Was sich mit "GSX-S GX" prominent auf der Verkleidung der Suzuki GSX-S 1000 GX, dem ersten Crossovers aus Hamamatsu buchstabiert, ist vokallose Letterkryptologie in bester japanischer Tradition. Eine Tradition, die der Exzellenz unzähliger Nippon-Bikes im Allgemeinen aber selten im Wege stand. Genau wie das beharrliche Festhalten an "gereiften" Motoren, wenn es um Suzukis im Speziellen geht.
Es gibt also auch für die neue Suzuki GSX-S 1000 GX kein neu entwickeltes Antriebsfeuer. Dafür aber ein ausentwickeltes – und davon reichlich. Der von der 2005er-GSX-R 1000 entlehnte Vierender genießt bis heute einen Ruf wie Donnerhall, und zwar auch noch nach umfangreicher Domestizierung und Abgasaktualisierung völlig zu Recht, wie wir später noch ausreichend ehren und huldigen werden.
Suzuki GSX-S 1000 GX mit Extraportion Tourentauglichkeit
Neues gibt es dafür an anderer Stelle: Die Suzuki GSX-S 1000 GX verfügt auch über das erste elektronische Fahrwerk im Hause und wird dazu noch mit allem an Elektro-Fahrzauber ausgestattet, was den Suzuki-Technikern aktuell zur Verfügung steht. Ansonsten gibt es die üblichen Crossover-Zutaten: 150 Millimeter Federweg an Bug und Heck, mehr Sitzhöhe (+ 45 Millimeter), einen breiteren (+ 14 Millimeter) und höheren (+ 43 Millimeter) Lenker als bei der GT sowie das klassenübliche wie unvermeidbare "Charaktergesicht", hier gemäß aktueller Hauslinie mit senkrecht angeordneter Doppel-Linse.
Für die Extraportion Tourentauglichkeit der Suzuki GSX-S 1000 GX sorgen das von der GT bekannte Kofferset und ein von der GT unbekannter, weil dreifach verstellbarer Windschild. Hierzu jedoch zwei kleine Wermutstropfen: Ersteres erfordert (wie so oft) einen Extra-Obolus, Letzterer (wie nicht so oft) einen Sechskantschlüssel, denn nur so lässt sich der Windschild neu positionieren. Schade nur, dass sich ein passendes Exemplar nicht im Bordwerkzeug finden ließ. Ganz brauchbaren und verwirbelungsfreien Windschutz bietet das kompakte Stückchen Polycarbonat jedoch auch schon in der untersten Position, so viel sei schon mal vorweggenommen. Auch die im Vergleich zu den anderen Modellvarianten ausladendere Frontverkleidung trägt hier genrebedingt bei.
Nun denn, nach dieser kleinen Eskapade verläuft die erste praktische Annäherung an die Suzuki GSX-S 1000 GX durchaus erfreulich. Die Optik ist natürlich wie immer Geschmackssache, aber die speziell in dieser Klasse gern mal zitierte Wuchtbrumme sieht anders aus. Es gibt vergleichsweise schlanke Keildynamik mit dem bekannt guten Look-and-feel japanischer Großserie. Sogar für ein bisschen Schmackofatz in Form der schicken massiven Schwinge oder der fein mit Markennamen beschilderten Spiegel hat es gereicht.
Sitzprobe auf der Suzuki GSX-S 1000 GX
Auch die Sitzprobe auf der Suzuki GSX-S 1000 GX gefällt mit etwa 1,80 Meter Körperlänge auf Anhieb: Lenkerbreite und -höhe vermitteln das begehrte lässige Kontrollgefühl, aber passend zum Konzept gibt es noch eine wohlschmeckende, dezente Portion sportliche Zusammenfaltung und Vorderradorientierung samt wirklich langstreckentauglichem Sitzpolster.
Das Label "lässige Sportlichkeit" passt eh ganz gut zur Suzuki GSX-S 1000 GX und wird auch im Fahrbetrieb weiter gefüttert. Hierbei spielen vor allem zwei Akteure ihre Trümpfe aus. Da wäre einmal der schon vorgelobte Reihenvierer. Er kombiniert typische Bauartvorteile wie frühesten Rundlauf, ein breites Leistungsband und den explosiven Drehzahlritt mit nicht ganz so typischen Gimmicks wie zünftigem Tiefendruck und reichem Charakter: Das leichte, angenehme Grundvibrato, der dezente, aber pralle Screamer-Sound oder auch das stabile Airboxröcheln, sobald man nur ans Gasgeben denkt. Auch nach Jahrzehnten noch ein ganz großer Wurf für Herz und Funktion, dieser 999-Kubik-Reihenvierer. Der neben entspanntem Wellensurfen bei hohem Gang und niedriger Drehzahl auch fürchterlich schnelles Herbrennen ermöglicht. Ab 8.000 Touren explodiert der stiernackige Four förmlich noch mal und brennt amtliche Beschleunigungswerte ins Messgerät.
