- Wenige, aber wesentliche Maßnahmen
- Leistung oder Drehmoment, das ist hier die Frage
- Spieltrieb für große Jungs und Mädels
- Konsequente Hahn-Spannung
- Der Haken? Der Preis.
- Fazit
Achtneunzig Adventure R nehmen, Duke-Felgen reinspaxen, fertig ist die Laube namens neue KTM 890 SMT? "Ganz so einfach war es nicht" verrät Adriaan Sinke, Produktmanager bei KTM: "Ja, am Anfang stand im Prinzip eine 890 Adventure R auf 17-Zöllern, aber nein, es waren noch einige Änderungen und viel Feintuning nötig, bis es richtig gut fuhr."
Wenige, aber wesentliche Maßnahmen
Die wesentlichen Maßnahmen an der neuen KTM 890 SMT: Runter mit dem Federweg von 220 auf immer noch stelzige 180 Millimeter vorn wie hinten, Dämpfung spezifisch Abstimmen, runter mit dem Tankvolumen von 20 auf 15,8 Liter, ran mit standfester 320er-Millimeter-Doppelscheiben-Bremserei, Elektronik anpassen, Sitzbank neu formen, Windschild kappen.
Leistung oder Drehmoment, das ist hier die Frage
Im Vergleich zur PS-stärkeren 890 Duke in deren R-Version leistet der Reihentwin in der SMT mit typischem Hubzapfenversatz von 75 Grad in dieser Ausbaustufe 105 PS. Er stemmt mit 100 Newtonmetern bei 6500 Touren aber früher mehr Drehmoment. Topend versus Punch in der Mitte, eine Glaubensfrage, welche die anwesenden Berichterstatter spalten sollte. Wir meinen: Mehr PS ist eh gut, doch zu Supermoto-Touring passt die Drehmoment-Abstimmung. Zweifel? Lass das Gas stehen und ihr werdet spüren, es schiebt.
Spieltrieb für große Jungs und Mädels
Keine zwei Meinungen gab es zum Thema Fahrverhalten, in der SMT steht das Supermoto rechtschaffen vor dem Touring. Wer also auf omnipräsenten Spieltrieb hoffte, wird bedient. Gefahren wurde auf Sardinien – mit traumhaftem Schmirgelpapier-Grip in wildem Kurvengeschlängel und mitunter derben Aufbrüchen übrigens der denkbar beste Ort der Welt für ein solches Konzept. Dramaturgie des Kennenlernens ab Ausfahrt Hoteltor: Wer etwas auf sich hält muss "Rain"-Modi ignorieren, aber warum nicht mal den Motor im "Street"-Modus warmfahren? Smoothe Gasannahme, manierlicher Lauf, Kraft und Drehfreude – so kennt man den Reihentwin.
Eben schaut keiner, man könnte? Nix, auf "Street" kappt die Elektronik rabiat jeden Ansatz von Einradkultur. Also "Sport": ein kleines Ambitions-Schnäpperle gesteht der Rechner uns zu, mehr nicht, und die Gasannahme ist nun zwar ultra-direkt, aber wenn man ehrlich ist zu schnippisch für präzise Fahrmanöver.
Einer könnte nun in bekannter Manier zu "MTC-OFF" durchklicken und damit entsichern. Besser aber für den "Track-Mode" zahlen, denn der Extra-Fahrmodus ist Pflichtkauf, was keine fünf Minuten nach Fahrtbeginn klar wird. Nur hier lässt sich die SMT frei und nach Sportfahrer-Gusto sinnig konfigurieren.
