im Zeitalter benzinsparender Maßnahmen fast einhellige Zustimmung.

Bei maximaler Beladung mit dem Urlaubsgepäck und zwei Personen kann das Gesamtgewicht einer ST 1100 schon mal zehn Zentner übersteigen. Eigentlich logisch, daß für hohes Tempo auf der Autobahn, zielsicheres Durcheilen von Kurven und sichere Haftung beim Bremsen vor allem auch auf nasser Fahrbahn der richtigen Bereifung eine zentrale Bedeutung zukommt. Eindeutige Favoriten bei der Beurteilung: Bridgestone Exedra G 547 und G 548 sowie Metzeler ME 33 Laser und ME 55A METRONIC. Der Bridgestone hat eine etwas längere Laufleistung und reagiert auf unter 50 Prozent abgefahrenes Profil nicht so empfindlich wie der Metzeler-Vorderradreifen, dessen Fertigungsqualität schon mal Anlaß zur Kritik gibt. Bei nicht optimaler Auswuchtung bei der Montage kann Lenkerschlagen zwischen 80 und 100 km/h auftreten. Allerdings hat die Metzeler-Paarung Vorteile in der Haftung, auch bei Nässe.

Wer eine gebrauchte Pan European sucht, muß sich bei den recht stabilen Preisen vorab entscheiden, ob er die Variante mit Antiblockiersystem und einer zusätzlichen Antischlupfregelung (TCS), die seit 1992 angeboten wird, haben will. Das Sicherheitspaket schlägt neu mit 3000 Mark zu Buche, entsprechend teurer sind die Gebrauchten. Modelle aus den ersten beiden Produktionsjahren (1990,1991) mit 50 000 und mehr Kilometern sind schon mal für unter 10 000 Mark zu kriegen. Jüngere Jahrgänge bis 30 000 Kilometer werden je nach Zustand für 15 000 bis 17 000 Mark angeboten. Ausschlaggebend für die Kaufentscheidung ist bei diesem Schwergewicht sicherlich eine ausgiebige Probefahrt, die vorab klärt, ob diese alternative Art des Motoradfahrens konveniert.

Noch ein Tip für diejenigen, die sich für die ST 1100 entscheiden: Die Firma Honda veranstaltet dieses Jahr zum siebten Mal die exklusive Pan European-Rallye. Treffpunkt ist am 5. Juni das spanische Santander. Informationen bei Klaus Wilkniß, Telefon :069/83 09 325 oder Fax: 069/83 09 524.

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