Doch auch ein paar Drehzahletagen tiefer ist schon richtig was los. Notabene, selbst eine noch zorniger, aber auch spitzer motorisierte BMW S 1000 XR nimmt der Suzuki GSX-S 1000 GX in unseren prestigeträchtigen Durchzugsmessungen nur jeweils eine Zehntelsekunde ab. Teilweise erkauft sich die Suzuki diese Fabelwerte aber auch mit einer knackig kurzen Übersetzung samt entsprechend erhöhtem Drehzahlniveau. Und das lässt einen bei handelsüblichem Autobahnmitrollen leider öfters im Drehzalbereich um 5.000/min landen, wo es dann doch ein bisschen mehr bitzelt, als man es noch unter Charakter durchgehen lassen könnte.
Suzuki GSX-S 1000 GX mit cremigster Gasannahme
Apropos Autobahn: Anders als bei den anderen GSX-S-Geschwistern ist der Topspeed bei der Suzuki GSX-S 1000 GX begrenzt. Statt rund 250 gibt es maximal "nur" 215 Sachen. Das ist nicht ganz ungewöhnlich und wohl dem Sicherheitsdenken der Japaner angesichts der größeren und höheren Stirnfläche geschuldet.
Zum Trost gibt es dafür aber die cremigste Gasannahme der gar nicht mehr so kleinen Modellfamilie, und zwar in jedem der drei Fahrmodi A (Active), B (Basic) und C (Comfort). Trotzdem empfehlen wir bei der Suzuki GSX-S 1000 GX klar den B-Modus, da C trotz voller Brause etwas zäh und A für den Alltag schon zu vehement aus dem Quark kommt.
Elektronisches Fahrwerk: großer Beitrag zur Fahrfreude
Wo wir schon beim Digitalen sind: A, B und C integrieren neben der Gasannahme noch ein paar andere Parameter. Da wäre etwa die siebenstufige, abschaltbare Traktionskontrolle. Und dann gibt es da noch die Abteilung "AD" oder auch "Active Damping", den zweiten großen Akteur in Sachen lässiger Sportlichkeit. Hier verbergen sich die drei Settings H (Hard), M (Medium) und S (Soft) für das elektronische Fahrwerk und mit ihnen ein großer Beitrag zur Fahrfreude.
Suzuki schlägt wie gesagt drei spezifische Verknüpfungen dieser Parameter-Triade vor, erlaubt aber auch beliebige Kombinationen frei nach Gusto, die sich dank aktueller TV-Fernbedienungs-Logik, bestehend aus einem Steuerkreuz und zwei Tasten (Bestätigen und Zurück), leicht während der Fahrt durchwürfeln lassen. Der besagte Fahrmodus B kristallisiert sich auch unter Einbeziehung aller Akteure als goldene Mitte heraus.
Die Traktionskontrolle der Suzuki GSX-S 1000 GX steht dann auf Stufe vier von sieben, wo sie noch spürbar den Rettungsschirm spannt, ohne allzu intrusiv mit dem üppigen Powerangebot umzugehen. Spätestens ab Stufe fünf spielt sie für optimale Straßenverhältnisse und routinierte Fahrer aber etwas zu sehr den Spielverderber. Die Showa-Hardware mit "Electronically Equipped Ride Adjustment" oder auch kurz "EERA" (bekannt auch aus Hondas Africa Twin) ist dann auf Härtegrad M justiert und offenbart so ihre ganze Brillanz. Der Kompromiss zwischen sportlicher Verbindlichkeit und seelenbalsamierendem Komfort ist nämlich äußerst treffsicher.
Die längeren Federwege in Verbindung mit semiaktiver Regelung der Dämpfer schaffen da natürlich größere Spielräume. Erstere lassen aber auch das Feedback im Vergleich zu konventionell gefederten GSX-S-Varianten einen Tick schrumpfen. Doch keine Sorge, das sportliche Grundkonzept wird so noch lange nicht zum Marketing-Gag.
Superbes Ansprechverhalten von Gabel und Federbein
Der trotzdem erkleckliche Federungskomfort rührt vor allem vom superben Ansprechverhalten von Gabel und Federbein her. Selbst die fiesesten und kürzesten Buckelgemeinheiten südfranzösischer Sträßchen dringen kaum zum Fahrerhintern vor, sondern werden von der Suzuki GSX-S 1000 GX souverän weggebügelt. Für das bestenfalls nicht zu ausladende Hinterteil von Passagier oder Passagierin gilt das etwas weniger, aber auch hier ist die Contenance der elektrounterstützten Federware bemerkenswert.