Modus Track, Mapping Street, dann powert der Motor so präzise und traktionsstark, das man Fortgeschrittenen bei gutem Grip die nun mögliche TC-Feinjustage auf Eins von Neun, oder besser gleich Null, mit reinem Gewissen empfehlen kann. Jetzt wirkt der Antrieb spritzig. Zweiter Gang, handvoll Gas, zwei Finger der leichtgängigen Seilzugkupplung, schnapp und endlich schwebt das Rad. Wenns sein soll und mit etwas mehr Überzeugung auch im Dritten. Glücksgefühle. Pech nur, war gerade kein Knipser in der Nähe. Wo dieser wichtige Aspekt geklärt wäre, geht sie los, die Sardische Achterbahn. Unser Guide (Grüße!) fährt die Ellbogen aus und spannt, wie es gottlob bei KTM zum guten Ton gehört, konsequent den Hahn. Hinterher!
Konsequente Hahn-Spannung
Geil, geil, geil! Verzeihung für die unflätige Wortwahl, aber damit wäre das Wichtigste auf den Punkt gebracht. Genauer: Die SMT wischt mit bissiger Lust durch die nicht endenden Wechselkurven auf der Insel, fühlt sich in allen Fahrzuständen leichter an als die für so ein Motorrad sowieso schon erfreulichen 206 Kilo (Werksangabe) fahrfertig es suggerieren. Wahnsinn.
Maßgeblich wird diese Beweglichkeit, natürlich neben den 17-Zöllern, von einem hohen Schwerpunkt besorgt: Stelzige Federwege, hoch aufragender Aufbau von Front und Tank, dazu thronst du selbst noch in 86 Zentimetern Höhe, supermoto-mäßig aufrecht – gefühlt ballt sich das Gros der Masse zwischen Lenkkopf und Tankdeckel. Entsprechend leicht rollt die SMT um ihre Längsachse. Dass diese Tanzwut nicht ins Nervöse gleitet, hat Gründe:
Erstens ist der verwendete Michelin Power GP ein Top-Pneu nicht nur mit viel Grip, sondern auch mit gutmütigem Lenk- und Eigendämpfungsverhalten – perfekte Wahl. Zweitens begünstigt die aufrecht- breitschultrige Ergonomie jeden aktiven Fahrstil, ob nun drücken oder hanging-off. Drittens ist ein Lenkungsdämpfer verbaut und viertens arbeitet das Fahrwerk hervorragend, nämlich nach der zu selten angewandten Devise: So weich wie möglich, so hart wie nötig. So wird durch die langen Federwege und ungewohnt feines Ansprechverhalten des WP Apex-Fahrwerks ein ungewöhnlich hoher Fahrwerkskomfort erreicht.
Somit, und mit der relaxten Sitzposition, ist auch das Touring-Ding erklärt. Unsportlich? Werft die überholten Denkmuster über Bord. Die in Druck und Zug verstellbare Gabel macht einen Top-Job, indem sie frisst, was man ihr vorsetzt, ohne wild durch den Federweg zu rauschen. Das in Vorspannung und Zug justierbare Federbein hält nicht ganz diese Qualität, letztlich ist das Fahrwerk und seine Abstimmung aber große Klasse.
Der Haken? Der Preis.
Der Haken? Niemals würden wir über Äußerlichkeiten der KTM 890 SMT sprechen. Über Geld schon. Zum Basispreis von 14.449 Euro addieren sich Extra-Posten, neben besagtem "Track-"-Modus etwa der ebenfalls empfehlenswerte Quickshifter. Wer gar keine Scham kennt, findet sogar Koffer und Topcase unter den Powerparts. Unsere Schätzung: Ein schlanker Tausi ist zum Basispreis immer zu addieren. Als Koffer-Version und mit Endtopf stehen 18.000 Euro auf der Rechnung. Ja, nun ist Inflation.
Fazit
Supermoto-Touring ist der Name, und der ist ohne Übertreibung Programm: Mit der 890 SMT hat KTM einen Maximalspaß-Allrounder von immenser Breitbandigkeit auf die 17-Zöller gestellt. Wer an "nur" 105 PS zweifelt: Die Gaudi ist dramatisch größer, als diese Zahl suggeriert. Damit kannst du die Hausstrecke filetieren oder zu zweit in Urlaub. Teuer, aber viel Motorrad.