MOTORRAD durfte die Moto Guzzi V 100 S Mandello als einer der ersten noch vor der Serienproduktion testen. Hier seht und lest ihr, welche Fahreindrücke wir gesammelt haben.
MOTORRAD durfte die Moto Guzzi V 100 S Mandello als einer der ersten noch vor der Serienproduktion testen. Hier seht und lest ihr, welche Fahreindrücke wir gesammelt haben.
Mit Projektauftakt im Februar 2019 hat Guzzi ein Bike auf die Räder gestellt, das MOTORRAD exklusiv vor der Serienproduktion testen konnte. Zu 95 Prozent fertig entwickelt soll diese Moto Guzzi V 100 S Mandello sein. Nur die Mappings des tourentauglichen Roadsters sind noch nicht ganz final, der Lenker wird in Serie schwarz statt silbern sein, der Quickshifter funktioniert dann auch beim Runterschalten, und im Fünf-Zoll-TFT-Display wird dann statt des Aprilia-Schriftzugs der Guzzi-Adler den Fahrer begrüßen.
Erste Überraschung: Beim Anlassen fällt der berühmte Guzzi-Seitwärtsschwung im Stand erstaunlich sanft aus. Überhaupt läuft der Twin sehr vibrationsarm. Der Motor ist außerdem gut 103 Millimeter kürzer als der aktuelle V85-Twin. Na, dann mal los. Kommod sitzt es sich auf der Moto Guzzi V 100 S Mandello. Entspannt greift man zum Lenker, und obwohl der Tank sich optisch vor einem lang nach vorn streckt, sitzt man insgesamt touristisch und dennoch recht aktiv. Außerhalb von Noale, wo wir mit dem Test starten, zieht die Guzzi ab 3.000/min munter davon. Richtig weich nimmt sie im Touring-Modus das Gas an und zeigt ihrem Fahrer, dass so um die 4.000/min schon ordentlich Drehmoment anliegt. Mit jedem Dreh am Gasgriff legt die V 100 zu. Der Motor behält dabei seine tadellose Laufkultur. Aber die Power reißt bis weit über 8.000/min nicht ab. Durch den kürzeren Motor konnten die Konstrukteure die Schwinge und deren Winkel fein anpassen, was schließlich die Kardanreaktionen erfolgreich minimiert. Wow, das alles kann von den luftgekühlten Guzzi-Twins wirklich keiner.
Und kein Serienbike der Welt hat einen elektronisch gesteuerten Spoiler. Die Moto Guzzi V 100 S Mandello hat davon gleich zwei links und rechts an der Frontverkleidung. Im Touring-Modus klappen diese "Flaps" ab etwa 100 km/h aus und halten Verwirbelungen von den Flanken des Piloten. Stufenlos per Schalter lässt sich außerdem der Windschild ausfahren, der in höchster Stufe auf unserer Autobahnetappe deutlich Winddruck vom Oberkörper nimmt. In Sachen Aerodynamik haben sich die Techniker offenbar sehr um die Mandello bemüht.
Im Sport-Modus bleiben die Spoiler übrigens angelegt. Und sportlich kann die Moto Guzzi V 100 S Mandello wirklich gut. Sie ist auf engen Sträßchen kein Handlingwunder, aber sie ist zielgenau und sagenhaft stabil. Da passt die straffe Fahrwerksabstimmung sehr gut zum Modus, aber sowohl die Gabel als auch das Federbein können komplett je nach Wunsch noch abgestimmt werden. Das gilt auch für die Wheeliekontrolle, jedoch nicht für die Motorbremse. Vier fixe Mappings bietet die Guzzi, Road, Sport, Touring und Rain, dazu eine frei wählbare Einstellung.
Kurvenlicht und -ABS gehören auch zur Elektronikausstattung der V 100. Die Bremsanlage von Brembo ist übrigens toll dosierbar, selbst tief in den Scheitel hineingebremst stellt sich nichts auf. Da hat der Pirelli Angel GT sicher seinen Anteil daran. Passt irgendetwas nicht an dieser Guzzi? Mir ließ die Standard-Sitzbank bei meiner Größe (1,83 m) und für meinen Geschmack durch den steilen Anstieg zum Soziusplatz etwas zu wenig Bewegung nach hinten zu, gerade weil es mir richtig Spaß gemacht hat, die Moto Guzzi V 100 S Mandello sportlich die Voralpenstraßen hochzujagen. Das Fahrwerk könnte über die Mappings in seiner Voreinstellung etwas weiter gespreizt sein, also im Touring-Modus etwa spürbar komfortabler abgestimmt. Über das Menü hat es der jeweilige Fahrer aber selbst in der Hand, die Druck- und Zugstufe etwas zu öffnen.
Beim Umrunden der Moto Guzzi V 100 S Mandello fällt einiges Neues auf. Der Kardan ist im Gegensatz zur V 85 auf der linken Seite und dort jetzt Teil einer wuchtigen Einarmschwinge. Die Köpfe des traditionell längs eingebauten 90-Grad-V-Motors sind in sich um 90 Grad gedreht, sodass der Auslass seitlich verläuft. Den Platz, den sonst die nach vorn geführten Krümmer bei den aktuellen Guzzis einnehmen, besetzt jetzt der Wasserkühler. Das nach links außen versetzte Zentralfederbein stammt von Öhlins und ist elektronisch gesteuert. Gleiches gilt für die Gabel. Ihrer Bestimmung entsprechend hat das Heck recht dezent integrierte Kofferaufnahmen.
Darauf angesprochen springt ein Guzzi-Entwickler mit zwei Koffern herbei und hängt diese mit wenigen Handgriffen ein. In jeden Koffer passt übrigens ein Integralhelm, Fassungsvermögen um die 37 Liter. Wer mehr braucht, bekommt außerdem ein Topcase, für das aber eine kleine Gepäckbrücke – ebenfalls aus dem Zubehör – nötig wird. Apropos Zubehör: Die S-Version wird schon viele Extras in Serie haben. So den Quickshifter, die Griffheizung, die schwarzen Felgen und die Connectivity-Features. Eine höhere oder eine niedrigere Sitzbank sowie eine Komfortausgabe, alle optional mit Heizung, stehen wie Motorschutzbügel, ein spezielles Touring-Licht, ein größerer Windschild und ein Hauptständer noch zur Wahl.
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Mich hat die Moto Guzzi V 100 S Mandello nachhaltig beeindruckt. Der Plan, einen modernen, tourentauglichen Roadster zu entwickeln, der trotzdem unverkennbar eine Moto Guzzi ist, scheint voll aufgegangen zu sein.