Bestenfalls nicht zu ausladend übrigens, weil sowohl Zuladung (196 Kilogramm) als auch Soziusbrötchen für einen 1000er-Crossover mit Tourenanspruch etwas schmaler als üblich ausfallen. Apropos Beifahrer: Der sitzt auf der Suzuki GSX-S 1000 GX ansonsten recht kommod, aber deutlich erhöht. Eine automatische Anpassung der Vorspannung am Heck ist praktischerweise an Bord und macht den Wechsel zwischen Fahrer- und Kofferanzahl denkbar einfach. Auf Wunsch kann man auch drei fixe Einstellungen vorwählen und diese sogar noch weiter feintunen. Nötig ist das nicht, gibt aber Fleißpunkte für die Ambition.
Fahrwerksmodi mit feinem Ansprechverhalten
So oder so, das feine Ansprechverhalten ist allen drei Fahrwerksmodi der Suzuki GSX-S 1000 GX zu eigen und macht so jeden von ihnen voll praxistauglich. S fürs Bummeln und Mäandern (automatische Schlechtwegerkennung inklusive), H für sportliche Eskapaden oder Gefühle (dann taucht die Front beim harten Bremsen deutlich weniger ab) und M für alles dazwischen. Für Spielnaturen gibt es auch noch den "User-Modus" U, der die drei fixen Modi als Basis nimmt und sie noch mal in drei Stufen straffen oder soften lässt. Damit ergibt sich eine breite Auswahl an passenden Waffen für alle möglichen Schlachtfelder.
Und die Querdynamik ist für die vielleicht bisher tourigste "Gixxe" der ultimative Prüfstein. Gixxe bleibt schließlich Gixxe, oder? Und tatsächlich stellt sich schon mit der ersten selbstbewusst angegangenen Kurvenkombination wohlbekanntes GSX-, ergo Sportmotorrad-Feeling klassischer Schule ein. Auch die Suzuki GSX-S 1000 GX ist kein wieselflinkes Handlingwunder und braucht trotz breitem Lenker einen klaren Einlenkimpuls, wenn es in Schräglage gehen soll. Das kennt man schon hinlänglich vom Rest der Familienbande, und es überrascht nicht unbedingt. Schließlich unterscheiden sich die relevanten Geometriedaten (Radstand, Nachlauf, Lenkkopfwinkel) nur in Nuancen, und auch bei der GSX-S 1000 GX setzt Suzuki weiterhin aufs etwas aus der Mode gekommene, weil eben nicht handlingfördernde 190/50er-Format am Hinterrad.
Präzision und satte Kurvenlage
Was man aber auch kennt, sind die Präzision beim Einstechen und die satte Kurvenlage. Vom mitunter leicht bojenhaften Handling manch anderer Wuchtbrumme auf Stelzen ist die Suzuki GSX-S 1000 GX weit entfernt.
Auch die Peripherie spielt begeistert mit, je schneller und tiefer es geht. Da wäre die vergleichsweise sportliche Ergonomie mit viel Platz zum Turnen, wenn man denn mag. Das präzise Getriebe, das beim Rumbummeln noch etwas kraftaufwendig erschien, aber im Hatzmodus umso mehr mit kurzen Wegen und klarer Rastung erfreut. Und zwar sowohl ohne als auch mit Quickshifter-Unterstützung. Und natürlich der kräftige Vierender, der mit Macht und Gebrüll aus dem Eck pumpt.
Das kennt und mag man an Motorrädern, die ein GSX im Namen tragen. Nichtsdestotrotz fügt zumindest unser Testmotorrad eine Eigenschaft zum Stammbaum hinzu, die wir so noch nicht kannten. Auch ganz ohne Griff zur Bremse zeigt es in Schräglage eine leichte Aufstelltendenz, die es auszugleichen gilt. Daran gewöhnt man sich zwar schnell, sobald man eine Weile im Sattel sitzt, aber gleichwohl verliert die Suzuki GSX-S 1000 GX so das Prädikat des komplett neutralen Lenkverhaltens. Das überschaubare Ausmaß dieser Eigenheit und die starke Nähe oder sogar Deckungsgleichheit zu den wesentlichen fahrdynamischen Eckdaten der Geschwister legen nahe, dass der aufgezogene Dunlop Roadsport 2 hier mit dem E-Fahrwerk vielleicht etwas weniger gut harmoniert als mit den konventionellen Federelementen. Penible Luftdruckkontrolle und EERA-Einstellexperimente brachten jedenfalls keine schnelle Linderung.
Brems-Performance der Suzuki GSX-S 1000 GX
So oder so, zwischen den Kurven muss auch geankert werden. Die Brembos an der Front der Suzuki GSX-S 1000 GX sind für ein Motorrad dieser Powerliga etwas zahm abgestimmt. Die reine Stopping Power ist adäquat, bedarf aber hoher Handkräfte, um voll abgerufen zu werden. Natürlich leidet auch die Dosierungsfähigkeit ein wenig darunter. Dazu passend und ebenso bekannt: das defensiv abgestimmte, nicht einstellbare ABS, das Sicherheit deutlich gegenüber Bremsweg priorisiert. Tja, GSX bleibt GSX, aber Japaner bleiben halt auch Japaner.